VfGH G1279/95,G1280/95

VfGHG1279/95,G1280/95G1279/95,G1280/951.3.1996

Keine sachliche Rechtfertigung des Ausschlusses jeder Art von Außengesellschaft freiberuflich tätiger Ärzte auch zum Zweck der Einrichtung und zum Betrieb von Ordinations- und Apparategemeinschaften

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
ÄrzteG §23 Abs1
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
ÄrzteG §23 Abs1

 

Spruch:

§23 Abs1 letzter Satz des Bundesgesetzes über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1984 - ÄrzteG), Anlage 1 der Kundmachung des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz vom 14. September 1984, mit der das Ärztegesetz wiederverlautbart wird, BGBl. Nr. 373/1984 idF BGBl. Nr. 314/1987, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. März 1997 in Kraft.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist verpflichtet, diese Aussprüche unverzüglich im Bundesgesetzblatt kundzumachen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Beim Verfassungsgerichtshof sind zu den Zlen. B489/94 und B677/94 Verfahren über auf Art144 B-VG gestützte Beschwerden anhängig, denen folgender Sachverhalt zugrunde liegt: Mit gleichlautenden Bescheiden (des Präsidenten) der Ärztekammer für Oberösterreich vom 1. Februar 1994 ist der von zwei Fachärzten für Radiologie gemeinsam gestellte Antrag auf Ausstellung einer "Unbedenklichkeitsbescheinigung" gemäß §6 Erwerbsgesellschaftengesetz iVm §14 Firmenbuchgesetz zur Eintragung der von den Antragstellern gegründeten Erwerbsgesellschaft in das Firmenbuch des zuständigen Landesgerichtes der Sache nach abgewiesen worden. Die Bescheide wurden ua. auf §23 Abs1 letzter Satz ÄrzteG gestützt.

In der gegen diese Bescheide gemeinsam erhobenen, eingangs erwähnten Beschwerde der beiden Ärzte wird die Verletzung nicht näher genannter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der bekämpften Bescheide begehrt.

2. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie sich grundsätzlich nicht dagegen ausspricht, "daß der gegenständlichen Verfassungsgerichtshofbeschwerde ... Folge gegeben wird, da wir selbst - ebenso wie die übrigen in den Bundesländern eingerichteten Ärztekammern sowie die Österreichische Ärztekammer - seit Jahren daran interessiert sind, daß die Angehörigen unseres Berufsstandes über eine sachgerechte Gesellschaftsbildungsmöglichkeit verfügen sollen."

3. Bei der Beratung über die Beschwerde sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §23 Abs1 letzter Satz des Ärztegesetzes, Anlage 1 der Kundmachung des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz vom 14. September 1984, mit der das Nrztegesetz wiederverlautbart wird, BGBl. Nr. 373/1984 idF BGBl. Nr. 314/1987, entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am 19. Juni 1995 gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen beschlossen, Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit dieser Gesetzesstelle einzuleiten.

4. §22 Abs1 und 2 sowie §23 ÄrzteG - die in Prüfung gezogene Vorschrift ist hervorgehoben - lauten:

"§22. (1) Der Arzt ist verpflichtet, jeden von ihm in ärztliche Beratung oder Behandlung übernommenen Gesunden und Kranken ohne Unterschied der Person gewissenhaft zu betreuen. Er hat hiebei nach Maßgabe der ärztlichen Wissenschaft und Erfahrung sowie unter Einhaltung der bestehenden Vorschriften das Wohl der Kranken und den Schutz der Gesunden zu wahren.

(2) Der Arzt hat seinen Beruf persönlich und unmittelbar, allenfalls in Zusammenarbeit mit anderen Ärzten, auszuüben. Zur Mithilfe kann er sich jedoch Hilfspersonen bedienen, wenn diese nach seinen genauen Anordnungen und unter seiner ständigen Aufsicht handeln."

"Ordinations- und Apparategemeinschaften

§23. (1) Die Zusammenarbeit von freiberuflich tätigen Ärzten im Sinne des §22 Abs2 kann bei Wahrung der Eigenverantwortlichkeit eines jeden Arztes auch in der gemeinsamen Nutzung von Ordinationsräumen (Ordinationsgemeinschaft) und/oder von medizinischen Geräten (Apparategemeinschaft) bestehen. Eine solche Zusammenarbeit darf jedoch nach außen hin nicht als Gesellschaft in Erscheinung treten.

