VfGH G1/2014 ua

VfGHG1/2014 ua12.3.2014

Unzulässigkeit eines Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen des Nö ROG 1976 und der Nö BauO 1996 betreffend Entschädigungen infolge Zumutbarkeit des Verwaltungsrechtsweges

Normen

B-VG Art140 Abs1 Z1 litc
Nö BauO 1996 §8, §76
Nö ROG 1976 §24
B-VG Art140 Abs1 Z1 litc
Nö BauO 1996 §8, §76
Nö ROG 1976 §24

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Sachverhalt und Antragsvorbringen

1. Der Antragsteller ist Eigentümer einer Liegenschaft in der Marktgemeinde Neumarkt an der Ybbs in Niederösterreich. Mit Verordnung vom 27. September 2012 widmete der Gemeinderat diese Liegenschaft von "Grünland – Land- und Forstwirtschaft" in "Grünland – Freihalteflächen" um. Der Antragsteller stellt in seinem Antrag fest, dass dies geschah, obwohl der Bürgermeister, der Vizebürgmeister und der Raumplaner der Gemeinde ihm "definitiv in Aussicht" gestellt hätten, dass seine Liegenschaft in Bauland umgewidmet würde.

2. Mit Schreiben vom 14. Juli 2013 stellte der Betroffene in der Gemeinde einen Antrag gemäß §24 NÖ Raumordnungsgesetz 1976 (im Folgenden: NÖ ROG 1976) und §76 NÖ Bauordnung 1996 (im Folgenden: NÖ BauO 1996) auf "angemessenen finanziellen Ersatz von Aufwendungen". Mit Bescheid vom 11. November 2013 wies der Bürgermeister den Antrag ab und sprach keine Entschädigung zu. Begründet wird der Bescheid im Wesentlichen damit, dass beide Paragraphen eine Baulandwidmung voraussetzen würden, eine solche aber nie vorgelegen sei. Eine Berufung gegen diesen Bescheid wies der Gemeindevorstand ab.

3. Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 B-VG gestützten Antrag vom 26. Dezember 2013 begehrt der Antragsteller, §24 NÖ ROG 1976 und §76 NÖ BauO 1996 als verfassungswidrig aufzuheben.

4. Zur Zulässigkeit des Antrags wird ausgeführt, dass durch die Umwidmung dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb der Familie des Antragstellers gemäß §19 Abs2 Z1a und Abs4 NÖ ROG 1976 vorbehaltenes Bauland entzogen worden wäre. Die Absicht des Antragstellers, ein Gewächshaus zu errichten, sei zunichte gemacht worden. Die angefochtenen Bestimmungen seien für die Familie des Antragstellers negativ wirksam geworden.

5. Zur inhaltlichen Begründung bringt der Antragsteller im Wesentlichen vor, dass es mit dem Gleichheitsgrundsatz (Art2 StGG) und dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG) nicht vereinbar sei, wenn bei Änderung von Grünlandwidmungen – im Gegensatz zu Baulandwidmungen – eine Entschädigung ausgeschlossen sei. Die Umwidmung von einer Grünlandwidmung in eine andere könne nämlich ebenfalls zu beachtlichen Wertminderungen führen.

II. Rechtslage

Die maßgeblichen Bestimmungen in ihrer jeweils geltenden Fassung lauten (auszugsweise):

1. §8 NÖ BauO 1996 idF LGBl 8200-22:

"Verfahren für Entschädigungen und Kostenersatzleistungen

(1) Über eine Entschädigung oder Kostenersatzleistung nach [...]§76 hat die Baubehörde erster Instanz zu entscheiden. Gegen diesen Bescheid ist kein Rechtsmittel zulässig.

(2) Binnen 3 Monate ab Rechtskraft des Bescheides darf der Anspruchsberechtigte beim Landesgericht, das aufgrund der Lage des betroffenen Grundstücks zuständig ist, die Neufestsetzung der Entschädigung oder Kostenersatzleistung begehren. Langt ein solcher Antrag bei Gericht ein, tritt die diesbezügliche Entscheidung der Baubehörde außer Kraft.

(3) [...]"

2. §76 NÖ BauO 1996 idF LGBl 8200-8:

"Entschädigung

(1) Die Gemeinde hat auf Antrag des Eigentümers eines Grundstücks im Bauland, welches keinem Bauverbot unterliegt, für vermögensrechtliche Nachteile eine angemessene Entschädigung zu leisten, wenn durch Festlegungen des Bebauungsplans die im Flächenwidmungsplan festgelegte Nutzung ausgeschlossen wird.

(2)-(4) [...]"

3. §24 NÖ ROG 1976 idF LGBl 8000-25:

"Ersatz von Aufwendungen

(1) Die Gemeinde ist verpflichtet, dem Grundeigentümer eine angemessene Entschädigung für jene vermögensrechtlichen Nachteile zu leisten, die durch Änderungen von Baulandwidmungsarten in andere Widmungsarten unter folgenden Bedingungen entstanden sind:

a)-c) [...]

(2)-(4)[...]

(5) Der Grundeigentümer kann innerhalb von fünf Jahren ab Inkrafttreten der Widmungsänderung bei der Gemeinde schriftlich einen Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen geltend machen, worüber innerhalb von sechs Monaten eine gütliche Einigung anzustreben ist. Wird keine Einigung erzielt, so kann der Grundeigentümer innerhalb von einem Jahr nach Geltendmachung des Anspruchs bei sonstigem Anspruchsverlust die Festsetzung des Aufwandsersatzes durch das örtlich zuständige Landesgericht begehren. [...]."

III. Erwägungen

Der Antrag ist nicht zulässig.

1. Die Antragslegitimation nach Art140 B-VG setzt ua. voraus, dass ein anderer zumutbarer Weg zur Gewährung des Rechtsschutzes nicht zur Verfügung steht. Ein solcher zumutbarer Weg ist nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ua. gegeben, wenn ein gerichtliches Verfahren zulässig ist, in dem der Antragsteller die Möglichkeit hat, eine amtswegige Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof anzuregen.

2. Gemäß §8 NÖ BauO 1996 kann im Falle des §76 leg.cit. "der Anspruchsberechtigte beim Landesgericht, das aufgrund der Lage des betroffenen Grundstücks zuständig ist, die Neufestsetzung der Entschädigung oder Kostenersatzleistung begehren", wobei das Gericht sowohl über die Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde nach als auch über die Zulässigkeit der Höhe des geforderten Betrages entscheidet (VfGH 12.12.2012, B450/11; VwGH 28.1.2003, 2002/05/1522). Ebenso kann im Falle des §24 NÖ ROG 1976 der Grundeigentümer die Festsetzung des Aufwandsersatzes durch das örtlich zuständige Landesgericht begehren (Abs5). In diesen Verfahren kann der Antragsteller die amtswegige Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens über Antrag eines Gerichts beim Verfassungsgerichtshof anregen.

3. In der NÖ BauO 1996 und im NÖ ROG 1976 ist somit der Weg ausdrücklich vorgezeichnet, den der Antragsteller beschreiten kann, um die von ihm angenommene Verfassungswidrigkeit geltend zu machen. Der Verfassungsgerichtshof kann auch nicht finden, dass es dem Antragsteller unzumutbar sein sollte, diesen Weg zu beschreiten; wobei anzumerken ist, dass es bei Beurteilung dieser Frage nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes auf die Erfolgsaussichten der Partei in der Sache nicht ankommt (zB. VfSlg 9170/1981, 13.226/1992, 13.754/1994, 16.891/2003). Dies ist eine konsequente Folge der bestehenden Verfassungsrechtslage, die Individualanträge nur als subsidiären Rechtsbehelf zulässt (VfSlg 8187/1977, 9170/1981, 9285/1981, 9394/1982, 10.251/1984). Es kommt bloß darauf an, dass sich im Zuge eines derartigen Prozesses Gelegenheit bietet, verfassungsrechtliche Bedenken gegen relevante Normen über die ordentlichen Gerichte an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen (vgl. VfSlg 9170/1981, 9285/1981, 10.592/1985). Dass ein gerichtlicher Prüfungsantrag beim Verfassungsgerichtshof unterbleibt, wenn die Rechtsmittelinstanzen die verfassungsrechtliche Kritik einer Prozesspartei an präjudiziellen gesetzlichen Vorschriften nicht teilen, ändert nach der gefestigten verfassungsgerichtlichen Judikatur nichts an der Unzulässigkeit des Individualantrages (vgl. etwa VfSlg 8552/1979, 9394/1982, 9926/1984, 12.046/1989).

IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Zusammenfassend ergibt sich, dass es dem Antragsteller hinsichtlich beider Gesetzesbestimmungen an der Legitimation zur Stellung eines Individualantrages mangelt. Der Antrag ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

2. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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