Normen
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
GSVG §2 Abs1 Z4, §18, §54
VfGG §62 Abs1 zweiter Satz
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
GSVG §2 Abs1 Z4, §18, §54
VfGG §62 Abs1 zweiter Satz
Spruch:
§54 zweiter Satz des Bundesgesetzes über die Sozialversicherung der in der gewerblichen Wirtschaft selbständig Erwerbstätigen (Gewerbliches Sozialversicherungsgesetz - GSVG), BGBl. Nr. 560/1978, in der Fassung der 22. Novelle zum GSVG (Art8 des Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1997 - ASRÄG 1997, BGBl. I Nr. 139) wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.
Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Beschluss vom 9. November 2004 stellt der Oberste Gerichtshof als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen den auf Art89 Abs2 zweiter Satz B-VG (iVm Art140 Abs1 erster Satz B-VG) gestützten Antrag, die Bestimmung des §54 zweiter Satz des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes - GSVG, BGBl. Nr. 560/1978, idF der 22. Novelle (Art8 des Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetzes 1997 - ASRÄG 1997, BGBl. I Nr. 139) als verfassungswidrig aufzuheben.
2. Die angefochtene Bestimmung steht im folgenden rechtlichen Zusammenhang:
Gemäß §2 Abs1 Z4 erster Satz GSVG (idF der 22. Novelle zum GSVG) sind ua. in der Krankenversicherung pflichtversichert
"selbständig erwerbstätige Personen, die auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit Einkünfte im Sinne der §§22 Z1 bis 3 und 5 und (oder) 23 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400, erzielen, wenn auf Grund dieser betrieblichen Tätigkeit nicht bereits Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz oder einem anderen Bundesgesetz in dem (den) entsprechenden Versicherungszweig(en) eingetreten ist."
Solange ein rechtskräftiger Einkommensteuerbescheid "oder ein sonstiger maßgeblicher Einkommensnachweis" nicht vorliegt, ist die Pflichtversicherung nur dann festzustellen, wenn der Versicherte erklärt, dass seine Einkünfte aus sämtlichen der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz unterliegenden Tätigkeiten im Kalenderjahr die in Betracht kommende Versicherungsgrenze (§4 Abs1 Z5 oder Z6 GSVG) übersteigen werden (§2 Abs1 Z4 zweiter Satz GSVG). Ansonsten ist der Eintritt der Pflichtversicherung erst nach Vorliegen des rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides oder eines sonstigen maßgeblichen Einkommensnachweises im Nachhinein festzustellen (§2 Abs1 Z4 dritter Satz GSVG).
Der "Eintritt der Voraussetzungen für den Beginn ... der Pflichtversicherung" ist der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (im Folgenden: Sozialversicherungsanstalt) binnen einem Monat zu melden (§18 Abs1 GSVG). Hat der Versicherte diese Meldung unterlassen, so beginnt die Pflichtversicherung mit Beginn des Kalenderjahres, in dem die Beitragsgrundlage die Grenzen des §25 Abs4 Z2 GSVG übersteigt, es sei denn, der Versicherte macht glaubhaft, dass er die betriebliche Tätigkeit zu einem späteren Zeitpunkt begonnen hat (§6 Abs4 Z1 GSVG).
Die in Abschnitt I ("Allgemeine Bestimmungen über Leistungsansprüche") des Zweiten Teiles des GSVG enthaltene Bestimmung des §54 GSVG lautet samt Überschrift (der angefochtene Satz ist hervorgehoben):
"Entstehen der Leistungsansprüche
§54. Die Ansprüche auf die Leistungen aus der Kranken- und Pensionsversicherung entstehen in dem Zeitpunkt, in dem die hiefür vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt werden. Ansprüche auf Leistungen aus der Krankenversicherung auf Grund einer Pflichtversicherung gemäß '2 Abs1 Z4 entstehen frühestens mit der Erstattung der Meldung."
Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage des ASRÄG 1997 (886 BlgNR XX. GP, 111) begründen diese Regelung wie folgt:
"Die Leistungsansprüche für die nach §2 Abs1 Z4 GSVG Pflichtversicherten sollen in der Krankenversicherung erst mit der Erstattung der Meldung entstehen. Bei nicht rechtzeitiger Meldung ist eine rückwirkende Inanspruchnahme der Leistungen der Krankenversicherung somit ausgeschlossen. Die Rechtfertigung dieser Sanktion für Meldevergehen für die nach §2 Abs1 Z4 GSVG Pflichtversicherten ist darin zu sehen, daß infolge des Fehlens von formalen Anknüpfungspunkten (wie bei den Gewerbetreibenden dies die Gewerbeberechtigung ist) die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft in besonderem Maße von den ordnungsmäßigen Meldungen dieses Personenkreises abhängig ist, ansonsten wäre eine Vollziehung nicht möglich."
3.1. Dem beim antragstellenden Gerichtshof anhängigen Rechtsstreit liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin war auf Grund ihres Antrages seit 1. April 2000 gemäß §3 Abs1 Z2 (iVm §2 Abs1 Z4) GSVG in der Krankenversicherung pflichtversichert. Mit Schreiben vom 20. Dezember 2000 (eingelangt am 15. Jänner 2001) meldete sich die Klägerin von der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung ab, sodass die Pflichtversicherung in der Krankenversicherung mit 31. Jänner 2001 endete. Mit einer "Versicherungserklärung für die Pflichtversicherung gemäß §2 Abs1 Z. 4 GSVG" vom 25. Jänner 2003 (bei der Sozialversicherungsanstalt eingelangt am 3. Februar 2003) gab die Klägerin bekannt, dass ihre Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§22 EStG 1988) in den Jahren 2000 bis 2002 die in Betracht kommende Versicherungsgrenze überschritten hätten. Auf Grund dieser Erklärung stellte die Sozialversicherungsanstalt mit Schreiben vom 11. Februar 2003 fest, dass die Klägerin vom 1. Jänner 2000 bis 31. Dezember 2002 gemäß §2 Abs1 Z4 GSVG der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung unterlegen sei.
Mit Bescheid vom 10. Juli 2003 lehnte die Sozialversicherungsanstalt, Landesstelle Salzburg, den Antrag der Klägerin auf Erstattung der Kosten für ärztliche Hilfe, die sie in den Jahren 2001 und 2002 in Anspruch genommen hatte, ab. Begründend heißt es dazu, Ansprüche auf Leistungen aus der Krankenversicherung auf Grund einer Pflichtversicherung gemäß §2 Abs1 Z4 GSVG entstünden - nach §54 zweiter Satz GSVG - "frühestens mit Erstattung der Meldung". Die rückwirkende Einbeziehung der Klägerin in die Pflichtversicherung könne somit keinen Leistungsanspruch für den Zeitraum vor Erstattung der Meldung zur Pflichtversicherung (dh.: vor dem 3. Februar 2003) entstehen lassen.
In ihrer sodann an das Landesgericht Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht erhobenen Klage begehrte die Klägerin, die Sozialversicherungsanstalt zur Erstattung der verzeichneten Kosten für ärztliche Hilfe zu verurteilen. Der antragstellende Gerichtshof hat nunmehr über die in diesem Rechtsstreit erhobene Revision der Klägerin zu entscheiden.
