Normen
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Stmk vom 15.12.69 idF vom 12.12.85 §22
ÄrzteG §65
VfGG §88
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Stmk vom 15.12.69 idF vom 12.12.85 §22
ÄrzteG §65
VfGG §88
Spruch:
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird daher abgewiesen.
Die Ärztekammer für Steiermark ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seiner Rechtsvertreter die mit S 18.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Mit dem angefochtenen Bescheid des Beschwerdeausschusses bei der Ärztekammer für Steiermark vom 10. März 1994 wurde der Bescheid des Verwaltungsausschusses der Ärztekammer für Steiermark vom 6. Oktober 1993 bestätigt, mit welchem ein Antrag des am 24. September 1927 geborenen Beschwerdeführers, eines Arztes, auf Zuerkennung der Ärztekammerpension ab dem 1. Jänner 1993 mit der Begründung abgewiesen worden war, daß entgegen §22 Abs2 der Satzung über die Einrichtung und den Betrieb eines Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Steiermark (im folgenden: Satzung) eine kassenvertragsärztliche Tätigkeit hinsichtlich der Sozialversicherungsanstalt der Bauern sowie eines Gesundenuntersuchungsvertrages mit der Steirischen Gebietskrankenkasse vorliege.
2.1. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, allenfalls auch die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit sowie die Verletzung in Rechten infolge der Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, in eventu eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet.
2.2. Der Beschwerdeausschuß bei der Ärztekammer für Steiermark als belangte Behörde hat die Akten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der er die Abweisung der Beschwerde begehrt.
3.1. Bei der Beratung über die Beschwerde sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit des Abs3 des §22 der Satzung entstanden, weshalb er am 11. Oktober 1995 gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit dieser Bestimmung eingeleitet hat.
Mit Erkenntnis vom 18. Juni 1996, V183/95, sprach der Gerichtshof aus, daß diese Vorschrift gesetzwidrig war.
3.2. Im Zuge der fortgesetzten Beratung über die Beschwerde auf Grundlage der insoweit bereinigten Rechtslage beschloß der Verfassungsgerichtshof am 21. Juni 1996, gemäß Art139 Abs1 B-VG ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Wortfolge "gemäß §22 Abs3 ab Vollendung des 65. Lebensjahres unter der Voraussetzung, daß die Verträge mit den §-2-Kassen gelöst werden und" im zweiten Satz des ArtIII Abs3 der Verordnung der Vollversammlung der Ärztekammer für Steiermark über die Änderung der Satzungen des Wohlfahrtsfonds, beschlossen in der außerordentlichen Vollversammlung vom 17. März 1994, kundgemacht im ÄrzteJOURNAL Nr. 10/1994, einzuleiten.
Mit Erkenntnis vom heutigen Tag, V85/96, hob der Verfassungsgerichtshof diese Wortfolge als gesetzwidrig auf.
Die Anwendung des rechtswidrigen §22 Abs3 der Satzung (VfGH 18. Juni 1996 V183/95) ist für den Beschwerdeführer nicht von Nachteil gewesen; dieser ist somit insofern nicht durch die Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung - gemessen an der bereinigten Rechtslage - verletzt worden.
Die Entscheidung über die Beschwerde hat nun nach der Rechtslage zu erfolgen, wie sie sich nach Aufhebung der einen gesetzwidrigen Verordnungsbestimmung bzw. nach dem Ausspruch über die Gesetzwidrigkeit der anderen darstellt.
4. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige (siehe das Erkenntnis vom 18. Juni 1996, V183/95) - Beschwerde erwogen:
4.1. Die Beschwerde wendet sich insbesondere gegen die Vorschrift des §22 Abs2 der Satzung. Vorgebracht wird im wesentlichen, daß diese Vorschrift eine unsachliche "Ruhensbestimmung" insoweit normiere, als sie Ärzte zwischen dem
65. und 70. Lebensjahr dazu zwinge, ihre gesamte ärztliche Tätigkeit mit Ausnahme der privatärztlichen Tätigkeit einzustellen, um in den Genuß der Altersversorgung zu kommen. Der Verordnungsgeber dürfe einen Eingriff in bestehende Rechtspositionen, nämlich den grundsätzlichen Anspruch auf Altersversorgung bei Vollendung des 65. Lebensjahres, nur bei Vorliegen einer entsprechenden sachlichen Rechtfertigung, die hier jedoch nicht gegeben sei, vornehmen. Verfassungskonform könne der §65 ÄrzteG nur dahin verstanden werden, daß er den Satzungsgeber dazu ermächtige, die Einstellung der bisherigen Haupttätigkeit - im Falle des Beschwerdeführers: der Tätigkeit als Spitalsarzt - zu verlangen. Sollte §22 Abs2 der Satzung aber als durch §65 ÄrzteG gedeckt angesehen werden, dann wäre diese Gesetzesbestimmung verfassungswidrig, da sie gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung verstoße.
4.2. Die Bedenken des Beschwerdeführers sind unbegründet. Es ist offenkundig, daß die Vorschrift des §22 Abs2 der Satzung des Wohlfahrtsfonds, derzufolge Voraussetzung für die Gewährung der Altersversorgung "die Einstellung der ärztlichen Tätigkeit in vollem Umfang, ausgenommen die Verträge für die Gesundenuntersuchungen mit der Sozialversicherungsanstalt der Bauern und die privatärztliche Tätigkeit" ist, ihre Deckung im Wortlaut des §65 Abs1 ÄrzteG findet. Diese Gesetzesbestimmung ordnet nämlich an, daß die Altersversorgung mit Vollendung des 65. Lebensjahres gewährt wird, "wobei die Satzung vorsehen kann, daß die auf Grund von Kassen- oder sonstigen zivil- oder öffentlich-rechtlichen Verträgen ausgeübte ärztliche Tätigkeit eingestellt wird." Der Beschwerdeführer vermeint, §65 ÄrzteG sei so zu verstehen, daß der Satzungsgeber nur ermächtigt werde, "die Einstellung der bisherigen Haupttätigkeit" zu verlangen, welche im Falle des Beschwerdeführers die Tätigkeit als Spitalsarzt gewesen sei. Dieses Verständnis des §65 ÄrzteG kann dem insofern klaren Gesetzeswortlaut jedoch nicht entnommen werden.
