Normen
B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb
B-VG Art144 Abs1 / Beschlagnahme
B-VG Art144 Abs1 / Hausdurchsuchung
B-VG Art144 Abs1 / Sachentscheidung
StGG Art5
StGG Art9
EMRK Art8
FMG 1949 §26 Abs1
VStG 1950 §39 Abs1 und Abs2
VwGG §42 Abs4
ZPO §43
VfGG §87 Abs1
VfGG §88
B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb
B-VG Art144 Abs1 / Beschlagnahme
B-VG Art144 Abs1 / Hausdurchsuchung
B-VG Art144 Abs1 / Sachentscheidung
StGG Art5
StGG Art9
EMRK Art8
FMG 1949 §26 Abs1
VStG 1950 §39 Abs1 und Abs2
VwGG §42 Abs4
ZPO §43
VfGG §87 Abs1
VfGG §88
Spruch:
I. 1. Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen das Betreten und die angebliche Durchsuchung des Büros des Beschwerdeführers am 5. 8. 1987 in 5020 Salzburg, S.straße, wendet, zurückgewiesen.
2. Im gleichen Umfang wird der Antrag, die Beschwerde dem VwGH abzutreten, abgewiesen.
II. 1. Der Bf. wurde durch die nach dem 19. November 1987 fortdauernde vorläufige Beschlagnahme von Fernmeldegeräten in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt. Die vorläufige Beschlagnahme wird aufgehoben.
2. Im übrigen ist der Bf. in keinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden. Die Beschwerde wird insoweit abgewiesen und dem VwGH zur Entscheidung darüber abgetreten, ob der Bf. durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.
3. Die Ansprüche auf Kostenersatz werden gegeneinander aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. In seiner auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde erachtet sich der Bf. dadurch verletzt, daß in seiner Abwesenheit sowie ohne eine schriftliche Ermächtigung zur Vornahme einer Hausdurchsuchung sein Büro S.straße, 5020 Salzburg, am 5. August 1987 um 11 Uhr 45 ein Erhebungsorgan der Post- und Telegraphendirektion für Oberösterreich und Salzburg betreten habe. Er behauptet, in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Hausrecht gem. Art9 StGG sowie durch die vorläufige Beschlagnahme zweier Fernmeldegeräte in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf das Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gem. Art83 Abs2 B-VG verletzt zu sein. Die Verletzung des letztgenannten Rechtes wird vom Bf. damit begründet, daß ihm gegenüber bislang kein Bescheid der Fernmeldebehörde ergangen sei, mit welchem die Beschlagnahme der beiden Fernmeldegeräte bestätigt wurde und keine die vorläufige Beschlagnahme rechtfertigende Gefahr im Verzug gegeben gewesen sei.
2. Die bel. Beh. bestreitet die Vornahme einer
Hausdurchsuchung. Sie führt aus, daß vielmehr das Erhebungsorgan
der Fernmeldebehörde von der Sekretärin des abwesenden Bf. in
das Büro hereingebeten und ersucht worden sei, einen Moment
während eines von ihr geführten Telefongespräches zu warten. Ohne
jedwede systematische Besichtigung des Büroraumes, geschweige
denn dessen Durchsuchung, seien die beiden frei sichtbar
aufgestellten Fernmeldegeräte (HX 750 samt Netzgerät 840467 und
MR-1000 A) vom Erhebungsorgan wegen dringenden Verdachts auf
Verwaltungsübertretungen nach §26 Abs1 Z1 und 2 des
Fernmeldegesetzes, BGBl. 170/1949, bei gegebener Gefahr im Verzug
(Gefahr der Fortsetzung der strafbaren Handlungen bzw. des
Verbringens der Funkanlagen) vorläufig beschlagnahmt worden. Im
anschließenden Verwaltungsstrafverfahren fanden am 5. November 1987
(ohne den ordnungsgemäß geladenen beschuldigten Bf. bzw. seinen
Vertreter) sowie am 19. November 1987 (mit dem Vertreter des
beschuldigten Beschwerdeführers) mündliche Verhandlungen statt. Die
Fernmeldebehörde stellt in ihrer Gegenschrift in Aussicht, daß nach
Abschluß des Verwaltungsstrafverfahrens "im Straferkenntnis ... auch
über die Geräte abgesprochen werden (wird)".
II. Der VfGH geht davon aus, daß das Erhebungsorgan des
Aufsichts- und Ausforschungsdienstes der Post- und
Telegraphendirektion für Oberösterreich und Salzburg
(Funküberwachung Salzburg) am 5. August 1987 um 11 Uhr 45 die
Büroräume des Bf. in 5020 Salzburg, S.straße, nach deren Öffnung
durch die Sekretärin des abwesenden Bf. zwecks Durchführung einer
fernmeldebehördlichen Erhebung betrat. Die Aufforderung der
Sekretärin an das Erhebungsorgan, während eines von ihr geführten
Telefongespräches zu warten, ist für die rechtliche Bewertung des
Vorgangs unerheblich. Nach der übereinstimmenden Darstellung in der
Beschwerde, der Gegenschrift der bel. Beh. und den Verwaltungsakten,
in die der VfGH Einsicht nahm, übte das Erhebungsorgan der
Fernmeldebehörde eine fernmeldebehördliche Nachschau gemäß den §§4
Abs2 und 8 des Fernmeldegesetzes, BGBl. 170/1949, sowie gem. §4 Abs1
der gemäß BG BGBl. 267/1972, auf Gesetzesstufe stehenden
Privatfernmeldeanlagenverordnung, BGBl. 239/1961, aus, in deren
Gefolge es zwei Fernmeldegeräte des Bf. vorläufig in Beschlag nahm.
