Normen
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs5 / Fristsetzung
EStG 1988 §7, §8, §18 Abs6, §28
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs5 / Fristsetzung
EStG 1988 §7, §8, §18 Abs6, §28
Spruch:
1. Die Wortfolge "- wenn die Verluste durch ordnungsmäßige Buchführung ermittelt worden sind und" in §18 Abs6 des Bundesgesetzes vom 7. Juli 1988 über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988), BGBl. Nr. 400, sowie der letzte Satz dieser Bestimmung, jeweils in der Fassung BGBl. Nr. 201/1996, werden als verfassungswidrig aufgehoben.
2. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2011 in Kraft.
3. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.
4. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B192/09 eine
Beschwerde gegen einen Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Salzburg, (in der Folge: UFS) anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt: Die Beschwerdeführerin bezog seit dem Jahr 1991 im Rahmen einer Miteigentümergemeinschaft Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Bis zum Jahr 2005 handelte es sich dabei um positive Einkünfte in der Höhe von jährlich rund € 20.000,--. Auch im Jahr 2007 wurden für sie positive Einkünfte festgestellt (nämlich iHv € 25.139,56). Lediglich im Jahr 2006 wurde ein Verlust erzielt, weil in diesem Jahr - laut Vorbringen der Beschwerde - die Kosten für den "Abriss eines wenngleich baufälligen, so doch noch funktionsfähigen Gebäudes, das als Bestandobjekt diente," angefallen sind. Der auf die Beschwerdeführerin entfallende Verlustanteil betrug nach Ausgleich mit anderen Einkünften € 130.235,37. Die Berücksichtigung dieses Verlustes im Jahr 2007 im Wege des Verlustvortrages wurde von der belangten Behörde mit Hinweis darauf abgelehnt, dass die Möglichkeit eines Verlustabzuges durch §18 Abs6 EStG 1988 auf die betrieblichen Einkunftsarten beschränkt sei und daher für die hier vorliegenden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nicht bestehe.
2. Bei der Behandlung dieser Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der dem Bescheid zugrunde liegenden Rechtsvorschriften entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat aus Anlass dieses Verfahrens daher beschlossen, die Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "- wenn die Verluste durch ordnungsmäßige Buchführung ermittelt worden sind und" in §18 Abs6 EStG 1988, BGBl. 400, sowie des letzten Satzes dieser Bestimmung, jeweils in der Fassung BGBl. 201/1996, gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen zu prüfen.
3. Die maßgeblichen Bestimmungen stellen sich wie folgt dar (die in Prüfung gezogenen Wortfolgen sind hervorgehoben):
"6. ABSCHNITT
Sonderausgaben
§18. (1) Folgende Ausgaben sind bei der Ermittlung des Einkommens als Sonderausgaben abzuziehen, soweit sie nicht Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind: ...
(2) - (5) ...
(6) Als Sonderausgaben sind auch Verluste abzuziehen, die in einem vorangegangenen Jahr entstanden sind (Verlustabzug). Dies gilt nur,
- wenn die Verluste durch ordnungsmäßige Buchführung ermittelt worden sind und
- soweit die Verluste nicht bereits bei der Veranlagung für die vorangegangenen Kalenderjahre berücksichtigt wurden.
Die Höhe des Verlustes ist nach den §§4 bis 14 zu ermitteln.
(7) Bei einem Steuerpflichtigen, der den Gewinn nach §4 Abs3 ermittelt, können Verluste nach Abs6 berücksichtigt werden, wenn diese in den vorangegangenen drei Jahren entstanden sind."
[Die §§4 bis 14 EStG 1988 enthalten die Regeln über die steuerliche Gewinnermittlung, die im Hinblick auf §2 Abs4 Z1 leg.cit. nur für die betrieblichen Einkunftsarten vorzunehmen ist.]
§28 EStG 1988 lautet in der für das Jahr 2007 anwendbaren Fassung (auszugsweise):
"Vermietung und Verpachtung
§28. (1) Folgende Einkünfte sind, soweit sie nicht zu den Einkünften im Sinne des §2 Abs3 Z1 bis 5 gehören, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung:
1. Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung von unbeweglichem Vermögen und von Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen.
2. - 4. ...
