Normen
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
EStG §102 Abs2 Z2
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
EStG §102 Abs2 Z2
Spruch:
In §102 Abs2 Z2 des Einkommensteuergesetzes 1988 in der Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 1989, BGBl. Nr. 660, wird der letzte Satz als verfassungswidrig aufgehoben.
Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 30. Juni 1996 in Kraft.
Frühere Vorschriften treten nicht wieder in Wirksamkeit.
Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Durch ArtI Z47 des ersten Abschnittes des Abgabenänderungsgesetzes 1989 (AbgÄG 1989), BGBl. 660, wurde §102 Einkommensteuergesetz 1988 neu gefaßt. Abs2 lautet seither (in Prüfung gezogener Satz hervorgehoben):
"(2) Bei der Veranlagung beschränkt Steuerpflichtiger gilt folgendes:
1. Betriebsausgaben (§4 Abs4) oder Werbungskosten (§16) dürfen nur insoweit berücksichtigt werden, als sie mit diesen Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen.
2. Sonderausgaben (§18) sind abzugsfähig, wenn sie sich auf das Inland beziehen. Der Verlustabzug (§18 Abs6 und 7) steht nur für Verluste zu, die in inländischen Betriebsstätten entstanden sind, die der Erzielung von Einkünften im Sinne von §2 Abs3 Z1 bis 3 dienen. Er kann nur insoweit berücksichtigt werden, als er die nicht der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden Einkünfte überstiegen hat.
3. Die §§34, 35, 38, 41 und 105 sind nicht anwendbar."
1. Zwei in Deutschland ansässige - in Österreich beschränkt steuerpflichtige - Kommanditisten der B GesmbH & Co KG veräußerten am 27. Oktober 1989 mit Wirkung vom 31. Oktober 1989 ihre Anteile von je 40 % an den dritten Kommanditisten und dessen Ehefrau, die sich verpflichteten, auch die auf diese Veräußerung entfallende Einkommensteuer zu bezahlen; dies in der Erwartung, daß deren Bemessungsgrundlage durch die aus den Jahren 1982 bis 1988 vorgetragenen Verluste stark gemindert würde.
Das Finanzamt erhöhte jedoch mit Bescheid vom 29. November 1991 die für 1989 erklärten Einkünfte der Gesellschaft aus Gewerbebetrieb um 1,131.970 S bzw. 1,084.854 S: Durch die Nichtanerkennung der Verlustvorträge als Sonderausgabe aufgrund der Rechtslage nach dem AbgÄG 1989 hätte sich die Einkommensteuer und in weiterer Folge auch der Kaufpreis und Veräußerungsgewinn entsprechend erhöht.
Die gegen den Bescheid betreffend die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte für 1989 erhobene Berufung der Gesellschaft blieb erfolglos. Im einzelnen ist der Berufungsbescheid wie folgt begründet:
"Nach der Rechtslage des Einkommensteuergesetzes 1972 waren beschränkt Steuerpflichtige von der Inanspruchnahme des Sonderausgabenabzuges und somit auch von der Geltendmachung des Verlustvortrages ausgeschlossen. Das Einkommensteuergesetz 1988 hat den Ausschluß der beschränkt Steuerpflichtigen vom Sonderausgabenabzug beseitigt und sie damit berechtigt, inländische Betriebstättenverluste auf spätere Jahre vorzutragen. Das Abgabenänderungsgesetz 1989 hat die Sonderausgabenabzugsberechtigung wiederum einer Inlandsbindung unterworfen und die Verwertung der Auslandsverluste primär dem Heimatstaat zugewiesen. Nach §102 Abs2 Z. 2 EStG 1988 idF AbgÄG 1989 kann der Verlustabzug für in einer inländischen Betriebsstätte entstandenen Verlust nur insoweit berücksichtigt werden, als er die nicht der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden Einkünfte überstiegen hat. Der Verlustabzug steht dem Steuerausländer nach der geänderten Rechtslage also nur mehr dann zu, wenn der österreichische Betriebstättenverlust das übrige Welteinkommen übersteigt.
Daß dies der Fall wäre, hat der steuerliche Vertreter der Berufungsführerin nicht geltend gemacht. Zum einen reichte er mit den Steuererklärungen für das Jahr 1989 auch eine Berechnung der Veräußerungsgewinne ohne Berücksichtigung der Verlustvorträge der beschränkt steuerpflichtigen Gesellschafter ein und zum anderen bestätigte er auf telefonische Anfrage des Berichterstatters, daß positive ausländische Einkünfte zur Verfügung stehen würden und somit eine Verwertung der österreichischen Betriebstättenverluste in Deutschland möglich sei."
Mit der behaupteten Verfassungswidrigkeit des AbgÄG 1989 habe sich die Behörde nicht zu befassen. Auch aus dem Doppelbesteuerungsabkommen sei für die beschwerdeführende Gesellschaft nichts zu gewinnen:
"... Nach dem österreichischen Einkommensteuersystem verliert ein betrieblicher Verlust seinen steuerlichen Zusammenhang mit dem betreffenden Betrieb und ist im Wege des Verlustausgleiches mit den betriebsfremden übrigen Einkünften des Steuerpflichtigen zu saldieren. Die Verlustverwertung erfolgt sonach außerhalb der Gewinnermittlung des Betriebes; sie ist eine Maßnahme der Einkommensermittlung und nicht mehr der Einkünfteermittlung.
Die Verlustverwertung soll daher auch vorrangig jenem Staat überlassen werden, der das Gesamteinkommen besteuert. Reicht dieses zum Ausgleich der Verluste nicht aus, ist die subsidiäre Verwertung der inländischen Verluste in Österreich möglich. Dadurch ist der Steuerausländer dem Steuerinländer gleichgestellt, der von den Verlusten auf künftige Jahre ebenfalls nur das vortragen kann, was im laufenden Jahr nicht mit inländischen und ausländischen Einkünften ausgeglichen werden konnte (vgl. Loukota, Österr. Steuerzeitung 6/90, S 62 f und 14/90, S 162 ff)."
