Normen
B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb
EMRK Art8
StGG Art5, Art9
FernmeldeG §26 Abs1
FernmeldeG §28 Abs2, §28 Abs3
HausRSchG §3
VfGG §88
VStG §39
ZPO §43
B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb
EMRK Art8
StGG Art5, Art9
FernmeldeG §26 Abs1
FernmeldeG §28 Abs2, §28 Abs3
HausRSchG §3
VfGG §88
VStG §39
ZPO §43
Spruch:
1. Der Bf. ist dadurch, daß Organe der Post- und Telegraphendirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland am 24. Oktober 1984 anläßlich einer fernmeldebehördlichen Nachschau in seiner Wohnung in Wien einen Kasten durchsucht haben, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Hausrecht verletzt worden.
2. Durch die von Organen der Post- und Telegraphendirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland unternommene vorläufige Beschlagnahme von Funkgeräten in seiner Wohnung in Wien ist der Bf. weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Insoweit wird die Beschwerde abgewiesen und dem VwGH zur Entscheidung darüber abgetreten, ob der Bf. durch die vorläufige Beschlagnahme in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.
3. Der Bund (Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr) ist schuldig, dem Bf. zuhanden seines Vertreters einen mit 14665 S bestimmten Anteil an den Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Am 24. Oktober 1984 führten Organe des Aufsichts- und Ausforschungsdienstes der Post- und Telegraphendirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland in der Wohnung des Bf. in Wien gemäß §8 FernmeldeG Erhebungen durch, in deren Verlauf eine ortsfeste Funkanlage, ein Sendeverstärker und vier weitere Funkgeräte unter Berufung auf §39 Abs2 VStG vorläufig beschlagnahmt wurden.
Die am 6. Dezember 1984 eingebrachte Beschwerde bekämpft die Amtshandlung als eine verfassungswidrige Hausdurchsuchung und Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums. Die Beamten hätten die Wohnung systematisch besichtigt, ohne im Besitz eines Hausdurchsuchungsbefehles zu sein, hätten Einsicht in einen versperrten Kasten begehrt, den Bf. beiseite geschoben und den Kasten aufgesperrt; ein Beschlagnahmebescheid sei nicht erlassen worden. (Soweit das Vorbringen in der mündlichen Verhandlung sich auch gegen die weitere Aufrechterhaltung der Beschlagnahme gewendet hat, geht es über den von der Beschwerdeschrift gezogenen Rahmen hinaus.)
Die bel. Beh. wertet das Einschreiten ihrer Organe als Überprüfung der Einhaltung einschlägiger Vorschriften iS der §§4, 8 und 26 FernmeldeG sowie des §4 Abs1 der V über Privatfernmeldeanlagen, verweist auf die Anberaumung einer Strafverhandlung für den 4. Dezember 1984 (zu welchem Termin der Bf. aber nur Akteneinsicht genommen habe) und den Beschlagnahmebescheid vom 11. Dezember 1984 (der dem Bf. am 13. Dezember zugestellt wurde) und beantragt die Abweisung der Beschwerde.