(2) Aufwendungen für nicht regelmäßig jährlich anfallende Instandhaltungsarbeiten sind über Antrag gleichmäßig auf zehn Jahre zu verteilen. Bei Gebäuden, die Wohnzwecken dienen, gilt hinsichtlich der Instandsetzungsaufwendungen folgendes:
- Instandsetzungsaufwendungen, die unter Verwendung von entsprechend gewidmeten steuerfreien Subventionen aus öffentlichen Mitteln getätigt werden, scheiden insoweit aus der Ermittlung der Einkünfte aus.
- Soweit Instandsetzungsaufwendungen nicht durch steuerfreie Subventionen gedeckt sind, sind sie gleichmäßig auf zehn Jahre verteilt abzusetzen.
Instandsetzungsaufwendungen sind jene Aufwendungen, die nicht zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten gehören und allein oder zusammen mit Herstellungsaufwand den Nutzungswert des Gebäudes wesentlich erhöhen oder seine Nutzungsdauer wesentlich verlängern. Wird das Gebäude auf eine andere Person übertragen, dann können ab dem der Übertragung folgenden Kalenderjahr restliche Zehntelbeträge nicht mehr abgezogen werden. Nur bei Erwerb von Todes wegen kann der Rechtsnachfolger die Zehntelabsetzungen weiter geltend machen, wenn er die Absetzung für Abnutzung für das erworbene Gebäude vom Einheitswert (§16 Abs1 Z8) berechnet.
(3) Folgende Aufwendungen, soweit sie Herstellungsaufwand darstellen, sind über Antrag gleichmäßig auf fünfzehn Jahre verteilt abzusetzen:
1. Aufwendungen im Sinne der §§3 bis 5 des Mietrechtsgesetzes in Gebäuden, die den Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes über die Verwendung der Hauptmietzinse unterliegen.
2. Aufwendungen für Sanierungsmaßnahmen, wenn die Zusage für eine Förderung nach dem Wohnhaussanierungsgesetz, dem Startwohnungsgesetz oder den landesgesetzlichen Vorschriften über die Förderung der Wohnhaussanierung vorliegt.
3. Aufwendungen auf Grund des Denkmalschutzgesetzes. §8 Abs2 zweiter und dritter Satz gilt entsprechend.
Werden zur Finanzierung dieses Herstellungsaufwandes erhöhte Zwangsmieten oder erhöhte Mieten, die auf ausdrücklich gesetzlich vorgesehenen Vereinbarungen beruhen, eingehoben, dann kann der Herstellungsaufwand gleichmäßig auch auf die Laufzeit der erhöhten Mieten, mindestens aber gleichmäßig auf zehn Jahre verteilt werden. Wird das Gebäude auf eine andere Person übertragen, so können ab dem der Übertragung folgenden Kalenderjahr die restlichen Teilbeträge der auf zehn bis fünfzehn Jahre verteilten Herstellungsaufwendungen nicht mehr abgezogen werden. Nur bei Erwerb von Todes wegen kann der Rechtsnachfolger die restlichen Teilbeträge weiter geltend machen, wenn er die Absetzung für Abnutzung für das erworbene Gebäude vom Einheitswert (§16 Abs1 Z8 litb) berechnet.
(4) Der Ersatz von Aufwendungen gemäß §10 des Mietrechtsgesetzes kann über Antrag gleichmäßig auf zehn Jahre verteilt werden. Die beiden letzten Sätze des Abs2 gelten auch für diese Zehntelabsetzungen.
..."
4. Die Erwägungen, die den Verfassungsgerichtshof zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens veranlasst hatten, legte er in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar:
"... Vom Gesamtbetrag der Einkünfte können nach §18 Abs6
EStG 1988 als Sonderausgaben auch Verluste abgezogen werden, die in einem vorangegangenen Jahr entstanden sind (Verlustabzug). Dies allerdings nur dann, wenn die Verluste durch ordnungsmäßige Buchführung ermittelt worden sind und soweit die Verluste nicht bereits bei der Veranlagung für die vorangegangenen Kalenderjahre berücksichtigt wurden. Die Höhe des Verlustes ist nach den §§4 bis 14 EStG 1988 zu ermitteln. Seit dem KMU-Förderungsgesetz 2006, BGBl. I 104, können auch bei Steuerpflichtigen, die den Gewinn nach §4 Abs3 EStG 1988 (durch Einnahmen-Ausgaben-Rechnung) ermitteln, Verluste berücksichtigt werden, wenn sie in den vorangegangenen drei Jahren entstanden sind (§18 Abs7 leg.cit.).