Abschließend bemerkt die Berufungsbehörde, die Angriffe gegen §102 EStG 1988 hätten in einer Berufung gegen den abgeleiteten Steuerbescheid der beiden beschränkt steuerpflichtigen Gesellschafter vorgebracht werden müssen, da die Abzugsfähigkeit von Verlusten als Sonderausgabe nur die Gesellschafter betreffe und die Auswirkung auf den bekämpften Bescheid nur Ausfluß der Kaufpreisgestaltung sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die gemeinsame Beschwerde der voll haftenden GesmbH, des verbliebenen Kommanditisten und dessen als Kommanditistin neu eingetretenen Ehefrau sowie des ausgeschiedenen Kommanditisten Dipl.Ing. M S, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und Gleichheit vor dem Gesetz wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes gerügt wird. Das am 29. Dezember 1989 kundgemachte AbgÄG 1989 wirke in verfassungswidriger Weise zurück, unterscheide unsachlich zwischen (besteuerten) Gewinnen und (vernachlässigten) Verlusten, setze sich willkürlich über die rechtskräftige Veranlagung von Verlusten hinweg und sei im Hinblick auf internationales Recht verfassungswidrig (B48/93).
2. Mit Bescheid vom 24. Februar 1992 schrieb das Finanzamt Dipl.Ing. M S die Einkommensteuer 1989 auf Basis der Veräußerung seiner Beteiligung ohne Berücksichtigung der Verluste 1982 bis 1988 vor. Gegen den abweisenden Berufungsbescheid vom 11. Dezember 1992 richtet sich eine gleichartig begründete gemeinsame Beschwerde des Dipl.Ing. M S sowie der beiden verbliebenen Kommanditisten (B131/93).
3. In ihrer Gegenschrift zu beiden Beschwerden tritt die belangte Behörde den erhobenen Vorwürfen entgegen. Die Rechtsposition der Abgabepflichtigen könne verschlechtert werden, wenn besondere Umstände eine solche Rückwirkung verlangen, etwa um die Gleichheitswidrigkeit zu vermeiden:
"Eine derartige Gleichheitswidrigkeit, nämlich die Besserstellung ausländischer Unternehmen gegenüber inländischen Unternehmen, wäre aber nach Ansicht der belangten Behörde die Folge eines grenzenlosen Sonderausgabenabzuges von Verlusten gewesen, wie er in der ursprünglichen Fassung des §102 Abs2 EStG 1988 vorgesehen war. Durch die Einschränkung des Verlustvortragsrechtes bzw. die subsidiäre Übernahme der im Ausland nicht ausgleichsfähigen Verluste wird hingegen der Steuerausländer dem Steuerinländer gleichgestellt, der von den Verlusten auf künftige Jahre ebenfalls nur das vortragen kann, was im laufenden Jahr nicht mit inländischen und ausländischen Einkünften ausgeglichen werden konnte (vgl. Loukota, Österreichische Steuerzeitung 6/90, Seite 62 f und 14/90, Seite 162 ff).
In diesem Sinn führt LOUKOTA (Österreichische Steuerzeitung 6/90, Seite 62) weiters aus, daß dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden könne, daß er beabsichtigt haben könnte, sich auf der Einnahmenseite auf die Erfassung der Inlandseinkünfte zu beschränken (Territorialprinzip), auf der Ausgabenseite hingegen eine schrankenlose Minderung der inländischen Steuerbemessungsgrundlage ohne ausreichende Beziehung zum Inland zuzulassen (Universalprinzip). Das Abgabenänderungsgesetz 1989 wolle diese Zusammenhänge deutlich machen: Der Steuerausländer bleibe weiterhin sonderausgabenberechtigt, es müßten aber die mit dem Territorialprinzip verbundenen Schranken systemkonform beachtet werden.
Daraus läßt sich entnehmen, daß der Gesetzgeber durch die rückwirkende Änderung einer Bestimmung, die weder durch die Anwendungspraxis noch durch die Rechtsprechung einer zumindest vorläufigen Klärung zugeführt worden ist, klarstellen wollte, inwieweit ein derartiger Sonderausgabenabzug unter systemkonformer Berücksichtigung des Territorialprinzips möglich ist. Inwieweit die Abgabepflichtigen im konkreten Fall daher in einem berechtigten Vertrauen auf die zum Zeitpunkt der Veräußerung geltende Rechtslage enttäuscht wurden, ist der Verfassungsgerichtshof berufen zu entscheiden."
Die Regelung sei auch an sich nicht gleichheitswidrig:
"Aus der angesprochenen Grundkonzeption, daß bei den Steuerausländern nach dem Territorialprinzip nur die in §98 EStG aufgelisteten Inlandseinkünfte der Besteuerung zugeführt werden, hingegen die Steuerinländer nach dem Universalprinzip mit ihrem Welteinkommen der Inlandsbesteuerung unterliegen, folgt, daß Umstände, die die Gesamtleistungsfähigkeit eines Steuerpflichtigen beeinträchtigen, jenem Staat zur Berücksichtigung überlassen werden, dem die Besteuerung des Gesamteinkommens obliegt und der folglich Einblick in die Gesamtleistungsfähigkeit des Abgabepflichtigen hat. Demgegenüber hat jener Staat, dem nur ein beschränktes Besteuerungsrecht zusteht, nur jene Aufwendungen zu berücksichtigen, die mit dieser territorialen Einkünfteerzielung zusammenhängen.
Insoweit kann in der mit dem Einkommensteuergesetz 1988 für Steuerausländer geschaffenen Möglichkeit, an sich das Gesamteinkommen mindernde Sonderausgaben bei der Besteuerung des Inlandseinkommens geltend zu machen, als teilweise Durchbrechung der traditionellen Grundkonzeption gesehen werden (vgl. Loukota, Österreichische Steuerzeitung 6/90, Seite 62), eingeschränkt jedoch dahingehend, daß der Sonderausgabenabzug einem entsprechenden Inlandsbezug unterworfen wurde. Die bezüglich des Verlustabzuges über den Inlandsbezug hinaus normierte Einschränkung steht dem nach Auffassung der belangten Behörde insoweit nicht entgegen, als der Verlustabzug innerhalb der Sonderausgaben insofern eine Sonderstellung einnimmt, als es sich um eine Verrechnungsgröße und nicht um tatsächlich angefallene Aufwendungen handelt.
