Normen
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
GSVG §5
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
GSVG §5
Spruch:
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. 1. §5 des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes (GSVG), BGBl. Nr. 560/1978 idF BGBl. I Nr. 86/1999 lautet:
"§5. (1) Von der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung oder in der Kranken- oder Pensionsversicherung sind Personen ausgenommen, wenn diese Personen auf Grund ihrer Zugehörigkeit zu einer gesetzlichen beruflichen Vertretung (Kammer) und auf Grund der Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit im Sinne des §2 Abs1 Z4 Anspruch auf Leistungen haben, die den Leistungen nach diesem Bundesgesetz gleichartig oder zumindest annähernd gleichwertig sind, und zwar
1. für die Kranken- und/oder Pensionsversicherung gegenüber einer Einrichtung dieser gesetzlichen beruflichen Vertretung oder
2. für die Krankenversicherung aus einer verpflichtend abgeschlossenen Selbstversicherung in der Krankenversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz oder diesem Bundesgesetz
und die für das Bundesgebiet jeweils in Betracht kommende gesetzliche berufliche Vertretung (falls die gesetzliche berufliche Vertretung auf Grund eines Landesgesetzes eingerichtet ist, diese Vertretung) die Ausnahme von der Pflichtversicherung beantragt. Hinsichtlich der Pensionsversicherung gilt dies nur dann, wenn die Berufsgruppe am 1. Jänner 1998 nicht in die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung einbezogen war. Die Feststellung der Gleichartigkeit oder annähernden Gleichwertigkeit obliegt dem Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales.
(2) Der Antrag im Sinne des Abs1 ist bis zum 1. Oktober 1999 zustellen. Über einen solchen Antrag ist vor dem 1. Jänner 2000 zu entscheiden.
(3) Die Gleichwertigkeit im Sinne des Abs1 Z1 ist jedenfalls dann als gegeben anzunehmen, wenn die Leistungsansprüche (Anwartschaften) auf einer bundesgesetzlichen oder einer der bundesgesetzlichen Regelung gleichartigen landesgesetzlichen Regelung über die kranken- oder pensionsrechtliche Versorgung beruhen."
Die erstantragstellende Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten hat einen Antrag auf Ausnahme ihrer Mitglieder von der Versicherungspflicht nach dem GSVG iS des §5 Abs1 GSVG gestellt; diesem Antrag vom 24.9.1999 wurde mit Bescheid der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 28.10.1999, GZ 21.130/35-2/99, stattgegeben. Der Bescheid wurde nach dem Antragsvorbringen am 5. November 1999 zugestellt und ist rechtskräftig.
2.1. Mit am 16.2.2000 beim Verfassungsgerichtshof eingelangten, auf Art140 B-VG gestützten Individualantrag begehren die genannte Bundeskammer und ein Mitglied dieser Kammer (Zweitantragsteller)
"die Aufhebung folgender Bestimmungen des §5 des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes (GSVG), BGBl 1978/560 idF BGBl 1998/139 und BGBl I/86/1999:
1. In Absatz 1 der Wortfolge
'und die für das Bundesgebiet jeweils in Betracht kommende gesetzliche berufliche Vertretung (falls die gesetzliche berufliche Vertretung auf Grund eines Landesgesetzes eingerichtet ist, diese Vertretung) die Ausnahme von der Pflichtversicherung beantragt',
in eventu,
falls der VfGH die Auffassung vertritt, daß die Antragstellerin als für das Bundesgebiet in Betracht kommende gesetzliche berufliche Vertretung nicht zulässig einen Individualantrag auf Aufhebung hinsichtlich einer Bestimmung stellen darf, die auf eine landesgesetzlich eingerichtete Vertretung Bezug nimmt,
1.1. Variante 1:
der Wortfolge
'die für das Bundesgebiet jeweils in Betracht kommende gesetzliche berufliche Vertretung (falls'
sowie der Wortfolge
'eingerichtet ist, diese Vertretung)', oder
1.2. Variante 2:
der Wortfolge
'die für das Bundesgebiet jeweils in Betracht kommende gesetzliche berufliche Vertretung ('
sowie des Klammerausdrucks
')' nach der Wortfolge 'diese Vertretung'.