Die Anordnungen, dass nur Verluste abgezogen werden können, die durch ordnungsmäßige Buchführung ermittelt worden sind, und dass die Höhe des Verlustes nach den §§4 bis 14 EStG 1988 zu ermitteln ist, haben zur Folge, dass der Verlustabzug auf die sog. betrieblichen Einkunftsarten (Land- und Forstwirtschaft, selbständige Arbeit, Gewerbebetrieb) beschränkt und bei diesen grundsätzlich bilanzierenden Steuerpflichtigen vorbehalten ist.
... Der Verfassungsgerichtshof hat den Ausschluss der
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung vom Verlustvortrag (Verlustabzug) im Erkenntnis VfSlg. 13.296/1992 als verfassungskonform angesehen. Er hielt dies im Hinblick darauf für unbedenklich,
'... daß im Rahmen der Überschußeinkünfte die
Einkunftsquelle selbst außer Betracht bleibt (vgl. auch Pokorny, Das Unrecht aus dem Steuerrecht, SWK 1984, 265 ff, 267); ferner Aufwendungen für nicht regelmäßig anfallende Instandhaltungsarbeiten nach §28 Abs2 EStG 1988 über Antrag gleichmäßig auf zehn Jahre zu verteilen sind und Instandsetzungsaufwendungen, die nicht durch steuerfreie Subventionen abgedeckt sind und nicht mit steuerfreien Beträgen zu verrechnen waren, gleichmäßig auf zehn Jahre verteilt abzusetzen sind, nach §28 Abs3 auch Herstellungsaufwand in näher bestimmten Fällen auf fünfzehn Jahre verteilt abzusetzen ist und nach §28 Abs5 für näher bestimmte Zwecke steuerfreie Beträge gebildet werden können. Im übrigen kommt die Absetzung für Abnutzung in Betracht (§§7 iVm 16 Abs1 Z8, insbes. lite).'
Der Verfassungsgerichtshof ging vor diesem Hintergrund davon aus, dass 'der Gesetzgeber damit [insgesamt] ein der Einkunftsart angepaßtes System der Berücksichtigung von Werbungskosten geschaffen [hat].'
Im Erkenntnis VfSlg. 17.091/2003 hatte sich der Verfassungsgerichtshof (am Rande, nämlich im Zusammenhang mit der Rechtfertigung des §20 Abs1 Z2 litf MRG) mit der Frage zu beschäftigen, ob der Wegfall der sog. steuerlichen Mietzinsrücklage an diesem Ergebnis etwas geändert hat. Er verneinte dies letztlich. Zwar habe die (nunmehr weggefallene) Möglichkeit, einen steuerfreien Betrag nach §28 Abs5 EStG 1988 zu bilden, in diesem 'der Einkunftsart angepassten System' eine Rolle gespielt. Ihr Wegfall habe die Rechtslage jedoch nicht verfassungswidrig gemacht. 'Wesentliche Bedeutung kam und kommt vielmehr den Verteilungsbestimmungen des §28 Abs2 und 3 EStG zu. Diese Vorschriften stellen weitgehend sicher, daß hohe Werbungskosten, die allenfalls zu Verlusten führen würden, steuerwirksam werden oder gemacht werden können.' (aaO, Seite 1238).
... Für den Verfassungsgerichtshof ist zweifelhaft, ob er
diese Beurteilung aufrecht erhalten kann.