3.2. Der antragstellende Gerichtshof sieht es als verfassungsrechtlich bedenklich an, dass der rückwirkenden Einbeziehung in die Pflichtversicherung gemäß §2 Abs1 Z4 GSVG - verbunden mit der Verpflichtung zur Beitragsnachentrichtung - nach §54 zweiter Satz GSVG kein rückwirkender Leistungsanspruch gegenüberstehe:
"Gegen dieses Ergebnis werden von der Revisionswerberin nachvollziehbare verfassungsrechtliche Bedenken wegen Verletzung des Gleichheitssatzes und des Eigentumsrechtes geltend gemacht. Es sei grob unsachlich und damit gleichheitswidrig und greife in das verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsrecht ein, wenn für einen 'neuen' Selbständigen, dessen Einkünfte die maßgebende Versicherungsgrenze überschreiten, auch ohne Meldung zwar Beitragspflichten, aber keine Leistungsansprüche bestünden. Es wäre in diesem Fall vielmehr verfassungsrechtlich geboten gewesen, auch die Ansprüche auf Leistungen aus der Krankenversicherung auf Grund einer Pflichtversicherung gemäß §2 Abs1 Z4 ASVG rückwirkend mit dem Entstehen der Versicherungspflicht (und damit auch dem Entstehen der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen) entstehen zu lassen, zumal die (verschuldete oder unverschuldete) Unterlassung der Meldung des Überschreitens der Versicherungsgrenze ohnedies in dem Strafzuschlag von 9,3 %, der den Zinsverlust ausgleichen solle, bereits ausreichend sanktioniert sei. Die Unterlassung der Meldung stelle außerdem in der Regel kein Meldevergehen dar, weil der Pflichtversicherte selbst oft im Vorhinein gar nicht wissen könne, ob er die Einkommensgrenze überschreiten werde, sodass der Entfall der Leistungspflicht als Sanktion für ein nicht verschuldetes Meldevergehen unsachlich sei, zumal das GSVG für ähnliche 'Meldevergehen' eine solche Sanktion nicht vorsehe. Im Übrigen stelle es bei den GSVG-Versicherten eine durchaus übliche Vorgangsweise dar, dass die Versicherten im Vorhinein für ihre Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung finanziell aufkommen und im Anschluss daran einen Kostenersatz vom Versicherungsträger erhalten. Schließlich sei es unsachlich, dass §54 zweiter Satz GSVG nur im Fall einer Pflichtversicherung gemäß §2 Abs1 Z4 GSVG eine Krankenpflichtversicherung ohne Leistungspflicht des Versicherungsträgers vorsehe, während dies in anderen Fällen des nachträglichen Bekanntwerdens einer Versicherungspflicht nicht der Fall sei.
Auch im Schrifttum wurden bereits verfassungsrechtliche Bedenken gegen die hier präjudizielle Bestimmung des §54 zweiter Satz GSVG geäußert. So verweisen Schrank/Tomandl ... darauf, dass die Unfallversicherung der 'neuen' Selbständigen im Falle nicht rechtzeitiger Meldung erst nach Ablauf des Tages, an dem die verspätete Meldung beim Versicherungsträger einlangt (§10 Abs2 erster Satz ASVG), beginne. Es bestehe daher in der Unfallversicherung, solange der 'neue' Selbständige keine Meldung erstatte, keine Pflichtversicherung und es bestünden damit auch keine diesbezüglichen Beitragspflichten noch Leistungsansprüche. Das Unterlassen der rechtzeitigen Meldung führe zwar auch in der Krankenversicherung zum Entfall des Versicherungsschutzes. Anders als in der Unfallversicherung werde der 'neue' Selbständige jedoch nicht von der Beitragsleistung befreit, da der Versicherungsbeginn unabhängig von der Meldung eintritt (§6 Abs4 GSVG). Es seien aber keine sachlichen Gründe dafür zu erkennen, dass in Abweichung von der Regelung für alle anderen Personengruppen nur bei den 'neuen' Selbständigen in der Unfallversicherung der Beginn der Pflichtversicherung meldeabhängig hinausgeschoben werde und in der Krankenversicherung Leistungen trotz voller Pflichtversicherung und Beitragspflicht meldeabhängig verweigert würden. Die beiden genannten Autoren vertreten daher die Auffassung, dass es einer verfassungskonformen Interpretation des §54 zweiter Satz GSVG bedürfe, wenn diese Bestimmung nicht als verfassungswidrig gelten solle. Sie könnte nach ihrer Ansicht darin bestehen, dass diese Bestimmung sprachlich verkürzt sei und nur auf Meldeverstöße abstelle. Meldepflichtig könne nur jene selbständige Erwerbstätigkeit sein, die zugleich die Versicherungsgrenze überschreite. Da dieser Umstand nicht vor dem Ende des Kalenderjahres feststehe, beginne erst zu diesem Zeitpunkt die Meldefrist. Sei die Meldung rechtzeitig (dh im ersten Monat des Folgejahres) erstattet worden, sei die Unfallversicherung für Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten, die im vorangegangenen Kalenderjahr eingetreten seien, leistungspflichtig. Zu diesem rückwirkenden Versicherungsschutz komme es nach Ansicht der beiden Autoren aber auch in der Krankenversicherung, da sich §54 zweiter Satz GSVG bei richtiger Auslegung nur auf Meldeverstöße beziehe. Dagegen kann aber wiederum ins Treffen geführt werden, dass eine solche Einschränkung auf bloße Meldeverstöße dem Wortlaut des §54 2. Satz GSVG nicht entnommen werden kann und der Gesetzgeber des ASRÄG 1997 für die Beitrags- und Leistungspflicht der 'neuen' Selbständigen in der Krankenversicherung ausdrücklich eine von den entsprechenden Bestimmungen für die Unfallversicherung abweichende Regelung getroffen hat."
