Normen
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
KStG §8 Abs3 Z2
KStG §13
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
KStG §8 Abs3 Z2
KStG §13
Spruch:
Der zweite Satz in §8 Abs3 Z2 und der §13 Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401, werden als verfassungswidrig aufgehoben.
Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.
Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. §8 Abs3 KörperschaftsteuerG 1988, BGBl. 401, bestimmt unter anderem, daß eine Einkommensverwendung auch anzunehmen ist bei
"2. Rückvergütungen, die von Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften in Form von Kaufpreisrückvergütungen, Kaufpreisnachzahlungen oder Unkostenvergütungen gewährt werden und aus dem Mitgliedergeschäft erwirtschaftet wurden. Dies gilt auch für Rückvergütungen der Verbrauchergenossenschaften, die das im §13 genannte Höchstausmaß übersteigen.".
§13 KStG 1988 lautet:
"Verbrauchergenossenschaften können bei der Ermittlung des Gewinnes Vergütungen abziehen, die bei Beginn des Wirtschaftsjahres dem Grunde und der Höhe nach feststehen und den Mitgliedern daher bei Bezug der Ware einen genau bezeichneten Rechtsanspruch auf die Auszahlung der Rückvergütung gewähren, soweit sie 1% des Mitgliederumsatzes nicht übersteigen."
1. Unter Berufung auf diese Bestimmungen verweigert der beim Verfassungsgerichtshof zu B130/93 angefochtene Berufungsbescheid der beschwerdeführenden Lagerhausgenossenschaft die Anerkennung einer im Geschäftsjahr 1991 an ihre Mitglieder ausgezahlten Warenrückvergütung von 232.591 S (1 % des unbaren Mitgliederumsatzes).
Die beschwerdeführende Genossenschaft erachtet sich durch die Anwendung dieser Bestimmungen im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt. Verfassungsrechtlich sei zwar eine Differenzierung zwischen Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften einerseits und Kapitalgesellschaften andererseits geboten, eine sachliche Rechtfertigung für die durch §13 KStG 1988 bewirkte Besserstellung von Verbrauchergenossenschaften gegenüber anderen Genossenschaften sei jedoch nicht zu erkennen.
Die Gegenschrift, in der zunächst behauptet wird, die gewährte Rückvergütung stehe in keinem Verhältnis zu den Gewinnen aus den ihr zugrundeliegenden Umsätzen aus Mitgliedergeschäften und das Betriebsergebnis weiche in diesem Wirtschaftsjahr von dem früherer Zeiträume ungewöhnlich positiv ab - weshalb die Rückvergütungen offensichtlich wesentliche Gewinnausschüttungen aus anderen Mitglieder- und Nichtmitgliedergeschäften enthielten -, sucht die besondere Behandlung der Verbrauchergenossenschaft mit der Tatsache zu rechtfertigen, daß die Abnehmer anderer Genossenschaften typischerweise Unternehmer seien, die nicht (nur) für den persönlichen Bedarf, sondern vorwiegend für Zwecke ihres Betriebes einkauften. Damit knüpft sie an eine bereits im Verfahren zu B1408/90 (über eine das vorangegangene Wirtschaftsjahr betreffende Beschwerde, bei deren Erledigung zu diesen Fragen allerdings mangels Präjudizialität nicht Stellung zu nehmen war) vorgetragene Überlegung an, daß diese Abnehmer - im Unterschied zu den Abnehmern der Verbrauchergenossenschaften - die Abnahmemengen je nach Geschäftstüchtigkeit beliebig vermehren können und die Genossenschaft im Hinblick auf die vergleichweise geringe Zahl von Mitgliedern mit einem kleineren Verwaltungs- und Vertriebsapparat auskomme, während den Abnahmemengen der Verbraucher natürliche Grenzen gesetzt seien, sodaß sie für einen vergleichbaren Umsatz eine größere Anzahl von Mitgliedern und einen größeren Verwaltungs- und Vertriebsapparat benötigten.
2. Der Verfassungsgerichtshof ist vorläufig davon ausgegangen, daß die Beschwerde zulässig ist und er daher bei ihrer Beurteilung angesichts des Umstandes, daß der Anspruch (anders als im vorangegangenen Wirtschaftsjahr) nunmehr vor Beginn des Wirtschaftsjahres dem Grunde und der Höhe nach festgesetzt war, §13 KStG 1988 dergestalt anzuwenden hätte, daß der dort ermöglichten Vorgangsweise nur mehr der Umstand entgegensteht, daß es sich bei der beschwerdeführenden Genossenschaft um keine Verbrauchergenossenschaft handelt.