Von einer verfassungswidrigen Verrechnung inländischer Einkünfte mit nicht steuerbaren ausländischen Einkünften kann auch deshalb nicht gesprochen werden, weil Österreich nach der mit dem Abgabenänderungsgesetz 1989 eingenommenen Haltung die subsidiäre Verwertung eines das Gesamteinkommen übersteigenden Verlustüberhanges ermöglicht und überdies ausländische Einkünfte auch im Falle eines Progressionsvorbehaltes in die Ermittlung des anzuwendenden Steuersatzes einbezogen werden."
Der fiktive Verlustausgleich mit Einkünften, die nicht Gegenstand eines inländischen Steuerbescheides sind, sei dem österreichischen Steuerrecht auch sonst bekannt. Eine unterschiedliche Behandlung von beschränkt Steuerpflichtigen und unbeschränkt Steuerpflichtigen sei zulässig, zumal sie eine Gleichstellung inländischer und ausländischer Abgabepflichtiger bewirken soll, um unerwünschte Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, und mit dem EG-Richtlinienvorschlag über die Verwertung von Auslandsverlusten in Einklang stehe und auch nach §2a Abs3 des deutschen Einkommensteuergesetzes die Verlustverwertung in erster Linie Sache des Ansässigkeitsstaates sei.
II. Bei der Beratung über diese Beschwerden sind Bedenken gegen den letzten Satz des §102 Abs2 Z2 EStG 1988 idF BGBl. 660/1989 entstanden. Nach dieser Gesetzesstelle kann der Verlust aus einer der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden Tätigkeit nur insoweit berücksichtigt werden, als er die nicht der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden Einkünfte - das sogenannte Welteinkommen - übersteigt.
Ihre Verfassungsmäßigkeit hat der Gerichtshof aus Anlaß beider Beschwerden mit folgenden Erwägungen in Prüfung gezogen:
"1. Es ist wohl richtig, daß die Frage der Ausgleichsfähigkeit vorgetragener Verluste mit dem Gewinn des Jahres 1989 zunächst die Rechtstellung der ausgeschiedenen Kommanditisten betrifft. Mangels eines rechtskräftigen Abspruches über die für 1989 von den Gesellschaftern zu entrichtende Einkommensteuer scheint aber §102 Abs2 Z2 EStG 1988 bei Beurteilung der Vorfrage nach der Höhe des Verkaufserlöses gleichwohl maßgeblich gewesen zu sein. Auch der Verfassungsgerichtshof hätte dann bei Erledigung der Beschwerden diese Bestimmung anzuwenden.
2. Gegen ihre Verfassungsmäßigkeit bestehen folgende Bedenken:
Geht man davon aus, daß der beschränkten Steuerpflicht nur Einkünfte aus einer inländischen Quelle unterliegen (§§1 Abs3, 98), und zieht man in Betracht, daß Sonderausgaben abzugsfähig sind, die sich auf das Inland beziehen (§102 Abs2 Z2 erster Satz), so scheint auch der Verlustabzug für Verluste inländischer Betriebstätten (§102 Abs2 Z2 zweiter Satz) geboten, ein Ausgleich mit Verlusten desselben Steuerjahres (§2 Abs2) aber nur innerhalb der beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte möglich zu sein, sodaß nicht ausgleichsfähige Verluste zwecks Abzugs von Gewinnen der sieben nächstfolgenden Jahre vorzutragen sind (§18 Abs6).
Daß dieser Abzug aufgrund des in Prüfung gezogenen letzten Satzes des §102 Abs2 Z2 nur möglich sein soll, soweit der Verlust die nicht der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden Einkünfte übersteigt, dürfte sich in einem solchen System ausschließlicher Betrachtung inländischer Einkunftsquellen nur durch das - verfassungsrechtlich gewiß nicht gebotene - Bestreben des Gesetzgebers erklären lassen, beschränkt Steuerpflichtige den unbeschränkt Steuerpflichtigen insoweit gleichzustellen, als ihnen ein Verlustvortrag verwehrt wird, solange der Ausgleich mit anderen Einkünften desselben Steuerjahres möglich ist.
Der Verfassungsgerichtshof hat jedoch das Bedenken, daß diese Absicht auf untaugliche Weise verwirklicht wurde, das angestrebte Ziel gar nicht erreicht wird und das Gesetz verschiedene Gruppen beschränkt Steuerpflichtiger grundlos unterschiedlich behandelt. Das Abstellen auf das sogenannte Welteinkommen (wo immer erzielte Einkünfte, die nicht der beschränkten Steuerpflicht unterliegen) gewährleistet nämlich keineswegs, daß der erwünschte vorrangige Verlustausgleich im Ausland tatsächlich stattfindet. Vielmehr dürfte dies nicht nur im Verhältnis zu Staaten, mit denen ein Doppelbesteuerungsabkommen nach dem Befreiungssystem besteht (sodaß sie die in Österreich liegende Einkunftsquelle vereinbarungsgemäß außer Betracht lassen), geradezu ausgeschlossen, sondern auch sonst äußerst zweifelhaft sein. Denn warum soll ein Staat Verluste aus einer Einkunftsquelle, deren Besteuerung Österreich beansprucht, überhaupt berücksichtigen? Auch wenn das Verhalten eines fremden Staates Österreich nicht ohne weiteres zur Last gelegt werden darf (und die Vermeidung der Doppelbesteuerung kein Verfassungsgebot ist), scheint die Verweisung auf das Welteinkommen doch vorauszusetzen, daß die Möglichkeit des Verlustausgleiches wenigstens im allgemeinen mit Grund erwartet werden kann. Hier scheinen aber nicht nur beschränkt Steuerpflichtige, für die ein Doppelbesteuerungsabkommen nach dem Befreiungssystem gilt, anders behandelt zu werden als beschränkt Steuerpflichtige, die unter ein Doppelbesteuerungsabkommen nach dem Anrechnungssystem fallen, sondern auch beschränkt Steuerpflichtige, deren Doppelbesteuerung durch den fremden Staat durch einseitige Maßnahmen vermieden (!) wird, im Falle von Verlusten grundlos schlechter als beschränkt Steuerpflichtige, deren zuständiger (Wohnsitz-)Staat eine Doppelbesteuerung in Kauf nimmt (und dabei folgerichtig auch Verluste in Österreich berücksichtigt).