(2) Ordinations- und Apparategemeinschaften dürfen nur zwischen den im Abs1 genannten Ärzten begründet werden. Die Tätigkeit der Gemeinschaft muß ausschließlich als freiberufliche Tätigkeit im Sinne des §22 Abs2 anzusehen sein, und es muß jeder einzelne Arzt im Rahmen der Gemeinschaft freiberuflich im Sinne des §22 Abs2 tätig werden."

5. Der Verfassungsgerichtshof ging bei der Fassung seiner Einleitungsbeschlüsse vorläufig davon aus, daß die in Prüfung gezogene Bestimmung bei Erlassung der angefochtenen Bescheide angewendet wurde und daß auch er sie bei der Entscheidung über die an ihn gerichtete Beschwerde anzuwenden hätte. §23 Abs1 letzter Satz ÄrzteG schien daher präjudiziell im Sinne des Art140 Abs1 B-VG zu sein.

Seine Bedenken gegen diese Vorschrift legte der Verfassungsgerichtshof in seinem Einleitungsbeschluß wie folgt dar:

"Der Verfassungsgerichtshof nimmt vorläufig an, daß die in Prüfung gezogene Vorschrift Ärzten ausnahmslos lediglich die Bildung einer bloßen Innengesellschaft ermöglicht, jede Art von Außengesellschaft, und zwar nicht nur solche im Bereich der ärztlichen Berufstätigkeit, jedoch ausschließt. Dies scheint dem Verfassungsgerichtshof einer sachlichen Rechtfertigung zu entbehren. Es ist zwar einsichtig, daß - wie aus den Bestimmungen über die Ärzteliste (§11 a ÄrzteG) hervorgeht - nur physische Personen die Möglichkeit haben, den Beruf des Arztes auszuüben, und daß der Arzt, wie §22 Abs2 ÄrzteG anordnet, 'seinen Beruf persönlich und unmittelbar, allenfalls in Zusammenarbeit mit anderen Ärzten, auszuüben' hat. Ein völlig undifferenziertes Verbot der Bildung einer Außengesellschaft, wie es der letzte Satz des §23 Abs1 ÄrzteG scheinbar verfügt, schließt aber auch aus, daß Ärzte anderen Personen als Patienten, also zB Teilnehmern am Wirtschaftsleben wie etwa Vermietern von Ordinationsräumen oder Verkäufern von (teuren) medizinischen Geräten gegenüber als Gesellschaft auftreten können. §6 EGG dürfte an dieser Rechtslage nichts geändert haben.

Der Verfassungsgerichtshof übersieht nicht, daß Literaturstimmen zufolge (Graff, Das neue Erwerbsgesellschaftengesetz, RdW 1990, S. 142; Krejci, Erwerbsgesellschaftengesetz, 1991, Rz 23 zu §6) die in Prüfung gezogene Regelung im Interesse der Sozialversicherungsträger liegt, da diese die Teilhabe von Ärztegesellschaften am Vertragsarztsystem befürchten. Es ist nämlich (siehe Krejci, Erwerbsgesellschaftengesetz, aaO) davon auszugehen, daß selbst dann, 'wenn Ärztegesellschaften als Außengesellschaften vom Standpunkt des ÄrzteG aus zulässig sein sollten,' dies noch nicht bedeutet, 'daß die Sozialversicherung Ärztegesellschaften in ihr Vertragsarztsystem einbinden müßte oder daß Vertragsärzte, die einer Ärztegesellschaft angehören, die Mitgesellschafter gleichsam zu 'stillen Teilhabern' des Kassenvertragsarztes machen dürften'. Im Lichte dieser Erwägungen scheint auch die Interessenlage der Sozialversicherungsträger keine ausreichende sachliche Rechtfertigung für das mit der in Prüfung gezogenen Regelung anscheinend verfügte generelle Verbot der Bildung von nach außen auftretenden Gesellschaften zu bieten, da mit einer eingeschränkten Regelung ein adäquater Interessenausgleich möglich sein dürfte.