Im Beschwerdefall liegen unstrittig einkommensteuerlich relevante Einkünfte aus Vermietung eines Grundstückes im Wege einer Miteigentumsgemeinschaft vor. Diese waren durch Jahrzehnte hindurch positiv; lediglich im Jahr 2006 wurde ein Verlust erzielt, und zwar nach dem Beschwerdevorbringen auf Grund der in diesem Jahr angefallenen Kosten des Abbruches eines noch funktionsfähigen Gebäudes zwecks Errichtung eines Neubaus. Derartige Abbruchkosten (einschließlich eines allfälligen Restbuchwertes des Altgebäudes) wurden von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und in der Praxis der Finanzverwaltung in der Vergangenheit grundsätzlich als aktivierungspflichtige Herstellungskosten des in der Folge neu errichteten Gebäudes betrachtet (VwGH 20.11.1964, 1754/63; VwSlg. 5493 F/1980; VwGH 26.4.1989, 89/14/0027). Ein Verlust aus Vermietung und Verpachtung im Abbruchjahr konnte bei dieser Sichtweise (sie wurde geläufigerweise als Opfertheorie bezeichnet) nicht entstehen, weil die Kosten durch Aktivierung neutralisiert wurden und sich erst in der Folge durch höhere Abschreibungen von den Herstellungskosten des neuen Gebäudes auswirkten. Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Opfertheorie in der jüngeren Rechtsprechung anscheinend aufgegeben (VwGH 25.1.2006, 2003/14/0107; vgl. dazu: Albrecht, Gebäudeabriss - Ende der Opfertheorie, ÖStZ 2006, 274; Werndl, Was bleibt von der Opfertheorie?, FS Doralt, Wien 2007, 515 [524]). Er vertritt in dem zitierten Erkenntnis die Auffassung, dass - jedenfalls bei einem nicht in Abbruchabsicht erworbenen, schon länger genutzten Gebäude - 'im Hinblick darauf, dass das Altgebäude einerseits und das Neugebäude andererseits ... nicht als das nämliche Wirtschaftsgut angesehen werden können', weder der Restbuchwert des alten Wirtschaftsgutes (Gebäudes) noch die Kosten seiner Beseitigung (seines Abbruches) bei den Herstellungskosten des neuen Wirtschaftsgutes (Gebäudes) zu aktivieren sind.
Auch im vorliegenden Beschwerdefall dürfte die belangte Behörde nicht von einer Aktivierung der Abbruchkosten ausgegangen sein; die Abzugsfähigkeit des letztlich daraus resultierenden Verlustes im Jahr 2007 hat sie unter Hinweis auf das Fehlen der Möglichkeit des Verlustabzugs für außerbetriebliche Einkünfte abgelehnt. Das dürfte dazu führen, dass die Beschwerdeführerin, da sie im Jahr 2006 nicht über Einkünfte aus anderen Einkunftsarten verfügte, die für einen Verlustausgleich hinreichend gewesen wären, mit den anteiligen Abbruchkosten, die unstrittig im Rahmen einer steuerlich relevanten Einkunftsart angefallen sind, endgültig belastet ist, dh. eine ESt-Belastung von bis zu 50 % des nicht ausgeglichenen Verlustes zu tragen hat. Bei Betrachtung der maßgeblichen Einkunftsquelle hat sie somit ein Einkommen zu versteuern, das sie - auf mehrere Jahre gesehen - gar nicht erzielt hat. Im Beschwerdefall wird sie anscheinend Miteigentümern gegenüber benachteiligt, für die im Jahr 2006 ebenfalls Verlustanteile festgestellt wurden, die aber in diesem Jahr über entsprechend hohe andere Einkünfte verfügten, die Verluste aus Vermietung ausgleichen konnten.
Diese Effekte, für die der Verfassungsgerichtshof vorderhand keine sachliche Rechtfertigung erkennen kann, dürften nicht nur Härtefälle betreffen und auch nicht nur im Gefolge der Aufgabe der 'Opfertheorie' durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auftreten, sondern immer dann, wenn im Zusammenhang mit einem Mietobjekt außerhalb des in §28 EStG 1988 berücksichtigten Investitionsbereiches hohe laufende Kosten anfallen oder unvorhersehbare Schäden auftreten, die im Jahr des Anfalles (des Schadensereignisses) steuerlich als Werbungskosten im Wege einer Absetzung für außergewöhnliche technische Abnutzung berücksichtigt werden müssen (vgl. dazu Rz. 6422 EStR idF AÖF 114/2006). Auch in diesen Fällen dürften die Regelungen des §28 EStG 1988, die lediglich eine Verteilungsmöglichkeit für bestimmte Investitionen vorsehen, nicht (mehr) geeignet sein, die Berücksichtigung hoher Werbungskosten in verfassungsrechtlich hinreichendem Maße zu gewährleisten.
... Der Verfassungsgerichtshof ist nicht in der Lage, durch
Aufhebung von Worten oder Wortfolgen in §28 EStG 1988 das dieser Einkunftsart angepasste System der Verlustberücksichtigung (wieder) herzustellen. Er ist vielmehr genötigt, jene Einschränkung des §18 Abs6 EStG 1988 in Prüfung zu ziehen, die den Verlustabzug auf die betrieblichen Einkunftsarten beschränkt, weil nur deren Aufhebung, sollten die Bedenken zutreffen, die Möglichkeit des Verlustabzuges bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung eröffnet."