II. Der VfGH hat die Verwaltungsakten eingesehen, die Zeugen F D, J H, E P und E F sowie den Bf. als Partei vernommen. Danach steht folgender Sachverhalt fest:
Schon im Juli 1984 waren in der Wohnung des Bf. zwei nicht zugelassene und nicht zulassungsfähige Funkgeräte (darunter eine zum Abhören des Polizeifunks geeignete Anlage) vorgefunden und beschlagnahmt worden. Aufgrund einer neuerlichen Störmeldung und einer telefonischen Anzeige (Dienstzettel: "Hr. S soll verbotene AM CB Vielkanalgeräte und Linearendstufen besitzen u. an der oben angeführten Adresse verwahren. (Im Kasten neben der Funkstelle.)") begaben sich am 24. Oktober 1984 die Beamten D und H unter Assistenz von P des PolKoates P-Gasse zur Wohnung des Bf., wo sie auf ihr Begehren um Eintritt eine Weile warten mußten und dabei Türen gehen hörten. Als ihnen vom Bf. geöffnet wurde, begaben sie sich durch die Küche ins Wohnzimmer zu der dort auf einem Tisch stehenden Funkanlage und stellten fest, daß diese nicht an das zur Dachantenne führende Kabel angeschlossen war. Der Bf. behauptete, ein Meßgerät dazwischengeschaltet zu haben, gab vor, es aus dem Schlafzimmer holen zu wollen, kleidete sich dort aber nur weiter an; H behielt ihn währenddessen im Auge. Als D den Bf. sodann aufforderte, den neben der Funkanlage stehenden dreiteiligen Kasten zu öffnen, weil sich dort verbotene Funkgeräte befänden, machte die Lebensgefährtin des Bf. die beiden verbundenen Türen auf der vom Funkgerät entfernteren Seite des Kastens auf. Die Beamten stellten fest, daß sich dort kein Gerät befand. Die der Funkanlage unmittelbar benachbarte dritte Tür zu öffnen, weigerte sich der Bf. Es entstand darüber eine Auseinandersetzung, in deren Verlauf plötzlich auch die dritte Kastentür offenstand; wie es dazu gekommen ist, läßt sich nicht mehr klären. Es kamen so weitere Funkgeräte zum Vorschein, darunter ein noch handwarmer Sendeverstärker (rms K 707 Globetrotter). Außer der ortsfesten Anlage und dem Sendeverstärker wurden vier weitere Geräte unter dem Verdacht beschlagnahmt, daß sie nicht zugelassen seien oder für ihren Besitz und Betrieb eine Bewilligung erforderlich sei; dem Bf. wurden Bescheinigungen darüber ausgefolgt. Zu einem am 4. Dezember 1984 anberaumten Termin für eine Strafverhandlung nahm der Bf. Akteneinsicht und erbat eine Frist von zwei Wochen zur Stellungnahme.
Diese Feststellungen stützen sich auf weitgehend übereinstimmende Aussagen der Vernommenen. Insbesondere räumte der Bf. über Vorhalt ein, daß er erst nach dem Klopfen einen Heizkörper verstellt und den Kasten geschlossen hat und daß die Beamten gleich gewußt und auch gesagt hätten, unerlaubte Funkgeräte seien im Kasten neben der Funkanlage. Daß außerhalb des Wohnzimmers jemand etwas gesucht hätte, hat niemand behauptet, und daß die Beamten sich im Wohnzimmer umgesehen und Einblick in den zunächst geöffneten Kastenteil genommen haben, ist offenkundig. Völlig unvereinbar sind die Angaben über das Aufgehen der dritten Kastentür. Die Version des Bf. (wonach die einschreitenden Beamten die Tür geöffnet hätten) wird zwar von der Zeugin F bestätigt, doch spricht die Aussage des assistierenden Polizeibeamten gegen sie, und die Version der einschreitenden Fernmeldeorgane (die vermuten, die Tür sei durch die Erschütterungen während der Auseinandersetzung von selbst aufgegangen) bietet keine recht einleuchtende Erklärung für das Öffnen der Tür.
Daß der Sendeverstärker handwarm war, bezeugen alle drei Beamten übereinstimmend; nach der objektiven Situation (nicht angeschlossenes Funkgerät) und dem subjektiven Verhalten des Bf. (Vorwand, das Meßgerät im Schlafzimmer suchen zu wollen, obwohl es im Wohnzimmerkasten war) sieht der Gerichtshof keinen Grund, an der Richtigkeit dieser ihrer Aussagen zu zweifeln.
III. Die Beschwerde ist teilweise begründet.
1. Gemäß §8 FernmeldeG unterliegen bewilligte Fernmeldeanlagen der Aufsicht des Bundes hinsichtlich der Einhaltung der Bewilligungsbedingungen, bewilligungsfreie Fernmeldeanlagen daraufhin, daß Errichtung und Betrieb sich innerhalb der Grenzen dieses Gesetzes halten. Demgemäß sind die Fernmeldebehörden nach §4 der PrivatfernmeldeanlagenV, BGBl. 239/1961, berechtigt, Privatfernmeldeanlagen oder deren Teile hinsichtlich der Einhaltung der Bestimmungen des Fernmeldegesetzes, dieser V und der mit der Bewilligung erteilten Auflagen zu überprüfen; den Organen der Fernmeldebehörden ist zu diesem Zweck das Betreten der Grundstücke oder Räume, in denen sich solche Einrichtungen befinden, zu gestatten.
