VfGH B567/94

VfGHB567/9420.6.1994

Zurückweisung der Beschwerde von einer Verwaltungsgemeinschaft angehörenden Gemeinden mangels Vorliegen von innerhalb der Beschwerdefrist gefaßten Beschlüssen der zuständigen Gemeinderäte zur Beschwerdeerhebung bzw mangels Vorliegen der Voraussetzungen für eine Beschwerdeerhebung in Form einer dringenden Verfügung seitens der Bürgermeister

Normen

B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
Krnt Allgemeine GemeindeO 1993 §34 Abs2
Krnt Allgemeine GemeindeO 1993 §73 Abs1
Krnt Allgemeine GemeindeO 1993 §81
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
Krnt Allgemeine GemeindeO 1993 §34 Abs2
Krnt Allgemeine GemeindeO 1993 §73 Abs1
Krnt Allgemeine GemeindeO 1993 §81

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.

Begründung

Begründung

I. 1. Mit dem angefochtenen Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 10. Februar 1994 wurde der namens der Gemeinde Frauenstein vom Gemeinderat gestellte Antrag, als Mitgliedsgemeinde aus der Verwaltungsgemeinschaft St. Veit an der Glan auszutreten, gemäß §82 Abs1 (Kärntner) Allgemeine Gemeindeordnung 1993 - AGO, LGBl. 77/1993, genehmigt.

2. Gemäß §81 Abs1 AGO können Gemeinden zum Zwecke der sparsameren und zweckmäßigeren Besorgung gleichartiger Geschäfte des eigenen und des übertragenen Wirkungsbereiches bei Aufrechterhaltung ihrer Selbständigkeit die Bildung einer Verwaltungsgemeinschaft vereinbaren. Verwaltungsgemeinschaften haben keine Rechtspersönlichkeit; sie handeln stets nur im Namen der Gemeinde, deren Geschäfte sie besorgen.

Die Vereinbarung über die Bildung einer Verwaltungsgemeinschaft sowie der Austritt einer Gemeinde aus der Verwaltungsgemeinschaft bedürfen der Genehmigung der Landesregierung (§81 Abs3 und §82 Abs1 AGO).

3. Mit der vorliegenden, offenkundig auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde bekämpfen 17, der Verwaltungsgemeinschaft St. Veit an der Glan angehörende Gemeinden den unter Pkt. 1 genannten Bescheid. In der Beschwerde wird die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes geltend gemacht, die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides und in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt.

Die Beschwerde wurde am 25. März 1994 zur Post gegeben.

Der (für sämtliche beschwerdeführenden Gemeinden einschreitende) Rechtsanwalt beruft sich auf die ihm erteilte Vollmacht.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß §34 Abs2 AGO obliegen dem Gemeinderat alle Aufgaben, die ihm durch Gesetz übertragen sind, und alle nichtbehördlichen Aufgaben des eigenen Wirkungsbereiches, die durch Gesetz nicht einem anderen Organ übertragen sind. Zur zweiten Fallgruppe zählt auch die Erhebung einer Beschwerde nach Art144 B-VG beim Verfassungsgerichtshof (so schon Steiner-Lora-Kowatsch, Die Allgemeine Gemeindeordnung und ihre Durchführungsverordnungen, 1967, S 82, zur gleichlautenden Vorgängerbestimmung (§35 Abs2) der (Kärntner) AGO, LGBl. 1/1966).

2. Aus der Beschwerde ging nicht hervor, ob ihre Einbringung auf einem entsprechenden Beschluß des jeweiligen Gemeinderates beruht. Die Gemeinden wurden deshalb vom Verfassungsgerichtshof darauf hingewiesen, daß "ein Auszug aus dem Protokoll der Sitzung des jeweiligen Gemeinderates, in der die Einbringung der gegenständlichen Verfassungsgerichtshofbeschwerde beschlossen wurde", fehlt. Gleichzeitig erging unter Androhung der Säumnisfolgen die Aufforderung, diesen Mangel binnen vier Wochen zu beheben.