Er hat daher aus Anlaß des Beschwerdeverfahrens die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der genannten Vorschrift beschlossen und folgende Bedenken geäußert:
"§13 KStG 1988 begünstigt Verbrauchergenossenschaften gegenüber allen anderen Genossenschaften. Dagegen hat der Gerichtshof das Bedenken, daß die unterschiedliche Behandlung von Rückvergütungen der sachlichen Rechtfertigung entbehrt und daher gleichheitswidrig ist. Es scheint, daß der typischerweise höhere Prozentsatz an Letztverbrauchergeschäften kein ausreichender Grund für eine solche Begünstigung ist. Insbesondere scheint auch der von der Behörde ins Treffen geführte Unterschied in bezug auf die Möglichkeit der Vergrößerung der Absatzmenge nicht zu bestehen, denn weder können Wirtschaftstreibende ihre Abnahmemengen 'je nach Geschäftstüchtigkeit beliebig vermehren', noch sind den Abnahmemengen der Verbraucher so feste 'natürliche Grenzen' gesetzt, daß sie durch Geschäftstüchtigkeit nicht erhöht werden könnten. Im Gegenteil scheinen sogar Verbrauchergenossenschaften eher die Möglichkeit zu haben, zusätzliche Mitglieder zu gewinnen, während der potentielle Mitgliederkreis von Erwerbsgenossenschaften von vornherein beschränkt ist. Und es ist vorläufig auch nicht erkennbar, warum der höhere Aufwand des Detailverkaufs neben höheren Preisen auch eine höhere Gewinnspanne erfordert. Es ist daher die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes zu prüfen."
Im Verfahren haben die Bundesregierung und die belangte Behörde des Anlaßverfahrens Äußerungen erstattet.
II. Das Gesetzesprüfungsverfahren ist
zulässig. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes sind auch begründet. Der zweite Satz des §8 Abs3 Z2 und §13 KStG 1988 verstoßen gegen den Gleichheitssatz.
1. Das Verfahren hat nichts ergeben, was gegen die Zulässigkeit der Anlaßbeschwerde und die Präjudizialität der in Prüfung gezogenen, sachlich zusammenhängenden Vorschriften spräche oder sonst einer materiellen Erledigung entgegenstünde.
2. Die Bundesregierung gibt in ihrer Äußerung folgendes zu erwägen:
"2.1 Die nach österreichischem Genossenschaftsrecht errichteten Genossenschaften unterscheiden sich ganz allgemein von anderen juristischen Personen des privaten Rechtes, und vor allem von den Kapitalgesellschaften dadurch, daß von ihrer Rechtsnatur her die Erzielung von eigenen Gewinnen nicht im Vordergrund steht, ihnen vielmehr die Förderung der Wirtschaft und des Erwerbes ihrer Mitglieder als Zweck aufgetragen ist. Berücksichtigt man diesen Umstand und die in den folgenden Punkten 2.2 und 2.3 näher behandelten Unterschiede zwischen Verbrauchergenossenschaften einerseits und anderen Genossenschaften andererseits, so wird deutlich, daß die in Prüfung gezogene Regelung in Wirklichkeit ein Mittel zur Herstellung annähernd gleicher Besteuerungsniveaus darstellt.
2.2 (Landwirtschaftliche) Lagerhausgenossenschaften - wie die Beschwerdeführerin im Verfahren B130/93 - treten in ihrem Zweckgeschäft ihren Mitgliedern regelmäßig sowohl als Einkäufer als auch als Verkäufer gegenüber. Sie fungieren also einerseits als Absatz- und Verwertungsgenossenschaften, indem sie die Produkte der Mitgliedsbetriebe übernehmen und den gewerblichen Verarbeitungsbetrieben oder anderen Händlern weiterleiten, und andererseits als Einkaufsgenossenschaften, indem sie Betriebsmittel und in geringerem Umfang auch Konsumgüter für ihre Mitglieder beschaffen. Aus dieser 'Doppelnützigkeit' ergibt sich für solche Genossenschaften die Möglichkeit der Erfüllung ihres Förderungszwecks sowohl durch die Festlegung günstiger Übernahmspreise, als auch durch günstige Abgabepreise. Wenn eine Lagerhausgenossenschaft als eine Absatz- und Verwertungsgesellschaft tätig wird, so kommen schon auf Grund ihrer Geschäftsausrichtung nur ihre bäuerlichen Mitgliedsbetriebe als Lieferanten in Frage. Bei diesen Geschäften kann die Genossenschaft Übernahmspreise festsetzen und zahlen, die über dem Preisniveau auf dem Markt liegen und die damit einen Transfer von in anderen Geschäften erzielten Gewinnen an Mitglieder bewirken. Die so weitergeleiteten Gewinne scheinen bei der Genossenschaft nicht als Einnahme auf und werden damit auch nicht besteuert.
