VfGH B598/97

VfGHB598/9726.2.1998

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Abweisung einer Beschwerde der N. Österreichische Bürgerinitiative

Die Neutralen an die Rundfunkkommission wegen nicht entsprechender Berichterstattung des ORF über die Wahlen zum Europäischen Parlament im Jahre 1996, insbesondere wegen Nichteinladung der beschwerdeführenden Partei zu Fernsehsendungen über Konfrontationen der Spitzenkandidaten bzw der Parteichefs; kein Anspruch einer wahlwerbenden Partei auf Präsenz in einer bestimmten Sendung; keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Nichtvorlage bestimmter Fragen hinsichtlich der Tribunalqualität der Rundfunkkommission und der Berichterstattung über die Direktwahl zum Europäischen Parlament an den EuGH

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
Direktwahlakt vom 20.09.76. 76/787 / EGKS. EWG. Euratom
ParteienG 1975 §1
RundfunkG §2
RundfunkG §25 Abs3 Z2
RundfunkG §27
AEUV Art6
AEUV Art138
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
Direktwahlakt vom 20.09.76. 76/787 / EGKS. EWG. Euratom
ParteienG 1975 §1
RundfunkG §2
RundfunkG §25 Abs3 Z2
RundfunkG §27
AEUV Art6
AEUV Art138

 

Spruch:

Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei ist schuldig, den beteiligten Parteien G Z, Dr. R N und H W zu Handen ihrer Rechtsvertreter die mit S 20.700,-- bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. "N. Österreichische Bürgerinitiative Die Neutralen, welche das Neutralitätsvolksbegehren durchgeführt und zum Erfolg gebracht haben" (im folgenden: NÖB), eine politische Partei nach dem Parteiengesetz, wandte sich mit einer Beschwerde gemäß §27 Abs1 Z1 lita des Rundfunkgesetzes, BGBl. 379/1984 (im folgenden: RFG), an die Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes (im folgenden: RFK) gegen die Berichterstattung des Österreichischen Rundfunks (im folgenden: ORF) wegen Verletzung des RFG in der Berichterstattung über die Wahlen zum Europäischen Parlament im Jahre 1996.

2. Die RFK gab dieser Beschwerde mit Bescheid vom 4. Dezember 1996 nicht Folge.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

4. Die RFK als belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift.

5. Demgegenüber brachten die verantwortlichen Bediensteten des ORF als Beteiligte des verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens eine gemeinsame Äußerung ein, in der sie dem Beschwerdevorbringen entgegen- und für die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde eintraten.

6. Darauf replizierte die beschwerdeführende Partei.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die RFK ist eine nach Art133 Z4 B-VG eingerichtete Verwaltungsbehörde. Ihre Entscheidungen unterliegen nach §29 Abs5 RFG nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg. Der administrative Instanzenzug im Sinne des Art144 Abs1, zweiter Satz, B-VG ist also ausgeschöpft (vgl. VfSlg. 12795/1991, 12969/1992, 13509/1993 uvam.).

1.2. Wie der Verfassungsgerichtshof etwa in VfSlg. 7716/1975, 7717/1975, 7718/1975 und 8320/1978 darlegte, ist es nicht ausgeschlossen, daß eine (natürliche oder juristische) Person (so auch eine politische Partei - Art1 §1 Abs4, letzter Satz, ParteienG, BGBl. 404/1975; s. VfSlg. 12795/1991, 13509/1993), die eine auf §27 Abs1 Z1 RFG gestützte Beschwerde an die RFK gerichtet hat, durch den ihren Antrag ablehnenden Bescheid der Kommission in (irgend-)einem subjektiven öffentlichen Recht verletzt wird. Sie ist daher legitimiert, gegen den Bescheid der Kommission gemäß Art144 Abs1 B-VG beim Verfassungsgerichtshof Beschwerde zu führen.

1.3. Die Prozeßvoraussetzungen treffen (insgesamt) zu (vgl. VfSlg. 12491/1990, 12795/1991, 13338/1993, 13510/1993), die Beschwerde ist daher zulässig.

2.1. Der Vorwurf der Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird mit Bezug auf die behauptete Anwendung eines verfassungswidrigen einfachen Bundesgesetzes in der Beschwerde wie folgt darzutun versucht:

"Gemäß §25 Abs1 RFG obliegt die Rechtsaufsicht der Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes, die beim Bundeskanzleramt errichtet wird und über behauptete Verletzungen von Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu entscheiden hat. Gemäß §25 Abs3 Z2 RFG ist hinsichtlich der übrigen Mitglieder der Kommission die Bundesregierung für je 4 Mitglieder an Besetzungsvorschlägen des Zentralbetriebsrates sowie der Hörer- und Sehervertretung gebunden.

Die Mitglieder der Kommission Dr. S und Dr. G sind gemäß dieser Bestimmung, §25 Abs3 Z2 RFG, bestellt worden.

Gemäß §(Art.) 83 Abs2 B-VG darf niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Unter dem Begriff des gesetzlichen Richters wird jede staatliche Behörde schlechthin verstanden (VfSlg 1443, 2048; Walter - Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechtes8, RZ 1405).