Nichts deutet darauf hin, daß das Erhebungsorgan nach einem Gegenstand, von dem es unbekannt ist, wo er sich befindet, gesucht hat. Die beiden, später beschlagnahmten Fernmeldegeräte waren vielmehr im Büroraum, den das Erhebungsorgan zwecks Nachschau betreten hatte, frei sichtbar aufgestellt. Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH liegt eine Hausdurchsuchung nur vor, wenn nach Personen oder Sachen, von denen unbekannt ist, wo sie sich befinden, gesucht wird (VfSlg. 5080/1965, 6528/1971, 9766/1983, 10547/1985).
Da im vorliegenden Fall keine Durchsuchung durch ein behördliches Organ stattfand, war die Beschwerde diesbezüglich mangels eines anfechtbaren Beschwerdegegenstandes zurückzuweisen (vgl. VfSlg. 8363/1978, VfGH vom 7.10.1981, B55/81). Weil ferner der Ort der Amtshandlung ein Büro war, scheidet auch ein Eingriff in das Wohnungsrecht gem. Art8 MRK von vornherein aus.
Der Antrag, die gegen die Durchsuchung des Büroraumes des Bf. gerichtete Beschwerde dem VwGH abzutreten, war abzuweisen, weil eine solche Abtretung nur im Fall der Ablehnung oder der - hier nicht gegebenen - abweisenden Sachentscheidung des VfGH in Betracht kommt (vgl. VfGH vom 30.11.1978, B530/78 und vom 7.10.1981, B55/81).
III. 1. Durch die Nichterlassung eines Bescheides über die Beschlagnahme der beiden Fernmeldegeräte wird entgegen der Meinung des Bf. das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht berührt, geschweige denn verletzt. Wohl aber greift die vorläufige Beschlagnahme der beiden Fernmeldegeräte in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht des Bf. auf Unversehrtheit seines Eigentums gem. Art5 StGG ein. Sie bildet eine Maßnahme unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, die gem. Art144 Abs1 B-VG vom Bf. beim VfGH angefochten werden kann (VfSlg. 8815/1980, 9403/1982). Die Beschwerde ist daher insoweit zulässig.
2. Der durch die vorläufige Beschlagnahme erfolgte Eingriff in das Eigentumsrecht des Bf. wäre nur dann verfassungswidrig, wenn die Beschlagnahme ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde (das behördliche Hilfsorgan) das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorliegt, wenn die Behörde (das behördliche Hilfsorgan) einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.
Die bel. Beh. rechtfertigt ihr Vorgehen damit, daß der Bf. unter dem dringenden Verdacht, Verwaltungsübertretungen nach §26 Abs1 Z1 und 2 des Fernmeldegesetzes (unbefugter Betrieb und unbefugter Besitz von Funkanlagen) stünde, und dafür gem. §28 Abs2 Fernmeldegesetz auch der Verfall der "Gegenstände, mit denen die strafbare Handlung begangen wurde," vorgesehen sei. Wegen Gefahr im Verzuge (Gefahr der Fortsetzung der strafbaren Handlungen bzw. des Verbringens der Funkanlagen) seien die Fernmeldeanlagen gem. §39 Abs2 VStG vorläufig beschlagnahmt worden.
Wie bereits der Wortlaut des §39 Abs2 VStG zeigt, bildet die Beschlagnahme durch Organe der öffentlichen Aufsicht lediglich eine "vorläufige" Maßnahme. Da die Beschlagnahme selbst gem. §39 Abs1 VStG von der zuständigen Behörde durch Bescheid anzuordnen ist, hat die Behörde über die von ihrem Hilfsorgan "aus eigener Macht" (§39 Abs2 VStG) vorläufig in Beschlag genommenen Gegenstände unverzüglich bescheidmäßig abzusprechen (Mannlicher, Das Verwaltungsverfahren, 1964, 422; Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts, 1987,
307) oder die beschlagnahmten Gegenstände zurückzustellen. Solange die Behörde die Beschlagnahme weder durch Bescheid bestätigt noch die beschlagnahmten Gegenstände tatsächlich zurückgegeben hat, liegt eine die gesamte Dauer der Beschlagnahme umfassende Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vor, die als solche vom VfGH darauf zu untersuchen ist, ob sie mangels einer gesetzlichen Grundlage oder wegen einer der Gesetzlosigkeit gleichzuhaltenden Denkunmöglichkeit der Gesetzesanwendung in das Eigentumsrecht eingreift (vgl. auch VfSlg. 9099/1981; VfGH vom 4.10.1980, B625/78 und vom 12.6.1986, B906/84).