4.1. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung; darin verteidigt sie die angefochtene Gesetzesbestimmung und beantragt die Abweisung des Antrages:
"... [D]ie Gruppe der 'neuen Selbständigen' [unterscheidet sich] erheblich von anderen nach dem GSVG Pflichtversicherten. Insbesondere ist eine Anknüpfung an berufsrechtliche Befugnisse nicht möglich, weshalb der Gesetzgeber andere Anknüpfungspunkte herangezogen hat, nämlich das Überschreiten der Versicherungsgrenze. Um vollziehbare Normen zu schaffen, kommt der Erklärung der Versicherten entscheidende Bedeutung zu. Andere formale Anknüpfungspunkte fehlen.
...
... Angesichts der Bedeutung der Erklärung der Versicherten
erscheint es der Bundesregierung ... nicht unsachlich, daran weitere
rechtliche Konsequenzen zu knüpfen, wie etwa in §54 zweiter Satz
GSVG.
... Damit ist aber auch der vom Obersten Gerichtshof ...
angestellte Vergleich mit anderen 'Meldevergehen', in welchen es keine vergleichbaren 'Sanktionen' gebe, insofern verfehlt, als die unterschiedlichen Regelungen Unterschieden im Tatsächlichen entsprechen.
... Insgesamt erweisen sich die Regelungen bezüglich der
Erklärung der Versicherten und die bestehenden Möglichkeiten die
Konsequenzen einer nachträglichen Feststellung der
Pflichtversicherung als schlüssig und sachlich.
... 'Neue Selbständige' können die Pflichtversicherung in der
Kranken- und damit auch in der Unfallversicherung ausdrücklich beantragen und unterliegen dann jedenfalls dem Versicherungsschutz, und zwar auch dann, wenn sich nachher herausstellt, dass die maßgebliche Versicherungsgrenze nicht überschritten wurde. Stellt sich nachträglich heraus, dass die maßgebliche Versicherungsgrenze überschritten wird, dann tritt rückwirkend auch eine Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung - allerdings ohne den an obiger Stelle beschriebenen Beitragszuschlag - ein.
... Insbesondere im Hinblick darauf, dass die Versicherten jedoch in den Fällen, in denen sie erklären, die Versicherungsgrenze mit ihren Einkünften nicht zu überschreiten, oder gar keine Erklärung abgeben, die Möglichkeit haben, den Krankenversicherungsschutz ex nunc durch eine Erklärung im Sinne des §3 Abs1 Z2 GSVG freiwillig zu erlangen, erscheint §54 zweiter Satz GSVG sachgerecht."