Verbrauchergenossenschaften ist diese Möglichkeit nicht gegeben, weil sie ihren Mitgliedern gegenüber nur als Verkäufer auftreten, von ihnen aber keine Waren kaufen. Auch eine allgemeine Senkung der Preise zur Förderung der Mitglieder kommt nicht in Betracht, weil sie ja auch Nicht-Mitgliedern zugutekommen und damit an der Zielsetzung der Genossenschaft vorbeigehen würde. Unter diesem Blickwinkel erscheint die ohnedies auf ein äußerst moderates Maß zurückgeführte Begünstigung der Verbrauchergenossenschaften hinsichtlich der Mitgliederrückvergütung als ein notwendiger Ausgleich, um ihnen eine dem Niveau der anderen Genossenschaften, - insbesondere der landwirtschaftlichen Lagerhausgenossenschaften - vergleichbare Erfüllung ihres Förderungszweckes zu ermöglichen".
Die Grenze von 1 % des Mitgliederumsatzes sei gerechtfertigt, weil
"... die Preisgestaltung einer Genossenschaft beim Absatz- oder Verwertungsgeschäft nur in bestimmten Grenzen zur Minderung der Steuerbelastung der Genossenschaft einsetzbar ist. Die Übernahmspreise müssen nämlich so festgelegt werden, daß sie an der oberen Grenze des durch den 'Fremdenvergleichsgrundsatz' vorgegebenen Limits liegen. Sonst könnte der Genossenschaft eine verdeckte Einkommensverwendung (Gewinnausschüttung) durch 'aktive Preispolitik' - also die Umgehung steuerrechtlicher Bestimmungen - vorgeworfen werden".
Im übrigen sei die Beseitigung der Begünstigung für Warenrückvergütungen (bis auf die hier in Rede stehende der Verbrauchergenossenschaften) vor dem Hintergrund der Steuerreform 1988 zu sehen, welche die vorher bestandene kumulative Besteuerung der Körperschaften beseitigt habe.
Die belangte Behörde des Anlaßverfahrens weist überdies darauf hin, daß die Unternehmer als Mitglieder der Genossenschaften (durch Entnahme zum entsprechenden Teilwert) den Preisvorteil des Großhandels auch für den persönlichen Bedarf nützen können.
3. Die Überlegungen der Bundesregierung vermögen die Bedenken des Gerichtshofes nicht zu zerstreuen. §13 KStG 1988 erlaubt es den Verbrauchergenossenschaften, ihren Mitgliedern eine - als Betriebsausgabe abzugsfähige - Rückvergütung in Höhe von 1 % des Mitgliederumsatzes zukommen zu lassen. Diese Genossenschaften haben damit die Möglichkeit, einen Teil ihres Gewinnes statt in Form einer steuerneutralen Einkommensverwendung in Form einer abzugsfähigen Betriebsausgabe an die Mitglieder weiterzuleiten. Damit verbessert sich vergleichsweise die ertragsteuerliche Situation solcher Genossenschaften, zugleich bedeutet die Regelung für potentielle Kunden einen - wenn auch sicher bescheidenen - Anreiz, die Mitgliedschaft bei einer Verbrauchergenossenschaft zu erwerben.
