VfGH B757/86

VfGHB757/8627.6.1988

Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Entscheidung über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen durch ein unabhängiges und unparteiisches, auf Gesetz beruhendes Gericht (Art6 Abs1 MRK) durch die in einer als verfassungswidrig erkannten Zusammensetzung ergangene Entscheidung der paritätischen Schiedskommission nach Aufhebung des §344 ASVG und der V BGBl. 105/1956

Normen

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
B-VG Art144 Abs1 / Sachentscheidung
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
B-VG Art144 Abs1 / Sachentscheidung

 

Spruch:

Die Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht nach Art6 Abs1 EMRK verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) ist schuldig, der Bf. zu Handen des Beschwerdevertreters die mit 22.000 S bestimmten Prozeßkosten binnen vierzehn Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. In der Rechtssache der antragstellenden Partei Dr.med. H B wider die Vorarlberger Gebietskrankenkasse wegen offener Honorarforderungen wies die paritätische Schiedskommission für Vorarlberg das Begehren der Antragstellerin des Inhalts, einen bereits ergangenen, abweislichen Beschluß des Schlichtungsausschusses vom 6. Dezember 1985 aufzuheben und die Auszahlung der strittigen Honorarbeträge anzuordnen, mit Beschluß vom 7. Mai 1986, Z PSCHk 1/86, als unbegründet ab.

1.2.1. Gegen diesen Bescheid der paritätischen Schiedskommission für Vorarlberg richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde der Dr. H B an den VfGH, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte, ferner die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (§§344, 345 ASVG) und einer gesetzwidrigen V (BGBl. 105/1956) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsaktes (in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof) begehrt wird.

1.2.2. Die paritätische Schiedskommission für Vorarlberg als bel. Beh. legte die Administrativakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie für die Abweisung der Beschwerde eintrat.

2.1.1. Aus Anlaß dieser - zulässigen (s. VfSlg. 11729/1988) - Beschwerde leitete der VfGH von Amts wegen mit Beschluß vom 12. Dezember 1986, GZ B757/86-9, ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §344 ASVG, BGBl. 189/1955, sowie der Gesetzmäßigkeit der §§2 und 3 der V des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 8. Mai 1956, BGBl. 105/1956, ein.

2.1.2. Mit Erk. VfSlg. ...../1988, wurden die in Prüfung gezogenen, die Einrichtung, Zuständigkeit und Zusammensetzung der paritätischen Schiedskommission regelnden Bestimmungen - ohne Fristsetzung - als verfassungs- (: §344 ASVG) und gesetzwidrig (: §§2 und 3 der V BGBl. 105/1956) aufgehoben. Zugleich wurde angeordnet, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit zu treten haben.

2.2.1. Gemäß Art140 Abs7 Satz 2 B-VG und Art139 Abs6 Satz 2 B-VG waren die als verfassungs- und gesetzwidrig aufgehobenen generellen Normen in diesem Verfahren nicht mehr anzuwenden.

2.2.2. Es bleibt sohin festzuhalten, daß die Bf. durch die in einer als verfassungswidrig erkannten Zusammensetzung ergangene Entscheidung der belangten Schiedskommission in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Entscheidung über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen durch ein unabhängiges und unparteiisches, auf Gesetz beruhendes Gericht (Art6 Abs1 EMRK) verletzt wurde.

Der Bescheid war somit aufzuheben.

2.3. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG 1953. Im zugesprochenen Kostenbetrag ist Umsatzsteuer in der Höhe von 2.000 S enthalten.

2.4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG 1953 idF BGBl. 297/1984 in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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