Spruch:
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.1. Der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des Disziplinarrates der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 17. Dezember 2003 zu einer Geldbuße in der Höhe von € 4.000,- und zum Ersatz der Verfahrenskosten verurteilt, weil er die Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes begangen habe, indem er Fremdgelder nicht fristgerecht an seine Klienten zur Auszahlung gebracht habe. Entgegen seiner Verpflichtung sei er nicht in Vorlage getreten, das bedeutet, der Beschwerdeführer habe die den blockierten Fremdgeldern entsprechenden Beträge nicht aus eigenem vorgeschossen und an seine Klienten ausbezahlt.
1.2. Mit Erkenntnis der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (im Folgenden: OBDK) vom 25. April 2005 wurde der vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Berufung insofern Folge gegeben, als die Geldbuße auf € 2.000,- herabgesetzt wurde; im Übrigen wurde der Berufung keine Folge gegeben. Begründend wurde ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als bevollmächtigter Vertreter Fremdgelder von Klienten zugekommen seien, diese Fremdgelder aber nicht umgehend, sondern erst mit erheblicher Verspätung den forderungsberechtigten Mandanten zur Verfügung gestellt worden seien.
2. Gegen dieses als Bescheid zu wertende Erkenntnis richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem gemäß Art7 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht, dass niemand wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden kann, die zur Zeit ihrer Begehung nicht strafbar war, und in dem gemäß Art18 B-VG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ausreichende Bestimmtheit einer gesetzlichen Regelung verletzt.
3. Die OBDK legte die Verwaltungsakten vor, erstattete jedoch keine Gegenschrift.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1.1. Unter dem Titel des Art7 EMRK und des Art18 B-VG behauptet der Beschwerdeführer die Verfassungswidrigkeit des §1 Abs1 Disziplinarstatut 1990 (im Folgenden: DSt 1990). Die Rechtsanwaltskammer Niederösterreich habe in einem Schreiben vom 13. September 2001 den Beschwerdeführer nicht darauf hingewiesen, dass er in Vorlage zu treten habe. Das Unterlassen dieses Hinweises zeige, dass im vorliegenden Fall keine gesetzliche Regelung oder verfestigte Standesauffassung vorliege, welche die "allgemeine" Bestimmung des §1 Abs1 DSt 1990 konkretisierbar mache. Die Norm stelle eine "Leerformel" dar, und die Bestrafung des Beschwerdeführers sei somit willkürlich.
1.2. §1 DSt 1990, BGBl. Nr. 474/1990, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 71/1999, lautet:
"§1. (1) Ein Rechtsanwalt, der schuldhaft die Pflichten seines Berufes verletzt oder inner- oder außerhalb seines Berufes durch sein Verhalten die Ehre oder das Ansehen des Standes beeinträchtigt, begeht ein Disziplinarvergehen.
(2) Disziplinarvergehen sind vom Disziplinarrat zu behandeln.
(3) Im übrigen obliegt die standesrechtliche Aufsicht dem Ausschuß der Rechtsanwaltskammer (§23 der Rechtsanwaltsordnung)."
1.3. Das im Art18 Abs1 B-VG verankerte Rechtsstaatsprinzip gebietet, dass Gesetze einen Inhalt haben müssen, durch den das Verhalten der Behörde vorherbestimmt ist. Es ist jedoch verfassungsgesetzlich zulässig, wenn der einfache Gesetzgeber einer Verwaltungsbehörde ein Auswahlermessen einräumt und die Auswahlentscheidung an - die Behörde bindende - Kriterien knüpft (vgl. zB VfSlg. 5810/1968, 12.399/1990, 12.497/1990, 16.625/2002). Dass der Gesetzgeber bei der Beschreibung und Formulierung dieser Kriterien unbestimmte Gesetzesbegriffe verwendet, dadurch zwangsläufig Unschärfen in Kauf nimmt und von einer exakten Determinierung des Behördenhandelns Abstand nimmt, kann im Hinblick auf den Regelungsgegenstand erforderlich sein, steht aber grundsätzlich in Einklang mit Art18 Abs1 B-VG (vgl. die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zum "differenzierten Legalitätsprinzip", VfSlg. 13.785/1994 mwH).
Der Verfassungsgerichtshof ist in ständiger Rechtsprechung von der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit des §1 Abs1 DSt 1990 ausgegangen (vgl. VfSlg. 12.915/1991, 13.260/1992, 13.526/1993, 13.762/1994, 14.237/1995, 14.905/1997, 15.585/1999, 15.847/2000, 16.265/2001). Der Gerichtshof sieht sich aufgrund des vorliegenden Falles nicht veranlasst, von dieser Rechtsprechung abzugehen.
1.4. Wie der Gerichtshof bereits im Erkenntnis VfSlg. 11.776/1988 darlegte, muss sich eine Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen Ehre und Ansehen des Standes auf gesetzliche Regelungen oder auf verfestigte Standesauffassungen - wozu Richtlinien oder die bisherige (Standes-)Judikatur von Bedeutung sind - stützen, die in einer dem Klarheitsgebot entsprechenden Bestimmtheit feststehen. Dem aus Art7 EMRK erfließenden Gebot entspricht die Behörde dann nicht, wenn sie sich - statt zu benennen, gegen welche konkrete Standespflicht ein inkriminiertes Verhalten verstößt - nur mit Rechtsprechungshinweisen begnügt.
Ein solcher Fall nicht hier nicht vor. Die Verurteilung des Beschwerdeführers stützt sich auf - den verfassungsrechtlich unbedenklichen (vgl. dazu Pkt. II.1.3.) - §1 Abs1 DSt 1990.
Die belangte Behörde hat sich bei der Beurteilung des Verhaltens des Beschwerdeführers im Rahmen dessen gehalten, was bei vernünftiger Interpretation der Begriffe "Ehre und Ansehen des Standes" für den Beschwerdeführer erkennbar sein musste, nämlich, dass er sich durch die verspätete Auszahlung von Fremdgeldern an forderungsberechtigte Mandanten einer Bestrafung aussetzt.
Der belangten Behörde kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausgeht, dass die Rechtsanwaltskammer den Beschwerdeführer über die Notwendigkeit, aus eigenem für die Entrichtung von Fremdgeldern in Vorlage zu treten, nicht belehren hätte müssen, weil dies eine Selbstverständlichkeit der anwaltlichen Berufsausübung darstelle.
Der angefochtene Bescheid steht daher im Lichte der zitierten Rechtsprechung mit dem aus Art7 EMRK erfließenden Klarheitsgebot im Einklang.
2. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.
Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. zB VfSlg. 10.659/1985, 12.915/1991, 14.408/1996, 16.570/2002 und 16.795/2003).
Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlage ist es auch ausgeschlossen, dass er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.
3. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
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