Normen
B-VG Art83 Abs2
DSt 1990 §63, §64
B-VG Art83 Abs2
DSt 1990 §63, §64
Spruch:
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Die Rechtsanwaltskammer Wien ist schuldig, dem Beschwerdeführer die mit S 20.000,- festgesetzten Prozeßkosten innerhalb von 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.1. Mit Erkenntnis des Disziplinarrates der Rechtsanwaltskammer Wien wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, das Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung begangen zu haben, weil er im Schreiben vom 27. Juni 1996 Rechtsanwalt Dr. H K-W als Masseverwalter im Konkurs des Dr. F W, Z5 S 982/95m des Handelsgerichtes Wien, vorgeworfen habe,
1. wissentlich die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, dadurch zu mißbrauchen, daß er grundlos die Erfüllung vertraglicher Verpflichtungen verweigere, sowie daß er
2. für den Fall des Nichtzustandekommens einer einvernehmlichen Lösung binnen zwei Wochen eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft Wien angedroht habe. Er wurde hiefür zu einer Geldbuße von S 20.000,- sowie zum Ersatz der Kosten des Disziplinarverfahrens verurteilt.
1.2. Der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Erkenntnis der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (im folgenden: OBDK) vom 22. Februar 1999 keine Folge gegeben.
1.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.
Darin führt der Beschwerdeführer aus:
"Mit der angefochtenen Entscheidung wird meine Berufung gegen das Erkenntnis des Disziplinarrates vom 18.4.1997, D 151/96, DV 71/96, abgewiesen.
Mit beiliegendem Schreiben vom 4.3.1996, 6 Bkd 3/98-2, (Beilage ./2), übermittelte die belangte Behörde einen Auszug der Mitglieder des Senates mit der Aufforderung, einen allfällig begründeten Ablehnungsantrag binnen Wochenfrist einzubringen.
Ich habe mit beiliegendem Schreiben vom 9.3.1998 (Beilage ./3), von diesem Recht Gebrauch gemacht, in dem ich Dr. H B-H, als Mitglied deshalb abgelehnt habe, da diese beim Verfahren erster Instanz Senatsmitglied war. Als Richter des Senates 6 wurden Hofrat Dr. E S, als Ersatzmitglieder Hofrätin Dr. I K und Hofrat Dr. A S, bekannt gegeben.
Über meine Berufung hat jedoch, wie dem Spruch zu entnehmen ist, nicht einer dieser beiden Richter, sondern tatsächlich der Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. R entschieden, hinsichtlich dessen Person mir das Ablehnungsrecht nicht eingeräumt wurde.
Wenn der zur Ablehnung von Mitgliedern einer Kollegialbehörde berechtigten Partei, die Ausübung dieses Rechtes dadurch unmöglich gemacht wird, daß ihr die zur Entscheidung berufenen Mitglieder der Kollegialbehörde nicht bekannt gegeben werden (dies muß auch gelten, wenn andere bekannt gegeben werden, als jene, die letztlich die Entscheidung tragen), so stellt dies eine Verletzung des Art83 Abs2 B-VG dar.
Der gesetzliche Richter ist in Fällen dieser Art nämlich die Behörde, deren Besetzung der Partei bekannt gegeben und gegen welche ein Ablehnungsantrag nicht erhoben oder zu Unrecht erhoben worden ist (VfSlg. 3406, 7037 MGA 1, 3. Auflage, E 19 zu Art83 B-VG).
Der VfGH hat in der Entscheidung VfSlg. 7360 an diesem Standpunkt festgehalten, wonach eine Verletzung des Art83 Abs2 B-VG auch dann vorliegt, wenn der zur Ablehnung berechtigten Partei nicht alle an der Entscheidung beteiligten Kommissionsmitglieder bekannt gegeben worden sind."
1.4. Die OBDK legte die Verwaltungsakten vor und nahm zum Beschwerdevorbringen insofern Stellung, als sie einräumte, daß die Bekanntgabe der im Vergleich zur Mitteilung vom 4. März 1998 geänderten Senatszusammensetzung aus einem Versehen unterblieben wäre.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1.1. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird insbesondere dann verletzt, wenn eine an sich zuständige, aber nicht dem Gesetz entsprechend zusammengesetzte Kollegialbehörde entschieden hat (zB VfSlg. 8731/1980, 10022/1984, 11350/1987).
Eine Kollegialbehörde ist auch dann unrichtig zusammengesetzt, wenn der zur Ablehnung von Mitgliedern der Behörde berechtigten Partei die Ausübung dieses Rechts dadurch unmöglich gemacht wird, daß ihr die zur Entscheidung berufenen Mitglieder der Kollegialbehörde nicht bekanntgegeben werden; gesetzlicher Richter ist in allen Fällen dieser Art nämlich die Behörde, deren Besetzung der Partei bekanntgegeben und gegen welche ein Ablehnungsantrag nicht erhoben oder zu Unrecht erhoben worden ist (VfSlg. 3406/1958 und 7037/1973). Diese Überlegung trifft auch dann zu, wenn - wie im vorliegenden Fall - der zur Ablehnung berechtigten Partei nicht alle an der Entscheidung beteiligten Kommissionsmitglieder bekanntgegeben worden sind (VfSlg. 7360/1974, 8904/1980, 12957/1991, 13526/1993).
1.2. Gemäß §63 Abs1 DSt 1990 hat die OBDK in Senaten zu verhandeln und zu entscheiden, die aus zwei Richtern und zwei Anwaltsrichtern bestehen. Gemäß §63 Abs2 leg.cit. hat den Vorsitz ein Richter zu führen. Ein Anwaltsrichter soll nach Möglichkeit dem Kreis derjenigen Rechtsanwälte angehören, die von der Rechtsanwaltskammer des Beschuldigten gewählt wurden. Nach §64 Abs3 DSt 1990 sind die Generalprokuratur, der Kammeranwalt und der Beschuldigte berechtigt, einzelne Mitglieder der OBDK unter Angabe bestimmter Gründe wegen Befangenheit abzulehnen. Dem Beschuldigten sind aus diesem Grund die Mitglieder der OBDK, zumindest aber die Mitglieder des erkennenden Senates bekanntzugeben (Schuppich/Tades, RAO6 (1999) 107).
1.3. Aus der Aktenlage ergibt sich folgender Sachverhalt:
An der Beschlußfassung des angefochtenen Bescheides vom 22. Februar 1999 haben der Senatspräsident des Obersten Gerichtshofes, Dr. W M als Vorsitzender, Dr. P R und Dr. H R als Anwaltsrichter sowie der Hofrat des Obersten Gerichtshofes, Dr. R R als Richter mitgewirkt. Dem Beschwerdeführer ist mit Schreiben vom 4. März 1998 eine Liste der Mitglieder des in der konkreten Disziplinarsache zur Entscheidung berufenen Senates 6 zur Ausübung seines Ablehnungsrechtes übermittelt worden. In dieser Liste scheint jedoch der an der Beschlußfassung des angefochtenen Bescheides beteiligte Hofrat des Obersten Gerichtshofes, Dr. R R, nicht auf. Auch ist die Bekanntgabe dieses Mitglieds zu einem späteren Zeitpunkt im (maßgeblichen) Zeitraum vor der Beschlußfassung unterblieben.
1.4. Nach dem unter Punkt II.1.1. Gesagten ist der Beschwerdeführer, weil ihm dieses Mitglied vor Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht bekanntgegeben worden ist, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden, sodaß der bekämpfte Bescheid aufzuheben war.
2. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG 1953; in den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 3.000,-
enthalten.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 und §19 Abs4 Z2 VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)