2. Des Absatzes 2,
denn diese Bestimmung bewirkt für sich betrachtet einen unmittelbaren aktuellen Rechtseingriff, steht aber auch in einem untrennbaren Zusammenhang mit der Antragsregelung des Absatzes 1.
In eventu keine Aufhebung des Absatzes 2,
soferne der VfGH dem unter Punkt a) gestellten Eventualantrag folgt, da sodann Absatz 2 für die Vollziehung der verbleibenden, die Landesvertretungen betreffenden, Antragsregelung erforderlich ist.
3. Das §5 Abs3,
da dieser mit §5 Abs1 in untrennbarem Zusammenhang steht,
in eventu der Wortfolge in §5 Abs3
'einer bundesgesetzlichen oder'".
2.2. Die Antragsteller behaupten im Wesentlichen, daß die nach dem Gesetz offenstehenden Alternativen einschließlich der Wahlmöglichkeit verfassungswidrig seien und die Antragsteller in ihren Rechten verletzen würden.
Die "unmittelbare aktuelle rechtliche Betroffenheit beider Antragsteller" wird damit begründet, daß die erstantragstellende Kammer gezwungen gewesen sei, bis 1. Oktober 1999 eine "unwiderrufbare Entscheidung für die eine oder andere Alternative zu treffen", ansonsten die "Rechtswirkungen des Gesetzes" eingetreten wären. Dem Zweitantragsteller hingegen seien "keine Rechtsmittel" gegen die Entscheidung der erstantragstellenden Partei eingeräumt. Unter der Überschrift "(z)ur aktuellen rechtlichen Betroffenheit der Antragsteller trotz Entscheidung der Erstantragstellerin für das 'opting out' und stattgebendem Bescheid des BMAGS" wird noch behauptet, daß die Erstantragstellerin "keine Chance" gehabt habe, §5 GSVG rechtzeitig vor Ablauf der gesetzlichen Frist anzufechten. Die "aktuelle rechtliche Betroffenheit beider Antragsteller" durch §5 GSVG bleibe in jedem Fall bestehen, weil die "(rechtlichen und tatsächlichen) Auswirkungen des durch §5 GSVG verfügten Zwangs, sich für eine der beiden verfassungswidrigen Varianten des §5 GSVG entscheiden zu müssen, aufrecht sind und bleiben (siehe dazu die Begründungen in Kapitel D)".
II. Die Anträge sind unzulässig.
1.1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.
Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (VfSlg. 11.726/1988, VfGH 13765/1994).
1.2. Die Antragsteller legen nicht dar, daß und inwiefern das Gesetz im Zeitraum seit der Antragstellung vor dem Verfassungsgerichthof selbst aktuell in ihre Rechtssphäre ungeachtet dessen eingreift, daß die erstantragstellende Bundeskammer für Architekten und Ingenieurkonsulenten von der Möglichkeit des "Opting Out" Gebrauch gemacht und die zuständige Bundesministerin ihrem diesbezüglichen Antrag vollinhaltlich stattgegeben hat. Es ist nämlich weder die der angegriffenen Bestimmung zugeschriebene Folge der - als verfassungswidrig bezeichneten - doppelten Versicherungspflicht eingetreten, noch ist das Weiterbestehen der (weiterhin ausschließlichen) kammereigenen Wohlfahrtsvorsorge eine Folge der angegriffenen Bestimmung. Die Antragsteller sind nach der Gebrauchnahme von der Ausnahme von der Versicherungspflicht vielmehr nicht anders gestellt, als wäre die von ihnen angegriffene Novelle zum GSVG nie in Kraft getreten. Eine Rechtssphäre der Erstantragstellerin, in die durch §5 GSVG weiterhin eingegriffen würde, ist nicht erkennbar.