Der Zentralbetriebsrat, welcher die gesetzliche Vertretung der Arbeitnehmer des ORF ist, entsendet nach §7 Abs1 Z5 RFG 5 Mitglieder in das Kuratorium. Gemäß §25 RFG schlägt der Zentralbetriebsrat auch Mitglieder in die Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes vor. Damit bestimmen Mitarbeiter des ORF über Mitglieder der Behörde, die über Rechtsverletzungen des ORF zu entscheiden hat.

Somit ist die Situation gegeben, daß über diesen Weg der ORF über eigene Verletzungen des RFG oder Verletzungen des RFG durch Mitarbeiter selbst mitentscheidet. Dies verstößt gegen den Grundsatz, daß niemand Richter in eigener Sache sein darf. Nach der Judikatur liegt keine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Grundrechtes auf den gesetzlichen Richter vor, wenn ein befangenes Organ an der Entscheidung mitgewirkt habe (z.B. VfSlg 3408, 6554, 7798; Walter - Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechtes8, RZ 1413). In diesem Fall liegt jedoch keine Mitwirkung eines befangenen Organes, sondern der viel schwerwiegendere Eingriff durch die Mitentscheidung eines quasi vom Antragsgegner bestellten Mitglieds der Kommission vor.

Somit ist das verfassungsgesetzlich gewährleistete Grundrecht auf den gesetzlichen Richter verletzt.

Aus diesen oben genannten Gründen regt daher der Beschwerdeführer an, der Verfassungsgerichtshof möge in §25 Abs3 Z2 RFG die Worte

'des Zentralbetriebsrates sowie'

als Verstoß gegen das Bundesverfassungsgesetz (Artikel 83 Abs2 B-VG) aufheben."

2.2. Die RFK besteht gemäß §25 Abs2 RFG aus 17 Mitgliedern, welche der Bundespräsident gemäß Abs3 leg.cit. auf Vorschlag der Bundesregierung für die Dauer von vier Jahren ernennt. Hinsichtlich der nicht dem Richterstand angehörenden Mitglieder normiert §25 Abs3 Z2 RFG für je vier Mitglieder eine Bindung der Bundesregierung bei ihren Vorschlägen an den Bundespräsidenten an Besetzungsvorschläge des Zentralbetriebsrates sowie der Hörer- und Sehervertretung.

Es ist nicht erfindlich, inwiefern der inkriminierte Teil des §25 Abs3 Z2 RFG aus den in der Beschwerde vorgetragenen Gründen Art83 Abs2 B-VG widersprechen könnte. Diese Verfassungsbestimmung in Verbindung mit Art18 B-VG verpflichtet den Gesetzgeber zu einer strengen Prüfungsmaßstäben standhaltenden, präzisen Regelung der Behördenzuständigkeit (vgl. VfSlg. 3994/1961, 5698/1968, 10311/1984, VfGH 12.6.1997, B1477/96 u.v.a.). Bedenken in diese Richtung trägt die Beschwerde aber überhaupt nicht vor; solche sind beim Verfassungsgerichtshof aber auch nicht entstanden.

Der Sache nach könnten sich die vorgebrachten Bedenken auf den Gleichheitssatz des Art7 Abs1 B-VG bzw. auf Art13 EMRK stützen. Insoweit genügt es aber, auf die bisherige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach der Gerichtshof auch aus diesem Blickwinkel keine Bedenken gegen §25 Abs3 Z2 RFG hegt (s. dazu - mit Hinweisen auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes - VfSlg. 13338/1993, ferner jüngst etwa VfGH 12.6.1997, B1477/96, 16.6.1997, B2211/96).

Sollten sich die vorgebrachten Bedenken jedoch auf Art6 EMRK stützen, so ist darauf hinzuweisen, daß hier ein Widerspruch zu Art6 Abs1 EMRK schon allein deswegen nicht in Betracht kommt, weil es im Administrativverfahren vor der RFK nicht um "zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen" oder um die Stichhaltigkeit einer "strafrechtlichen Anklage" geht, sondern um die der RFK (als der die Rechtsaufsicht über den ORF ausübenden Behörde) gesetzlich übertragene Nachprüfung der behaupteten Verletzung des RFG (s. VfSlg. 13513/1993, vgl. auch VfSlg. 7897/1976, 8579/1979, 8581/1979, 14221/1995).

Da auch sonst keine Bedenken gegen die gesetzlichen Grundlagen des angefochtenen Bescheides bestehen, ist in ein Normprüfungsverfahren nicht einzutreten.

Infolgedessen wurde die beschwerdeführende Partei nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt.

3. Aber auch die behaupteten Verletzungen in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter liegen nicht vor.

3.1.1. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid ausdrücklich seinem gesamten Umfang nach. Der angefochtene Bescheid betrifft aber im wesentlichen zwei Bereiche, hinsichtlich derer vor der belangten Behörde eine Verletzung des RFG wegen nicht entsprechender Berichterstattung durch den ORF vor den Wahlen zum Europäischen Parlament am 9. Oktober 1996 behauptet worden war, nämlich einerseits über die aus der Sicht der beschwerdeführenden Partei nicht befriedigende Berichterstattung über sie selbst und andererseits über eine behauptete Verletzung des RFG dadurch, daß die beschwerdeführende Partei nicht zur Fernsehsendung "Konfrontation der Spitzenkandidaten" am 17. September 1996 und zur Konfrontation der Parteichefs am 2. Oktober 1996 eingeladen worden sei.