Die unterschiedliche Behandlung verschiedener Gruppen beschränkt Steuerpflichtiger scheint daher nicht einem verschiedenen Verhalten anderer Staaten oder dem Abschluß unterschiedlicher Doppelbesteuerungsabkommen, sondern der in Prüfung gezogenen, auf das bloße Vorhandensein sonstiger Einkünfte (statt auf die Möglichkeit des Verlustausgleiches) abstellenden Vorschrift zur Last zu liegen, die deshalb das Gleichheitsgebot zu verletzen scheint.
3. Für den Fall, daß diese Bedenken nicht zutreffen, hat der Gerichtshof das weitere Bedenken, daß die rückwirkende Inkraftsetzung der Beschränkung des Verlustausgleiches für ein bereits abgelaufenes Kalenderjahr als ungerechtfertigte Enttäuschung berechtigten Vertrauens auf eine gegebene Rechtslage den Gleichheitssatz verletzt (vgl. VfSlg. 12186/1989 und die folgende Rechtsprechung). Die Versuche der belangten Behörde, die Rückwirkung mit der Notwendigkeit der Vermeidung einer Gleichheitswidrigkeit zu rechtfertigen, überzeugen vorläufig nicht. Eben die Gründe, welche die getroffene Regelung an sich rechtfertigen könnten - daß nämlich die Lage der beschränkt Steuerpflichtigen mit jener der unbeschränkt Steuerpflichtigen nicht vergleichbar ist - scheinen auch eine Regelung zuzulassen, die im Falle der beschränkten Steuerpflicht den Verlustausgleich ohne Rücksicht auf das Welteinkommen vorsieht. Es scheint daher kein besonderer Umstand vorzuliegen, der die Rückwirkung annehmbar machen könnte.
Diese Rückwirkung ist freilich nicht in §102 Abs2 Z2 EStG 1988, sondern in den Übergangsvorschriften des Artikel II des ersten Abschnittes des AbgÄG 1989 angeordnet. Insbesondere bestimmt dessen Z6, daß §102 Abs2 Z2 in der Fassung dieses Bundesgesetzes auch für Verluste gilt, die vor dem 31. Dezember 1988 entstanden sind (soweit diese Verluste nicht bereits für die vorangegangenen Kalenderjahre zu berücksichtigen gewesen wären), und daß Abs2 in Verbindung mit §18 Abs7 erstmals für Verluste gilt, die im Jahr 1989 entstanden sind. Diese Sonderbestimmungen stehen allerdings vor dem Hintergrund der allgemeinen Bestimmung der Z1, wonach Artikel I erstmalig bei der Veranlagung für die Kalenderjahre 1989 anzuwenden ist. Der Gerichtshof geht infolgedessen davon aus, daß eine Aufhebung der die Rückwirkung verfügenden Übergangsbestimmungen das Inkrafttreten des ersten Teiles des Abgabenänderungsgesetzes insgesamt rückwirkend verändern und solcherart einen viel einschneidenderen Eingriff in den Gesetzgebungsakt darstellen würde als die bloße Aufhebung der (rückwirkend in Kraft gesetzten) präjudiziellen Vorschrift des letzten Satzes in §102 Abs2 Z2 EStG 1988."
III. Die Bundesregierung verteidigt die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes unter beiden Gesichtspunkten.
1. Eine dem Gleichheitsgebot widersprechende unterschiedliche Behandlung beschränkt Steuerpflichtiger liege aus folgenden Gründen nicht vor:
"1) Die in Prüfung stehende Norm trifft selbst weder eine Differenzierung zwischen verschiedenen Typen jener Einkünfte, die der beschränkten Steuerpflicht unterliegen, noch behandelt sie selbst die beschränkt Steuerpflichtigen hinsichtlich der Verwertbarkeit der Verluste ungleich. Die Voraussetzungen des einkommensteuerrechtlichen Verlustausgleiches gemäß §102 Abs2 Z2 EStG 1988 sind grundsätzlich für alle beschränkt Steuerpflichtigen im Sinne des §1 Abs3 EStG 1988 gleich anwendbar.
2) Es ist zu betonen, daß der österreichische Gesetzgeber bei der Schaffung des §102 Abs2 Z2 EStG 1988 davon ausgehen konnte, daß auch die anderen Staaten ein Einkommensteuersystem vorsehen, das dem Prinzip der sachlichen Universalität folgt. Dieses verlangt nicht nur eine Besteuerung des gesamten Einkommens des Steuerpflichtigen - geht also von einem umfassenden Einkommensbegriff aus - sondern auch eine gleichmäßige Ermittlung und vollständige Erfassung der Einkünfte. Diesem System ist immanent, daß die verschiedenen Einkünfte eines Steuerpflichtigen zusammengerechnet werden, wobei negative und positive Einkünfte prinzipiell ausgeglichen werden (Verlustausgleich).
Es ist weiters davon auszugehen, daß nach dem System des österreichischen Einkommensteuerrechts Sonderausgaben als Aufwendungen, die die Gesamtleistungsfähigkeit eines Steuerpflichtigen beeinträchtigen, grundsätzlich aus dem Gesamteinkommen zu bestreiten sind. Die Berücksichtigung des Verlustvortrages im Rahmen der Sonderausgaben bedeutet daher, daß aus steuerlicher Sicht ein betrieblicher Verlust den Zusammenhang mit den korrespondierenden betrieblichen Einkünften verliert und mit den übrigen betriebsfremden Einkünften des Steuerpflichtigen zu saldieren ist. Diese Art der Verlustverwertung ist daher Bestandteil der Einkommensermittlung und muß vorrangig von jenem Staat vorgenommen werden, der gemäß dem Universalprinzip in der Lage ist, das Gesamteinkommen zu besteuern.
3) Diesem Grundsatz trug das Einkommensteuergesetz 1972 dadurch zur Gänze Rechnung, daß der Sonderausgabenabzug und somit auch der Verlustvortrag für beschränkt Steuerpflichtige generell ausgeschlossen war. Das Einkommensteuergesetz 1988 in der Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 1989 hat insoweit eine Verbesserung für beschränkt Steuerpflichtige gebracht, als nunmehr eine subsidiäre Verlustverwertung in Österreich möglich ist, allerdings unter der Einschränkung, daß vorher ein Ausgleich mit den übrigen österreichischen Einkünften und sodann mit dem Welteinkommen des beschränkt Steuerpflichtigen zu erfolgen hat.
