Normen
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art102 Abs3
B-VG Art104 Abs2
BStG 1948 §4
BStG 1971 §7
Verordnung des Bundesministers für Handel und Wiederaufbau vom 27.05.63, BGBl 131 (ÜbertragungsV/Bundesstraßenverwaltung)
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art102 Abs3
B-VG Art104 Abs2
BStG 1948 §4
BStG 1971 §7
Verordnung des Bundesministers für Handel und Wiederaufbau vom 27.05.63, BGBl 131 (ÜbertragungsV/Bundesstraßenverwaltung)
Spruch:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Bescheid vom 6. September 1982 verpflichtete der Landeshauptmann von NÖ im Zuge des wasserrechtlichen Bewilligungsverfahrens für die Verlegung der Bundesstraße 1 durch Umfahrung des Ortskernes von Purkersdorf (Regulierung und Eindeckung des Gablitzbaches) den Bund (Bundesstraßenverwaltung), für die Enteignung und für die vorübergehende Inanspruchnahme von Grundflächen eine Entschädigung in Höhe von 4779103,10 S zu leisten.
Die vom Bundesminister für Bauten und Technik namens des Bundes (Bundesstraßenverwaltung) dagegen erhobene Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft als unzulässig zurückgewiesen. Mit V vom 27. Mai 1963, BGBl. 131, habe der damals zuständig gewesene Bundesminister für Handel und Wiederaufbau die Besorgung der Geschäfte der Bundesstraßenverwaltung in den Bundesländern iS des Art104 Abs2 B-VG dem Landeshauptmann und den ihm unterstellten Behörden übertragen. Damit habe sich der Bundesminister seiner Vertretungsmacht begeben. Die Übertragung sei weder eingeschränkt gewesen noch widerrufen worden. Auf eine rechtsgeschäftlich erteilte Vollmacht berufe sich der einschreitende Minister nicht; im übrigen wäre die Heranziehung der Bestimmungen über den Bevollmächtigungsvertrag für das öffentlich-rechtliche Verhältnis zwischen einzelnen Dienststellen des Bundes nach VwSlg. 6227 (A)/1964 verfehlt, weshalb der Mangel auch nicht verbesserungsfähig sei.
2. In der gegen diesen Bescheid erhobenen, durch die Finanzprokuratur verfaßten Beschwerde des Bundes (Bundesstraßenverwaltung) wird die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gerügt. Es sei verfehlt, Lücken in der Regelung über die Auftragsverwaltung (Art104 Abs2 B-VG) durch einen Rückgriff auf das Modell der mittelbaren Bundesverwaltung zu schließen. Während nämlich die mittelbare Bundesverwaltung "länderfreundlich" konzipiert sei (gemeint offenbar: im Interesse der Länder liege), sei die Auftragsverwaltung "bundesfreundlich" (gemeint also: im Interesse des Bundes vorgesehen) und folglich so zu interpretieren, daß die Zuständigkeit des Bundesministers gewahrt bleibe. Die ÜbertragungsV sei insofern eingeschränkt, als sie die vom Bundesminister aufgestellten Grundsätze und Dienstanweisungen für maßgeblich erkläre. Verkehrsschutzüberlegungen könnten den Verlust der Kompetenzen des Bundesministers nicht rechtfertigen. Art104 Abs1 B-VG schließe die Anwendung der Bestimmungen über die mittelbare Bundesverwaltung in diesem Sektor ausdrücklich aus. Es wäre verwaltungsökonomisch verfehlt, den Bundesminister auf Weisungen an den Landeshauptmann zu beschränken, damit dieser seinen eigenen Bescheid bekämpfe oder die formelle Aufhebung bzw. Änderung der ÜbertragungsV zu verlangen, hätte der Minister doch auch die Finanzprokuratur ersuchen können, zum Schutz öffentlicher Interessen einzuschreiten und den Bescheid des Landeshauptmannes anzufechten. Das Prinzip der Ministerverantwortlichkeit fordere die Möglichkeit eigenen Eingreifens, weil die Verantwortlichkeit des Landeshauptmannes (Art142 Abs2 litd B-VG) auf den Bereich der mittelbaren Bundesverwaltung eingeschränkt sei.
II. Die Beschwerde ist nicht begründet.
1. Der vom Bundesminister für Bauten und Technik im Verwaltungsverfahren bekämpfte Bescheid des Landeshauptmannes ist in einer wasserrechtlichen Angelegenheit ergangen und betrifft den Bund als Träger von Privatrechten im Bereich der Bundesstraßenverwaltung. Die Verwaltung des Bundesvermögens obliegt in diesem Bereich dem Bundesminister für Bauten und Technik (§35 BundesstraßenG 1971, BGBl. 286, und Anlage zu §2 des BundesministerienG 1973, BGBl. 389, Teil 2, C 1). Mit V des damals zuständig gewesenen Bundesministers für Handel und Wiederaufbau vom 27. Mai 1963, BGBl. 13, wurde
"Gemäß Artikel 104 Abs2 des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Fassung von 1929 ... die Besorgung der Geschäfte der Bundesstraßenverwaltung in den Bundesländern nach Maßgabe der gemäß §4 Abs2 des Bundesstraßengesetzes, BGBl. 59/1948, vom Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau aufgestellten Grundsätze und erteilten Dienstanweisungen dem Landeshauptmann und den ihm unterstellten Behörden im Land übertragen".