4.2. Auch die am Verfahren beteiligte Sozialversicherungsanstalt erstattete eine Äußerung; darin tritt sie den Bedenken des antragstellenden Gerichtes wie folgt entgegen:
"Als Folge des Fehlens formaler Anknüpfungspunkte (wie im Falle der Gewerbetreibenden die Gewerbeberechtigung) ist die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft auf die ordnungsgemäßen Meldungen der 'neuen Selbständigen' gemäß §2 Abs1 Z4 GSVG angewiesen, sind doch Einkünfte der Versicherten maßgeblich, die die vorgesehenen Grenzen überschreiten. Die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft hat auch aus rein sachlichen Gründen keine Alternative zur Meldung des Versicherten, vom Vorliegen der Pflichtversicherungsvoraussetzungen einer bestimmten Person rechtzeitig zu erfahren. Das Gesetz macht daher sachgerecht von dieser Meldung der Versicherten die rechtzeitige Einbeziehung in die Pflichtversicherung abhängig. Andernfalls kann die Einbeziehung in die Pflichtversicherung nur rückwirkend nach Vorliegen der maßgeblichen Einkommensteuerbescheide erfolgen. Mangelt es an einer derartigen Erklärung des potentiell Pflichtversicherten oder hat dieser erklärt, dass seine Einkünfte die jeweiligen Grenzen nicht überschreiten werden, entstünde eine dem Versicherungsgedanken als Übernahme eines sich erst realisierenden Risikos fremde rückwirkende Leistungspflicht, so dass das Gesetz aus sachlich vertretbaren Gründen in §54 2. Satz GSVG die Leistungspflicht der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft frühestens mit der Meldung entstehen lässt.
..."
4.3. Schließlich erstattete auch die im Ausgangsverfahren klagende Partei eine schriftliche Äußerung; darin schließt sie sich den im Antrag dargelegten Bedenken ausdrücklich an.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
A. Zur Zulässigkeit:
1. Gemäß Art140 Abs1 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Verfassungswidrigkeit eines Bundes- oder Landesgesetzes ua. auf Antrag des Obersten Gerichtshofes. Wie sich aus Art89 Abs2 zweiter Satz B-VG ergibt, ist dieser Gerichtshof verpflichtet, einen solchen Antrag zu stellen, wenn er gegen die Anwendung eines Gesetzes aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit Bedenken hegt.
2.1. Es hat sich nichts ergeben, was an der Präjudizialität der angefochtenen Gesetzesstelle zweifeln ließe.
2.2. Gemäß §62 Abs1 VfGG hat der Antrag, ein Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben, die gegen die Verfassungsmäßigkeit des bekämpften Gesetzes sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen.
Auch diesem Erfordernis ist - anders als die Bundesregierung in ihrer schriftlichen Äußerung meint - im vorliegenden Fall entsprochen: Dadurch, dass der antragstellende Gerichtshof die in der Revision sowie im rechtswissenschaftlichen Schrifttum (insbesondere bei Schrank/Tomandl, Beginn der Versicherung und des Leistungsanspruchs bei "neuen" Selbständigen, ZAS 2004, 100) vorgetragenen Bedenken im Antrag wiedergegeben und damit zu seinen eigenen erhoben hat, ist mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, worin der OGH die Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Gesetzesstelle erblickt.
2.3. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag als zulässig.
B. In der Sache:
1. Vorauszuschicken ist, dass der Verfassungsgerichtshof im Normenprüfungsverfahren auf die Erörterung der im Prüfungsantrag (bzw. im amtswegigen Prüfungsbeschluss) dargelegten Bedenken beschränkt ist (vgl. zB VfSlg. 16.663/2002).
2. Wie die Bundesregierung in ihrer schriftlichen Äußerung zu Recht betont hat, knüpft die Pflichtversicherung gemäß §2 Abs1 Z4 GSVG nicht an das Bestehen einer bestimmten Berufsberechtigung an, sondern allein an den Umstand, dass im laufenden Kalenderjahr Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§22 Z1 - 3 und 5 EStG 1988) und/oder aus Gewerbebetrieb (§23 EStG 1988) in einer bestimmten Mindesthöhe (Versicherungsgrenze) erzielt werden. Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, kann erst im Nachhinein, nämlich nach Vorlage des rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides für das betreffende Jahr, beurteilt werden (in diesem Sinne auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage der 23. Novelle zum GSVG, 1235 BlgNR XX. GP, 18).