§102 Abs2 Z2 letzter Satz trägt dabei dem Umstand Rechnung, daß nur der Wohnsitzstaat in der Lage ist, eine Verrechnung von ausländischen Betriebsverlusten mit dem Gesamteinkommen eines Jahres oder der Betriebsstättenverluste mit dem Gesamteinkommen eines Jahres oder der Folgejahre vorzunehmen.
4) Der Verfassungsgerichtshof vermutet, daß die Gleichheitswidrigkeit der in Prüfung gezogenen Bestimmung darin liege, daß sie auf das bloße Vorhandensein sonstiger Einkünfte - statt auf die Möglichkeit des Verlustausgleiches - abstellt. Das Abstellen auf das sogenannte Welteinkommen (wo immer erzielte Einkünfte, die nicht der beschränkten Steuerpflicht unterliegen) gewährleiste nämlich keineswegs, daß der erwünschte vorrangige Verlustausgleich im Ausland tatsächlich stattfindet.
Ob nun einem beschränkt Steuerpflichtigen tatsächlich die Möglichkeit eines Verlustausgleiches eingeräumt ist, resultiert aber nicht aus §102 Abs2 Z2 letzter Satz leg.cit., sondern daraus, wie das anzuwendende ausländische Steuerrecht und ein allenfalls anzuwendendes Doppelbesteuerungsabkommen ausgestaltet sind.
Würde jeder Staat eine der österreichischen Regelung identische Norm erlassen, läge diesbezüglich international eine absolut harmonisierte Rechtslage vor.
Es trifft daher zu, daß entweder durch einseitige Maßnahmen eines fremden Staates oder aufgrund zwischenstaatlicher Vereinbarungen zur Beseitigung von Doppelbesteuerungen je nach den verwendeten Methoden (im wesentlichen Anrechnungsmethode, Befreiungsmethode oder Mischformen), also aus dem Zusammenspiel von österreichischer, ausländischer und zwischenstaatlicher Steuerrechtsordnungen, länderweise für den beschränkt Steuerpflichtigen unterschiedliche steuerliche Endergebnisse zustande kommen können.
Die Ungleichbehandlung ist daher nicht der österreichischen Rechtsordnung anzulasten. Solche Unterschiede werden - solange es keine weltumspannende Steuerharmonisierung gibt - in internationalen Steuerfällen immer wieder auftreten und können generell nicht durch Sonderregelungen im inländischen Steuerrecht abgefangen werden. Eine länderweise unterschiedliche Behandlung beschränkt Steuerpflichtiger ist somit nicht eine Folge, die sich aus §102 Abs2 Z2 letzter Satz EStG 1988 der in Prüfung gezogenen Fassung ergibt, sondern allenfalls eine Reflexwirkung aus den zur Anwendung kommenden unterschiedlichen Steuerrechtsordnungen.
5) Aus dem Angeführten folgt, daß der Gesetzgeber eben gerade darauf abgestellt hat, daß die Möglichkeit des Verlustausgleiches wenigstens im allgemeinen mit Grund erwartet werden kann. Aus verfassungsrechtlicher Sicht dürfte es jedoch weder geboten sein, bei steuerpolitischen Entscheidungen hinsichtlich der Einräumung eines Verlustabzuges beschränkt Steuerpflichtiger alle ausländischen Einkommensteuersysteme konkret zu berücksichtigen, noch kann der Gesetzgeber generell von der Durchsetzbarkeit seiner österreichischen Einkommensteuergrundsätze in den Verhandlungen zu Doppelbesteuerungsabkommen ausgehen.
Aus dem Angeführten folgt auch, daß der Gesetzgeber durch das Abstellen auf das Welteinkommen nicht willkürlich an einen Gesichtspunkt angeknüpft hat, der in bezug auf die Regelung völlig bedeutungslos wäre (vgl. VfSlg. 8004/1977).
6) Die Bundesregierung verkennt nicht, daß im Hinblick auf die auf derselben Stufe wie das innerstaatliche Steuerrecht stehenden Doppelbesteuerungsabkommen, die - soferne sie ausreichend bestimmt sind - keiner speziellen Transformation bedürfen, die in Prüfung gezogene Norm nicht anzuwenden ist, wenn eine korrespondierende Bestimmung in einem Doppelbesteuerungsabkommen wie eine lex specialis zur lex generalis wirkt.
Doppelbesteuerungsabkommen können daher hinsichtlich des §102 Abs2 Z2 leg.cit. eine derogatorische Wirkung entfalten.
Der österreichische Gesetzgeber geht - wie bereits in Punkt 2) angeführt - grundsätzlich davon aus, daß ausländische Einkommensteuer-Gesetzgebungen auf demselben Grundsatz der sachlichen Universalität basieren. Dort wo dies der Fall ist, aber aufgrund des Territorialitätsprinzips auch inländische Einkünfte beschränkt Steuerpflichtiger erfaßt werden, kommt es zu einer doppelten Besteuerung (nämlich sowohl im Wohnsitzstaat als auch im Quellenstaat). Diesfalls ist es gerade das Ziel der Doppelbesteuerungsabkommen, Besteuerungsrechte der beteiligten Staaten so abzugrenzen, daß die materielle Doppelbesteuerung gemildert oder vermieden wird.
Das aus der Rechtsfolge der in Prüfung stehenden Norm erfließende Endergebnis, ob nämlich ein Verlustvortrag bei der Einkommensermittlung tatsächlich Berücksichtigung finden kann, ist daher weder von 'Zufälligkeiten', noch von 'manipulativen Umständen' abhängig (vgl. VfSlg. 7708/1975, 7813/1976, 10620/1985, 8.793/1980), sondern vom Zusammenspiel der nationalen, zwischenstaatlichen und ausländischen Steuerrechtsordnungen.