Was den ersten Punkt betrifft, trägt die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid, der die Berichterstattung des ORF über die beschwerdeführende Partei im einzelnen anführt, nichts vor. Im verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren ist auch nicht hervorgekommen, daß der angefochtene Bescheid insoweit an einem in die Verfassungssphäre reichenden Fehler leiden würde.

Was den zweiten Punkt betrifft, begründete die RFK die Abweisung der an sie gerichteten Beschwerde mit folgenden Überlegungen:

"Dem Senat lagen Transkripte über die Beiträge 'Neutrale' 'ZiB 1' vom 4. Oktober 1996 und 'ZiB 2' vom 9. Oktober 1996, weiters die in der Verhandlung vom 4. Dezember 1996 vorgelegten Berichte über die Erwähnung der BF in Sendungen des Aktuellen Dienstes/Radio vor. Danach wurde die BF am 6. September 1996 im 'Journal um 5' im Programm Ö3, im 'Abendjournal' in Ö1, im 'Nachtjournal' in Ö1 und Ö3, im 'Mitternachtsjournal' in Ö3, am 11. September 1996 im 'Mittagsjournal' in Ö1, im 'Journal um 1' in Ö3 und am 5. Oktober 1996 im 'Morgenjournal' in Ö1 erwähnt.

...

Damit ist auch diesmal über die Anliegen der BF nicht unangemessen berichtet worden. Wenn sie zum Nachweis für ihr Ansehen beim Wahlvolk auf das Ergebnis des von ihr initiativ getragenen Volksbegehrens zur Sicherung der Neutralität Österreichs mit einer Unterstützung von ca. 358.451 stimmberechtigten Bürgern verweist, so ist dem zu erwidern, daß es im Europawahlkampf nur darum ging, nach dem Eintritt Österreichs in die Europäische Union erstmals die dorthin zu entsendenden 21 Abgeordneten für die restliche noch bis 1999 dauernde Gesetzgebungsperiode zu wählen, nicht jedoch, um über Beibehaltung oder Aufgabe der Neutralität abzustimmen. Demgemäß haben die Anliegen der BF in der Europawahl wiederum etwa nur 1,3 % der Wähler unterstützt, sodaß sich die bemängelte, von Chefredakteur M abgegebene Prognose als zutreffend herausgestellt hat. Eine solche, an empirisch erhobenen Daten und an jünger zurückliegenden Wahlergebnissen orientierte Prognose kann den Mitarbeitern des ORF nicht grundsätzlich verwehrt sein; vielmehr ist sie bei der (formalen und inhaltlichen) Gestaltung von Programmbeiträgen, die sich mit zukünftigen Ereignissen beschäftigen, geradezu denknotwendig aufgetragen.

Daß kleinere politische Gruppierungen, die die 4%-Hürde voraussichtlich nicht schaffen werden, zur Konfrontation der Parteichefs nicht eingeladen werden, ist nicht bloß willkürlich begründet, also rational nachvollziehbar (daß politische Parteien erst ab Eintritt ins Parlament eine bestimmte rundfunkrechtliche Relevanz erlangen, ergibt sich aus den §§5 Abs1 und 7 Abs1 RFG). Die Konfrontation und die dabei abgeführten Diskussionen müssen konzis gehalten sein. Im Interesse der Übersichtlichkeit der Darstellung der einzelnen Standpunkte für den Zuseher ist es notwendig, die Anzahl der Diskutanten nicht zu groß werden zu lassen. In erster Linie dient die Konfrontation der Parteiführer der Information des Wählers. Es kann nicht Aufgabe derartiger Sendungen sein, Parteien mit einem marginalen Wähleranteil als Werbeplattform zu dienen. Schließlich ist daran zu erinnern, daß kein Anspruch auf Präsenz in einer bestimmten Sendung besteht (TWAROCH-BUCHNER, Rundfunkrecht4, E 77-81 zu §2 RFG)."

3.1.2. Die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz erblickt die Beschwerde in folgendem:

"Die belangte Behörde vertritt im angefochtenen Bescheid die Auffassung, daß keine Verletzung des RFG vorliege, da es dem ORF frei stehe, wen er zur Diskussionsrunde zur Präsentation der Spitzenkandidaten und deren Wahlprogramme einlade. Begründen tut die belangte Behörde ihre Ansicht damit, daß es im Interesse der Übersichtlichkeit der Darstellung der einzelnen Standpunkte für den Zuseher notwendig sei, die Anzahl der Diskutanten nicht zu groß werden zu lassen. Die Konfrontation der Parteiführer diene der Information des Wählers. Es kann nicht Aufgabe derartiger Sendungen sein, Parteien mit einem marginalen Wähleranteil als Werbeplattform zu dienen. Mit dieser Begründung unterscheidet die belangte Behörde auf der einen Seite zwischen der Präsentation von Wählerinformation von Parteien, die im Nationalrat vertreten sind und Werbeveranstaltungen von Parteien, die nicht im Nationalrat vertreten sind. Es ist nicht nachvollziehbar, wie die belangte Behörde zu diesem Schluß kommt.