Die in Prüfung gezogene Regelung dürfte daher mit Gleichheitswidrigkeit belastet sein."

6. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in welcher sie begehrt, der Verfassungsgerichtshof wolle aussprechen, daß die in Prüfung gezogene Vorschrift nicht als verfassungswidrig aufzuheben ist, und für den Fall der Aufhebung beantragt, der Verfassungsgerichtshof wolle für das Außerkrafttreten eine Frist von einem Jahr bestimmen, um allenfalls erforderliche legistische Vorkehrungen zu ermöglichen.

Die Bundesregierung tritt in ihrer Äußerung zunächst der Annahme des Verfassungsgerichtshofes entgegen, daß die in Prüfung gezogene Vorschrift jede Art von Außengesellenschaft, und zwar nicht nur solche im Bereich der ärztlichen Berufstätigkeit, ausschließe. Sie stützt ihre Argumentation auf den Wortlaut des ersten Satzes des §23 Abs1 ÄrzteG und führt aus:

"... Dieser spricht von der Zusammenarbeit freiberuflich

tätiger Ärzte im Sinne des §22 Abs2 leg.cit. Damit wird an eine

Bestimmung angeknüpft, die die 'Behandlung der Kranken und

Betreuung der Gesunden' (so die Überschrift zu §22 des

Ärztegesetzes 1984) betrifft, die ärztliche Berufspflichten im

Zusammenhang mit der Beratung und Behandlung von Gesunden und

Kranken festlegt und in Abs2 den Arzt zur persönlichen und

unmittelbaren Ausübung seines Berufs verpflichtet. Diese Regelung

(§22 leg. cit.) spricht also explizit immer nur das Verhältnis

zwischen Arzt und Patienten an, das ein Unmittelbares zu sein

hat, gekennzeichnet durch die ärztliche Eigenverantwortlichkeit,

wobei für einzelne Hilfstätigkeiten auch andere herangezogen

werden dürfen, wenn sie unter der Aufsicht bzw. nach den

Weisungen des Arztes handeln. Wenn in der in Prüfung gezogenen

Norm von einer Zusammenarbeit, die nach außen hin nicht als

Gesellschaft in Erscheinung treten dürfe, die Rede ist, so wird

damit an den vorangehenden Satz angeknüpft. Regelungsziel des in

Prüfung gezogenen Satzes ist es sicherzustellen, daß nicht eine

juristische Person (eine Gesellschaft) im Rahmen des

Behandlungsvertrages den Patienten gegenüber als Vertragspartner

auftritt (zu den Gründen dieser Einschränkung vgl. ... unten).

... Wenn nun in §23 Abs1 Ordinationsgemeinschaften und

Apparategemeinschaften erwähnt werden, so wird dadurch nur klargestellt, daß diese Kooperationsformen mit der eigenverantwortlichen Ausübung des ärztlichen Berufs nicht in Konflikt stehen, solange sie dem Patienten gegenüber nicht als Gesellschaft in Erscheinung treten. Die Bestimmung enthält keinerlei Aussage über das zu gestaltende Verhältnis zwischen Vermieter und Ordinationsgemeinschaft oder dem Verkäufer medizinischer Geräte und Ärzten. Ordinations- und Apparategemeinschaften werden deshalb explizit angesprochen, damit keine Zweifel über die Zulässigkeit dieser - sozusagen für den Patienten sichtbar - Gemeinschaften besteht.

... Es scheint daher nicht in Widerspruch zu den berufsrechtlichen Bestimmungen des Ärztegesetzes zu stehen, wenn Ärzte eine Außengesellschaft gründen, die den Zweck verfolgt, medizinische Geräte zu kaufen und diese im Rahmen einer gemeinschaftlichen Nutzung den Mitgliedern der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen. Unvereinbar sowohl mit den ärzterechtlichen Vorschriften als auch mit dem vom Verfassungsgerichtshof für die freiberufliche ärztliche Berufsausübung entwickelten Leitbild der Eigenverantwortlichkeit in der unmittelbaren Berufsausübung schiene allerdings die in dem dem gegenständlichen Gesetzesprüfungsverfahren zugrundeliegenden Bescheidprüfungsverfahren relevierte 'Unbedenklichkeitsbescheinigung' gemäß §6 des Erwerbsgesellschaftengesetzes, BGBl. Nr. 257/1990, in Verbindung mit §14 des Firmenbuchgesetzes BGBl. Nr. 10/1991, auszustellen, da im gegenständlichen Fall schon im Firmenwortlaut auf die fachärztliche Tätigkeit Bezug genommen werden sollte. Der Betrieb einer fachärztlichen Praxis im Rahmen einer offenen Erwerbsgesllschaft ist aber im Rahmen des Ärztegesetzes nicht möglich, da dann eine Außengesellschaft Vertragspartner des Patienten beim Behandlungsvertrag wäre."