Art104 B-VG bestimmt unter Bezugnahme auf die Bestimmungen über die Vollziehung des Bundes im Bereich der Länder (insbesondere in Gestalt der mittelbaren Bundesverwaltung):
"(1) Die Bestimmungen des Artikels 102 sind auf Einrichtungen zur Besorgung der im Artikel 17 bezeichneten Geschäfte des Bundes nicht anzuwenden.
(2) Die mit der Verwaltung des Bundesvermögens betrauten Bundesminister können jedoch die Besorgung solcher Geschäfte dem Landeshauptmann und den ihm unterstellten Behörden im Land übertragen. Eine solche Übertragung kann jederzeit ganz oder teilweise widerrufen werden. Inwieweit in besonderen Ausnahmefällen für die bei Besorgung solcher Geschäfte aufgelaufenen Kosten vom Bund ein Ersatz geleistet wird, wird durch Bundesgesetz bestimmt."
Abs2 wurde dem Text des Art104 erst durch die B-VG-Nov. 1929, BGBl. 392, angefügt. Die hier noch nicht anwendbare B-VG-Nov.
BGBl. 490/1984 hat Art104 Abs2 B-VG den weiteren Satz angefügt:
"Art103 Abs2 und 3 gilt sinngemäß."
Welche Geschäfte iS des Art104 Abs2 B-VG den Landesbehörden im einzelnen übertragen werden, richtet sich nach dem Inhalt des Übertragungsaktes. Die V aus 1963 spricht schlechthin von den Geschäften "der Bundesstraßenverwaltung" und ist daher umfassend. Daß damit auch die Vertretung des Bundes in allfälligen Enteignungsverfahren übertragen worden ist, hat der VfGH schon im Erk. VfSlg. 5171/1965 ausgesprochen; in diesem Erk. hat er der V auch die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit bescheinigt. Die anscheinend einschränkende Wendung "nach Maßgabe der ... aufgestellten Grundsätze und erteilten Dienstanweisungen" ist für die Frage der Zuständigkeit ohne Bedeutung. Abgesehen davon, daß die in §4 des BundesstraßenG 1948 vorgesehen gewesene Festlegung von Grundsätzen für die Ausführung und Erhaltung von Bundesstraßen im BundesstraßenG 1971 keine Entsprechung mehr findet (vgl. dessen §7), kann in dieser Textierung lediglich ein Hinweis auf bereits erteilte Weisungen liegen, die - im Innenverhältnis wirkend - auch vom Landeshauptmann zu beachten sind. Ein nach außen wirkender Vorbehalt irgendwelcher Maßnahmen ist das nicht.
2. Die im vorliegenden Beschwerdeverfahren aufgeworfene verfassungsrechtliche Frage geht vielmehr dahin, ob die Übertragung von Verwaltungsaufgaben iS des Art104 Abs2 B-VG die Zuständigkeit des Bundesministers zur Besorgung dieser Geschäfte grundsätzlich unberührt läßt, ihm also gleichsam die Landesbehörden nur als geschäftsführende Organe an die Seite stellt, oder ob sich der Bundesminister durch die Übertragung der Zuständigkeit in diesen Angelegenheiten begibt, so zwar, daß er diese nur durch (vollen oder teilweisen) Widerruf der Übertragung wieder erlangen kann. Die bel. Beh. geht (im Gefolge von Lang, Bemerkungen zur sogenannten "Auftragsverwaltung" in Österreich, FS Kolb, 1971, 224) davon aus, daß Abs2 des Art104 am Vorbild der mittelbaren Bundesverwaltung orientiert ist, und leitet daraus (mit Wilhelm, Die Vertretung der Gebietskörperschaften im Privatrecht, 1981, 251 f.) im Wege der Analogie ab, daß die Übertragung eine fortdauernde Zuständigkeit des Bundesministers ausschließt.
Art104 Abs2 B-VG spricht in der Tat davon, daß der zuständige Bundesminister die Besorgung bestimmter Geschäfte "übertragen" kann. Die Verwendung dieses Wortes läßt annehmen, daß der Verfassungsgeber von der Vorstellung ausgegangen ist, der Minister gebe diesfalls seine Aufgaben an den Landeshauptmann und die ihm unterstellten Behörden in Land ab. Bringt es doch der Übergang von einem zum anderen Organ noch deutlicher zum Ausdruck als das Wort "beauftragen", mit dem die Bundesverfassung in Art102 Abs3 jenen Akt (des Gesetzgebers) umschreibt, der Angelegenheiten, die unmittelbar durch Bundesbehörden versehen werden können, in die mittelbare Bundesverwaltung überweist.