Um diese fernmeldebehördliche Nachschau geht es aber im vorliegenden Verfahren nicht. Die Beschwerde wendet sich nämlich nicht gegen die Überprüfung der Funkanlage des Bf. Sie behauptet vielmehr, es habe darüber hinaus eine verfassungswidrige Hausdurchsuchung stattgefunden.
Die bel. Beh. will in der Amtshandlung deshalb keine Hausdurchsuchung sehen, weil sich die Anlage mit Zubehör für jedermann sofort erkennbar neben dem Wohnzimmerkasten befunden habe und der Bf. nach Betreten des Zimmers darauf hingedeutet habe. Aufgrund der zugegangenen Hinweise und deren Bestätigung durch den Bf. habe ferner Gewißheit darüber bestanden, daß sich im Kasten Funkgeräte befänden.
Sie hat mit ihrer Einschätzung im Ergebnis nicht recht:
Zunächst ist allerdings einzuräumen, daß der Sachverhalt nicht genügend Anhaltspunkte dafür bietet, daß die einschreitenden Organe der bel. Beh. die Wohnung oder auch nur das Wohnzimmer des Bf. durchsucht hätten. Die Amtshandlung beschränkte sich andererseits aber auch nicht auf eine Überprüfung der aufgebauten Funkanlage und anderer ohne weiteres sichtbarer Geräte; die Beamten hatten es vielmehr von vornherein auf eine Durchsuchung des Kastens abgesehen:
sie haben verlangt, daß er aufgemacht werde, und versucht, die Öffnung der dritten Tür entgegen der ausdrücklichen Weigerung des Bf., wenn schon nicht selbst vorzunehmen, so doch sonstwie zu erreichen. Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, daß sie die Nachschau im Kasten insgesamt doch erzwungen haben. Daß sie prüfen wollten, ob sich darin tatsächlich ein unerlaubtes Fernmelde- oder Funkgerät finden würde, kann nicht ernsthaft bestritten werden. Von einer die Suche im Kasten erübrigenden Gewißheit konnte nach Lage der Dinge nicht die Rede sein.
Nun hat der VfGH schon wiederholt dargelegt, daß durch den Schutz des Hausrechtes "ein die persönliche Würde und Unabhängigkeit verletzender Eingriff in den Lebenskreis des Wohnungsinhabers, in Dinge, die man im allgemeinen berechtigt und gewohnt ist, dem Einblick Fremder zu entziehen", hintangehalten werden soll (VfSlg. 1486/1933, 5182/1965, 9525/1982). Desgleichen hat er mehrmals ausgesprochen, daß "eine systematische Besichtigung wenigstens eines bestimmten Objektes" genügt, um als Hausdurchsuchung gewertet zu werden (VfSlg. 3351/1958, 6528/1971, 8642/1979). Ein Kasten ist nun aber jener Teil der Wohnung, für den die entscheidende Voraussetzung - daß darin nämlich Dinge dem Einblick Fremder berechtigter- und gewohnterweise entzogen werden - in ganz besonderem Maße zutrifft. Daß sich eine Durchsuchung in einer Wohnung "bloß" auf einen bestimmten Kasten beschränkt (weil es höchst wahrscheinlich ist, daß der gesuchte Gegenstand sich dort befindet), nimmt ihr daher nicht den Charakter einer Hausdurchsuchung.