Nach Auffassung der Bundesregierung spreche für dieses Interpretationergebnis auch das Anliegen, die in Prüfung gezogene Vorschrift in kompetenzrechtskonformer Weise zu interpretieren. Nach außen hin als Gesellschaft ihren Patienten gegenüber in Erscheinung tretende Zusammenschlüsse von freiberuflich tätigen Ärzten, die Bundesregierung bezeichnet solche als "Gruppenpraxen" oder "Praxiskliniken", seien nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes als Krankenanstalten dem Kompetenztatbestand "Heil- und Pflegeanstalten" des Art12 Abs1 Z1 B-VG zu subsumieren. Das ÄrzteG stütze sich - mit Ausnahme der Regelungen über die Ärztekammern - auf den Kompetenztatbestand "Gesundheitswesen" in Art10 Abs1 Z12 B-VG. Es sei zu prüfen, ob im Versteinerungszeitpunkt, bei welchem es sich im gegebenen Zusammenhang um den 1. Oktober 1925 handle, geltende Bestimmungen über die Ausübung des ärztlichen Berufes Regelungen über "Gruppenpraxen" oder "Praxiskliniken" enthalten haben. Im Detail wird in diesem Zusammenhang ausgeführt:

"... Eine Durchsicht der von Strobl, Ärztegesetz mit Kommentar, 1971, S 23, angeführten Vorschriften, die vor der Ärzteordnung, BGBl. Nr. 430/1937, gegolten haben, ergibt, daß diese, zum Teil in das 18. Jahrhundert zurückreichenden Vorschriften von der Vorstellung eines selbständig und allein praktizierenden Arztes ausgingen. Nur §12 des Hofkanzleidekretes vom 3. November 1808, Zl. 16.135, betreffend die 'Instruktion für Ärzte, welche in den k.k. Erbstaaten die Praxis ausüben wollen, und keine Kreisärzte sind' enthält eine Regelung über den Arzt, der 'ein Spital-, Gebähr-, Findlings- oder Sichenhaus zu besorgen' hat. Diese Regelung betrifft jedoch gerade Einrichtungen, die heute zu den in Art12 Abs1 Z1 B-VG erwähnten 'Heil- und Pflegeanstalten' gehören, hinsichtlich derer dem Bund lediglich die Grundsatzgesetzgebungskompetenz zukommt. Andere Regelungen, die sich auf Zusammenschlüsse von Ärzten beziehen, sind nur im Zusammenhang mit den die politischen Behörden beratenden Gremien zu finden.

Ansätze, die im Sinne des Grundsatzes der intrasystematischen Fortentwicklung zu Einrichtungen wie Gruppenpraxen oder Praxiskliniken führen könnten, sind hingegen in der diesbezüglichen, im Versteinerungszeitpunkt geltenden Rechtsordnung nicht zu finden.

Dies gilt auch hinsichtlich des Gesetzes vom 22. Dezember 1891, betreffend die Errichtung von Ärztekammern, RGBl. Nr. 6/1892. Auch dieses Gesetz sieht in seinem §2 nur vor, daß 'jeder zur Ausübung der ärztlichen Praxis berechtigte Arzt' mit Ausnahme der Militärärzte und der bei den politischen Behörden angestellten Ärzte 'den Bestimmungen dieses Gesetzes' untersteht und sich bei der Ärztekammer, in deren Sprengel er seinen bleibenden Wohnsitz nimmt, anzumelden hat.

