Normen
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
RAO §2 Abs2
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
RAO §2 Abs2
Spruch:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
1. Mit Antrag vom 4. Oktober 1990 beantragt Dr. J K, den dritten Satz (unklar ist, ob gegebenenfalls nur Teile desselben gemeint sind) des §2 Abs2 der Rechtsanwaltsordnung, RGBl. 96/1868, idF des Rechtsanwaltsprüfungsgesetzes, BGBl. 556/1985, als verfassungswidrig aufzuheben.
2. §2 der Rechtsanwaltsordnung in der zitierten Fassung hat folgenden Wortlaut (die bekämpfte Bestimmung ist hervorgehoben):
"Die zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft erforderliche praktische Verwendung hat in der rechtsberuflichen Tätigkeit bei Gericht und bei einem Rechtsanwalt zu bestehen; sie kann außerdem in der rechtsberuflichen Tätigkeit bei einem Notar oder, wenn die Tätigkeit für die Ausübung der Rechtsanwaltschaft dienlich ist, bei einer Verwaltungsbehörde, an einer Hochschule oder bei einem beeideten Wirtschaftsprüfer und Steuerberater bestehen. Die Tätigkeit bei der Finanzprokuratur ist der bei einem Rechtsanwalt gleichzuhalten. Die praktische Verwendung bei einem Rechtsanwalt ist nur anrechenbar, soweit diese Tätigkeit hauptberuflich und ohne Beeinträchtigung durch eine andere berufliche Tätigkeit ausgeübt wird.
Die praktische Verwendung im Sinne des Abs1 hat sieben Jahre zu dauern. Hievon sind im Inland mindestens neun Monate bei Gericht und mindestens fünf Jahre bei einem Rechtsanwalt zu verbringen. Hat ein Rechtsanwaltsanwärter vor Antritt der praktischen Verwendung bei einem Rechtsanwalt an einer inländischen Universität den akademischen Grad eines Doktors der Rechtswissenschaften nach dem Bundesgesetz vom 2. März 1978, BGBl. Nr. 140, über das Studium der Rechtswissenschaften erlangt, so beträgt der im ersten Satz genannte Zeitraum sechs Jahre und der bei einem Rechtsanwalt zu verbringende Zeitraum vier Jahre."
3. Der Antragsteller begründet seine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die bekämpfte Bestimmung damit, mit der Festsetzung unterschiedlicher Ausbildungszeiten für Rechtsanwaltsanwärter, je nach dem ob und wie sie das Jus-Studium nach den alten oder neuen Studienvorschriften absolviert und abgeschlossen hätten, werde durch §2 Abs2 der Rechtsanwaltsordnung Gleiches ungleich behandelt.
4. In der Sachverhaltsdarstellung und in Ausführungen zum Nachweis der Prozeßvoraussetzungen bringt der Antragsteller vor, am 3. Februar 1983 sei ihm von der Universität Linz der akademische Grad eines Doktors der Rechte verliehen worden. Er habe das Studium "nach der damals in Kraft stehenden Studienordnung über das Studium der Rechtswissenschaften absolviert und abgeschlossen". Es sei ihm "nicht möglich oder zumutbar" gewesen, den akademischen Grad eines Doktors der Rechtswissenschaften nach dem Bundesgesetz BGBl. 140/1978 zu erlangen. Vom 1. Dezember 1982 bis 31. Oktober 1983 sei er als Rechtspraktikant in Verwendung und vom 1. Dezember 1983 bis 3. Oktober 1988 als Notariatskandidat in rechtsberuflicher Tätigkeit gestanden. Seit dem 2. Jänner 1989 stehe er als Rechtsanwaltsanwärter bei einem Rechtsanwalt in Linz in Verwendung.
Der Antragsteller macht geltend, die angegriffene Gesetzesstelle berühre direkt seine Rechtssphäre und greife in diese ein. Durch die dargelegte Verfassungswidrigkeit werde seine Rechtssphäre im Hinblick auf sein "wirtschaftliches Fortkommen" verletzt, und dieser Eingriff in seine Rechtssphäre erfolge tatsächlich unmittelbar durch das Gesetz selbst. Der durch das Gesetz bewirkte Eingriff in seine Rechtssphäre sei nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt, und seine rechtlich geschützten Interessen seien aktuell beeinträchtigt. Es bestehe keine Möglichkeit, über den Weg der Erlassung eines Bescheides die angegriffene Gesetzesbestimmung zu bekämpfen, und es sei dem Antragsteller auch nicht zumutbar, "zur ansonsten gegebenen Zeit" die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte zu beantragen, den sodann ergehenden abweislichen Bescheid des Ausschusses der zuständigen Rechtsanwaltskammer mit Berufung an die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter zu bekämpfen und nach der dann zu erwartenden Abweisung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof zu erheben; allein aus zeitlichen Gründen würde er dadurch "schwere wirtschaftliche Nachteile" zu gewärtigen haben.
5. Der Individualantrag ist unzulässig.
Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 B-VG setze voraus, daß durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und daß der durch Art140 Abs1 B-VG dem einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (vgl. zB VfSlg. 10.481/1985).
Es erscheint nicht zumutbar, die vorliegende Rechtsfrage erst nach Ablauf der hier strittigen Frist nach durchgeführtem Verwaltungsverfahren über eine Beschwerde nach Art144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.
Die für die Zulässigkeit eines Individualantrages geforderte aktuelle Beeinträchtigung des Antragstellers liegt derzeit deshalb nicht vor, weil die Erfüllung der nach §2 Abs2 der Rechtsanwaltsordnung idF des BG BGBl. 556/1985 geforderten Voraussetzung der Tätigkeit bei einem Rechtsanwalt von 5 bzw. 4 Jahren noch nicht so nahe bevorsteht, daß die aktuelle Betroffenheit zu bejahen wäre; denn er hat diese Tätigkeit erst mit 2. Jänner 1989 begonnen (vgl. auch die Beschlüsse des VfGH vom 28. September 1989, G195, 196/88, und vom 12. Oktober 1989, G193, 194/88).
Der Antragsteller kann also nicht zu Recht behaupten, in seinen rechtlich geschützten Interessen, nämlich in seinem Interesse auf Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte, aktuell beeinträchtigt zu sein. Eine potentielle Beeinträchtigung, wie sie hier vorliegt, reicht aber für einen Individualantrag nach Art140 B-VG nicht aus.
Die Anfechtung ist daher unzulässig.
6. Der Antrag war demgemäß zurückzuweisen.
Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita und e VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
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