Es ist jedem Fernsehzuschauer klar, daß in einer Konfrontation der Spitzenkandidaten in einem elektronischen Medium (gleichgültig ob Rundfunk oder Fernsehen) diese versuchen, ihre politischen Ansichten, Interessen und Ziele bestmöglich darzustellen. Daß dies unter Umständen - in der Diktion der belangten Behörde - als 'Werbung' zu verstehen ist, ist nachvollziehbar. Es ist aber nicht nachvollziehbar, wieso die Information von im Nationalrat vertretenen Parteien keine Werbung sein soll, im Gegensatz zu den Parteien, die nicht im Nationalrat vertreten sind. In Deutschland ist es herrschende Ansicht, daß der Grundsatz der gleichen Wettbewerbschancen der politischen Parteien auch gilt, wenn Rundfunk- und Fernsehanstalten des öffentlichen Rechtes politischen Parteien Sendezeiten für Wahlpropaganda einräumen (so unter anderem BVerfGE 14, 132). Den Organen des Rundfunks steht es daher keinesfalls zu, Parteien, die zur Teilnahme an der Wahl zugelassen sind, von der Benutzung des Rundfunks auszuschließen, weil sie diese Parteien für unbedeutend oder gar schädlich halten (BVerfGE 7, 107). Eine derartige Differenzierung ist einem Staat, der die politischen Parteien durch seine Verfassung ausdrücklich zur Mitwirkung bei der politischen Willensbildung des Volkes beruft und der die Freiheit der Parteien verfassungsrechtlich gewährleistet, - in Österreich in §1 ParteienG normiert, welcher in Verfassungsrang steht - nicht gerechtfertigt (BVerfGE 7, 108). Anspruch darauf haben nur politische Parteien, die zu der Wahl antreten (BVerfGE 7, 108). Die öffentlichen Rundfunkanstalten sind nach dem Grundsatz der gleichen Wettbewerbschancen verpflichtet, sich gegenüber dem Wahlwettbewerb der politischen Parteien grundsätzlich neutral zu verhalten. Mit diesem Grundsatz verträgt sich aber nicht nur eine Zuteilung absolut gleicher Sendezeiten an alle Parteien, vielmehr kann aus besonders wichtigen Gründen (Dauer des Bestehens einer Partei, ihre Kontinuität, Mitgliederzahl, Umfang und Aufbau ihrer Organisation, Vertretung im Parlament, Beteiligung an Regierungen; so Henke in Bonner GG-Kommentar, Art21 Rn 240) auch bei Zuteilung der Sendezeiten differenziert werden. Das Bundesverfassungsgericht hat richtig erkannt, daß ohne diese zusätzlichen Kriterien das der letzten Wahlergebnisse allein einer Aufrechterhaltung des status quo günstig und ein Verstoß gegen den Grundsatz der gleichen Wettbewerbschancen (BVerfGE 14, 121, 137). Die Wahlen in einer demokratischen Demokratie sollen nicht nur zu einem Parlament führen, das die im Volk herrschenden verschiedenen Meinungen nach Möglichkeit getreulich widerspiegelt, sondern sie sollen auch zugleich ein Parlament schaffen, das in der Lage ist, eine aktionsfähige Regierung zu bilden. Dem der Sperrklausel unter dem Unterschriftsforum gemeinsam zu Grunde liegenden Motiv der Sicherung des Charakters der Wahl als eines zur Bildung funktionsfähiger Verfassungsorgane gerichteten Integrationsvorgaben kommt auch im Bereich der Wahlwerbung durch den Rundfunk Bedeutung zu (BVerfGE 14, 134 f).

Die vom VfGH entwickelte Prüfungsformel stellt ab, daß der Gleichheitsgrundsatz nur sachlich gerechtfertigte Differenzierungen zulasse (so Walter - Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechtes8, RZ 1347). Eine Differenzierung ist nur dann sachlich begründet, wenn sie nach objektiven Unterscheidungsmerkmalen ('aus Unterschieden in tatsächlichen') erfolgt (VfSlg 2088, 2884, 3754, 4140, 4392, 10492, 13178). Ausgehend von der oben genannten Begründung unterscheidet die belangte Behörde nicht nachvollziehbar zwischen im Nationalrat vertretenen Parteien und solchen, wie der des Beschwerdeführers. Auch aus der Begründung des Chefredakteurs des ORF H M, welches die belangte Behörde nicht entsprechend gewürdigt hat, geht hervor, daß der ORF nur solche Personen einlädt, die Repräsentanten einer Partei sind, die aller Wahrscheinlichkeit nach den Einzug ins Europäische Parlament schaffen werden. Da der ORF im Fernsehbereich in Österreich eine absolute nationale Monopolstellung und im Rundfunkbereich bis auf die Bundesländer Salzburg und Steiermark ebenfalls eine absolute Monopolstellung hat, kann es nicht im Ermessen der Chefredaktion des ORF liegen, wen sie zu Wahlkampfdiskussionen einlädt. Dies führt für wahlwerbende Parteien durch diese bestätigende Ansicht der belangten Behörde zur Konsequenz, daß die belangte Behörde unterscheidet, zwischen wahlwerbenden Parteien, die eine Chance haben ins Europäische Parlament einzuziehen und solchen, welche keine haben. Die Unterscheidung und Feststellung dieser Parteien erfolgt nicht nach objektiven Tatsachen, sondern nach Ansicht des Chefredakteurs des ORF.