Den ebenfalls im Einzelhandel tätigen Lagerhausgenossenschaften ist dieser Weg verschlossen. Wenn die Bundesregierung dies damit zu begründen versucht, daß den Lagerhausgenossenschaften - anders als den Verbrauchergenossenschaften - statt dessen die Möglichkeit der aktiven Preispolitik im Absatzgeschäft (d.h. bei Ankauf und Verwertung der Produkte der Mitglieder) offensteht, so ist daran zwar richtig, daß Verbrauchergenossenschaften mit ihren Mitgliedern solche Geschäfte nicht abschließen und in diesem Bereich daher Gewinnverlagerungen bei ihnen von vornherein ausscheiden. Der Gerichtshof ist jedoch der Meinung, daß die Preisgestaltung im Absatzgeschäft für die Lagerhausgenossenschaften kein adäquates Gegengewicht zur Abzugsfähigkeit der Rückvergütung darstellt. Eine dem begünstigten Rückvergütungsausmaß entsprechende (1%ige) aktive Preispolitik im Absatzgeschäft könnte - sofern sie nach den Marktverhältnissen überhaupt in Betracht kommt und tatsächlich praktiziert wird - einen Ausgleich für die Abzugsfähigkeit einer Rückvergütung offensichtlich nur bilden, wenn zumindest annähernde Übereinstimmung zwischen Bezugs- und Absatzgeschäft bestünde, und zwar nicht nur gesamthaft für die Genossenschaft betrachtet, sondern auch in bezug auf das einzelne Mitglied: Soll dem einzelnen Mitglied ein Vorteil in Höhe von 1 % seiner Einkäufe im Bezugsgeschäft im Wege der aktiven Preispolitik im Absatzgeschäft (durch Erhöhung der Einkaufspreise um 1 %) zugewendet werden, müßte das Mitglied um den gleichen Betrag an die Genossenschaft liefern. Bezug von der Genossenschaft und Absatz an die Genossenschaft müßten sich zumindest annähernd die Waage halten. Daß diese Annahme unrealistisch ist, läßt sich aus den veröffentlichten Daten über die Geschäftstätigkeit der Lagerhausgenossenschaften ableiten (vgl. Geschäftsberichte des Österreichischen Raiffeisenverbandes). Danach betrugen im Geschäftsjahr 1993 die Umsätze der Raiffeisen-Lagerhausgenossenschaften im Absatzgeschäft (Verwertung der Produkte der Mitglieder) rund 5,9 Milliarden S, die Umsätze im Bezugsgeschäft hingegen 26,9 Milliarden S, wobei die Gesamtdifferenz im Zeitablauf größer wird (das Absatzgeschäft somit relativ immer mehr an Bedeutung verliert). Die Verhältnisse in den einzelnen Bundesländern sind nach diesen statistischen Daten ganz unterschiedlich. Vielfach wird ein Verhältnis zwischen Absatz- und Bezugsgeschäft von 1 : 10 erreicht oder überschritten. Selbst wenn man im Bezugsgeschäft einen Anteil von Nichtmitgliedergeschäften berücksichtigt, bedeutet dies, daß - im Durchschnitt betrachtet - im Absatzgeschäft Preisvorteile in Höhe von 5 bis 10 % eingeräumt werden müßten, um ein Äquivalent für eine 1%ige Rückvergütung im Bezugsgeschäft zu erlangen.
Wie die Bundesregierung selbst einräumt, wäre jedoch in einem solchen Fall der Genossenschaft eine verdeckte Gewinnausschüttung, also eine Umgehung steuerrechtlicher Vorschriften, vorzuwerfen. Das entspricht auch der offenbar herrschenden Auffassung in der steuerrechtlichen Literatur, die die aktive Preispolitik der Genossenschaften schlechthin als verdeckte Gewinnausschüttung wertet (vgl. Bauer/Quantschnigg, Die Körperschaftsteuer, Kommentar zum KStG 1988, §8 Rz 29.7 mit weiteren Nachweisen). Eine Vorgangsweise, die steuerrechtlich als verdeckte Gewinnausschüttung zu beurteilen ist, kann - auch wenn sie, wie der Vertreter der Bundesregierung in der mündlichen Verhandlung ausführte, in der Praxis vielfach nicht aufgegriffen wird - keinesfalls als Äquivalent für eine gesetzlich zum Abzug zugelassene Betriebsausgabe angesehen werden. Das entscheidende Argument der Bundesregierung, die Lagerhausgenossenschaften könnten im Wege einer steuerlich unbeachtlichen, das heißt nicht als verdeckte Gewinnausschüttung gewerteten aktiven Preispolitik im Absatzgeschäft denselben Effekt erzielen wie die Verbrauchergenossenschaften durch Abzug der 1%igen Rückvergütung, trifft somit nicht zu.
Die Annahme des Gerichtshofes, daß Unterschiede in bezug auf die Vergrößerung der Absatzmenge nicht bestehen dürften, ist im Verfahren nicht entkräftet worden.
4. Der Verfassungsgerichtshof hat im Prüfungsbeschluß vorläufig angenommen, daß die Aufhebung des gesamten §13 KStG 1988 - und des auf ihn verweisenden zweiten Satzes in §8 Abs3 Z2 KStG 1988 - und damit der Begünstigung von Verbrauchergenossenschaften der geringere Eingriff in das gesetzgeberische Konzept ist, als wenn die Ausnahme zur Regel für alle Genossenschaften wird. Diese Annahme hat das Verfahren gleichfalls nicht widerlegt.
Die übrigen Aussprüche gründen sich auf Art144 Abs5 und 6 B-VG.
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