VfGH G35/92

VfGHG35/9217.6.1992

Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen des Wr Dienstgeberabgabegesetzes mangels Legitimation; Zumutbarkeit der Beschreitung des Verwaltungsrechtsweges

Normen

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
Wr DienstgeberabgabeG §1
Wr DienstgeberabgabeG §4
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
Wr DienstgeberabgabeG §1
Wr DienstgeberabgabeG §4

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. 1. Der Beschwerdeführer ist nach eigener Darstellung Rechtsanwalt in Wien und beschäftigt in der Regel zumindest einen Dienstnehmer. Er beantragt gemäß Art140 B-VG die Aufhebung der §§1 und 4 des Gesetzes vom 24. April 1970 über die Einhebung einer Dienstgeberabgabe, LGBl. für Wien Nr. 17, als verfassungswidrig.

Die angefochtenen Bestimmungen haben folgenden Wortlaut:

"§1 Für das Bestehen eines Dienstverhältnisses in Wien hat der Dienstgeber eine Abgabe nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zu entrichten."

"§4 Abgabepflichtig ist jeder Dienstgeber (physische oder juristische Person), der mindestens einen Dienstnehmer im Sinne des §1 beschäftigt."

§5 setzt die Höhe der zu leistenden Abgabe fest. Gemäß §6 ist diese vom Abgabepflichtigen im Wege der Selbstbemessung zu entrichten. Handlungen oder Unterlassungen, durch die die Abgabe hinterzogen oder fahrlässig verkürzt wird, sind als Verwaltungsübertretungen zu bestrafen (§8).

2. Der Beschwerdeführer erachtet sich unmittelbar durch die seiner Meinung nach verfassungswidrigen §§1 und 4 des Wiener Landesgesetzes, LGBl. 17/1970, in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt, da er ex lege ohne Zwischenschaltung eines Verwaltungsaktes zur Abgabeerklärung und Abgabeentrichtung verpflichtet ist.

3. Die Wiener Landesregierung hat eine Äußerung erstattet und die Zurückweisung des Antrages beantragt.

II. Der Antrag ist unzulässig.

1. Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 B-VG setze voraus, daß durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und daß der durch Art140 Abs1 B-VG dem einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 10481/1985, 11684/1988).

2. Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist hier ein solcher gegeben.

Wie sich nämlich schon aus den Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes in den gleichfalls eine Selbstbemessungsabgabe betreffenden Beschlüssen (vgl. zB VfSlg. 9571/1982, 9867/1983) ergibt, hätte der Antragsteller die Möglichkeit, einen Antrag auf Rückerstattung der von ihm im Wege der Selbstbemessung entrichteten Abgabe nach dem angegriffenen Gesetz mit der Begründung zu stellen, die Abgabeentrichtung hätte sich im Hinblick auf die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes als unrichtig erwiesen.

Bei Beschreitung diese Weges befände sich der Antragsteller, was seine Verpflichtung zur Entrichtung inzwischen fällig gewordener Abgaben nach dem angefochtenen Gesetz betrifft, in keiner anderen Situation als jene Abgabepflichtigen, die die Rechtswidrigkeit von Steuerbescheiden rügen wollen. Dieser Weg ist dem Beschwerdeführer zumutbar und ermöglicht ihm, seine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die gesetzlichen Grundlagen der ihn treffenden Abgabepflicht an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

3. Der Antrag ist daher mangels Legitimation in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (§19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953).

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