... Bemerkenswert erscheint §14 der Verordnung des Ministeriums des Innern im Einvernehmen mit dem Ministerium für Kultur und Unterricht vom 10. September 1897, RGBl. Nr. 216, mit welcher neue Dienstvorschriften für Hebammen erlassen werden. Die Stellung der Hebammen im Versteinerungszeitpunkt war mit der Stellung der Ärzte durchaus vergleichbar, was nicht zuletzt daraus ersichtlich ist, daß eine der bei Strobl, a.a.O., S 23, zitierten, bis zum Jahre 1937 für Ärzte geltenden Vorschriften, nämlich das Hofkanzleidekret vom 24. April 1827, Zl. 11.840 (P.G.S., Bd. 55, Nr. 53), ausdrücklich auf die 'Niederlassungs-Bewilligungen der Ärzte, Wundärzte und Hebammen an bestimmten Orten' abstellt. §14 der genannten Verordnung lautet wie folgt:

'Es ist der Hebamme ohne besondere behördliche Bewilligung (§2, litb, des Gesetzes vom 30. April 1870, RGBl. Nr. 68) nicht gestattet, ihre Wohnung für Zwecke der Entbindung fremder Frauenspersonen geschäftsmäßig zu verwenden.'

Kohler, Die sanitären Vorschriften Niederösterreichs nach dem Stande vom 1. Dezember 1928, Wien 1928, S 190, bemerkt hiezu:

'§14 der Dienstvorschriften stützt sich hinsichtlich der Bewilligungen zur Vornahme von Hausentbindungen ausdrücklich auf §2, litb), des Gesetzes vom 30. April 1870, RGBl. Nr. 68, wonach es sich sohin bei diesen Bewilligungen um die Konzessionierung von Privatkuranstalten handelt.'

Seine Ansicht kann auch durch §66 Z3 des Krankenanstaltengesetzes, BGBl. Nr. 1/1957, untermauert werden:

Durch diese Norm werden 'die Bestimmungen des §2 litb des Gesetzes vom 30. April 1870, RGBl. Nr. 68, betreffend die Organisation des öffentlichen Gesundheitsdienstes, soweit sie sich nicht auf Heilbäder und Gesundbrunnen beziehen, ...' außer Kraft gesetzt. Demnach handelte es sich bei der zitierten Bestimmung um eine krankenanstaltenrechtliche.

Soweit also die Hebamme ihre Wohnung für Zwecke der Entbindung verwendet hat, war dies einerseits durchaus zulässig, bedurfte aber andererseits einer im heutigen Sinne krankenanstaltenrechtlichen Bewilligung, sodaß diese Form einer 'Praxisklinik' schon im Versteinerungszeitpunkt als eine 'Heil- und Pflegeanstalt' anzusehen und somit von Art12 Abs1 Z1 B-VG erfaßt war.

... Die Ausführungen in Punkt 2 und 3 lassen den Schluß zu, daß - sobald eine Wohnung (ähnliches muß wohl auch hinsichtlich der Ordinationsstätte gelten, da in den im Versteinerungszeitpunkt geltenden Vorschriften keine Differenzierung zu beobachten ist) für Leistungen verwendet werden soll, die typischerweise in Heil- und Pflegeanstalten erbracht werden - ein Kompetenzwechsel von Art10 Abs1 Z12 B-VG zu Art12 Abs1 Z1 B-VG stattfindet. Eine entsprechende gesetzliche Regelung ist daher auf den Kompetenztatbestand 'Heil- und Pflegeanstalten' zu stützen. Für die Praxiskliniken und Gruppenpraxen als anstaltsähnliche Einrichtung heißt das, daß diese Einrichtungen den im jeweiligen Land geltenden krankenanstaltenrechtlichen Vorschriften unterliegen.

Die in §23 ÄrzteG vorgesehenen Ordinations- und Apparategemeinschaften, die lediglich die gemeinsame Nutzung von Ordinationsräumen oder von medizinischen Geräten bezwecken, aber weder die selbständige noch die eigenverantwortliche oder persönliche und unmittelbare Berufsausübung beseitigen, stellen daher die äußerste Grenze einer auf den Kompetenztatbestand 'Gesundheitswesen' gemäß Art10 Abs1 Z12 B-VG gestützten Regelung dar.

