Normen
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
Bundesbahn-PensionsG §2 Abs1 idF BudgetbegleitG 2003
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
Bundesbahn-PensionsG §2 Abs1 idF BudgetbegleitG 2003
Spruch:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
I. 1. Mit seinem auf Art140 B-VG gestützten - als
"Individualbeschwerde" bezeichneten - Antrag begehrt der Antragsteller "die mit §2 Abs1 BB-PG idF des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl I Nr 71/2003, erfolgte Anhebung des Pensionsanfallsalters als verfassungswidrig aufzuheben".
2. Zur Darlegung seiner Antragslegitimation führt der Antragsteller im Einzelnen Folgendes aus:
"Die Antragslegitimation gemäß Art140 Abs1 B-VG ergibt sich
daraus, dass der Antragsteller ... durch die bezeichneten Normen
unmittelbar in seinen Rechten verletzt worden ist, und die Normen ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides für ihn wirksam geworden sind.
Zum Zeitpunkt seines Eintrittes bei den Österreichischen Bundesbahnen wäre der Antragsteller berechtigt gewesen, mit 20.12.2005 seine Ruhestandsversetzung nach den damaligen Bestimmungen der Pensionsordnung 1966 zu beantragen. Das Bundesbahnpensionsgesetz 2000 hat die entsprechende Wartezeit um 18 Monate verlängert, sodass der Antragsteller berechtigt gewesen wäre, mit 19.05.2007 seine Pension anzutreten. Die nunmehrige Rechtslage nach dem BB-PG in der Fassung 2004 hat diese Wartezeit weiter verlängert, sodass der Antragsteller erst mit 19.09.2009 die Ruhestandsversetzung beantragen kann.
Die bezeichneten Normen beeinträchtigen nicht bloß die wirtschaftliche Situation des Antragstellers. Sie greifen in seine Rechtssphäre ein. Diese Veränderung tritt ein, ohne dass das Gesetz durch eine Verordnung konkretisiert werden müsste. Der Eingriff ist seinem Umfang nach hinreichend bestimmt und nicht bloß potentiell. Das Gesetz selbst verfügt eindeutig, inwiefern sich die Anwartschaft verändert (insofern ist, anders als in VfSlg. 16.615/2002 und 16.302/2001, die Vergleichbarkeit mit VfSlg. 14.591/1996 gegeben).
Der Eingriff hat mit dem Inkrafttreten der bezeichneten Normen bereits stattgefunden.
Dem Antragsteller ist das Ergreifen einer Alternative, um die Verfassungswidrigkeit der Normen geltend zu machen, nicht zumutbar. Wollte man in dem vorliegenden Fall die Umwegszumutbarkeit behaupten, dann würde damit das - im verfassungsrechtlichen Rechtsschutzsystem an sich subsidiär und gleichsam bloß als lückenschließend vorgesehene (vgl. VfSlg. 11.479/1987 und die dort zitierte Vorjudikatur, ständige Rsp.) - Mittel der Individualbeschwerde seiner normativen Kraft beraubt.
Diese Feststellung ergibt sich aus folgender Überlegung:
Der Verfassungsgerichtshof hat zu G24/06-3 eine Individualbeschwerde mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Antragsteller als aktiver Mitarbeiter der Österreichischen Bundesbahnen von den verschlechternden pensionsrechtlichen Bestimmungen noch nicht betroffen wäre. Diese Argumentation scheidet im vorliegenden Fall aus, weil der Antragsteller durch die gesetzliche Anhebung des Pensionsalters unmittelbar betroffen ist. Eine gegen die ÖBB gerichtete Klage, rückwirkend mit 19.05.2007 die Pension anzutreten, hätte - unter Berücksichtigung einer möglichen Anrufung des Verfassungsgerichtshofes - mit einer Verfahrensdauer von zumindest zwei bis drei Jahren zu rechnen, sodass der Kläger während des zivilgerichtlichen Verfahrens klaglos in dem Sinne gestellt würde, als er mit 19.09.2009, also während des Verfahrens, ohnedies pensionsberechtigt wäre. Eine alternative Möglichkeit wäre für den Kläger ebenso unzumutbar: Der Kläger könnte per sofort sein Dienstverhältnis zur ÖBB beenden und eine Leistungsklage auf den Pensionsanspruch mit der Begründung richten, dass das Gesetz, welches seinen Pensionsanspruch auf 19.09.2009 verlängert hat, verfassungswidrig ist. Der Kläger würde in diesem Fall das erhebliche und existenzgefährde[nd]e Risiko tragen, über kein Aktiveinkommen zu verfügen und allenfalls in dem auf die Pensionsleistung gerichteten Verfahren zu unterliegen.
