Normen
B-VG Art7 Abs1 / Willkür
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
Tir RaumOG 1972 §9
GefahrenzonenpläneV §5, §6
ForstG 1975 §6, §11
B-VG Art7 Abs1 / Willkür
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
Tir RaumOG 1972 §9
GefahrenzonenpläneV §5, §6
ForstG 1975 §6, §11
Spruch:
Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der (im Devolutionsweg zuständig gewordene) Gemeindevorstand der Gemeinde Ischgl wies den Antrag der Beschwerdeführer auf Erteilung der Baubewilligung zum Neubau eines Hotels auf dem Grundstück 233/1 der KG Ischgl gemäß §31 Abs3 der Tiroler BauO wegen Widerspruches zum Flächenwidmungsplan ab.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die Tiroler Landesregierung die Vorstellung der Beschwerdeführer mit der Begründung ab, daß der beabsichtigte Neubau eines Gastgewerbebetriebes im Freiland nicht zulässig sei.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unverletzlichkeit des Eigentums und der Sache nach die Verletzung in Rechten durch Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
4. Die Tiroler Landesregierung erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
5. Der Gemeinderat der Gemeinde Ischgl legte die Akten betreffend das Zustandekommen des Flächenwidmungsplanes vor, die Gemeinde Ischgl verteidigte in einer Äußerung die Freilandwidmung des Grundstückes 233/1 KG Ischgl.
6. Die Beschwerdeführer traten in einer Replik der Äußerung der Gemeinde Ischgl entgegen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Die Beschwerde behauptet zunächst die Gesetzwidrigkeit der Widmung des Grundstückes 233/1, KG Ischgl, als Freiland mit der Argumentation, dieses Grundstück liege im Ortszentrum der Gemeinde Ischgl unterhalb des Gemeindeamtes. Südlich, westlich und östlich des Grundstückes liege eine geschlossene Verbauung vor. Das Grundstück 233/1 sei daher als eine Baulücke im Ortszentrum von Ischgl anzusehen.
Der Gemeinderat verweist darauf, daß das Grundstück 233/1 im Gefahrenzonenplan in roter Zone ausgewiesen sei.
2. Aus Teil D des vorgelegten Flächenwidmungsplanes (Beschluß des Gemeinderates vom 15. April 1981, genehmigt mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 30. Juli 1981, ZVe-546-205/8, kundgemacht in der Zeit vom 18. August 1981 bis 2. September 1981) ergibt sich, daß das Grundstück 233/1 als Freiland gewidmet ist. Außerdem ist der größte Teil dieses Grundstückes als Lawinengefährdungsbereich-unmittelbarer Gefährdungsbereich gekennzeichnet. Ein kleiner Teil des Grundstückes liegt im mittelbaren Gefährdungsbereich.
3.1. Gemäß §9 Abs1 des im Zeitpunkt der Erlassung des Flächenwidmungsplanes geltenden Tiroler Raumordnungsgesetzes 1972, LGBl. 10/1972 - TROG 1972, waren als Grundlage für die örtliche Raumordnung die hiefür bedeutsamen Gegebenheiten zu erheben und in einer Bestandsaufnahme festzuhalten.
3.2. Gemäß §9 Abs2 litd leg. cit. hat die Bestandsaufnahme für jene Gebiete, die nach ihrer natürlichen Beschaffenheit und ihrer Lage geeignet sind, im Flächenwidmungsplan als Bauland oder als Sonderfläche festgelegt zu werden, jedenfalls die Flächen zu umfassen, die durch Hochwasser, Vermurung, Steinschlag, Erdrutsch oder Lawinen gefährdet sind.
3.3. Gemäß §6 Abs1 des Forstgesetzes, BGBl. 440/1975, ist Aufgabe der forstlichen Raumplanung des Bundes die Darstellung und vorausschauende Planung der Waldverhältnisse des Bundesgebietes oder von Teilen desselben, wobei sich die forstliche Raumplanung gemäß §7 litb Z2 leg. cit. ua. auf die Darstellung von wildbach- und lawinenbedingten Gefahrenzonen zu erstrecken hat.
Gemäß §11 Abs2 leg. cit. sind in dem vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft zu erlassenden Gefahrenzonenplan die wildbach- und lawinengefährdeten Bereiche und deren Gefährdungsgrad sowie jene Bereiche darzustellen, für die eine besondere Art der Bewirtschaftung oder die Freihaltung für spätere Schutzmaßnahmen erforderlich ist.
Die Gefahrenzonenpläne-Verordnung, BGBl. 436/1976, regelt Inhalt, Form und Ausgestaltung der Gefahrenzonenpläne, die gemäß §5 Abs1 leg. cit. aus einem kartographischen Teil und einem textlichen Teil zu bestehen haben. Der kartographische Teil hat eine Gefahrenkarte und Gefahrenzonenkarten zu umfassen.