Daß der Bundesminister durch eine Übertragung nach Art104 Abs2 B-VG die Zuständigkeit zur Besorgung der Geschäfte des Bundes als Träger von Privatrechten verliert, wird auch in der Lehre angenommen (vgl. neben den von der bel. Beh. Genannten noch Binder, Der Staat als Träger von Privatrechten, 1980, 239); zumindest wird die Ähnlichkeit mit den Organisationsprinzipien der mittelbaren Bundesverwaltung an sich betont (Walter, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, 1972, 604; Ringhofer, Die österreichische Bundesverfassung, 1977, 333; Adamovich - Funk, Österreichisches Verfassungsrecht, 2. Auflage, 1984, 237 f.; vgl. auch Pernthaler, Raumordnung und Verfassung II, 1978, 134; aM unter bloßer Berufung auf einen nicht näher bezeichneten "Wortlaut des Verfassungstextes", aber ohne Beschäftigung mit der hier erörterten Frage G. Schmitz, Der Landeshauptmann und die Geschäftsordnung der Landesregierung, JBl. 1973, 607 ff., 611).
Den Materialien zur Verfassungsnov. 1929 ist zu der hier wesentlichen Frage nichts zu entnehmen. Sinn und Zweck der Übertragung der Verwaltung von Bundesvermögen an Landesorgane sprechen indessen nicht gegen das Ergebnis der wörtlichen Auslegung. Der Versuch der Beschwerde, aus einer angeblichen "Bundesfreundlichkeit" der Übertragung nach Art104 einen Gegensatz zu den Wirkungen der angeblich "länderfreundlichen" Art102 und 103 abzuleiten, ist schon im Ansatz verfehlt. Die Einrichtung der mittelbaren Bundesverwaltung dient dem gesamtstaatlichen Interesse an einer einfachen, übersichtlichen und sparsamen Organisation der Verwaltung, und bei Besorgung der Aufgaben der mittelbaren Bundesverwaltung sind ausnahmslos Interessen des Bundes wahrzunehmen. Es wäre unzulässig, die tatsächliche Möglichkeit der Verfolgung von - abweichenden - Landesinteressen als einen für die Auslegung der Bundesverfassung maßgeblichen Zweck der Einrichtung anzusehen. Der behauptete Unterschied zwischen der Übertragung der Besorgung von Bundesgeschäften und der mittelbaren Bundesverwaltung besteht also nicht (s. im Gegenteil Adamovich - Funk, aaO 238).
Der Grundsatz der Ministerverantwortlichkeit steht einer Beschränkung des verantwortlichen Bundesministers auf die Erteilung von Weisungen nicht entgegen. Andernfalls müßte die Abkürzung des Instanzenzuges überhaupt unzulässig sein. Daß eine Leitung der Privatwirtschaftsverwaltung im Wege von Weisungen an den Landeshauptmann umständlicher wäre als die Führung der vom Landeshauptmann besorgten Aufgaben der Hoheitsverwaltung, ist nicht erkennbar. Ohnehin steht es dem Minister frei, sich bestimmte Verwaltungsakte selbst vorzubehalten oder die Übertragung ganz oder teilweise zu widerrufen.
Richtig sieht die Beschwerde, daß Bedürfnisse des Verkehrsschutzes die im angefochtenen Bescheid vertretene Rechtsansicht nicht stützen würden. Wenn sowohl der Landeshauptmann wie der Bundesminister vertretungsbefugt wären, würde der Verkehr ebensowenig nachteilig berührt sein wie sonst durch die Bestellung mehrerer Bevollmächtigter. Aber die Behörde hat den Verkehrsschutz zur Begründung ihres Standpunktes nicht herangezogen, und auch der von ihr bezogene Autor macht an der von der Behörde genannten Stelle - zutreffend - bloß darauf aufmerksam, daß die Delegation nur bei Zuständigkeitsverlust des delegierenden Bundesministers, und zwar aus Gründen des Verkehrsschutzes, erkennbar sein muß (was hier nicht zweifelhaft ist).
Die Berufung gegen den Bescheid des Landeshauptmannes war also weder von einem zuständigen Organ des Bundes noch von einer Person erhoben, die vom zuständigen Organ nachträglich hätte bevollmächtigt werden können (§10 Abs2 AVG). Sie war daher ohne weiteres als unzulässig zurückzuweisen. Der bf. Bund ist durch den angefochtenen Bescheid daher nicht im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden. Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der ihn tragenden Vorschriften ist auch eine Verletzung in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten ausgeschlossen (vgl. zB VfSlg. 8741/1980).
Die Beschwerde ist folglich abzuweisen.
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