Innerhalb dieser Frist wurden von zwölf Gemeinden Sitzungsprotokolle des betreffenden Gemeinderates vorgelegt. Diese Sitzungen fanden zwischen 28. März 1994 (Marktgemeinde Klein St. Paul) und 2. Mai 1994 (Gemeinde Kappel am Krappfeld) statt. Die Gemeinderäte faßten jeweils über folgenden Antrag Beschluß (alle zwölf Anträge haben nahezu identischen Wortlaut - das folgende Zitat stammt aus dem Protokoll der Gemeinde Liebenfels):

"Der Bürgermeister wird beauftragt, die Einbringung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 14.1.1994, Zl. ..., sowie die Einbringung einer Verfassungsgerichtshof- und Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 10.2.1994, Zl. 3-Gem-133/1/94, namens unserer Gemeinde zu veranlassen und hiemit Dr. G S, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, zu beauftragen bzw. wird die bereits erfolgte Beauftragung und die erfolgte Einbringung ... der Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 10.2.1994, Zl. 3-Gem-133/1/94, ausdrücklich und vollinhaltlich genehmigt."

In Zusammenhang mit dieser Beschlußfassung wird in den Protokollen unter anderem ausgeführt (die Formulierung ist in den meisten der zwölf Niederschriften wiederum nahezu gleichlautend - im folgenden das Zitat aus dem Protokoll der Gemeinde Liebenfels):

"Herr Viz.Bgm. Karl Wieser weist auf die zurückliegenden Gespräche und Berichte über die Absicht der Gemeinde Frauenstein hin, aus der Verwaltungsgemeinschaft auszutreten. Nachdem sich die überwiegende Mehrheit der in der Verwaltungsgemeinschaft zusammengeschlossenen Gemeinden gegen den Austritt ausgesprochen hat, hat die Kärntner Landesregierung mit Bescheid vom 14.1.1994, Zl. ..., den §23 a der Vereinbarung der Verwaltungsgemeinschaft aufgehoben, ... Nach Aufhebung des §23 a der Verwaltungsgemeinschaft-Vereinbarung mit Beschluß (gemeint wohl: Bescheid) vom 14.1.1994 hat dann die Kärntner Landesregierung mit einem weiteren Bescheid vom 10.2.1994, Zl. 3-Gem-133/1/94, den Austritt der Gemeinde Frauenstein mit Wirkung vom 1.3.1994 genehmigt.

Im Sinne der bereits durchgeführten Besprechungen wurde im Verwaltungsausschuß der Verwaltungsgemeinschaft mit überwältigender Mehrheit (mit Ausnahme der Gemeinde St. Veit/Glan waren alle übrigen Gemeinden der Verwaltungsgemeinschaft dafür, alle rechtlich notwendigen und möglichen Schritte gegen den Austritt der Gemeinde Frauenstein und gegen die Bescheide der Kärntner Landesregierung vom 14.1.1994 und 10.2.1994 zu unternehmen) beschlossen, Rechtsanwalt Dr. G S in 9020 Klagenfurt für alle Gemeinden der Verwaltungsgemeinschaft (ausgenommen die Gemeinde St. Veit/Glan und natürlich auch die Gemeinde Frauenstein) zu beauftragen, den Rechtszug an die Höchstgerichte auszuschöpfen und gegen die Bescheide der Kärntner Landesregierung vom 14.1. u. 10.2.1994 Verwaltungs- und/oder Verfassungsgerichtshofbeschwerde zu erheben.

Vom Bürgermeister wurde bereits an Dr. G S ein entsprechender Auftrag unserer Gemeinde erteilt, zumal der Zeitraum zwischen Beschlußfassung im Verwaltungsausschuß einerseits und dem Ablauf der Fristen für die Einbringung der Höchstgerichtsbeschwerden (andererseits) relativ kurz war."

3.a) Den Beschwerdeangaben zufolge wurde der angefochtene Bescheid den beschwerdeführenden Gemeinden am 11. Februar 1994 zugestellt. Der letzte Tag der (sechswöchigen) Beschwerdefrist war der 25. März 1994. Die in Rede stehenden Gemeinderatsbeschlüsse wurden (wie oben erwähnt) zwischen 28. März 1994 und 2. Mai 1994 - also nach Ablauf der Beschwerdefrist - gefaßt.

b) Gemäß §73 Abs1 AGO hat zwar der Bürgermeister "die notwendigen Verfügungen unter eigener Verantwortung zu treffen", wenn Verfügungen, die der Beschlußfassung des Gemeindevorstandes oder des Gemeinderates bedürfen, dringend notwendig sind und ein Beschluß des zuständigen Organs ohne Gefahr eines Nachteils für die Gemeinde nicht mehr herbeigeführt werden kann. Aus den vorgelegten Gemeinderatsprotokollen geht jedoch hervor, daß keinerlei Gründe dafür bestanden, daß die Bürgermeister eine dringende Verfügung iS des §73 Abs1 AGO zu treffen hatten:

Der Umstand, daß im Verwaltungsausschuß der Verwaltungsgemeinschaft "im Sinne der bereits durchgeführten Besprechungen" die Erhebung von Höchstgerichtsbeschwerden gegen den angefochtenen (sowie einen weiteren, mit der vorliegenden Rechtssache zusammenhängenden) Bescheid "beschlossen" wurde, belegt, daß von den betreffenden Gemeinden ein solcher rechtlicher Schritt bereits vor dem Zeitpunkt dieser "Beschlußfassung" in Erwägung gezogen und diskutiert worden sein muß. Selbst dann, wenn der Zeitraum zwischen der "Beschlußfassung" im Verwaltungsausschuß (deren Datum nicht angeführt ist) und dem Ende der Frist für die Einbringung der Höchstgerichtsbeschwerden tatsächlich "relativ kurz" gewesen sein sollte, ist den beschwerdeführenden Gemeinden daher entgegenzuhalten, daß es ihnen zuzumuten gewesen wäre, die grundsätzliche Einigung (betreffend Beschwerdeerhebung) im Verwaltungsausschuß schon zu einem Zeitpunkt herbeizuführen, der eine nachfolgende Einberufung der jeweiligen Gemeinderatssitzung zwecks (eigentlicher) Beschlußfassung innerhalb der sechswöchigen Beschwerdefrist ermöglicht hätte. Im übrigen wären die einzelnen Gemeinderäte nicht gehindert gewesen, die Einbringung der Höchstgerichtsbeschwerden für ihre Gemeinde - unabhängig von der gemeinsamen Willensbildung im Verwaltungsausschuß der Verwaltungsgemeinschaft - (rechtzeitig) zu beschließen.

Hinsichtlich der Sitzungen des Gemeinderates ist auf §35 Abs1 AGO zu verweisen: Sie sind vom Bürgermeister nach Bedarf (mindestens aber viermal im Jahr) einzuberufen. Weiters ist der Bürgermeister verpflichtet, eine Sitzung innerhalb einer Woche einzuberufen, wenn ein Mitglied des Gemeindevorstandes oder wenigstens ein Viertel der Mitglieder des Gemeinderates dies unter Vorschlag der Tagesordnung verlangen. Die Sitzung ist innerhalb von drei Wochen anzuberaumen.

Im Lichte dieser Sach- und Rechtslage sind keine Umstände erkennbar, durch welche "ein Beschluß des zuständigen Organes ohne Gefahr eines Nachteiles für die Gemeinde nicht mehr herbeigeführt werden" hätte können (s. etwa VfSlg. 10646/1985).

4. Da somit der Beschwerde keine (innerhalb der Beschwerdefrist gefaßten) Beschlüsse der hiefür zuständigen Gemeinderäte zugrundeliegen und die Voraussetzungen für eine Beschwerdeerhebung in Form einer dringenden Verfügung seitens der Bürgermeister nicht gegeben waren, war die Beschwerde (hinsichtlich der unter Pkt. 2 erwähnten zwölf Gemeinden) als unzulässig zurückzuweisen (s. die gleichartige Entscheidung VfSlg. 13161/1992; vgl. weiters VfSlg. 10646/1985, 12385/1990, 12553/1990).

5.a) Bezüglich der übrigen fünf beschwerdeführenden Gemeinden hatte der Beschwerdevertreter (anläßlich der Vorlage der unter Pkt. 2 erörterten Niederschriften) mitgeteilt, daß deren Gemeinderatsprotokolle noch nicht bei ihm eingelangt seien; "obwohl an sich im verfassungsgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehen", beantragte er, die fehlenden Protokolle innerhalb von drei Wochen unaufgefordert nachreichen zu können. Sie wurden jedoch auch in der Folge nicht dem Verfassungsgerichtshof übermittelt.

b) Soweit die Beschwerde namens dieser fünf Gemeinden erhoben wurde, war sie daher mangels Befolgung eines erteilten Mängelbehebungsauftrages zurückzuweisen.

Eine Erörterung der Frage der Zulässigkeit des unter lita erwähnten Fristverlängerungsantrages kann bei diesem Ergebnis unterbleiben.

6. Der Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, war abzuweisen, weil eine solche Abtretung nur im - hier nicht gegebenen - Fall einer abweisenden Sachentscheidung oder Ablehnung der Behandlung einer Beschwerde in Betracht kommt.

III. Dies konnte gemäß §19

Abs3 Z2 litc und e VerfGG ohne weiteres Verfahren und ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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