5. Die Bundesregierung erstattete auf Grund ihres Beschlusses vom 22. Juni 2010 eine Äußerung, in der sie den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes entgegentritt und beantragt, der Gerichtshof wolle aussprechen, dass die in Prüfung gezogene Bestimmung nicht als verfassungswidrig aufgehoben wird. Für den Fall der Aufhebung stellt die Bundesregierung den Antrag, der Gerichtshof wolle für das Außer-Kraft-Treten eine Frist bis 31. Dezember 2011 bestimmen.
6. Die Bundesregierung stellt das Vorliegen der Prozessvoraussetzungen außer Streit.
In der Sache vertritt die Bundesregierung primär die Meinung, dass der Ausschluss des Verlustabzuges bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auf Grund von Unterschieden zwischen betrieblichen und außerbetrieblichen Einkunftsarten sachlich gerechtfertigt sei. Die Bundesregierung stellt dabei in den Vordergrund, dass Wertschwankungen im Vermögen grundsätzlich nur bei der Gewinnermittlung, somit bei betrieblichen Einkünften, erfasst werden. Die Bundesregierung räumt ein, dass außerordentliche Wertminderungen der Substanz im Rahmen einer Absetzung für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung auch bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung steuerwirksam werden. Dies sei jedoch im Hinblick auf die Nichterfassung von Wertsteigerungen im Rahmen dieser Einkunftsart verfassungsrechtlich nicht geboten; die gegenteilige Regelung wäre auch keine Verletzung des Leistungsfähigkeitsprinzips. Da es sich somit bei dieser Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung um eine Begünstigung handle, dürfe der Gesetzgeber ihre Berücksichtigung auf das Jahr der Wertminderung beschränken.
Die Bundesregierung referiert in der Folge die bisherige einschlägige Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zur Behandlung von Verlusten bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, erläutert, dass die (Verteilungs-)Regelungen des §28 EStG 1988 auch das Entstehen von Verlusten verhindern sollen und kritisiert vor diesem Hintergrund die Aufgabe der sog. "Opfertheorie" durch den Verwaltungsgerichtshof. Ein verfassungskonformes Besteuerungsergebnis lasse sich auch dadurch erzielen, dass Aufwendungen nicht sofort, sondern verteilt steuerlich wirksam werden.
Zusammenfassend kommt die Bundesregierung zu folgendem Ergebnis:
"Die Bundesregierung hält die in Prüfung gezogene Beschränkung des Verlustabzuges auf betriebliche Einkunftsarten auf Grund der Unterschiede zwischen betrieblichen und außerbetrieblichen Einkunftsarten für sachlich gerechtfertigt. Sie ist der Ansicht, dass eine Beschränkung der steuerlichen Wirksamkeit von Substanzeinbußen im Rahmen des Verlustausgleiches verfassungsrechtlich zulässig ist, da auch Substanzwertsteigerungen im Bereich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nicht steuerwirksam sind. Der Gesetzgeber überschreitet somit seinen Gestaltungsspielraum nicht, wenn er Verluste, die aus der sofortigen Abzugsfähigkeit von Kosten aus dem Gebäudeabbruch resultieren, nicht in künftigen Steuerjahren zum Abzug zulässt.
Für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof dieser Ansicht nicht folgen sollte, wird hilfsweise eine verfassungskonforme Interpretation der geltenden Rechtslage durch Beibehaltung der Opfertheorie vorgeschlagen. Die im Anlassfall entstandenen Verluste, deren Nichtberücksichtigung auf die Judikaturänderung des Verwaltungsgerichtshofes zurückzuführen ist, wären nach Ansicht der Bundesregierung bei einer Aufrechterhaltung der Opfertheorie nicht entstanden. Eine derartige Interpretation ist sowohl vom Telos als auch der Systematik der Aufwandsverteilung in §28 EStG 1988 getragen. Durch Aktivierung eines allfälligen Restwertes und der Abbruchkosten des Altgebäudes auf die Herstellungskosten des Neubaus könnten derartige nicht ausgleichsfähige Verluste nicht eintreten.
Jedenfalls nach dieser Interpretation wäre die vom Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg 13.296/1992 vertretene Rechtsansicht, wonach der Ausschluss der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung vom Verlustvortrag als verfassungskonform erachtet wurde, auf Grund des immer noch der Einkunftsart angepassten Systems der Berücksichtigung von Werbungskosten weiterhin überzeugend.