... Diese kompetenzrechtliche Lage hat sich im übrigen auch im Ärztegesetz 1984 niedergeschlagen, was insbesondere aus den bereits zitierten §§1 Abs2 und 3 und 22 Abs2 ('der Arzt hat seinen Beruf persönlich und unmittelbar, allenfalls in Zusammenarbeit mit anderen Ärzten, auszuüben') ersichtlich ist. Dabei kann 'Zusammenarbeit' schon im Hinblick auf die kompetenzrechtlichen Grenzen nur als interdisziplinäres Zusammenwirken von selbständig und freiberuflich tätigen Ärzten verschiedener Fächer verstanden werden (zu den sogenannten 'Gemeinschaftspraxen' vgl. Aigner-List, Ärztegesetz 1984, 1985, S. 49).

... Komplementär sieht dann §2 Abs3 des Krankenanstaltengesetzes, der von allen Ausführungsgesetzen übernommen wurde, vor, daß 'Einrichtungen, die eine gleichzeitige Behandlung von mehreren Personen ermöglichen und deren Organisation der einer Anstalt entspricht', nicht als Ordinationsstätten von Ärzten anzusehen sind. Solche Einrichtungen sind vielmehr Krankenanstalten im Sinne dieses Bundesgesetzes. Aus dieser - kompetenzrechtlich bisher nicht in Zweifel gezogenen - Bestimmung läßt sich weiters der Schluß ziehen, daß Gruppenpraxen oder Praxiskliniken, die die gleichzeitige Behandlung von mehreren Personen ermöglichen und eine Organisation aufweisen, die einer Anstalt entspricht, als Krankenanstalten anzusehen sind.

... Schließlich ist noch auf §2 Abs1 Z7 des Krankenanstaltengesetzes zu verweisen, nach dem auch selbständige Ambulatorien (Röntgeninstitute, Zahnambulatorien und ähnliche Einrichtungen) Krankenanstalten im Sinne des §1 leg.cit. sind. Solche selbständigen Ambulatorien sind 'organisatorisch selbständige Einrichtungen, die der Untersuchung oder Behandlung von Personen dienen, die einer Aufnahme in Anstaltspflege nicht bedürfen. Der Verwendungszweck eines selbständigen Ambulatoriums erfährt dann keine Änderung, wenn dieses Ambulatorium über eine angemessene Zahl von Betten verfügt, die für eine kurzfristige Unterbringung zur Durchführung ambulanter diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen unentbehrlich ist.'

... Dieses Ergebnis wird wohl auch durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 13023/1992 bestätigt. Der Verfassungsgerichtshof kommt in diesem Erkenntnis zum Schluß, daß ein typisches Merkmal von Einrichtungen, die dem Kompetenztatbestand 'Heil- und Pflegeanstalten' zuzuordnen sind, 'eine Anstaltsordnung, der sowohl die Patienten als auch die Ärzte unterliegen, ebenso aber das Vorliegen eines (Behandlungs-)Vertrages (welcher Art immer) mit dem Träger der einer sanitären Aufsicht unterliegenden Einrichtung, der jedenfalls auch eine Rechtsbeziehung zwischen diesem Träger und den Benützern dieser Einrichtungen begründet', sei. Der Verfassungsgerichtshof führt weiters aus:

'Für eine ärztliche Behandlung in der Ordination eines freiberuflich tätigen Arztes ist - gleichgültig wie die Ordination organisiert ist (Ordinationsgemeinschaften, Apparategemeinschaften) - demgegenüber die unmittelbare Verantwortung des behandelnden Arztes gegenüber dem Patienten prägend.

Das unterscheidende Merkmal zwischen Ambulatorien, die dem Kompetenztatbestand 'Heil- und Pflegeanstalten' zuzurechnen sind und den dem Kompetenztatbestand 'Gesundheitswesen' zuzuzählenden Ärztepraxen ist somit letztlich bei ersteren eine organisatorische Einrichtung im oben beschriebenen Sinn, während nach dem Ärzterecht bei Ordinationen die medizinische Eigenverantwortlichkeit des behandelnden Arztes gegenüber dem Patienten maßgeblich ist.'

