Normen
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
PG 1965 §19 Abs1
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
PG 1965 §19 Abs1
Spruch:
§19 Abs1 des Pensionsgesetzes 1965, BGBl. 340, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 28. Feber 1985 in Kraft.
Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim VfGH ist zu B586/83 das Verfahren über eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, die von der früheren Ehefrau eines am 21. Mai 1982 verstorbenen Bundesbeamten des Ruhestandes (die Ehe war mit Urteil vom 12. März 1973 gemäß §51 EheG ohne Verschuldensausspruch geschieden worden) erhoben wurde. Der Beschwerdesache liegt folgendes Verwaltungsgeschehen zugrunde:
Mit Bescheid vom 16. Juli 1982 stellte das Bundesrechenamt unter Bezugnahme auf §19 Abs1 des Pensionsgesetzes 1965 - PG 1965, BGBl. 340, fest, daß der Bf. ein Versorgungsbezug nach ihrem früheren Ehemann nicht gebühre. Die dagegen erhobene Berufung wies der Bundesminister für Finanzen mit Bescheid vom 3. August 1983 ab. Der verstorbene Beamte habe zur Zeit seines Todes weder aufgrund eines gerichtlichen Urteils noch aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs oder einer vor der Auflösung der Ehe schriftlich eingegangenen Verpflichtung für den Lebensunterhalt der Bf. aufzukommen oder dazu beizutragen gehabt; die tatsächliche Leistung des Lebensunterhaltes oder eine erst nach Auflösung der Ehe abgegebene diesbezügliche Verpflichtungserklärung könne keinen Anspruch auf Versorgungsbezug begründen.
2. Aus Anlaß dieser Beschwerdesache leitete der VfGH gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen das gegenwärtige Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §19 Abs1 PG 1965 ein, der folgendermaßen lautet:
"(1) Die Bestimmungen über den Anspruch auf Witwenversorgung und über das Ausmaß der Witwenversorgung - ausgenommen die Bestimmungen der §§21 Abs3 bis 6 und 24 - gelten, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt ist, sinngemäß für die frühere Ehefrau des verstorbenen Beamten, wenn dieser zur Zeit seines Todes auf Grund eines gerichtlichen Urteiles, eines gerichtlichen Vergleiches oder einer vor der Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe schriftlich eingegangenen Verpflichtung für den Lebensunterhalt seiner früheren Ehefrau aufzukommen oder dazu beizutragen hatte."
Der VfGH ging davon aus, daß der Beschwerde Prozeßhindernisse nicht entgegenstehen, sowie daß er bei seiner Entscheidung §19 Abs1 PG 1965 anzuwenden hätte. Hinsichtlich der verfassungsgerechtlichen Bedenken verwies der Gerichtshof auf seinen Beschluß B472/82-8 vom 5. Oktober 1983, mit dem das (unter G77/83, 71/84 eingetragene) Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §19 Abs4 PG 1965 eingeleitet worden war. Er nahm vorläufig an, daß die in diesem Beschluß dargelegten Bedenken entsprechend auf Abs1 dieses Paragraphen zutreffen; §19 Abs1 PG 1965 enthalte anscheinend die gleiche, unter dem Blickpunkt des Gleichheitsgebotes bedenkliche Differenzierung, nämlich daß zwar der früheren Ehefrau, nicht aber - bei sonst völlig gleichen Verhältnissen - dem früheren Ehemann ein Versorgungsgenuß zukomme.
3. Die Bundesregierung verteidigte in ihrer Äußerung die Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Gesetzesstelle. Sie verwies auf ihre für die Verfassungskonformität des §19 Abs4 PG 1965 im Gesetzesprüfungsverfahren G77/83, 71/84 vorgebrachten Argumente und beantragte, §19 Abs1 PG 1965 nicht als verfassungswidrig aufzuheben.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Der im Anlaßverfahren angefochtene Ministerialbescheid beruht in materieller Hinsicht auf der in Prüfung gezogenen Gesetzesbestimmung; sie wäre vom VfGH bei seiner Entscheidung über die Beschwerde, welcher Prozeßhindernisse nicht entgegenstehen, anzuwenden. Auch die übrigen Voraussetzungen des eingeleiteten Normenprüfungsverfahrens liegen vor.
2. Mit dem Erk. VfSlg. 9995/1984 schloß der VfGH das vorhin erwähnte Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Abs4 im §19 PG 1965 ab und hob diese Gesetzesvorschrift als verfassungswidrig auf. In den Entscheidungsgründen dieses Erk., auf die hingewiesen wird, wurde im einzelnen dargelegt, weshalb die aufgehobene Gesetzesstelle - entgegen der von der Bundesregierung verfochtenen Ansicht - dem Gleichheitsgebot widerspricht. Da dem nun in Prüfung stehenden Abs1 des §19 PG 1965 die gleiche Differenzierung zugrunde liegt wie dem als gleichheitswidrig befundenen Abs4 desselben Paragraphen, treffen die Erwägungen des bezogenen Erk. entsprechend auch für den vorliegenden Gesetzesprüfungsfall zu.
§19 Abs1 PG 1965 war sohin als verfassungswidrig aufzuheben.
3. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstelle gründet sich auf Art140 Abs5 dritter und vierter Satz B-VG.
Der Ausspruch, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, beruht auf Art140 Abs6 B-VG.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)