Verfassungsrechtliche Bedenken, die der Beschwerdeführer für den Fall, daß seiner Auslegung nicht gefolgt würde, gegen §65 ÄrzteG vorbringt, bestehen ebenfalls nicht. Der Verfassungsgerichtshof bleibt auch weiterhin wie bislang der Ansicht, daß solche Bedenken gegen die Vorschrift des §65 Abs1 ÄrzteG unter dem Gesichtspunkt des Art18 B-VG nicht begründet sind (VfSlg. 12118/1989, 13549/1993; vgl. auch VfSlg. 13545/1993). Auch unter dem geltend gemachten Aspekt des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Freiheit der Erwerbstätigkeit vermag der Verfassungsgerichtshof eine Verfassungswidrigkeit des §65 Abs1 ÄrzteG nicht zu erkennen:
§65 Abs1 ÄrzteG schließt die Ausübung einer ärztlichen Erwerbstätigkeit nicht an sich aus. Ihm wohnt auch offensichtlich weder die Absicht inne, die Ausübung eines Erwerbszweiges unmöglich zu machen, noch zwingt er den Beschwerdeführer dazu, seinen Erwerb aufzugeben (vgl. VfSlg. 3968/1961 und 11864/1988).
Die in Rede stehende Vorschrift ermächtigt den Verordnungsgeber aber auch nicht, wie der Beschwerdeführer vermeint, zu einem unsachlichen Eingriff in eine bestehende Rechtsposition. Sie legt vielmehr nur fest, vom Vorliegen welcher Voraussetzungen der Verordnungsgeber die Gewährung der Altersversorgung abhängig machen kann. Vor dem Hintergrund des Erkenntnisses VfSlg. 5241/1966, in welchem der Gerichtshof die grundsätzliche Entscheidung des Gesetzgebers, daß Pensionsleistungen nur gebühren, wenn die die Pensionsversicherungspflicht begründende Tätigkeit aufgegeben wird, für verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet hat, sieht der Verfassungsgerichtshof aus der Sicht des vorliegenden Beschwerdefalles keine Veranlassung, ein Verfahren zur Prüfung des §65 Abs1 ÄrzteG einzuleiten. Die Ratio dieser mit der Ärztegesetznovelle 1969 (ursprünglich als §43 c ÄrzteG) eingeführten Bestimmung ist, wie sich aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1261 BlgNR XI. GP, S. 10) ergibt, Ärzten die Altersversorgung "im Falle der Erwerbsunfähigkeit infolge Alters" zu gewähren. Vor dem Hintergrund dieser Zielsetzung der in Rede stehenden Vorschrift bestehen unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes keine Bedenken gegen die Verordnungsermächtigung des §65 Abs1 ÄrzteG. Es erscheint nämlich als durchaus sachlich, die Möglichkeit des Ausschlusses der Gewährung der Altersversorgung für jene Fälle vorzusehen, in welchen Ärzte aufgrund der Aufrechterhaltung bestehender Verträge, seien diese nun zivil- oder öffentlich-rechtlicher Natur oder handle es sich dabei um Kassenverträge, eine Behandlungspflicht (vgl. zB §129 Abs1 ASVG) und damit eine Pflicht zur Ausübung ihres Berufes weiter trifft.
Auch das Bestehen der freien Dispositionsmöglichkeit des Arztes, (bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen) seine berufliche Tätigkeit auf vertraglicher Grundlage einzustellen und in Pension zu gehen, (wo es im offen steht, auf freiwilliger Basis privatärztlich tätig zu sein), oder die Tätigkeit als Vertragsarzt fortzusetzen und die Altersversorgung noch nicht in Anspruch zu nehmen, bietet nach der Auffassung des Verfassungsgerichtshofes eine sachliche Rechtfertigung für die im §65 Abs1 ÄrzteG enthaltene Verordnungsermächtigung.
Der Beschwerdeführer ist folglich nicht durch die Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt worden.
4.3. Geltend gemacht wurde wohl die Verletzung des Beschwerdeführers in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, allenfalls auch auf Freiheit der Erwerbsausübung; Bedenken gegen den Vollzug sind jedoch nicht vorgebracht worden.
Eine Verletzung der genannten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte ist dem Verfassungsgerichtshof nicht erkennbar. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden wäre.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
5. Da die Beschwerde jedoch dadurch Erfolg hatte, daß sie zur Feststellung der Gesetzwidrigkeit einer im Beschwerdefall präjudiziellen Verordnungsregelung und zur Aufhebung einer anderen präjudiziellen Verordnungsbestimmung geführt hat (siehe die Erkenntnisse VfGH 18.6.1996 V183/95 und vom heutigen Tag V85/96), waren dem Beschwerdeführer die Kosten der Beschwerde in Höhe von S 18.000,-- zuzusprechen (vgl. VfSlg. 6505/1971, 13545/1993); in den zuerkannten Kosten ist USt in Höhe von
S 3.000,-- enthalten.
6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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