Zusammenfassend wird daher festgehalten, dass aus Sicht der Bundesregierung eine Verfassungswidrigkeit der in Prüfung gezogenen Wortfolge '- wenn die Verluste durch ordnungsgemäße Buchführung ermittelt worden sind und' in §18 Abs6 EStG 1988, BGBl. Nr. 400, sowie des letzten Satzes dieser Bestimmung, jeweils in der Fassung BGBl. Nr. 201/1996, nicht gegeben ist."
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Zur Zulässigkeit:
Die Bundesregierung hat die Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen ausdrücklich bejaht und auch das Vorliegen der sonstigen Prozessvoraussetzungen nicht bestritten.
Das Gesetzesprüfungsverfahren ist daher zulässig.
2. In der Sache:
2.1. Die Bundesregierung hält die Beschränkung des Verlustabzuges auf betriebliche Einkunftsarten im Hinblick auf die Unterschiede zu den außerbetrieblichen Einkunftsarten für sachlich gerechtfertigt. Sie ist der Ansicht, dass der Gesetzgeber die steuerliche Wirksamkeit von Substanzeinbußen im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ausschließen könnte, da auch Substanzwertsteigerungen im Bereich dieser Einkünfte nicht steuerwirksam seien. Der Gesetzgeber überschreite daher seinen Gestaltungsspielraum nicht, wenn er Verluste, die aus solchen Substanzeinbußen bzw. aus den Kosten eines Gebäudeabbruchs resultieren, nur im laufenden Jahr berücksichtige und nicht in künftigen Steuerjahren zum Abzug zulasse.
2.2. Der Bundesregierung ist insoweit zu folgen, als das EStG 1988 in der Tat bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung - anders als grundsätzlich bei den betrieblichen Einkunftsarten - keine umfassende steuerliche Wirksamkeit von Wertänderungen der der Einkünfteerzielung gewidmeten Vermögensgegenstände vorsieht. Insbesondere werden Gewinne aus der Veräußerung des Mietobjektes nicht als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erfasst, sondern nur unter den speziellen Bedingungen des §30 leg.cit. als Spekulationsgewinn besteuert. Auch Wertminderungen des Grund und Bodens werden bei dieser Einkunftsart grundsätzlich nicht steuerwirksam. Dessen ungeachtet gehören aber gemäß §16 Abs1 Z8 EStG 1988 zu den Werbungskosten, die bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen sind, auch "Absetzungen für Abnutzung und für Substanzverringerung (§§7 und 8)". Nach §8 Abs4 EStG 1988 sind nicht nur normale Absetzungen für Abnutzung, sondern darüber hinaus auch Absetzungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung zulässig. Wie die Bundesregierung selbst einräumt, sind daher nach der geltenden Rechtslage außerordentliche Wertminderungen eines Mietobjektes im Rahmen dieser Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung steuerlich wirksam und als Werbungskosten abzuziehen.
Der Verfassungsgerichtshof kann es dahingestellt sein lassen, ob aus verfassungsrechtlicher Sicht die Berücksichtigung solcher Aufwendungen im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung geboten ist oder ihre Beseitigung - wie die Bundesregierung meint - zulässig wäre. Unbestritten ist, dass im Fall eines Gebäudeabbruches nach der geltenden Rechtslage sowohl die Werteinbuße (Restbuchwert) als auch die Abbruchkosten, somit Aufwendungen, die im Allgemeinen eine beträchtliche Höhe erreichen, als Werbungskosten in Betracht kommen. Bisher konnten sie durch Anwendung der sog. "Opfertheorie" in der Regel auf einen längeren Zeitraum verteilt werden. Nach Aufgabe dieser "Theorie" handelt es sich um Werbungskosten, die nicht mehr durch Aktivierung verteilt werden, für die auch §28 EStG 1988 keine Verteilungsmöglichkeit vorsieht und für die ein Verlustvortrag nach §18 leg.cit. ausgeschlossen ist. Die daraus resultierenden Effekte hielt der Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluss mit näherer Begründung für unsachlich; das Prüfungsverfahren hat diese Bedenken nicht zerstreut.