Es ist in den Polit- und Medienwissenschaften seit 1960 durch die TV-Konfrontation John F. Kennedy gegen Richard Nixon (unbestrittener Maßen) anerkannt, daß die elektronische Medienberichterstattung sowie die Möglichkeit des Auftretens und der Diskussionen in solchen Medien von wahlkampfentscheidender Bedeutung ist. Die Unterstützung von ca. 358.000 stimmberechtigten Staatsbürgern für das Volksbegehren des Beschwerdeführers zeigt einen zumindest entsprechend gleich großen Kreis von potentiellen interessierten Wählern auf. Ein Verschweigen - dies ist hier geschehen - durch Nichteinladung der Spitzenkandidaten des Beschwerdeführers zur TV-Sendung 'Konfrontation' machte es dem Beschwerdeführer unmöglich, einem breiten Publikum seine Ansichten und Vorstellungen zu präsentieren. Es kann nicht Sinn und Zweck sein, daß der Chefredakteur des Monopolunternehmens ORF seine Einladungspolitik bestimmt, wer der breiten Öffentlichkeit im Wege der Berichterstattung präsentiert wird. Daß er die Ablehnung der Einladung begründet, daß der Beschwerdeführer ohnehin keine Chancen habe, in das Europaparlament gewählt zu werden, ist zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung (geworden), da er damit durch seine Politik indirekt bestätigt, daß der Beschwerdeführer sowieso durch die Nichteinladung chancenlos gemacht werde.

Wenn nun die belangte Behörde dieses Vorgehen bestätigt und die Judikatur des deutschen Bundesverfassungsgerichtes in keinerlei Form für relevant erachtet, und die Ansicht vertritt, ohne dies näher zu begründen, daß die im Nationalrat vertretenen wahlwerbenden Parteien keine Werbung im Gegensatz zum Beschwerdeführer machen, sondern Informationen der Bevölkerung geben, so liegt im Sinne der Judikatur des VfGH eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes vor. Denn damit unterscheidet die belangte Behörde in einer sachlich nicht nachvollziehbaren Weise zwischen verschiedenen wahlwerbenden Parteien. Es kann nicht sein, daß eine Behörde zwischen wahlwerbenden Parteien unterscheidet, wenn alle die Grundvoraussetzungen zur Österreich weiten Wahl erreicht haben."

3.1.3. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann angesichts der Unbedenklichkeit der dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Rechtsvorschriften nur vorliegen (vgl. zB VfSlg. 10413/1985, 11682/1988), wenn die belangte Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde unter anderem dann vorgeworfen werden, wenn sie dem Beschwerdeführer aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder aber, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 10337/1985, 11436/1987).

3.1.4. All das liegt hier nicht vor. Die Begründung des angefochtenen Bescheides, der im einzelnen die Berichterstattung des ORF über die beschwerdeführende Partei darstellt und würdigt, zeigt in ihrem Zusammenhalt, daß die RFK eine aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstandende Entscheidung getroffen hat. Weder hat die belangte Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt noch hat sie Willkür geübt.

Die dagegenstehende Auffassung der beschwerdeführenden Partei ist schon deshalb nicht begründet, weil schon der Ausgangspunkt ihrer Überlegungen nicht zutrifft. Dem angefochtenen Bescheid liegt nämlich nicht die Auffassung zugrunde, Informationen von im Nationalrat vertretenen Parteien stellten - anders als bei Parteien, die dort nicht vertreten sind - keine (Wahl-)Werbung dar. Insoweit liegt das Hauptgewicht der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht in der Differenzierung von Information und Werbung, sondern in jener zwischen politischen Parteien mit mehr oder weniger politischer Bedeutung. Die Organe des ORF haben die beschwerdeführende Partei auch keineswegs "von der Benutzung des Rundfunks" insgesamt ausgeschlossen, wie die Aufzählung und Würdigung der einzelnen Berichte des ORF im angefochtenen Bescheid klar erkennen läßt. Im Ergebnis kann der belangten Behörde aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausging, daß die Diskussion der Parteichefs im Fernsehen für den Zuseher - soweit dies überhaupt möglich ist - übersichtlich gestaltet werden und die Zahl der Diskutierenden nicht zu groß sein soll. Dies zumal im Hinblick darauf, daß die Zuseher in der Regel nur eine bestimmte Zeit hindurch bereit sind, solchen Sendungen Aufmerksamkeit zu schenken. Entschließt sich nun aber der ORF angesichts einer größeren Zahl von wahlwerbenden Parteien zu einer gewissen Beschränkung, ist es nicht gleichheitswidrig, wenn seitens der RFK toleriert wird, daß die Organe des ORF bei der Auswahl der Kandidaten auf sachliche Momente - hier auf ihre gegenwärtige, objektivierbare Bedeutung - abstellen. Sind wohl auch die "Existenz und Vielfalt politischer Parteien" und somit auch gerade kleinere politische Gruppierungen "wesentlicher Bestandteil der demokratischen Ordnung der Republik Österreich (Art1 B-VG)" (so die Verfassungsbestimmung des ArtI §1 Abs1 des ParteienG, BGBl. 404/1975; s. auch §5 Abs1 und §7 Abs1 Z1 RFG), doch besteht grundsätzlich kein Anspruch einer wahlwerbenden Partei auf Präsenz in einer bestimmten Sendung (so auch die Spruchpraxis der RFK, nachgewiesen etwa bei Twaroch - Buchner, Rundfunkrecht in Österreich4 (1992), 54, E 68 und 69); daß aber im ORF über die Anliegen der beschwerdeführenden Partei sowie über sie selbst in nicht unerheblichem Ausmaß berichtet wurde, wird im angefochtenen Bescheid im einzelnen dargetan.