7) Die unterschiedliche Behandlung verschiedener Gruppen beschränkt Steuerpflichtiger wäre daher gegebenenfalls nicht der in Prüfung gezogenen, auf das bloße Vorhandensein sonstiger Einkünfte abstellenden Vorschrift zur Last zu legen, sondern einem verschiedenen Verhalten anderer Staaten oder dem Abschluß unterschiedlicher Doppelbesteuerungsabkommen, deren Inhalt der österreichische Gesetzgeber nicht einseitig bestimmen kann.
Die durch den Gesetzgeber im Rahmen seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraums getroffene Anknüpfung an die effizientere Durchführbarkeit der Verlustverrechnung mit dem Gesamteinkommen durch den Wohnsitzstaat beschränkt Steuerpflichtiger in §102 Abs2 Z2 EStG 1988 in der in Prüfung gezogenen Fassung scheint mit dem aus dem Gleicheitsgrundsatz erfließenden Sachlichkeitsgebot vereinbar zu sein."
2. Daß beschränkt Steuerpflichtige nach dem EStG 1988 in der Stammfassung davon ausgehen konnten, bei der Veranlagung für 1989 komme der (uneingeschränkte) Verlustvortrag unabhängig von einem sonstigen ausgleichsfähigen Welteinkommen zur Geltung, räumt die Bundesregierung ein. Sie gibt aber zu den Bedenken wegen Enttäuschung berechtigten Vertrauens folgendes zu erwägen:
"Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis VfSlg. 12186/1989 betreffend die Konsequenzen der rückwirkenden Einführung von belastenden Steuervorschriften ausgesprochen, daß 'gesetzliche Vorschriften, die (nachträglich) an früher verwirklichte Tatbestände steuerliche Folgen knüpfen und dadurch die Rechtsposition der Steuerpflichtigen mit Wirkung für die Vergangenheit verschlechtern, zu einem gleichheitswidrigen Ergebnis führen ..., wenn die Normunterworfenen durch einen Eingriff von erheblichem Gewicht in einem berechtigten Vertrauen auf die Rechtslage enttäuscht wurden und nicht etwa besondere Umstände eine solche Rückwirkung verlangen (etwa indem sie sich als notwendig erweisen, um andere Gleichheitswidrigkeiten zu vermeiden).'
Auch in VfSlg. 12322/1990 führt der Verfassungsgerichtshof aus, daß es von einer Mehrzahl von Umständen abhängt, ob ein rückwirkendes Gesetz vertrauensverletzend wirkt. Maßgeblich ist hiebei auch, ob nicht etwa besondere Umstände vorliegen, die eine solche Rückwirkung verlangen. Die Beseitigung eines gleichheitswidrigen Zustandes könnte - einer von mehreren - solcher besonderer Umstände sein.
Einer dieser 'besonderen Umstände' müßte aber auch darin liegen können, daß ein vom Gesetzgeber ganz offensichtlich im Ergebnis nicht beabsichtigter Zustand bereinigt werden soll. Dies insbesondere dann, wenn das nicht beabsichtigte Ergebnis einer Norm von den bisherigen Grundsätzen eines Steuerrechtssystems gravierend abweicht und im Steueraufkommensbereich bemerkenswerte (nicht beabsichtigte) negative Effekte erzielt.
Im Einklang mit den dem österreichischen Einkommensteuerrecht zugrundeliegenden Ordnungsprinzipien ist nicht nur der unbeschränkt Steuerpflichtige gemäß dem Universalprinzip mit seinem Welteinkommen, also sämtlichen in- und ausländischen (positiven und negativen) Einkommensteilen, im Rahmen der inländischen Besteuerung erfaßt. Auch hinsichtlich des beschränkt Steuerpflichtigen finden sich in den gesamten Materialien zum österreichischen Einkommensteuerrecht keine Anhaltspunkte dafür, daß ein vorgängiger Verlustausgleich mit dem Welteinkommen - systemwidrig - ausgeschlossen werden soll.
Daraus folgernd wäre festzustellen, daß die beschränkt Steuerpflichtigen zwar in ihrem Vertrauen auf eine Rechtslage enttäuscht wurden, dieses Vertrauen aber kein berechtigtes sein konnte. Damit wäre auch die Rückwirkung der in Prüfung stehenden Norm nicht mit der behaupteten Gleichheitswidrigkeit belastet."
3. Über Einladung des Verfassungsgerichtshofes darzutun, inwieweit "die Möglichkeit des Verlustausgleiches (im Wohnsitzstaat) wenigstens im allgemeinen mit Grund erwartet werden kann" (so die erste Äußerung), legte die Bundesregierung einen Auszug aus der "European Taxation Database" des in Amsterdam ansässigen International Bureau of Fiscal Documentation über die Besteuerung der gebietsansässigen Steuerpflichtigen nach dem Welteinkommen einerseits und den Verlustvortrag andererseits für neun europäische Länder mit den Bemerken vor, daß besondere Regelungen für den Fall, daß ein ausländischer Quellenstaat den Verlustausgleich ablehne, deshalb entbehrlich seien, weil die (jeweiligen) innerstaatlichen Rechtsvorschriften keine Einschränkungen vorsehen. Dem Vorhalt des Verfassungsgerichtshofes, daß "anscheinend selbst Österreich ausländische Verluste unberücksichtigt läßt, wenn die Doppelbesteuerung durch Befreiung vermieden wird (Loukota, ÖStZ 1990, 164)", begegnet die Bundesregierung mit der Erinnerung,
"daß die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts bisher keine Bedenken gegen eine unterschiedliche Behandlung zwischen der Gruppe der beschränkt Steuerpflichtigen einerseits und der Gruppe der unbeschränkt Steuerpflichtigen andererseits, insbesondere hinsichtlich der Verweigerung des Verlustvortrages gegenüber den beschränkt Steuerpflichtigen, hegten (VfSlg. 5513/1967, VwSlgF 3689/1967).
Unterstellt man, daß ausländische Staaten den Abzug von Auslandsverlusten - aus welchen Gründen auch immer - ihren eigenen Bürgern verweigerten, so haben dies die ausländischen Staaten nach den Grundsätzen ihrer Verfassung vor ihren eigenen Steuerpflichtigen zu rechtfertigen; es kann nicht Aufgabe Österreichs sein, hier allfällige - möglicherweise sachlich nicht gerechtfertigte - Verlustverwertungsverbote einer ausländischen Rechtsordnung durch innerstaatliche österreichische Steuerverzichte auszugleichen. Würde dies nicht so gesehen, hätte dies - steuerpolitisch betrachtet - unabsehbare Konsequenzen, da diesfalls alle ausländischen Steuerpflichtigen, die Wirtschaftsbeziehungen mit Österreich anknüpfen, für Beschwernisse in ihrem Heimatstaat einen steuerlichen Ausgleich in Österreich begehren könnten".
