Normen
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
Spruch:
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit S 15.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Mit Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz, Berufungssenat I, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Beistellung einer kostenlosen Verteidigung abgewiesen. Begründet wurde diese Entscheidung mit dem Hinweis darauf, daß §77 Abs3 FinStrG die Beigabe eines Verteidigers bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen nur für die Fälle einer zwingenden Senatszuständigkeit vorsehe, daß im gegenständlichen Finanzstrafverfahren aber die Wahlzuständigkeit des Spruchsenates in Anspruch genommen worden sei.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der geltend gemacht wird, daß der Bescheid, dessen kostenpflichtige Aufhebung begehrt wird, auf einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung beruhe, da §77 Abs3 FinStrG gegen Art6 Abs2 litc EMRK verstoße.
3. Aus Anlaß dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Wendung "lita" in §77 Abs3 des Bundesgesetzes vom 26. Juni 1958, betreffend das Finanzstrafrecht und das Finanzstrafverfahrensrecht (Finanzstrafgesetz - FinStrG.), BGBl. Nr. 129/1958 idF BGBl. Nr. 571/1985, ein.
Mit Erkenntnis vom heutigen Tag, G161/94, hob der Verfassungsgerichtshof diese Wendung als verfassungswidrig auf.
4. Die Beschwerde ist berechtigt.
Die belangte Behörde hat eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, daß ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.
Der Beschwerdeführer wurde also durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt (vgl. zB VfSlg. 10404/1985).
Der Bescheid war daher aufzuheben.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 2.500,-- enthalten.
Für die "Gegenäußerung zur Gegenschrift" waren dem Beschwerdeführer keine Kosten zuzusprechen, da dieser - nicht abverlangte - Schriftsatz zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich war (vgl. VfSlg. 10957/1986).
6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.
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