Die beschwerdeführende Partei wurde deshalb durch den angefochtenen Bescheid nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitsrecht verletzt.

4.1.1. Die beschwerdeführende Partei hatte in ihrer Beschwerde an die RFK aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht vorgebracht:

"Rechtsgrundlage der Wahl zum Europäischen Parlament ist der Beschluß und Akt des Rates zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Abgeordneten der Versammlung vom 20.9.1976 sowie die Europawahlordnung (BGBl 1996/117 idF BGBl 1996/201).

....

Da der ORF eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt ist, als auch er in Österreich das Sendemonopol im Fernsehen für die Ausstrahlung von Sendungen aus Österreich hat, und der ORF auf Grund seiner Stellung als Anstalt des öffentlichen Rechtes dem Staat zuzurechnen ist, beantragt die Antragstellerin, die Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes möge gemäß Art177 EGV dem EuGH nachfolgende Fragen vorlegen:

A. Ist die Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes ein vorlagepflichtiges Gericht im Sinne des Art177 Abs3 EGV? B.1. Kann sich eine wahlwerbende Partei in der Wahl zum Europäischen Parlament unmittelbar auf den Beschluß und Akt des Rates zur Einführung der allgemeinen unmittelbaren Wahlen der Abgeordneten der Versammlung vom 20.9.1976 in der jeweils geltenden Fassung gegenüber dem Staat bzw. juristischen Personen des öffentlichen Rechtes direkt berufen?

2. Für den Fall der positiven Beantwortung der Frage 1: Ist der ORF als öffentlich rechtliche Rundfunk- und Fernsehanstalt verpflichtet, alle wahlwerbenden Parteien zum Europäischen Parlament in seiner Berichterstattung gleichrangig und gleichwertig zu behandeln und sie auch zu allen Sendungen, die eine Darstellung der Kandidaten sind, einzuladen?"

4.1.2. Die RFK lehnte mit folgender Begründung die Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH gemäß Art177 EGV ab:

"Was schließlich den Verweis auf EU-Recht betrifft, so handelt es sich bei der Rundfunkkommission um eine sogenannte Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag gemäß Art133 Z4 B-VG, die vom VfGH und vom EGMR als Gericht im Sinn des Art6 Abs1 MRK angesehen wird (vgl. Die österreichische Bundesverfassung, herausgegeben von RINGHOFER, 1977, S. 425 zu Art133; WALTER - MAYER, Bundesverfassungsrecht8, 1996, Rz. 698 f, 1480). Das Problem der Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art177 Abs3 EGV zu Punkt A stellt sich damit nicht.

Dasselbe gilt für die Fragestellung zu B1: Unabhängig von der Frage, ob sich eine wahlwerbende Partei bei der Wahl zum Europäischen Parlament unmittelbar auf den Direktwahlakt (DWA) vom 20.9.1976, 76/787/EGKS, EWG, EURATOM, auf Art11 der Beitrittsakte zum Beitrittsvertrag vom 24.6.1994, auf die Richtlinie 93/109/EG vom 6.12.1993, ABl. Nr. L 329 vom 30.12.1993, S. 34 umgesetzt in der EuWO BGBl. Nr. 117/1996, gegenüber dem Staat bzw. dem ORF 'direkt berufen' könne oder nicht, hat die Rundfunkkommission keinerlei Anlaß, die Vorabentscheidung des EuGH anzurufen, weil anzuwendende, verschieden auszulegende Bestimmungen von Europarecht nicht vorliegen. Keines der genannten Gesetze, auch nicht die EuWO, beschäftigt sich mit der Frage, wie sich Kleinparteien im Wahlkampf auf nationaler oder europäischer Ebene möglichst wirksam präsentieren könnten, um dadurch ein Maximum an Publizität zu gewinnen.

Zur Beantwortung der Frage B2 gibt es keine (veröffentlichte) Rechtsprechung des EuGH, aber auch keine europarechtliche Regelung (zu den genannten Gesetzen siehe jüngst

NEISSER - HANDSTANGER - SCHICK, Europawahlrecht, 1996, Verlag Österreich der Österreichischen Staatsdruckerei, S. 23 ff, 45 ff, 63 ff, zu Art23a B-VG 83 ff, zum EuWEG 103 ff samt Anmerkung

SCHICK)."