Die in ihrer ersten Äußerung nur angedeutete Derogationswirkung von Doppelbesteuerungsabkommen konkretisiert die Bundesregierung mit dem Hinweis auf das Betriebsstättendiskriminierungsverbot nach Art des Art24 Z4 des OECD-Musterabkommens.
IV. Die Gesetzesprüfungsverfahren sind zulässig.
Es hat sich nichts ergeben, was an der Zulässigkeit der Anlaßbeschwerden oder der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmung zweifeln ließe. Daß der Berufungsbescheid vom 11. Dezember 1992 nur vom Einkommensteuerpflichtigen selbst, nicht auch von den ihm gegenüber bloß vertraglich zur Zahlung verpflichteten Kommanditisten bekämpft werden kann, ändert an der Zulässigkeit des Verfahrens auch aus Anlaß der Beschwerde B131/93 nichts (vgl. VfSlg. 9336/1982, 97).
V. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes sind allerdings nur insofern begründet, als sie die ungerechtfertigte Enttäuschung berechtigten Vertrauens auf eine gegebene Rechtslage betreffen. Der letzte Satz des §102 Abs2 Z2 EStG 1988 idF des AbgabenänderungsG 1989 widerspricht allein deshalb dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz.
1. Zunächst ist der Bundesregierung zuzugestehen, daß der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 5513/1967 nicht nur den Verlustausgleich mit anderen Einkünften für verfassungsmäßig und die Möglichkeit des Verlustvortrages für eine nicht mit dem Maßstab der sachlichen Rechtfertigung am Gleichheitssatz zu messende Frage der Rechtspolitik gehalten, sondern auch die Versagung des Verlustvortrages für beschränkt Körperschaftssteuerpflichtige als sachlich gerechtfertigt angesehen hat. Schon in diesem Erkenntnis ist der Verfassungsgerichtshof allerdings davon ausgegangen, daß die nähere Regelung eines vom Gesetz vorgesehenen Verlustvortrages der Prüfung am Gleichheitssatz zugänglich ist. Demgemäß geht auch der Prüfungsbeschluß des vorliegenden Verfahrens davon aus, daß die auf das Inland bezogenen Sonderausgaben für abzugsfähig erklärt sind und ein Verlustabzug für Verluste inländischer Betriebsstätten vorgesehen ist, wobei aber verschiedene Gruppen beschränkt Steuerpflichtiger anscheinend grundlos unterschiedlich behandelt werden.
Diese - im Ergebnis von der Bundesregierung nicht bestrittene - unterschiedliche Behandlung innerhalb der beschränkt Steuerpflichtigen ist auch nicht etwa bloß dem fremden Staat zur Last zu legen, in dem der beschränkt Steuerpflichtige jeweils seinen Wohnsitz hat. Erst der Umstand, daß sich das Gesetz nicht in der Erfassung inländischer Einkommen erschöpft, sondern auf das Welteinkommen abstellt, macht die Unterschiede in der Behandlung des Welteinkommens, wie sie in Doppelbesteuerungsabkommen nach dem Befreiungssystem vorgesehen sind oder aufgrund der Rechtslage im Wohnsitzstaat sich ergeben, für die unterschiedliche Behandlung von Verlusten aus inländischen Einkunftsquellen maßgebend. Die Bundesregierung ist zwar der Meinung, daß eine "international absolut harmonisierte Rechtslage" vorläge, wenn jeder Staat eine Regelung nach Art der österreichischen treffen würde. Aber schon der Umstand, daß Österreich selbst als Wohnsitzstaat ausländische Verluste ganz unberücksichtigt läßt, wenn ein Doppelbesteuerungsabkommen nach Befreiungssystem besteht (Loukota, Internationale Verlustverwertung, ÖStZ 1990, 162 ff., 164) - soweit nicht ein internationales Verbot der Diskriminierung von Betriebsstätten eingreift -, widerlegt diese Annahme. Es muß also davon ausgegangen werden, daß im Verhältnis des Quellenstaates zum Wohnsitzstaat international zumindest zwei gleichwertige Systeme in Verwendung stehen.
2. Dennoch muß der Verfassungsgerichtshof der Bundesregierung im Ergebnis beipflichten. Auch unter den beschriebenen Umständen verhält der Gleichheitssatz den Gesetzgeber nämlich nicht, unterschiedliche Rechtslagen im Verhältnis zu fremden Staaten, die sich aus zwischenstaatlichen Abkommen oder der Rechtslage im Wohnsitzstaat ergeben, durch Differenzierungen im innerstaatlichen Recht auszugleichen. Ist die getroffene Regelung für sich allein gesehen sachlich, so wird sie nicht schon dadurch gleichheitswidrig, daß sie Personen mit Wohnsitz in verschiedenen fremden Staaten verschieden trifft. Eine vollständige Harmonisierung der Rechtslage ist durch innerstaatliche Maßnahmen nicht zu erreichen. Hängt die Sachlichkeit der Regelung an sich nicht davon ab, daß inländische Verluste im Ausland tatsächlich ausgeglichen werden können - was im Prüfungsbeschluß nicht behauptet wird und der bisherigen Rechtsprechung, insbesondere VfSlg. 5513/1967 auch nicht entnommen werden könnte -, so führen unterschiedliche Folgen je nach einem Doppelbesteuerungsabkommen oder der Rechtslage im Wohnsitzstaat noch zu keiner Verfassungswidrigkeit. Selbst die vollkommene Außerachtlassung einer in Österreich gelegenen Einkunftsquelle durch den Wohnsitzstaat verpflichtet Österreich nicht dazu, Verlustvorträge in diesen Fällen trotz ausgleichsfähiger anderweitiger Einkünfte zuzulassen. Die aus der Nichtbeachtung der österreichischen Einkunftsquelle im Wohnsitzstaat folgende Unverwertbarkeit von Verlusten liegt zwar außerhalb der Zielrichtung der in Prüfung stehenden Vorschrift und ist nur eine zufällige, durch eine unterschiedliche Sachlage entstehende Wirkung, sie ist aber doch nur die Kehrseite des gegenwärtig international praktizierten Systems der zwischenstaatlichen Abgrenzung von Besteuerungsrechten und insofern nicht ohne jeden sachlichen Grund.