Der Betroffene hat es jedoch in der Hand, unabhängig von der Höhe seiner Einkünfte (Kranken-)Versicherungsschutz nach dem GSVG zu erlangen: entweder durch Erklärung, dass seine Einkünfte die in Betracht kommende Versicherungsgrenze (vgl. §4 Abs1 Z5 und 6 GSVG) voraussichtlich überschreiten werden (vgl. §2 Abs1 Z4 zweiter Satz GSVG; mit der Wirkung des Eintritts der Pflichtversicherung in der Kranken- und in der Pensionsversicherung), oder aber (sofern keine solche Erklärung abgegeben wird) im Wege eines Antrages (nur) auf Teilversicherung in der Krankenversicherung ("Opting-in"; vgl. §3 Abs1 Z2 GSVG). Die Pflichtversicherung beginnt im Fall des §2 Abs1 Z4 zweiter Satz GSVG mit dem Tag der Aufnahme der betrieblichen Tätigkeit (vgl. §6 Abs4 Z1 GSVG), im Fall des §3 Abs1 Z2 GSVG mit dem Tag des Einlangens der Meldung beim Versicherungsträger (vgl. §6 Abs5 GSVG). Der Versicherte kann die so begründete Pflichtversicherung auch wieder beenden: durch Erklärung, dass die Einkünfte entgegen der seinerzeitigen Erklärung die in Betracht kommende Versicherungsgrenze (doch) nicht übersteigen werden (vgl. §7 Abs4 Z3 GSVG), bzw. - im Fall des "Opting-in" nach §3 Abs1 Z2 GSVG - durch Abmeldung beim Versicherungsträger (vgl. §7 Abs5 Z1 GSVG) oder bloße Nichtentrichtung der Beiträge binnen drei Monaten nach Fälligkeit (vgl. §7 Abs5 Z2 GSVG).
Wird weder eine Erklärung iS des §2 Abs1 Z4 zweiter Satz GSVG abgegeben noch ein Antrag iS des §3 Abs1 Z2 GSVG gestellt, ist der Eintritt der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung erst nach Vorliegen des rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides "oder eines sonstigen maßgeblichen Einkommensnachweises" im Nachhinein festzustellen (vgl. §2 Abs1 Z4 dritter Satz GSVG). In diesem Fall erhöhen sich die nachzuentrichtenden Beiträge um 9,3 vH (vgl. §35 Abs6 GSVG); dieser Zuschlag soll den durch die spätere Beitragsentrichtung entstandenen Zinsgewinn ausgleichen (so die Erläuterungen zur Regierungsvorlage der 23. Novelle zum GSVG, 1235 BlgNR XX. GP, 18).
3. Der antragstellende Gerichtshof hegt gegen die angefochtene Bestimmung ua. das Bedenken, es sei sachlich nicht gerechtfertigt, in Fällen, in denen die Versicherungspflicht erst nach Vorliegen des rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides festgestellt wird (vgl. §2 Abs1 Z4 dritter Satz GSVG), ohne dass der Versicherte seiner auf Grund des §18 Abs1 GSVG bestehenden Meldepflicht nachgekommen wäre, wohl die Beitragspflicht, nicht aber auch die Leistungsberechtigung rückwirkend eintreten zu lassen.
Schon dieses Bedenken erweist sich als begründet:
Es liegt zwar grundsätzlich im rechtspolitischen Spielraum des Gesetzgebers, im öffentlichen Interesse Meldepflichten vorzusehen und deren Missachtung angemessen zu ahnden (vgl. VfSlg. 12.672/1991). Verstöße gegen die Meldepflicht gemäß §18 GSVG sind aber - im gegebenen Zusammenhang - ohnedies sowohl durch den in §35 Abs6 GSVG (idF der 23. Novelle) vorgesehenen Beitragszuschlag als auch durch die Strafbestimmung des §23 GSVG (demnach sind Personen, die "der ihnen auf Grund dieses Bundesgesetzes obliegenden Verpflichtung zur Erstattung von Meldungen ... nicht oder nicht rechtzeitig nachkommen", mit Geldstrafe bis zu EUR 440,-- zu bestrafen) sanktioniert.