4.1.3. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid insoweit mit folgenden Ausführungen:

"Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid (Seite 11) die Ansicht vertreten, daß, was schließlich den Verweis auf EU-Recht betrifft, es sich bei der Rundfunkkommission (belangte Behörde) um eine sogenannte Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag gemäß Artikel 133 Z4 B-VG handelt, die vom VfGH und dem EGMR als Gericht im Sinne des Artikels 6 Abs1 MRK angesehen wird (vergleiche die österreichische Bundesverfassung, herausgegeben von Ringhofer, 1977, 425 zu Art133;

Walter - Mayer, Bundesverfassungsrecht8, 1996, RZ 698 f, 1480).

Die belangte Behörde verkennt mit dieser Begründung, daß der Beschwerdeführer seine Rechtsansicht nicht auf Artikel 6 Abs1 MRK oder Art133 Z4 B-VG stützt, sondern auf Art177 EGV.

....

Art138 Abs1 EGV bestimmt, daß die Abgeordneten der Völker der in der Gemeinschaft vereinigten Staaten im Europäischen Parlament in allgemeiner, unmittelbarer Wahl gewählt werden. Auf Grund der primärrechtlichen Bestimmungen des Art138 EGV ist vom Rat der sogenannte Direktwahlakt erlassen worden (Direktwahlakt vom 20.9.1976, 76/787/EGKS, EWG, Euratom). Dieser gemeinschaftsrechtliche Akt ist die europarechtliche Grundlage der am 13.10.1996 durchgeführten Wahl zum Europäischen Parlament gewesen.

Nach herrschender Rechtsprechung (ua EuGH, U.v. 14.12.1971, RS 43/71, Politi, Slg 1971, 1039) und Lehre (Borchardt, Die rechtlichen Grundlagen der EG, in Röttinger/Weyringer (Hrsg), Handbuch der europäischen Integration (1996), 92f;

Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil, Die Europäische Union4, 211) können sich die Normunterworfenen bei Verordnungen im Streitfall mit anderen Normunterworfenen direkt auf diese berufen (Drittwirkung). Bei Richtlinien hingegen wird zu Recht die Ansicht vertreten (EuGH, U.v. 6.5.1980, RS 102/79, Kommission/Belgien, Slg 1980, 1473; EuGH, U.v. 26.2.1986, RS 152/84, Marschall, Slg 1986, 723; EuGH, U.v. 12.7.1990, RS C-188/89 , British Gas, Slg 1990, I-4135; EuGH, U.v. 14.7.1994, RS C-91/92 , Facini Dori, Slg 1994, I-3325; Borchardt, Die rechtlichen Grundlagen der EG, in Röttinger/Weyringer (Hrsg), Handbuch der europäischen Integration (1996), 95f;

Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil, Die Europäische Union4, 211), daß sich die Normunterworfenen im Streitfall nicht direkt auf die Richtlinie berufen können, wenn diese nicht ordnungsgemäß umgesetzt worden ist (horizontale Direktwirkung), sondern sie können sich nur gegenüber dem Mitgliedstaat darauf berufen (vertikale Direktwirkung). In einer Entscheidung hat der EuGH ausgesprochen, daß Richtlinien auch gegen verstaatlichte Unternehmen geltend gemacht werden können (EuGH, U.v. 12.7.1990, RS C-188/89 , British Gas, Slg 1990, I-3313). Wörtlich sagt der EuGH folgendes: 'Demgemäß gehört jedenfalls eine Einrichtung, die unabhängig von ihrer Rechtsform kraft staatlichem Rechtsakt unter staatlicher Aufsicht eine Dienstleistung im öffentlichen Interesse zu erbringen hat, und die hierzu mit besonderen Rechten ausgestattet ist, die über das hinausgehen, was für die Beziehung zwischen Privaten gilt, zu den Rechtssubjekten, denen die unmittelbar anwendbaren Bestimmungen einer Richtlinie entgegengehalten werden können' (EuGH, U.v. 12.7.1990, RS C-188/89 , British Gas, Slg 1990, I-3313 Rn 20). Ausgehend von diesem Grundsatz fällt der Österreichische Rundfunk in diese Kategorie von Rechtssubjekten.

Der Direktwahlakt ist ein gemeinschaftsrechtlicher Akt sui generis. Die Lehre hat sich, genauso wenig wie der EuGH, mit der Rechtsnatur dieses Aktes auseinander gesetzt (als Beispiel unter vielen Fischer-Berger-Stein, Europawahlordnung, 1). Da es bei der Beantwortung der Beschwerde gemäß §27 RFG von entscheidender Bedeutung ist, ob sich der Beschwerdeführer direkt auf diesen gemeinschaftsrechtlichen Akt berufen kann oder nicht, und es im Sinne der vom EuGH weiterentwickelten act clair doctrin (EuGH, U.v. 6.10.1982, RS 283/8, C.I.L.F.I.T. Slg 1982, 3415) ein nationales innerstaatliches Gericht nicht zur Vorlage verpflichtet sei, wenn es davon ausgehen kann, daß keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel an der Entscheidung der gestellten Frage bleibt, wenn es überzeugt ist, daß auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und den Gerichtshof die gleiche Gewißheit bestünde. Falls jedoch auch nur der geringste Zweifel daran besteht, insbesondere dann, wenn es diesbezüglich noch keinerlei Judikatur des EuGH gäbe, ist das Gericht im Sinne der oben genannten Doktrin verpflichtet, an den EuGH die entsprechenden Fragen vorzulegen. Dies liegt hier vor.