Auf der Gefahrenzonenkarte sind gemäß §6 leg. cit. ua. die nachstehend näher bezeichneten Gefahrenzonen unter Zugrundelegung eines Ereignisses mit einer Wiederkehrwahrscheinlichkeit von zirka 150 Jahren (Bemessungsereignis) sowie die Vorbehaltsbereiche nach folgenden Kriterien abzugrenzen:
"a) die Rote Gefahrenzone umfaßt jene Flächen, die durch Wildbäche oder Lawinen derart gefährdet sind, daß ihre ständige Benützung für Siedlungs- und Verkehrszwecke wegen der voraussichtlichen Schadenswirkungen des Bemessungsereignisses oder der Häufigkeit der Gefährdung nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich ist;
b) die Gelbe Gefahrenzone umfaßt alle übrigen durch Wildbäche oder Lawinen gefährdeten Flächen, deren ständige Benützung für Siedlungs- oder Verkehrszwecke infolge dieser Gefährdung beeinträchtigt ist."
3.4. Wie auch die Beschwerdeführer nicht bestreiten, liegt das Grundstück 233/1 auf Grund des Gefahrenzonenplanes des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft für den Ortsbereich Ischgl vom 11. Juli 1978 in der roten Gefahrenzone der sogenannten "Madlein-Lawine".
4. Die Beschwerde behauptet nun, daß durch die weit fortgeschrittenen Verbauungsmaßnahmen zum Schutz vor der sogenannten "Madlein-Lawine" die "gegenständliche, formal noch in einer roten Gefahrenzone befindliche Grundparzelle nicht mehr im Gefährdungsbereich der 'Madlein-Lawine' liege".
Unter Berufung auf das Gleichheitsrecht und das Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums bringt die Beschwerde vor, der Gemeinderat der Gemeinde Ischgl habe sehr wohl Änderungen des Flächenwidmungsplanes in der roten Zone des Gefahrenzonenplanes aus dem Jahre 1978 zugelassen bzw. genehmigt.
5. Mit diesen Argumenten vermag jedoch die Beschwerde die Gesetzwidrigkeit der Freilandwidmung nicht darzutun. Der Verfassungsgerichtshof hegt keine Bedenken dagegen, daß der Gemeinderat der Gemeinde Ischgl an der Freilandwidmung festgehalten hat: Gemäß §11 Abs2 TROG 1972 (wiederverlautbart als TROG 1984) waren von der Widmung als Bauland ua. Grundflächen ausgeschlossen, die sich wegen der Bedrohung durch Lawinen für die Bebauung nicht eigneten. Daran hat sich weder durch das TROG 1994 noch durch das TROG 1997 - §37 der zuletzt genannten Gesetze enthält eine gleichartige Regelung - etwas geändert. Das Grundstück 233/1 ist in der forstlichen Raumplanung des Bundes, die zwar die Gemeinde formell nicht bindet, nach wie vor in den roten Gefahrenzonenbereich eingereiht; die Gemeinde setzte sich außerdem - wie sich aus deren Äußerung ergibt - mit der Frage auseinander, ob die Freilandwidmung der gegenständlichen Liegenschaft noch aufrechtzuerhalten sei: Da im Bereich des sogenannten "Katzenkretzers" bisher noch keine Lawinenverbauung erfolgt sei, liege das Grundstück 233/1 weiterhin im Gefährdungsbereich der "Madlein-Lawine".
Daß - wie die Beschwerde behauptet und von der Gemeinde nicht bestritten - selbst in ähnlich gelagerten Fällen Umwidmungen von Flächen im Lawinengefährdungsbereich vorgenommen wurden, bewirkt nicht die Gleichheitswidrigkeit der Beibehaltung einer Flächenwidmung. Denn einerseits gibt ein Fehlverhalten der Behörde anderen Personen nicht das Recht auf ein gleiches Fehlverhalten der Behörde (vgl. VfSlg. 10007/1984, 11435/1987, 12796/1991). Andererseits erscheint die Beibehaltung der Flächenwidmung aufgrund der von der Gemeinde vorgebrachten Argumente nicht als unsachlich.
6. Da der Verfassungsgerichtshof aus der Sicht des Beschwerdefalles weder Bedenken gegen die angewendeten Bestimmungen des TROG 1972 noch gegen die Widmung des Grundstückes 233/1 hat, ist der Beschwerdeführer nicht in Rechten durch Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt worden.
7. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Beschwerdeführer in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden sind.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
8. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
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