VfGH B527/03

VfGHB527/033.3.2005

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Abweisung der Berufung gegen einen Bescheid der "GIS Gebühren Info Service GmbH" betreffend Vorschreibung eines Beitrags nach dem Wr Kulturförderungsbeitragsgesetz 2000; keine behördlichen Befugnisse dieser im Gesetz nicht als bescheiderlassende Behörde vorgesehenen Gesellschaft

Normen

B-VG Art83 Abs2
HGB §17
RundfunkgebührenG §4 Abs1
Wr KulturförderungsbeitragsG 2000 §6 Abs1
B-VG Art83 Abs2
HGB §17
RundfunkgebührenG §4 Abs1
Wr KulturförderungsbeitragsG 2000 §6 Abs1

 

Spruch:

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Wien ist schuldig, dem Beschwerdeführer die mit € 2.142,-- bestimmten Prozeßkosten zuhanden seines Rechtsvertreters binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit dem angefochtenen Bescheid der Abgabenberufungskommission Wien vom 7. März 2003, Zl. ABK - 349/02, wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen die Vorschreibung eines Kulturförderungsbeitrages nach dem Wiener Gesetz über den Kulturförderungsbeitrag (Kulturförderungsbeitragsgesetz 2000), LGBl. 23/2000 (in der Folge: Wr. KFBG), für den Betrieb einer Rundfunkempfangseinrichtung in Wien im Zeitraum 1. März 2002 bis 31. Dezember 2002 durch die "GIS Gebühren Info Service GmbH" abgewiesen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der der Sache nach die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt werden. Zur Begründung werden vom Beschwerdeführer finanzverfassungsrechtliche Bedenken sowie das Bedenken, daß der "GIS Gebühren Info Service GmbH" (die die erstinstanzliche Erledigung erlassen hatte) mit der Einhebung des Kulturförderungsbeitrages in verfassungswidriger Weise hoheitliche Aufgaben übertragen worden seien, vorgebracht.

3. Die belangte Behörde legte fristgerecht die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

4. Über Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes brachte die "GIS Gebühren Info Service GmbH" einen Schriftsatz ein, in dem sie insbesondere zu der Frage des Verhältnisses der "Gebühreninkasso Service GmbH" zur "GIS Gebühren Info Service GmbH" Stellung nahm. Sie vertritt dabei die Auffassung, daß nur die Firma geändert worden sei, zwischen ihnen aber Personenidentität bestehe.

II. Die Beschwerde ist gerechtfertigt:

1. Gemäß §6 Abs1 Wr. KFBG obliegt die Einbringung des Kulturförderungsbeitrages der "Gebühreninkasso Service GmbH". Damit ist offenbar jene Gesellschaft gemeint, die der Bundesgesetzgeber durch §4 Abs1 Rundfunkgebührengesetz (RGG) in der Stammfassung (BGBl. I 159/1999) mit der Einbringung der Rundfunkgebühren und sonstiger damit verbundener Abgaben und Entgelte einschließlich der Entscheidung über Befreiungsanträge betraut hat und die unter dieser Firma (bereits am 23. September 1998) in das Firmenbuch eingetragen worden war. Diese Gesellschaft hat auf Grund des Generalversammlungsbeschlusses vom 30. Mai 2000, ohne daß dem eine Änderung der gesetzlichen Grundlage vorausgegangen wäre, eine Änderung ihres Firmenwortlautes in "GIS Gebühren Info Service GmbH" vorgenommen. Diese Änderung wurde am 8. Juni 2000 in das Firmenbuch eingetragen.

Die erstinstanzliche Erledigung, die Gegenstand des angefochtenen (Berufungs)Bescheides der belangten Behörde ist, wurde (am 27. November 2002) von der "GIS Gebühren Info Service GmbH" erlassen, somit von einer Gesellschaft, der zum damaligen Zeitpunkt - unter dieser Firma - weder nach dem Wr. KFBG noch nach dem RGG irgendwelche Befugnisse zur Einbringung von Abgaben übertragen waren. Im RGG wurde die Bezeichnungsänderung erst mit dem BudgetbegleitG 2003, BGBl. I 71, (rückwirkend zum 1. Juli 2003) vorgenommen, wobei die Materialien darauf hinweisen, daß die "im Firmenbuch bereits eingetragene Änderung der Firma ... zwecks Wahrung der Rechtssicherheit ersichtlich gemacht" wird (E zur RV 59 BlgNR, 22. GP, 89). Im Wr. KFBG wurde die Bezeichnungsänderung bisher nicht vorgenommen.