Die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid begründete die Nichtvorlage der Frage B.1. damit, daß keinerlei Anlaß besteht 'die Vorabentscheidung des EuGH anzurufen, weil anzuwendende verschieden auszulegende Bestimmungen vom Europarecht nicht vorliegen.' Sie verkennt jedoch, daß der Beschwerdeführer sich in seiner Beschwerde darauf stützt, daß der ORF gemeinschaftsrechtswidrig unterlassen habe, den Beschwerdeführer mit den anderen wahlwerbenden Parteien gleich zu behandeln. Insbesondere hat die belangte Behörde Artikel 138 EGV nicht beachtet, der bestimmt, daß politische Parteien auf europäischer Ebene wichtig als Faktor der Integration in der Union sind. Sie tragen dazu bei, ein europäisches Bewußtsein herauszubilden und den politischen Willen der Bürger der Union zum Ausdruck zu bringen. Insbesondere mit diesem letzten Satz verweist das europäische Primärrecht auf die Bedeutung der politischen Parteien. Insbesondere auch im Zusammenhang mit Art6 EGV ist im Europawahlrecht und der damit verbundenen Berichterstattung des Monopolunternehmens ORF von einer entsprechenden Gleichbehandlung auszugehen. Wenn nun die belangte Behörde vermeint, daß keinerlei europarechtliche Fragen vorliegen, so verkennt sie doch, daß es auf Grund der strittigen Rechtsnatur des Direktwahlaktes nicht geklärt sei, ob sich der Beschwerdeführer direkt auf diese gemeinschaftsrechtliche Bestimmung berufen könne oder nicht.

In diesem Sinne ist auch die Beantwortung der Frage B.2. zu sehen.

...."

4.2. Der Beschwerde ist zunächst insoweit zu folgen, als das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter unter anderem dann verletzt wird, wenn ein als Gericht iSd Art177 EGV zu qualifizierendes staatliches Organ entgegen der Anordnung des Art177 Abs3 EGV eine vorlagepflichtige Frage der Interpretation des Gemeinschaftsrechts dem Europäischen Gerichtshof nicht zur Vorabentscheidung vorgelegt hat, wobei nicht nur eine grobe, sondern jede Verletzung der Vorlagepflicht zu dieser Konsequenz führt (vgl. mit näherer Begründung VfSlg. 14390/1995, ferner VfGH 30.9.1996, B3067/95, 26.6.1997, B3486/96).

Auch ist der Vorwurf der Beschwerde gerechtfertigt, daß der angefochtene Bescheid - jedenfalls ausdrücklich - nur darauf abstellt, die RFK sei als Gericht im Sinne des Art6 Abs1 EMRK anzusehen, währenddem es in der Sache um die Vorlagepflicht nach Art177 EGV geht.

Soweit die Beschwerde aber die Nichtvorlage der unter Pkt. 4.1.1. erwähnten Fragen rügt, ist ihr entgegenzuhalten, daß zum einen die genannten Fragen nicht entscheidungswesentlich sind und zum anderen, daß weder auf die von der beschwerdeführenden Partei bezogenen Rechtsgrundlagen (Art6 EGV, Art138 EGV, Beschluß des Rates vom 20. September 1976, ABl EG L 278, 8.10.1976) noch auf andere Bestimmungen ein Anspruch der beschwerdeführenden Partei gegründet werden könnte, zu "allen Sendungen" des ORF eingeladen zu werden, die "eine Darstellung der Kandidaten (der wahlwerbenden Parteien bei der Wahl zum Europäischen Parlament) und deren Positionen" zum Inhalt haben.

Der belangten Behörde kann deshalb nicht der Vorwurf gemacht werden, sie habe zu Unrecht eine Vorlage - und zwar weder der ausdrücklich angeregten bzw. noch anderer Fragen - unterlassen.

4.3. Die beschwerdeführende Partei wurde deshalb nicht dadurch im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt, daß die belangte Behörde eine Vorlage gemäß Art177 Abs3 EGV an den Europäischen Gerichtshof unterließ.

5. Das verfassungsgerichtliche Beschwerdeverfahren ergab aber auch nicht, daß die beschwerdeführende Partei in einem von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt wurde.

6. Die Beschwerde war daher insgesamt als unbegründet abzuweisen.

III. Die Kostenentscheidung

zugunsten der als Streitgenossen auftretenden Beteiligten stützt sich auf §88 VerfGG 1953. Im zugesprochenen Kostenbetrag ist Streitgenossenzuschlag in der Höhe von S 2.250,-- und Umsatzsteuer in der Höhe von S 3.450,-- enthalten.

Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4, erster Satz, VerfGG 1953 ohne vorangehende mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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