2.3. Die Bundesregierung schlägt hilfsweise eine verfassungskonforme Interpretation der geltenden Rechtslage durch Beibehaltung der "Opfertheorie" vor. Die im Anlassfall ausgewiesenen Verluste, deren Nichtberücksichtigung auf die Judikaturänderung des Verwaltungsgerichtshofes zurückzuführen ist, wären nach Ansicht der Bundesregierung bei einer Aufrechterhaltung der "Opfertheorie" nicht entstanden. Eine derartige Interpretation sei sowohl vom Telos als auch von der Systematik der Aufwandsverteilung in §28 EStG 1988 getragen.
2.4. Die Bundesregierung übersieht bei dieser Argumentation, dass die (Änderung der) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur steuerlichen Behandlung von Abbruchkosten auf systematischen Erwägungen zum Begriff der Anschaffungs- und Herstellungskosten und auf wirtschaftlichen Erwägungen beruht, nicht aber von Überlegungen der Verlustverwertung getragen ist (vgl. auch jüngst VwGH 24.6.2010, 2008/15/0179). Ob und welche steuerlichen Auswirkungen die Aufgabe der sog. "Opfertheorie" im Hinblick auf Verlustausgleich und -vortrag hat, spielt für den Verwaltungsgerichtshof keine Rolle. In der Tat hängen diese Auswirkungen von der Einkünftesituation des Steuerpflichtigen im Einzelfall ab. Es besteht daher auch für den Verfassungsgerichtshof keine Veranlassung oder Möglichkeit, der neuen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Wege einer verfassungskonformen Interpretation der Rechtslage entgegenzutreten, zumal die steuerliche Qualifikation der Abbruchkosten im Abbruchjahr zu erfolgen hat, die verfassungsrechtlich bedenklichen steuerlichen Auswirkungen aber in der Nichtberücksichtigung von Verlusten in den Folgejahren bestehen. Im Übrigen beschränkten sich die im Prüfungsbeschluss geäußerten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes nicht auf Abbruchkosten (im weiteren Sinn), sondern bezogen sich allgemein auf hohe laufende Kosten oder unvorhersehbare Schäden im Zusammenhang mit Mietobjekten, die durch die Verteilungsregeln des §28 EStG 1988 offenbar nicht hinreichend berücksichtigt werden.
2.5. Der Verfassungsgerichtshof stimmt mit der Bundesregierung darin überein, dass der Gesetzgeber mit §28 EStG 1988 (u.a.) bezweckt, durch Verteilungsregeln für verschiedene Aufwandskategorien Verluste nicht entstehen zu lassen (womit insoweit spezielle Regeln über einen Verlustvortrag entbehrlich werden). Für außerordentliche Wertverluste oder ungewöhnliche Kosten außerhalb des Investitionsbereiches sind solche Verteilungsregeln aber gegenwärtig nicht vorgesehen. Der Verfassungsgerichtshof bleibt daher dabei, dass §28 leg.cit. in der derzeitigen Fassung für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung kein hinreichend angepasstes System der Verlustberücksichtigung enthält. Nur wenn dies der Fall wäre, fielen aber die Bedenken gegen die in Prüfung gezogene Norm weg.
3. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes haben sich somit bestätigt. Die Aufhebung der in Prüfung gezogenen Wortfolgen vermag diese Bedenken zu beseitigen. Die nach Aufhebung verbleibende Rechtslage ermöglicht es, auch bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung einen Verlustabzug geltend zu machen.
III. 1. Die Bestimmung einer Frist für das Außer-Kraft-Treten der aufgehobenen Gesetzesstellen gründet sich auf Art140 Abs5 dritter und vierter Satz B-VG. Die Bundesregierung hat die Notwendigkeit einer legislativen Neuregelung des von der Aufhebung betroffenen Regelungsbereichs plausibel dargelegt. Der Verfassungsgerichtshof hält eine solche Neuregelung (die offenbar sowohl in §18 Abs6 als auch in §28 EStG 1988 ansetzen könnte) schon deswegen für erforderlich, weil bei Verzicht darauf ein Spannungsverhältnis zwischen der Verlustberücksichtigung bei außerbetrieblichen Einkünften und den in §18 Abs7 EStG 1988 geregelten Fällen entstünde. Ebenso ist es nachvollziehbar, dass eine Gesetzesänderung dieser Art nicht unterjährig in Kraft treten sollte.
2. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art140 Abs6 erster Satz B-VG.
3. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art140 Abs5 erster Satz B-VG und §64 Abs2 VfGG iVm §3 Z3 BGBlG.
4. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
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