Die Gesellschaft vertritt in ihrer Stellungnahme betreffend das Verhältnis der "Gebühreninkasso Service GmbH" zur "GIS Gebühren Info Service GmbH" die Auffassung, daß lediglich ihre Firma geändert worden sei und daher zwischen ihnen Personenidentität bestehe. Damit ist sie zwar im Hinblick auf §17 Abs1 HGB im Recht. Der Umstand, daß handelsrechtlich von einer Identität der Gesellschaft auszugehen ist, ändert jedoch nichts daran, daß Adressat der gesetzlichen Beleihung mit hoheitlichen Aufgaben durch das RGG bzw. das Wr. KFBG ein privater Rechtsträger mit einer bestimmten, vom Gesetzgeber festgeschriebenen Bezeichnung ist. Wenn der Gesetzgeber die hoheitliche Aufgabe der Einbringung von Abgaben einem bestimmten, mit der Firma bezeichneten Rechtsträger des Privatrechts überträgt, dann wird damit auch die äußere Erscheinungsform desjenigen festgelegt, der als Träger von Hoheitsrechten auftritt. Eine Änderung dieser Firmenbezeichnung liegt in einem solchen Fall allein in der Hand des Gesetzgebers. Dies ergibt sich schon auf Grund der aus dem rechtsstaatlichen Prinzip folgenden Erwägung, daß für die Adressaten der Hoheitsakte bereits auf Grund des Beleihungsaktes (und nicht erst nach Einsichtnahme in das Firmenbuch) erkennbar sein muß, ob es sich bei dem ihnen gegenüber mit Hoheitsanspruch auftretenden Rechtsträger um den vom Gesetzgeber legitimierten handelt. Das bedeutet, daß einem mit hoheitlichen Befugnissen beliehenen Rechtsträger, der ohne gesetzliche Ermächtigung im Wege des Privatrechts die ihm vom Gesetzgeber zugeordnete Firma wechselt, die Berechtigung zur Ausübung der ihm vom Gesetzgeber verliehenen hoheitlichen (behördlichen) Befugnisse nicht (mehr) zukommt.

2. Die belangte Behörde hätte bei der Entscheidung über die Berufung zu beachten gehabt, daß ein erstinstanzlicher Bescheid in Angelegenheiten des Wr. KFBG nur von dem im Gesetz vorgesehenen, unter der gesetzlich festgelegten Bezeichnung auftretenden Rechtsträger, somit von der "Gebühreninkasso Service GmbH" erlassen werden konnte. Die belangte Behörde hat den "Bescheid" der "GIS Gebühren Info Service GmbH" zum Gegenstand einer Sachentscheidung gemacht, obwohl eine Gesellschaft dieser Bezeichnung im Wr. KFBG als bescheiderlassende Behörde weder im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen "Bescheides" noch im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung vorgesehen war. Da es, wie oben dargelegt, im Fall einer Beleihung privater Rechtsträger mit hoheitlichen Aufgaben nicht allein auf die privatrechtliche Identität des Rechtsträgers ankommt, sondern auch darauf, daß dieser unter der im Beleihungsakt festgesetzten oder festgeschriebenen Bezeichnung auftritt, ist die Entscheidung in erster Instanz nicht von einem mit hoheitlichen Befugnissen ausgestatteten Rechtsträger, damit von keiner "Behörde", getroffen worden.

3. Die belangte Behörde wäre angesichts dessen zur Zurückweisung der Berufung gegen den "Bescheid" der "GIS Gebühren Info Service GmbH" verpflichtet gewesen, weil sich die Berufung gegen einen Akt eines Rechtsträgers gewendet hat, dem - unter dieser Bezeichnung - keine behördlichen Befugnisse zukamen, und somit nicht gegen einen Bescheid gerichtet war. Indem die belangte Behörde - dessen ungeachtet - eine Sachentscheidung getroffen hat, hat sie eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihr gesetzlich nicht zukommt und daher den Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt.

4. Der Bescheid war daher schon aus diesem Grund aufzuheben, ohne daß auf die Auswirkung der Aufhebung des §6 Wr. KFBG sowie der Wortfolge "Die Wahrnehmung der behördlichen Aufgaben nach §6 Abs1 obliegt in erster Instanz der Gesellschaft;" im ersten Satz des §8 Abs1 leg.cit. durch das am 15. Dezember 2004 gefällte hg. Erkenntnis zu G57/04 auf den Anlaßfall einzugehen war.

Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich auch, auf die in der Beschwerde aufgeworfenen finanzverfassungsrechtlichen Fragen einzugehen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer iHv € 327,-- und Eingabengebühr iHv € 180,-- enthalten.

6. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte