Normen
Nö BauO 1996 §72, §73
Nö ROG 1976 §1 Abs2 Z2
B-VG Art18 Abs2
Bebauungsplan der Stadtgemeinde Groß-Enzersdorf, Änderung vom 06.03.2006
Nö BauO 1996 §72, §73
Nö ROG 1976 §1 Abs2 Z2
B-VG Art18 Abs2
Bebauungsplan der Stadtgemeinde Groß-Enzersdorf, Änderung vom 06.03.2006
Spruch:
Die beschwerdeführenden Parteien sind durch die angefochtenen Bescheide weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerden werden abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Verwaltungsgeschehen und Vorverfahren
1. Mit Schreiben vom 5. Juli 2007 beantragte die beteiligte Partei, eine gemeinnützige Wohnbaugesellschaft, eine Baubewilligung für die Errichtung einer Wohnhausanlage auf dem Grundstück Nr 268/4, KG Groß-Enzersdorf. Im Bebauungsplan ist für das Grundstück eine 50%-ige Bebauungsdichte, die offene Bebauungsweise und wahlweise Bauklasse III und IV festgelegt.
2. Am 29. Oktober 2007 erteilte der Bürgermeister der Stadtgemeinde Groß-Enzersdorf als Baubehörde I. Instanz mit Bescheid die baubehördliche Bewilligung für das Projekt, wogegen die nunmehrigen beschwerdeführenden Parteien als Nachbarn im Sinne des §6 NÖ Bauordnung 1996 (im Folgenden: NÖ BauO) Berufung an den Stadtsenat erhoben. Nach einem weitwendigen Verwaltungsverfahren, im Zuge dessen die NÖ Landesregierung als Vorstellungsbehörde mehrfach abweisende Berufungsbescheide des Stadtrats behob und die bauwerbende Gesellschaft auch das ursprünglich eingereichte Projekt von 63 Wohneinheiten auf 53 Wohneinheiten (davon 17 behindertengerecht) und zwei Büros reduzierte, wies die NÖ Landesregierung letztlich die Vorstellungen der Beschwerdeführer gegen die Berufungsbescheide ab.
3. Gegen diese Bescheide der NÖ Landesregierung vom 30. Juni 2011 richten sich die vorliegenden, auf Art144 B‑VG gestützten Beschwerden, in denen die beschwerdeführenden Parteien die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, des im Spruch genannten Bebauungsplans der Stadtgemeinde Groß-Enzersdorf, behaupten.
4. Die NÖ Landesregierung als belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, sie nahm aber von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand. Die Stadtgemeinde Groß-Enzersdorf und die bauwerbende Gesellschaft erstatteten als beteiligte Parteien Äußerungen, in denen sie die Anträge stellen, die Beschwerden abzulehnen bzw. als unbegründet abzuweisen.
II. Rechtslage und Bebauungssituation
1. §73 NÖ BauO in der Fassung LGBl 8200-3 lautet:
"Änderung des Bebauungsplans
§73. (1) Der Bebauungsplan ist dem geänderten örtlichen Raumordnungsprogramm anzupassen, wenn seine Festlegungen von der Änderung berührt werden.
Der Bebauungsplan darf abgeändert oder durch einen neuen ersetzt werden
1. wegen wesentlicher Änderung der Planungsgrundlagen in Folge struktureller Entwicklung oder
2. zur Abwehr schwerwiegender wirtschaftlicher Nachteile für die in der Gemeinde verkörperte Gemeinschaft oder
3. wenn sich eine Festlegung als gesetzwidrig herausstellt oder
4. wenn die gesetzlichen Bestimmungen über den Regelungsinhalt geändert wurden.
Regulierungspläne, die nach §5 der Bauordnung für NÖ, LGBl Nr 36/1883, erlassen wurden, dürfen ersatzlos behoben werden.
(2) Für das Verfahren gelten die Bestimmungen des §72 sinngemäß.
(3) [...]"
2. Aus den dem Verfassungsgerichtshof vorliegenden Unterlagen ergibt sich folgende Bebauungssituation für das Baugrundstück und die daran angrenzenden Grundstücke:
Für das Baugrundstück Nr 268/4 und dessen Nachbargrundstücke im SW, NW und SO galt Bauklasse III, IV (Bauhöhe bis zu 14 m). Für die Nachbargrundstücke im NO galt Bauklasse I, II (Bauhöhe bis zu 8 m).
Für das Baugrundstück und alle Nachbargrundstücke war zunächst einheitlich eine maximale Bebauungsdichte von 30% festgelegt.
3. Mit Verordnung vom 6. März 2006 erhöhte der Gemeinderat von Groß-Enzersdorf die Bebauungsdichte der Grundstücke Nr 268/1 und Nr 268/4 von 30% auf 50%.
Auf dem Baugrundstück Nr 268/4 befand sich zu diesem Zeitpunkt ein Kindergarten, dessen Auflassung geplant war. Das Nachbargrundstück Nr 268/1 liegt nordwestlich des Baugrundstücks, es steht darauf ein im Jahr 1953 errichtetes Wohnhaus der Gemeinde. Beide Grundstücke, Nr 268/1 und 268/4, standen zum Zeitpunkt der Änderung des Bebauungsplans noch im Eigentum der Gemeinde. Im SW des Baugrundstücks befindet sich eine Wohnhausanlage einer gemeinnützigen Wohn- und Siedlungsgesellschaft. Im SO und NO liegen ausschließlich Ein- und Zweifamilienhäuser, darunter jene der Beschwerdeführer.
Das maßgebliche Dokument der Grundlagenforschung für die Änderung des Bebauungsplans trägt die Bezeichnung "Änderungsanlass". Darin wird ausgeführt:
"Ausgangssituation: In der Lobaustraße auf dem Grundstück 268/1 befindet sich eine Wohnhausanlage der Wohnungsgenossenschaft 'Schönere Zukunft'. Eigentümer dieses Grundstückes und des daran anschließenden Grundstückes (268/4) ist die Stadtgemeinde Gross-Enzersdorf. Auf dem Grundstück 268/4 befindet sich der Kindergarten der Stadtgemeinde Gross-Enzersdorf.
Folgende Bebauungsbestimmungen sind für diese beiden Grundstücke festgelegt:
- 30% Bebauungsdichte,- wahlweise offene, gekuppelte Bebauungsweise- und Bauklasse III und IV.
Änderung
Der Kindergarten, der sich auf dem Grundstück 268/4 befindet, wird nun auf den neuen Standort in der Rosseggerstraße verlegt. Somit steht dieses Grundstück für neue Nutzungsüberlegungen zur Verfügung.
Da sich das Grundstück in Zentrumslage befindet und die nahe Umgebung von mehrgeschossigen Wohnbauten charakterisiert wird, ist die Nutzungsüberlegung der Gemeinde hier ebenfalls einen mehrgeschossigen Wohnbau zu errichten. Eine Änderung der Grundstücksgrenzen ist dafür auch erforderlich.
Die Lobaustraße erschließt vom Stadtkern das südliche Siedlungsgebiet. Entlang dieser Straße wird die städtische Struktur des Stadtkernes weitergeführt, die auch im Bebauungsplan berücksichtigt wurde. Somit ist entlang der Lobaustraße gegenüber der geplanten Änderung die geschlossene Bebauungsweise und die Bauklasse I und II festgelegt. Eine Bebauungsdichte wurde hier nicht festgelegt und die Grundstücke könnten bis zu 100% Bebauungsdichte verbaut werden.
Im südlichen Anschluss besteht die Bebauungsdichte von 30%, wahlweise die offene und gekuppelte Bebauungsweise und die Bauklasse III, IV. Die Umgebung der geplanten Änderung wird von mehrgeschossigen Wohnbauten charakterisiert. Da die Gründstücksflächen im südlichen Bereich etwas größer sind, kann mit einer Bebauungsdichte von 30% das Auslangen gefunden werden.
Für die von der Änderung betroffenen Grundstücke wurde bereits eine Wohnungsgenossenschaft gefunden, die hinter dem bestehenden Wohnblock eine weitere mehrgeschossige Bebauung errichten möchte. Auf diesem neuen Standort sollen nicht nur Wohnungen für Junge Familien, sondern auch Wohnungen für betreutes Wohnen errichtet werden.
Um diese Kombination von betreuten Wohnen und Wohnungen für Junge Familien umsetzen zu können, ist es jedoch erforderlich, die Bebauungsdichte anzupassen.
Nach Gesprächen mit der Gemeindevertretung und der Wohnbaugenossenschaft wurde vorgeschlagen, dass für die beiden Grundstücke zukünftig die Bebauungsdichte auf 50% erhöht wird, um dieses zukunftweisende Konzept in die Realität umsetzen zu können. Die anderen Bestimmungen bleiben unverändert.
Durch die Erhöhung der Bebauungsdichte ist es möglich, eine hochwertige Nutzung der Flächen anzustreben. Somit wird eine Verdichtung der innerstädtischen Flächen gewährleistet und die bestehende technische Infastruktur wirtschaftlich optimal genutzt.
Die Änderung der Bebauungsdichte führt zu keinerlei negativer Beeinträchtigung der umgebenden Struktur, da die Umgebung derzeit schon von mehrgeschossigen Wohnbauten bzw. dichter Verbauung charakterisiert wird.
Zusammenfassung
Die Bebauungsdichte der Grundstücke 268/1 und 268/4 soll von 30% auf 50% angehoben werden, um die Fläche östlich des Grundstückes 268/1 optimal für einen mehrgeschossigen Wohnbau nutzen zu können. Auf dieser Fläche soll eine Kombination von Wohnungen für Junge Familien und betreutes Wohnen umgesetzt werden."
(Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)
Nach ordnungsgemäßer Kundmachung trat die Verordnung am 23. März 2006 in Kraft.
4. Die im Dokument "Änderungsanlass" angesprochene Änderung der Grundstücksgrenze wurde im zweiten Halbjahr 2006 vollzogen: Vom Grundstück Nr 268/1 wurde eine 1.732 m² große Fläche abgeschrieben und mit dem Baugrundstück Nr 268/4 vereinigt. Dadurch erhöhte sich die verbaubare Fläche am Baugrundstück entsprechend, wohingegen sich der Anteil der verbauten Fläche auf dem weiterhin im Gemeindeeigentum stehenden Nachbargrundstück Nr 268/1 auf 48,21% erhöhte.
5. Am 10. November 2006 erwarb die bauwerbende Gesellschaft (mittelbar) das vergrößerte Grundstück Nr 268/4. Im Kaufvertrag verpflichtete sich die bauwerbende Gesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen "ein gefördertes Wohnprojekt mit etwa 60 – 70 geförderten Wohnungen, davon mindestens 20 als Betreutes Wohnen samt den erforderlichen Nebenräumen und Garagenplätzen, zu errichten".
III. Erwägungen
1. Die Beschwerden sind zulässig.
2. In den Beschwerden werden – wortgleich – folgende Bedenken vorgebracht:
"Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz kann sowohl durch Gesetz bzw. Verordnung - sohin durch den Bebauungsplan – als auch durch den Bescheid verletzt werden.
Gegenständlich wurde durch die Abschreibung einer Teilgrundstücksfläche der Liegenschaft (Grundbuch 06207 Großenzersdorf, EZ626, GStNr 268/1, Eigentümerin Stadtgemeinde Großenzersdorf) auf die an die Bauwerberin zu verkaufende Liegenschaft (Grundbuch 06207 Großenzersdorf, EZ2268, GStNr 268/4 Eigentümerin Bauwerberin) eine Änderung des Raumordnungsplanes im speziellen des Bebauungsplanes insofern möglich, als das von der Bauwerberin zu bebauende Grundstück nunmehr auf die Bauklasse III, IV, Baudichte 50% angehoben werden konnte.
Dies bedeutet gegenständliche für das örtliche Umfeld von Einfamilienhäusern und zweistöckigen Häusern plötzlich eine Bebauungshöhe eines geplanten 6stöckigen Hochhauses.
Wie bereits in Punkt 1. Sachverhalt beschrieben, war die Stadtgemeinde Großenzersdorf grundbücherliche Alleineigentümerin der Liegenschaft (Grundbuch 06207 Großenzersdorf, EZ626 mit den GStNr 268/1 und 268/4) der Liegenschaftsadresse Lobaustraße 5. Insgesamt verfügte das Grundstück über ein Ausmaß von 4.780 qm, wobei auf das GSt-Nr 268/1 (Gemeindebauareal) ein Ausmaß von 3.181 qm und auf das GSt-Nr 268/4 (Kindergartenareal) 1.599 qm fiel. Das gegenständliche Baugrundstück unterlag zum damaligen Zeitpunkt der Bauklasse I, II.
Am 28.11.2005 wurde kundgemacht, dass der Gemeinderat beabsichtige, für die Katastralgemeinde Groß-Enzersdorf (Plan Nr 4901/12-4/05 Blatt 77/4) den Bebauungsplan zu ändern. Die betroffenen Anrainer wurde[n] nicht verständigt und wurde ihnen daher diese Kundmachung (ausgehängt vom 28.11.2005 bis 11.01.2006) erst nach Rechtskraft des neuen Bebauungsplanes im Zuge der stattgefundenen Bauverhandlung gegenständlichen Bauprojektes zur Kenntnis gebracht.
Bereits diese Vorgangsweise wird als Gleichheitswidrigkeit angeführt, da die Behörde willkürlich Nachbarrechte hierdurch umging. Dieses Bestreben zeigt sich bereits daran, dass die Kundmachungsfrist von der Adventzeit über Weihnachten, Neujahr und Dreikönig gewählt wurde. ln diesem Zeitabschnitt findet sich bekannter Weise Hektik der Bürger vor, sodass seitens der Behörde angenommen werden kann, dass zu dieser Zeit die Bürger erfahrungsgemäß nicht zusätzlich und eigenständig ein Bestreben an den Tag legen, allfällige anhängige Verfahren der Gemeinde in Erfahrung zu bringen. Es war mit einer Kenntnisnahme der Bürger nicht zu rechnen. Entgegen §72 Abs2 NÖ BauO 1996 wurden die Eigentümer der vom Bebauungsplan betroffenen Grundstücke nicht verständigt. Diese Vorgangsweise der Stadtgemeinde war für die Bauwerber günstig, für die betroffenen Nachbarn jedoch benachteiligend. Diese individuelle Begünstigung lag keinesfalls im öffentlichen Interesse.
ln der Folge wurde aufgrund des geänderten Bebauungsplanes das gegenständliche Grundstück der Bauwerberin mit der GSt-Nr 268/4 auf Bauklasse III, IV (bis 14m Bauhöhe) angehoben.
ln weiterer Folge wurde - offensichtlich um das gegenständliche Hochhausprojekt zu ermöglichen - das Grundstück Lobaustraße 5 (Grundbuch 06207 Großenzersdorf, EZ626, GStNr 268/1 und 268/4) derart geteilt, dass dem Grundstück mit der Nummer 268/1 (Gemeindebauareal von vormals einem Ausmaß von 3.181qm) 1.732 qm auf das nunmehrige Bau/Projektgrundstück mit der GStNr 268/4 (vormals ein Ausmaß von 1.599 qm) zugeschrieben wurden, sodass dieses letztendlich ein Gesamtflächenausmaß von 3.310 qm erlangte.
Wie bereits unter Punkt 1. Sachverhalt detailliert ausgeführt, zeigen die zitierten
Kaufvertragsbestimmungen auf, dass die Bauwerberin eine bestimmte Bebauungsdichte und Bebauungsklasse zur Realisierung ihres Vorhabens benötigt und sich die Stadtgemeinde zu einer raschen Erteilung der Baubewilligung verpflichtet (siehe Kaufvertrag vom 03.10.2006 Punkt §5 Punkt 5. sowie Kaufvertrag vom 10.11.2006 Punkt §4 Punkt 4.).
Die Behörde erließ einen Bebauungsplan, welcher als gesetzwidrig aufzuheben ist, da dieser erlassen worden war, um die Bauwerberin gegenüber einem allgemein geltenden und zuvor gültigen Bebauungsplan zu begünstigen. Diese individuelle Begünstigung ist keinesfalls aus öffentlichem Interesse geboten.
Dies bereits schon deshalb nicht, da die erfolgte Abschreibung des im Gemeindeeigentum gestandenen Grundflächenteiles (1.732 qm) des Grundstückes mit der Nr 268/1 auf das Grundstück 268/4 (Eigentum Bauwerberin) zur Folge hatte, dass nunmehr auf dem Grundstück 268/1 (nunmehrige Gesamtfläche 1.533 qm) eine Bebauungsdichte vorherrscht, welche mit den gesetzlichen Regelungen nicht mehr im Einklang steht.
ln diesem Zusammenhang erlauben sich die Beschwerdeführer ebenso darauf zu
verweisen, dass mit Erteilung dieser Baubewilligung eine Gefährdung der Öffentlichkeit droht. Die Erhöhung der Bauklasse auf III, IV führt zu einer Erhöhung des Baues und in Folge zur erhöhten Wohndichte auf diesem Grundstück. Demgegenüber besteht entsprechend dem oben angeführten Grundbuchsauszug kein grundbücherlich sichergestelltes Zufahrtsrecht. Zudem ist lediglich eine Feuerwehrzufahrt, welche auch als Garagenzufahrt zu benützen ist, bewilligt worden. Diese Zufahrt wird einspurig geführt und besteht keine alternative Ausfahrtsmöglichkeit. Die Zufahrt selbst weist eine Breite von 4.20 m auf, wobei auf dieser Breite ein imaginärer Gehweg von einem Meter in Abzug zu bringen ist. Dieser Gehweg muss sowohl von den Gemeindebaubewohnern und -besuchern als auch von den Bewohnern- und Besuchern des Objektes der Bauwerberin genutzt werden. Bereits die mögliche architektonische und bauliche Möglichkeit des durch die Abschreibung der Grundstücksfläche erzielten Grundstückes liegt keinesfalls im öffentlichen Interesse.
Zudem ist dieser Bebauungsplan auch insofern nicht ordnungsgemäß zustande gekommen, zumal die Behörde im Zuge der Festlegung des dem Bescheid zu Grunde liegenden Bebauungsplanes nicht auf ein örtliches Raumordnungsprogramm Bedacht nahm und die Ergebnisse der Grundlagenforschung nicht berücksichtigte. Es gingen keine vom Gesetz geforderte ausreichende Untersuchung der gegebenen natürlichen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Voraussetzungen voran, sondern sind der Bebauungsplanänderung in unzulässiger Weise ausschließlich das Interesse der Bauwerberin und gleichzeitig Käuferin des 'Kindergartengrundstückes' mit der GSTNr 268/4 zugrunde gelegt worden. Selbst wenn die Behörde die Abänderung des Bebauungsplanes sohin eines Raumordnungsplanes als besser, vernünftiger oder zweckmäßiger erachtet hätte, wäre dessen gegenständliche Abänderung rechtswidrig (VfGH 19.6.1987, Slg 11.374).
Gegenständlicher Bescheid ist folglich gleichheitswidrig, zumal dieser auf einer
gleichheitswidrige[n] Verordnung basiert. Dieser Bescheid ist folglich zu beheben."
(Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)
3.1. Vorauszuschicken ist, dass die behauptete Erhöhung der Bauklasse von I, II auf III, IV durch die Verordnung des Gemeinderates vom 6. März 2006 sich aus den dem Verfassungsgerichtshof vorliegenden Verordnungsakten nicht nachvollziehen lässt. Im Dokument "Änderungsanlass" (s. Pkt. II.3.) ist unter dem Punkt Ausgangssituation schon die Bauklasse mit III, IV angegeben. Auch aus dem zur öffentlichen Einsicht aufgelegt gewesenen Plan geht hervor, dass schon vor der Änderung des Bebauungsplans Bauklasse III, IV festgelegt gewesen war. Auf diesen Umstand hat auch die Stadtgemeinde Groß-Enzersdorf – von den beschwerdeführenden Parteien unwidersprochen – in ihrer Äußerung hingewiesen. Es bleibt also die Gesetzmäßigkeit nur der Erhöhung der Bebauungsdichte von 30% auf 50% zu beurteilen.
3.2. Zur fehlenden Verständigung der Anrainer ist Folgendes auszuführen:
An der Rechtmäßigkeit einer öffentlichen Kundmachung der geplanten Änderung "von der Adventzeit über Weihnachten, Neujahr und Dreikönig" – die Kundmachung war vom 28. November 2005 bis 11. Jänner 2006 ausgehängt – hegt der Verfassungsgerichtshof keine Zweifel. Durch §72 Abs2 NÖ BauO wird im Gesetz auch klar festgelegt, dass über die öffentlichen Kundmachung hinaus nur die Eigentümer der vom Bebauungsplan betroffenen Grundstücke über die Auflage zu verständigen sind und dass selbst bei diesen die fehlende Verständigung keinen Einfluß auf das gesetzliche Zustandekommen des Bebauungsplans hat.
3.3. Die Überprüfung der Gesetzmäßigkeit der Änderung der Grundstücksgrenzen selbst ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Es findet sich in den Beschwerden auch kein Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen der Änderung der Grundstücksgrenzen und der Gesetzmäßigkeit des Bebauungsplans. Auch die Behauptung, dass durch die Änderung der Grundstücksgrenzen nunmehr eine Bebauungsdichte vorherrsche, welche mit den gesetzlichen Regelungen nicht mehr im Einklang stünde, lässt sich rechnerisch nicht nachvollziehen. Es ergibt sich für das Nachbargrundstück 268/1, KG Groß-Enzersdorf, auch nach der Änderung der Grundstücksgrenzen eine Bebauungsdichte von unter 50%.
3.4. Der Verfassungsgerichtshof hegt keine Bedenken, dass – wie die beschwerdeführenden Parteien behaupten – es sich um eine anlassbezogene Widmung und individuelle Begünstigung handelt. Der Verfassungsgerichtshof hat nämlich wiederholt ausgesprochen, dass eine Änderung eines Raumordnungsplanes aus Anlass eines konkreten Projektes dann unbedenklich ist, wenn die Änderung sachlich gerechtfertigt ist (VfSlg 15.300/1998, 15.939/2000).
Im Gegensatz zu dem in den Beschwerden zitierten Erkenntnis VfSlg 11.374/1987 liegt in diesem Fall eine Änderung der Planungsgrundlagen vor. Durch die Auflassung des Kindergartens entstand eine grundlegend neue Situation, die eine Änderung des Bebauungsplanes rechtfertigte, wobei sich dabei eine gute Gelegenheit bot, das im öffentlichen Interesse gelegene Ziel der Errichtung von Wohnungen für betreutes Wohnen umzusetzen.
Im §1 Abs2 Z2 lita NÖ Raumordnungsgesetz 1976 idF LGBl 8000-23 hat der Landesgesetzgeber als besonderes Leitziel für die überörtliche Raumordnung die "Ausreichende Versorgung der Regionen mit technischen und sozialen Einrichtungen" vorgegeben. Der Gemeinderat hat das konkrete öffentliche Interesse der Gemeinde Groß-Enzersdorf an der Schaffung einer sozialen Einrichtung in Form einer "Kombination von Wohnungen für Junge Familien und betreutes Wohnen" zur Kenntnis genommen und die dafür notwendigen verordnungsrechtlichen Änderungen einstimmig beschlossen. Die Gemeinde Groß-Enzersdorf hat diese Entscheidung auch vertraglich mit der bauwerbenden Gesellschaft (mittelbar) abgesichert. Das öffentliche Interesse an der Bereitstellung von Wohnungen für betreutes Wohnen in einer rechtlich abgesicherten Qualität ist so offenkundig, dass sich eine weitere Interessenabwägung erübrigt, zumal die Erhöhung der die Grundstücksausnutzung festlegenden Parameter maßvoll ist (gleichbleibende Gebäudehöhe, Erhöhung der Bebauungsdichte von 30% auf 50%). Maßvoll nicht zuletzt auch deswegen, weil in der unmittelbaren Nachbarschaft des Bauprojekts Wohnbauten im Rahmen derselben Bauklasse III, IV vorhanden sind.
3.5. Es gibt keine Rechtsvorschrift, die ein grundbücherlich sichergestelltes Zufahrtsrecht für die Änderung eines Bebauungsplans voraussetzt. Die Behauptung der Gefährdung der Öffentlichkeit durch die Zufahrt wendet sich gegen die Rechtmäßigkeit der Baubewilligung. Dabei handelt es sich um keine verfassungsrechtliche Frage, sondern um eine einfachgesetzliche. Sie ist daher nicht in diesem Verfahren zu beurteilen. Das Beschwerdeverfahren hat auch sonst nicht ergeben, dass die beschwerdeführenden Parteien in einem von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden wären; ebenso wenig entstanden – aus der Sicht dieser Beschwerdesache – verfassungsrechtliche Bedenken gegen die den bekämpften Bescheiden zugrunde liegenden Rechtsvorschriften. Die beschwerdeführenden Parteien wurden mithin auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt.
IV. Ergebnis
Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.
Die Beschwerden sind daher als unbegründet abzuweisen.
Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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