Dem Verfassungsgerichtshof ist - entgegen den Ausführungen der beteiligten Sozialversicherungsanstalt in ihrer Äußerung - nicht erkennbar, dass der Versicherungstatbestand des §2 Abs1 Z4 GSVG ohne die Erstattung von "Meldungen" durch die Betroffenen nicht vollziehbar wäre (so aber auch 886 BlgNR XX. GP, 111), ist doch in §229a Abs2 GSVG (idF der 22. Novelle) ausdrücklich vorgesehen, dass die Abgabenbehörden des Bundes der Sozialversicherungsanstalt "zur Einbeziehung der nach diesem Bundesgesetz Pflichtversicherten" und zur Bemessung der Beiträge "unaufgefordert" von Personen, die mit Einkünften aus selbständiger Arbeit oder aus Gewerbebetrieb veranlagt werden, näher bezeichnete Daten, darunter die Höhe dieser Einkünfte (vgl. §229a Abs1 GSVG), zu übermitteln haben (siehe auch §3 der hiezu ergangenen Durchführungsverordnung des Bundesministers für Finanzen, BGBl. II Nr. 107/1998).
Soweit die beteiligte Sozialversicherungsanstalt den Zweck der angefochtenen Bestimmung aber darin erblickt, "eine dem Versicherungsgedanken als Übernahme eines sich erst realisierenden Risikos fremde rückwirkende Leistungspflicht" auszuschließen, ist sie darauf zu verweisen, dass §70 GSVG allgemein die Möglichkeit vorsieht, im Fall der nachträglichen Feststellung der Versicherungspflicht Ansprüche auf Leistungen aus der Krankenversicherung rückwirkend geltend zu machen; Ansprüche auf Kostenersatz, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede stehen, verfallen demnach frühestens nach Ablauf von zwei Jahren nach Rechtskraft dieser Feststellung (vgl. §70 Abs2 GSVG).
Die angefochtene Bestimmung führt daher dazu, allein Versicherte gemäß §2 Abs1 Z4 GSVG für Zeiträume vor Erstattung der Meldung gemäß §18 GSVG vom sonst bestehenden Leistungsanspruch für den betreffenden früheren Zeitraum auszuschließen. Unterschiede im Tatsächlichen, die es rechtfertigen könnten, bei diesem Personenkreis - auch - Kostenerstattungsansprüche für jenen Zeitraum auszuschließen, für den die Pflichtversicherung erst auf Grund des Einkommensteuerbescheides - rückwirkend - festgestellt wird, sind dem Verfassungsgerichtshof aber nicht erkennbar, zumal der Gesetzgeber bei diesem Personenkreis gerade nicht davon ausgeht, dass der (für die Meldepflicht gemäß §18 GSVG allein relevante) Eintritt der Voraussetzungen für die Pflichtversicherung immer schon am Beginn des Zeitraums der (nachträglichen) Pflichtversicherung bekannt sein wird.
Gerade deshalb ist für diese Personengruppe die Möglichkeit eröffnet, durch Abgabe einer Versicherungserklärung im Vorhinein eine von Mindesteinkünften unabhängige Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung (§2 Abs1 Z4 zweiter Satz GSVG) oder nur in der Krankenversicherung (§3 Abs1 Z2 GSVG) zu erlangen. Wird davon kein Gebrauch gemacht, dann können zwar zunächst - mangels Bestehens einer Krankenversicherung - keine Sachleistungen in Anspruch genommen werden, wohl aber sind - nach Feststellung der Pflichtversicherung im Nachhinein auf Grund des Überschreitens der jeweiligen Versicherungsgrenze - Kostenerstattungsansprüche durchaus denkbar und praktikabel, wie auch §70 GSVG zeigt.
Der sich aus §54 zweiter Satz GSVG ergebende Leistungsausschluss für Zeiten vor "Erstattung der Meldung" erweist sich daher als sachlich nicht gerechtfertigt. Die angefochtene Gesetzesbestimmung widerspricht somit dem - dem Gleichheitssatz innewohnenden - Sachlichkeitsgebot; sie war daher als verfassungswidrig aufzuheben.
Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen auf die weiteren im Antrag geäußerten Bedenken.
4. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, stützt sich auf Art140 Abs6 erster Satz B-VG. Die Kundmachungspflicht des Bundeskanzlers gründet in Art140 Abs5 erster Satz B-VG iVm §64 Abs2 VfGG und §3 Z3 BGBlG.
C. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)