Das Problem des Klägers besteht darin, dass sich sein Schaden nicht in einem entgeltlichen, sondern in einem sonstigen wirtschaftlichen Schaden manifestiert, dass er nämlich länger arbeiten muss, als dies seiner ursprünglichen Erwartungshaltung entsprochen hat. Dieser Schaden lässt sich nicht in einem auf Geld gerichteten Leistungsbegehren konkretisieren, ökonomisch betrachtet liegt er aber jedenfalls im Verlust der Pensionszahlungen für jenen Zeitraum, um die das Pensionsantrittsalter hinausgeschoben worden ist. Der Kläger wird diesen Schaden in Form eines Leistungsanspruches nicht geltend machen können, weil die österreichischen Bundesbahnen im Wege des Vorteilsausgleiches damit argumentieren werden, dass der Kläger für den gleichen Zeitraum aktive Bezüge erhalten hat, die sogar über der Pensionsleistung liegen. Der Umstand, dass dem eine Arbeitsleistung entgegengestanden ist, lässt sich zivilgerichtlich kaum thematisieren.
Darin liegt der unmittelbare Eingriff in die Rechtsposition des Klägers, der diesen Individualantrag rechtfertigt."
3. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie für die Zurückweisung, in eventu die Abweisung des Antrages eintritt.
II. Der Individualantrag ist unzulässig.
1. Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluss VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 (letzter Satz) B-VG setze voraus, dass durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und dass der durch Art140 Abs1 B-VG dem Einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen verfassungswidrige Gesetze nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 11.803/1988, 13.871/1994, 15.343/1998, 16.722/2002, 16.867/2003).
2.1. Ein solcher zumutbarer Weg steht dem Antragsteller hier offen. Es steht ihm frei, ein Ansuchen auf Versetzung in den dauernden Ruhestand gemäß §2 Abs1 Bundesbahn-Pensionsgesetz zu stellen und im Falle der negativen Behandlung diese Entscheidung zu bekämpfen. Der Antragsteller räumt selbst ein, dass es ihm möglich wäre, mit einer gegen die Österreichischen Bundesbahnen gerichteten Klage seinen Anspruch auf Ruhestandsversetzung geltend zu machen, und in dem Verfahren die gegen die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung bestehenden Bedenken an das Gericht mit dem Ziel herantragen kann, dieses zu einem Gesetzesprüfungsantrag an den VfGH zu bewegen (vgl. VfSlg. 17.071/2003, Punkt 4.1.2.; VfGH 3.3.2008, G145/07). Wenn der Antragsteller meint, dass ihm dieser Weg nicht zumutbar wäre, weil einer solchen Klage kein Erfolg beschieden würde, ist daraus für den Standpunkt des Einschreiters nichts zu gewinnen. Es kommt nämlich weder auf die Erfolgschancen des zu Gebote stehenden (Verfahrens-)"Umwegs" (vgl. VfSlg. 9170/1981, 9285/1981, 10.592/1985, 11.889/1988, 13.725/1994, 14.260/1995, 14.458/1996, 15.030/1997), noch auf die Aussichtslosigkeit des Rechtsweges (vgl. VfSlg. 16.288/2001, 16.306/2001), sondern bloß darauf an, dass sich im Zuge eines derartigen Verfahrens Gelegenheit bietet, verfassungsrechtliche Bedenken gegen relevante Normen im Wege der ordentlichen Gerichte an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Die Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgesetzgebers, die Initiative zur Prüfung genereller Normen - vom Standpunkt des Betroffenen aus gesehen - zu mediatisieren, wenn die Rechtsverfolgung vor Gerichten stattfindet, gefährdet auch nicht die Effektivität des Grundrechtsschutzes (zB VfGH 3.3.2008, G145/07 mwN).
2.2. Der Antrag war daher schon aus diesem Grund mangels Legitimation als unzulässig zurückzuweisen, ohne dass in eine Prüfung der sonstigen Prozessvoraussetzungen - wie das Erfordernis einer genauen und eindeutigen Bezeichnung der bekämpften Gesetzesstelle, sowie deren genaue Abgrenzung, das Vorliegen der aktuellen Betroffenheit des Antragstellers und die hinreichende Darlegung der Bedenken - einzutreten war.
3. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
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