Hat aber eine Hausdurchsuchung stattgefunden, so steht auch schon ihre Gesetzwidrigkeit fest:
Nach §26 Abs1 FernmeldeG macht sich wohl einer Verwaltungsübertretung ua. schuldig, wer unbefugt eine Fernmeldeanlage errichtet, ändert oder betreibt (Z1) oder unbefugt Funkeinrichtungen besitzt oder verwahrt (Z2). Es kann aber gegen Personen, die einer Übertretung nach §26 dringend verdächtig sind, eine Haus- oder Personendurchsuchung - wie §28 Abs3 FernmeldeG unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das Gesetz zum Schutz des Hausrechtes bestimmt - nur von den Sicherheitsbehörden angeordnet und, wenn Gefahr im Verzug ist, auch von ihren Organen oder der Bundesgendarmerie aus eigener Macht vorgenommen werden. Da die Durchsuchung nicht von der Sicherheitsbehörde angeordnet und auch nicht vom Organ einer Sicherheitsbehörde vorgenommen wurde, ein solches Organ vielmehr nur zur Assistenzleistung bei der Amtshandlung von Organen der Fernmeldebehörde beigezogen worden war, sind die Voraussetzungen des §3 HausrechtsG nicht erfüllt. Der Bf. ist durch diese Amtshandlung daher im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Hausrecht verletzt worden.
2. Die vorläufige Beschlagnahme wurde auf §39 Abs2 VStG iVm. §26 Abs1 FernmeldeG gestützt. Der Bescheid der bel. Beh. vom 11. Dezember 1984 beruht offenbar auf §39 Abs1 VStG. Er spricht über die Berechtigung zur vorläufigen Beschlagnahme nicht ab und hat daher deren selbständige Anfechtbarkeit - anders als in dem zu VfSlg. 9099/1981 entschiedenen Fall - nicht berührt.
Ein verfassungswidriger Eigentumseingriff läge in der vorläufigen Beschlagnahme nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH nur, wenn sie auf einem verfassungswidrigen Gesetz beruhte oder das herangezogene Gesetz denkunmöglich angewendet worden wäre. Davon kann indessen keine Rede sein:
Nach §39 VStG kann die Behörde zur Sicherung des Verfalles die Beschlagnahme von Gegenständen anordnen, wenn der Verdacht einer Verwaltungsübertretung vorliegt, für die der Verfall von Gegenständen als Strafe vorgesehen ist (Abs1); bei Gefahr im Verzug können auch die Organe der öffentlichen Aufsicht aus eigener Macht solche Gegenstände vorläufig in Beschlag nehmen; sie haben darüber dem Betroffenen sofort eine Bescheinigung auszustellen und der Behörde die Anzeige zu erstatten (Abs2). In einem Straferkenntnis nach §26 FernmeldeG können die Gegenstände, mit denen die strafbare Handlung begangen wurde, zugunsten des Bundes für verfallen erklärt werden (§28 Abs2 FernmeldeG). Wie der VfGH schon mehrmals festgestellt hat (VfSlg. 8815/1980, 9490/1982), ist es denkmöglich anzunehmen, daß diese Regelung die Voraussetzungen des §39 VStG erfüllt.
Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der genannten Vorschriften sind weder behauptet worden noch im Verfahren hervorgekommen. Ihre Anwendung ist nach dem festgestellten Sachverhalt auch nicht schlechthin unvertretbar. Die überprüfenden Beamten konnten aufgrund der Vorgeschichte, der Störmeldung, des Verhaltens des Bf. und des Zustandes von Anlage und Geräten jedenfalls denkmöglich vom Verdacht einer mit Verfall bedrohten Verwaltungsübertretung ausgehen und in bezug auf die Sicherung des Verfalles Gefahr im Verzug annehmen.
Die Beschwerde ist daher insoweit abzuweisen und antragsgemäß dem VwGH abzutreten.
IV. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG. Da die Beschwerde zum größeren Teil siegreich war und der Verfahrensaufwand für jenen Teil, in dem sie unterlegen ist, unverhältnismäßig gering war, sind dem Bf. in sinngemäßer Anwendung des §43 ZPO zwei Drittel der Kosten des Verfahrens zu ersetzen. Im zugesprochenen Betrag sind 1333 S an Umsatzsteuer enthalten.
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