Die Betonung der medizinischen Eigenverantwortlichkeit des behandelnden Arztes gegenüber dem Patienten durch den Verfassungsgerichtshof findet ihre Entsprechung in §23 Abs1 letzter Satz des Ärztegesetzes. Diese Eigenverantwortlichkeit des Arztes wäre nicht mehr gegeben, wenn Gesellschaften - welcher Art auch immer - den Patienten (und nur diesen) gegenüber, nach außen auftreten würden. In diesem Fall käme der Behandlungvertrag wohl zwischen der juristischen Person (der quasi juristischen Person) und dem Pflegling bzw. dem Patienten zustande.

... Wenn also §23 Abs1 letzter Satz des Ärztegesetzes verbietet, daß eine Kooperationsform von Ärzten dem Patienten gegenüber nach außen hin als Gesellschaft in Erscheinung tritt, so wird damit nur sichergestellt, daß das vom Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 13023/1992 entwickelte Abgrenzungskriterium zwischen den Kompetenztatbeständen 'Gesundheitswesen' und 'Heil- und Pflegeanstalten' entsprechend berücksichtigt wird. Diese Merkmale sind einerseits die organisatorische Einrichtung im oben beschriebenen Sinn, die eine Zuordnung zum Kompetenztatbestand 'Heil- und Pflegeanstalten' nach sich zieht, während nach dem Ärzterecht bei Ordinationen die medizinische Eigenverantwortlichkeit des behandelnden Arztes gegenüber dem Patienten maßgeblich ist, was eben durch die in Prüfung gezogene Bestimmung sichergestellt werden soll."

Die Bundesregierung verweist des weiteren darauf, daß die Ärzte im Rahmen ihrer allgemeinen wirtschaftlichen Tätigkeit von keinerlei Assoziierungsverbot betroffen seien. Das in der in Prüfung gezogenen Vorschrift statuierte Assoziierungsverbot betreffe nur die freiberufliche ärztliche Tätigkeit im Rahmen des NrzteG. Es diene der Sicherstellung der Eigenverantwortlichkeit des behandelnden Arztes gegenüber dem Patienten. Wollen Ärzte im Rahmen ihrer medizinischen Tätigkeit allerdings engere, den Patienten gegenüber außenwirksame Assoziierungsformen eingehen, so werde das durch §23 Abs1 letzter Satz ÄrzteG nicht verboten, sondern als Konsequenz nur einer anderen Regelungsmaterie, nämlich dem Kompetenztatbestand "Heil- und Pflegeanstalten" zugewiesen. Nicht mit dem Leitbild des freiberuflich tätigen, unmittelbar verantwortlichen Arztes vereinbare Assoziierungsformen von Ärzten seien nicht schlichtweg verboten, sondern bloß im Rahmen des Krankenanstaltenrechtes zu verwirklichen. Die in Prüfung gezogene Vorschrift verbiete bloß jene intensiveren Kooperationsformen, die, wie die Bundesregierung unter Verweis auf das Erkenntnis VfSlg. 13023/1992 ausführt, über Ordinations- und Apparategemeinschaften hinausgehen und nicht länger durch die unmittelbare Verantwortung des behandelnden Arztes gegenüber den Patienten geprägt seien. Das sei dann der Fall, wenn eine Gesellschaft dem Patienten gegenüber im Behandlungsvertrag als Vertragspartner auftrete. Da die in Prüfung gezogene Bestimmung somit nur bestimmte Assoziierungsformen dem Krankenanstaltenrecht zuweise, stelle sich die Frage nach der sachlichen Rechtfertigung nicht in der vom Verfassungsgerichtshof aufgeworfenen Art Die sachliche Rechtfertigung ergebe sich vielmehr "- untechnisch gesprochen - aus der Grenzziehung zwischen den verschiedenen Kompetenztatbeständen".

7. Der Verfassungsgerichtshof hat in den Gesetzesprüfungsverfahren erwogen:

7.1. Zur Zulässigkeit:

Der Verfassungsgerichtshof ist in seinem Einleitungsbeschluß davon ausgegangen, daß die in Prüfung gezogene Vorschrift bei Erlassung der angefochtenen Bescheide angewendet wurde und daß auch er sie bei der Entscheidung über die an ihn gerichtete Beschwerde anzuwenden hätte. Die Verfahren haben nichts Gegenteiliges ergeben. Die angefochtenen Bescheide stützen sich ausdrücklich auf §23 Abs1 letzter Satz ÄrzteG. Die in Prüfung gezogene Vorschrift ist somit präjudiziell im Sinne des Art140 Abs1 B-VG.