Gewiß kann das Zusammenwirken mehrerer für sich gesehen unbedenklicher Regelungen auch im Bereich zwischenstaatlicher Beziehungen zu überschießenden, sachlich nicht mehr zu rechtfertigenden Ergebnissen führen. Daß ein solcher Fall aber nicht vorliegt, ergibt sich schon aus der Beurteilung der ursprünglichen Rechtslage (VfSlg. 5513/1967).
§102 Abs2 Z2 EStG 1988 idF des AbgabenänderungsG 1989 widerspricht daher nicht schon an und für sich dem Gleichheitsgrundsatz.
3. Allerdings verstößt der in Prüfung gezogene Satz unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Enttäuschung berechtigten Vertrauens auf eine gegebene Rechtslage gegen dieses Grundrecht. Die Bundesregierung sucht zwar die von ihr nicht bestrittene Enttäuschung des Vertrauens mit dem Bestreben des Gesetzgebers zu rechtfertigen, ein nicht beabsichtigtes, von den bisherigen Grundsätzen des Steuerrechtssystems gravierend abweichendes und das Steueraufkommen beeinträchtigendes Ergebnis der vorangegangenen Gesetzgebung zu berichtigen. Allein der Verfassungsgerichtshof kann nicht finden, daß ein besonderer Grund vorläge, der das Vertrauen als nicht berechtigt oder die Enttäuschung als gerechtfertigt anzusehen erlauben würde:
Wie der Gerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 12186/1989 näher dargelegt hat und seither festhält (vgl. insb. auch VfSlg. 12688/1991, 12944/1991 und G114/93 vom 16.12.1993), führen gesetzliche Vorschriften, die (nachträglich) an früher verwirklichte Tatbestände steuerliche Folgen knüpfen und dadurch die Rechtsposition des Steuerpflichtigen mit Wirkung für die Vergangenheit verschlechtern, zu einem gleichheitswidrigen Ergebnis, wenn die Normunterworfenen durch einen Eingriff von erheblichem Gewicht in einem berechtigten Vertrauen auf die Rechtslage enttäuscht werden und nicht etwa besondere Umstände eine solche Rückwirkung verlangen. Daß die vorliegende Rückwirkung etwa notwendig gewesen wäre, um andere Gleichheitswidrigkeiten zu vermeiden - was im genannten Erkenntnis als möglicher besonderer Umstand erwogen und in VfSlg. 12322/1990 angenommen wurde - behauptet die Bundesregierung selbst nicht. Das in VfSlg. 12416/1990 als Rechtfertigung gewertete Bestreben des Gesetzgebers, ein durch die (bekanntgewordene) gesetzgeberische Absicht geradezu ausgelöstes, dieser Absicht aber zuwiderlaufendes Verhalten durch eine Rückwirkung zu vermeiden, die sich auf das dazu unbedingt Nötige beschränkt, wird ebensowenig ins Treffen geführt und ist auch nicht zu erkennen. Von einer besonderen, der Allgemeinheit unmittelbar drohenden Gefahr, die den sofortigen Eingriff in die Rechtspositionen rechtfertigen könnte (was VfSlg. 12485/1990 in Betracht zieht), kann umso weniger die Rede sein.
Schon das Vorliegen eines berechtigten Vertrauens hat der Verfassungsgerichtshof freilich in seiner Rechtsprechung verneint, wenn das Gesetz nur (rückwirkend) klarstellt, was schon der bisherigen Regelung - etwa bei nicht bloß grammatikalischer Interpretation - entnommen werden konnte und von der Verwaltungspraxis auch angenommen wurde (VfSlg. 12241/1989, 12322/1990 und 12479/1990) oder doch im Falle unterschiedlicher Deutbarkeit durch die Anwendungspraxis noch keine (vorläufige) Klärung erfahren hat, auch wenn sich ohne diese Klarstellung vielleicht ein anderes Ergebnis durchgesetzt hätte (VfSlg. 12890/1991). Selbst wenn die Bundesregierung mit ihrer Behauptung im Recht wäre, die Normunterworfenen hätten erkennen können, daß es sich um das nicht beabsichtigte Ergebnis eines systemfremden und das Steueraufkommen mindernden Gesetzgebungsaktes gehandelt hat - was hier dahingestellt bleiben kann -, ließe sich das Vertrauen auf die Geltung dieses Aktes nicht als ungerechtfertigt qualifizieren. Die Regelung des EStG 1988 in der Stammfassung war klar. Der Gleichheitssatz läßt es nicht zu, Fehler im Bereich der Gesetzgebung ausschließlich zu Lasten der betroffenen Gruppe von Steuerpflichtigen zu beheben (vgl. auch VfSlg. 13020/1992).
Da die vorläufige Annahme des Gerichtshofes, daß die Aufhebung des in Prüfung gezogenen Satzes im Vergleich mit einer Aufhebung der allgemeinen Übergangsvorschrift der mildere Eingriff in den Gesetzgebungsakt ist, im Verfahren keinen Widerspruch gefunden hat, ist die festgestellte Verfassungswidrigkeit durch Aufhebung des letzten Satzes des §102 Abs2 Z2 EStG 1988 idF des AbgabenänderungsG 1989 zu beseitigen.
Die Frist für das Inkrafttreten der Aufhebung, die es dem Gesetzgeber ermöglichen soll, den aufgehobenen Satz ohne Rückwirkung auf das Kalenderjahr 1989 neuerlich zu erlassen, bevor er tatsächlich außer Kraft tritt und dieser Umstand eine neue Vertrauenslage schafft, und die Kundmachungsverpflichtung stützen sich auf Art140 Abs5 B-VG, der Ausschluß des Inkrafttretens früherer Bestimmungen auf Art140 Abs6 B-VG.
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