Die bel. Beh. hat nach ihrer eigenen Darstellung in der Gegenschrift weder über die Beschlagnahme durch Bescheid abgesprochen, noch hat sie die beschlagnahmten Geräte tatsächlich zurückgegeben. Der Bf. hat allerdings bis zur mündlichen Verhandlung am 19. November 1987 die Behörde auch nicht zur Rückgabe der beiden Geräte aufgefordert. Spätestens nach der am 19. November 1987 durchgeführten mündlichen Verhandlung, bei der auch ein Vertreter des Bf. anwesend war, wäre die bel. Beh. in der Lage und daher auch verpflichtet gewesen, über den fortdauernden Grundrechtseingriff der Beschlagnahme durch Bescheid abzusprechen. Denn zu diesem Zeitpunkt mußte ihr ein Urteil darüber möglich sein, ob die Voraussetzungen für eine Beschlagnahme gem. §39 Abs1 VStG vorlagen. Durch ihr Verhalten hat die bel. Beh. einen Fehler begangen, welcher der Gesetzlosigkeit gleichzusetzen ist. Die andauernde behördliche Beschlagnahme der beiden Fernmeldegeräte verletzt daher nach dem 19. November 1987 das verfassungsgesetzlich geschützte Recht des Bf. auf sein Eigentum.
Der vorliegende Fall unterscheidet sich damit deutlich von der vom VfGH als unzulässig qualifizierten Anfechtung behördlicher Untätigkeit:
In VfSlg. 9503/1982, wo die Einbehaltung eines abgenommenen Führerscheines angegriffen wurde und in VfSlg. 9348/1982, wo die Einbehaltung von Unterlagen aufgrund einer Beschlagnahmeanordnung - also eines Bescheides - gerügt wurde, mußte der VfGH die Beschwerden, die lediglich auf die rechtswidrige Säumnis der Behörde abstellten, mangels eines anfechtbaren Beschwerdegegenstandes zurückweisen. Anders als in diesen Fällen dauert bei einer vorläufigen Beschlagnahme der von der Behörde zwangsweise und unmittelbar verfügte Eigentumseingriff bis zum Erlaß eines Bescheides darüber oder bis zur Rückstellung der beschlagnahmten Gegenstände an. Der durch die vorläufige Beschlagnahme bewirkte unmittelbare behördliche Zugriff wird rechtswidrig und verletzt das Eigentumsrecht, wenn nicht unverzüglich, das heißt so rasch wie möglich, von der zuständigen Behörde ein Bescheid gem. §39 Abs1 VStG erlassen oder der beschlagnahmte Gegenstand zurückgestellt wird.
Antragsgemäß war nicht nur die Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes des Bf. festzustellen, sondern auch die fortdauernde Maßnahme aufzuheben.
§87 Abs1 VerfGG sieht nämlich vor, daß "gegebenenfalls" der angefochtene Verwaltungsakt aufzuheben ist. Eine derartige Aufhebung kommt nach Meinung des VfGH nicht nur bei Bescheiden, sondern auch bei Maßnahmen unmittelbarer behördlicher Befehlsund Zwangsgewalt in Betracht (vgl. in diesem Sinne auch §42 Abs4 VwGG sowie schon VfSlg. 5635/1967), wenn die Maßnahme zum Zeitpunkt der Entscheidung des VfGH noch andauert.
IV. Daß das Erhebungsorgan der bel. Beh. bei seinem Vorgehen am 5. August 1987 vom Verdacht einer Verwaltungsübertretung nach §26 Abs1 Fernmeldegesetz ausgegangen ist und wegen Gefahr im Verzug im Sinne des §39 Abs2 VStG die beiden Funkgeräte vorläufig in Beschlag nahm, erscheint dem VfGH aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes eine durchaus denkmögliche Anwendung des Gesetzes. Durch die vorläufige Beschlagnahme zwischen 5. August und 19. November 1987 wurde daher das verfassungsgesetzliche Eigentumsrecht nicht verletzt. Die Beschwerde ist insoweit, da auch sonstige verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte nicht verletzt wurden, abzuweisen und antragsgemäß dem VwGH zur Entscheidung darüber abzutreten, ob der Bf. durch die Beschlagnahme der genannten Gegenstände zwischen 5. August und 19. November 1987 in einem sonstigen Recht verletzt wurde.
V. Da jede der beiden Parteien teils obsiegt, teils
unterliegt, waren deren Kosten gem. §88 VerfGG in Verbindung mit §43 ZPO gegeneinander aufzuheben.
VI. Gem. §19 Abs4 erster Satz VerfGG konnte der VfGH
von einer mündlichen Verhandlung absehen und in nichtöffentlicher Sitzung entscheiden.
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