Da auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, sind die Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.

7.2. In der Sache:

Die Bundesregierung tritt zunächst der vorläufigen Annahme des Verfassungsgerichtshofes entgegen, "daß die in Prüfung gezogene Vorschrift Ärzten ausnahmslos lediglich die Bildung einer bloßen Innengesellschaft ermöglicht, jede Art von Außengesellschaft, und zwar nicht nur solche im Bereich der ärztlichen Berufstätigkeit, jedoch ausschließt". Sie führt aus, daß sich die in Prüfung gezogene Vorschrift lediglich auf den engen berufsrechtlichen Rahmen der ärztlichen Tätigkeit iSd §22 Abs2 ÄrzteG beziehe.

Die Bundesregierung ist mit dieser Auffassung nicht im Recht. Es trifft zwar zu, daß der erste Satz des §23 Abs1 ÄrzteG von einer Zusammenarbeit freiberuflich tätiger Ärzte iSd §22 Abs2 leg.cit. handelt. In diesem Satz ist aber auch davon die Rede, daß die Zusammenarbeit in der gemeinsamen Nutzung von Ordinationsräumen und/oder von medizinischen Geräten bestehen kann, und davon, daß diese Nutzung unter "Wahrung der Eigenverantwortlichkeit eines jeden Arztes" zu erfolgen hat. Nach der Argumentation der Bundesregierung selbst wäre der in Prüfung gezogene letzte Satz des §23 Abs1 ÄrzteG, demzufolge eine Zusammenarbeit im Sinne des ersten Satzes dieser Vorschrift "nach außen hin nicht als Gesellschaft in Erscheinung treten" darf, überflüssig, da er nur wiederholen würde, was im ersten Teil des §23 Abs1 ÄrzteG schon - wenn auch etwas verklausuliert - ausgesagt wird. Man muß daher davon ausgehen, daß ihm noch eine darüber hinaus gehende andere Bedeutung zukommt, nämlich die, daß alle mit der gemeinsamen Nutzung von Ordinationsräumen und medizinischen Geräten verbundenen Tätigkeiten, und damit auch diejenigen, die über die freiberufliche Tätigkeit iSd §22 Abs2 ÄrzteG, d.h. die persönliche und unmittelbare Ausübung des ärztlichen Berufes hinausgehen, nicht im Wege einer nach außen in Erscheinung tretenden Gesellschaft vorgenommen werden dürfen. Die in Prüfung gezogene Bestimmung schließt damit, wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Einleitungsbeschluß angenommen hat, aus, daß Ordinations- und Apparategemeinschaften im Verhältnis zu Vermietern von Ordinationsräumen und Verkäufern medizinischer Geräte als Gesellschaft in Erscheinung treten.

Daran ändert auch das kompetenzrechtliche Vorbringen der Bundesregierung nichts. Die in Prüfung gezogene Vorschrift untersagt nämlich nicht nur die Bildung von Ärztegesellschaften, welche in Wirklichkeit Heil- und Pflegeanstalten sind, sondern auch - und nur darum geht es - die Bildung von Gesellschaften bloß zum Zweck der Einrichtung und zum - technischen - Betrieb von Ordinations- und Apparategemeinschaften. Gerade das aber hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluß für unsachlich erachtet. Diese Annahme hat die Bundesregierung mit ihrer Äußerung nicht entkräften können.

Da in den Verfahren nichts hervorgekommen ist, das als sachliche Rechtfertigung des in Prüfung gezogenen letzten Satzes des §23 Abs1 ÄrzteG dienen könnte, war diese Vorschrift wegen Widerspruchs zum Gleichheitssatz als verfassungswidrig aufzuheben.

8. Der Ausspruch, daß frühere Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, gründet sich auf Art140 Abs6 B-VG.

Die Frist für das Inkrafttreten der Aufhebung und die Kundmachungsverpflichtung des Bundeskanzlers beruhen auf Art140 Abs5 B-VG.

9. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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