Auch vermag die (im übrigen unzutreffende) Behauptung, die Erstantragstellerin habe "keine Chance" gehabt, §5 GSVG so rechtzeitig anzufechten, daß der Verfassungsgerichtshof sie vor Ablauf der Frist des §5 GSVG hätte aufheben können (der am 26. Juli 1999 zu G114/99, G125/99 gestellte Antrag der auch hier antragstellenden Parteien mußte wegen der unrichtigen Bezeichnung der angefochtenen Gesetzesbestimmung mit Beschluss vom 16. Oktober 1999 zurückgewiesen werden), die fehlende unmittelbare Betroffenheit nicht zu ersetzen.
1.3. Die Betroffenheit des Zweitantragstellers wird damit darzutun versucht, daß er von der Pflichtversicherung durch die Gebrauchnahme vom "opting out" seitens der Erstantragstellerin ohne weitere Einflußmöglichkeit ausgeschlossen sei. Abgesehen davon, daß diesfalls nicht die Norm, sondern der auf Antrag der Erstantragstellerin ergangene Bescheid diese Rechtswirkung herbeigeführt hätte, steht dem Zweitantragsteller insoweit auch ein anderer, zumutbarer Weg zur Geltendmachung der behaupteten Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmung offen, als er berechtigt ist, einen über seine Versicherungspflicht absprechenden Bescheid zu verlangen (§410 Abs1 ASVG iVm §194 Abs1 GSVG) und diesen (abweislichen) Bescheid im Instanzenzug und letztlich vor dem Verfassungsgerichtshof mit der Behauptung der Anwendung einer verfassungswidrigen Norm (nämlich des §5 GSVG) zu bekämpfen.
1.4. Soweit im vorliegenden Antrag behauptet wird, die "aktuelle rechtliche Betroffenheit beider Antragsteller durch §5 GSVG
bleibt in jedem Fall bestehen, weil die ... Auswirkungen des durch §5
GSVG verfügten Zwangs ... aufrecht sind und bleiben", ohne jedoch
näher darzulegen, worin diese rechtliche Betroffenheit besteht, fehlt es an dem Gesetz entsprechenden Darlegungen. Der an der zitierten Stelle enthaltene Hinweis "siehe dazu die Begründungen in Kapitel D" vermag die fehlenden Darlegungen nicht zu ersetzen, weil das angesprochene Kapitel "D" auf rd 16 Seiten unter dem Titel "Begründung der Anträge" zwar weitwendige Ausführungen zur behaupteten Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Norm, jedoch keine Ausführungen zur Betroffenheit der antragstellenden Parteien enthält. Auch entspricht eine pauschale Verweisung auf diese Ausführungen, selbst wenn diese vereinzelt Argumente enthalten sollten, aus denen man auch die Betroffenheit der antragstellenden Parteien herleiten könnte, nicht der Verpflichtung der Antragsteller, diese Betroffenheit selbst darzutun.
2. Da somit nicht dargetan ist, daß die Bestimmung des §5 GSVG unmittelbar und aktuell in Rechte der antragstellenden Kammer und des Zweitantragstellers eingreift, waren die Anträge schon deshalb zurückzuweisen, ohne daß es dazu weiterer Überlegungen hinsichtlich ihrer Zulässigkeit bedurfte (vgl. zB VfSlg. 15.116/1998; VfSlg. 12.227/1989; VfSlg. 11.365/1987 mwH sowie VfSlg. 9096/1981), etwa im Hinblick darauf, daß ein Teil der Anträge unter der Bedingung einer bestimmten Rechtsauffassung des Verfassungsgerichtshofes gestellt wurde (vgl. VfSlg. 10.196/1984, 12.722/1991, 13.866/1994, 14.956/1997 uva).
3. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
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