VfGH B470/80

VfGHB470/8022.2.1985

WaffenG; hinreichende Determinierung des §17 Abs2 iVm. §7 und den übrigen Bestimmungen des WaffenG; keine Willkür; Fehlverhalten der Behörde gibt anderen Personen kein Recht auf gleiches Fehlverhalten

Art83 Abs2 B-VG; Regelung der Approbation in einer monokratischen Verwaltungsbehörde - Angelegenheit der inneren Organisation; die Zuständigkeit wird dadurch nicht berührt

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art83 Abs2
StGG Art5
VfGG §88
WaffenG 1967 §7
WaffenG 1967 §17 Abs2
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art83 Abs2
StGG Art5
VfGG §88
WaffenG 1967 §7
WaffenG 1967 §17 Abs2

 

Spruch:

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Bf. beantragte im Juni 1979 die Ausstellung eines Waffenpasses mit der Begründung, daß er in Ausübung seines Berufes als im Außendienst (im Zillertal) tätiger Verkäufer auch größere Geldbeträge zu kassieren habe.

Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tir. gab mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 16. Juli 1980 diesem Antrag gemäß §17 Abs2 Waffengesetz 1967, BGBl. 121, idF der Nov. BGBl. 168/1973 (im folgenden kurz: WaffenG) keine Folge.

Sie begründete dies im wesentlichen wie folgt:

"Die Berufungsbehörde stellt ... fest, daß die Sicherheitsverhältnisse im Zillertal und den angrenzenden Teilen des Inntals allgemein bekannt als sehr gut zu bezeichnen sind und Überfälle auf Kraftfahrer, die Geldbeträge bei sich haben, nicht bekannt wurden.

Auch die Höhe der Geldbeträge, die vom Berufungswerber mitgeführt werden und laut Auskunft des Arbeitgebers höchstens 50.000 S betragen, rechtfertigen nach Ansicht der Berufungsbehörde nicht die Annahme, daß der Berufungswerber besonderen Gefahren ausgesetzt ist. Die Tatsache, daß der Berufungswerber aus Zeitgründen nicht bereit ist, sich des bargeldlosen Zahlungsverkehrs zu bedienen, beweist, daß sein Beitrag zur Verbrechensprävention gering ist. Ein Bedarf zum Führen einer Faustfeuerwaffe läßt sich daraus jedenfalls nicht ableiten.

Auch im Rahmen des freien Ermessens konnte die Behörde zu keinem anderen Schluß kommen. Einmal ist der Grad der Verläßlichkeit des Berufungswerbers nicht sonderlich hoch (Bestrafungen nach dem KFG, dem EGVG und dem StGB lassen ihn eher unbeherrscht erkennen). Zur Wahrung des Rechtsfriedens soll auch die Zahl der zivilen Waffenträger möglichst gering und überschaubar gehalten werden. Unter diesem Aspekt wird dem Vorbringen des Berufungswerbers kein solches Gewicht beigemessen, daß dessen Berücksichtigung durch Ausstellen eines Waffenpasses ohne unverhältnismäßige Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen möglich ist."

2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den VfGH, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

3. Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tir. als bel. Beh. (vertreten durch die Finanzprokuratur) hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie begehrt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Der Bf. trägt verfassungsrechtliche Bedenken gegen den den angefochtenen Bescheid vornehmlich tragenden §17 Abs2 WaffenG vor.

Diese Bestimmung lautet:

"Die Behörde hat einer verläßlichen Person, die das 21. Lebensjahr vollendet hat, die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt und einen Bedarf zum Führen von Faustfeuerwaffen nachweist, einen Waffenpaß auszustellen. Die Ausstellung eines Waffenpasses an andere verläßliche Personen, die das 21. Lebensjahr vollendet haben, liegt im Ermessen der Behörde; ebenso die Ausstellung an Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, soweit diese den Nachweis des beruflichen Bedarfes erbringen."

Der Bf. meint der Sache nach, der zweite Satz dieser Vorschrift widerspreche dem verfassungsgesetzlichen Determinierungsgebot.

Dabei übersieht er offenbar §7 WaffenG, der lautet:

"Bei der Anwendung der in diesem Bundesgesetz enthaltenen Ermessensbestimmungen sind private Rechte und Interessen insoweit zu berücksichtigen, als dies ohne unverhältnismäßige Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses, das an der Abwehr der mit dem Gebrauch von Waffen verbundenen Gefahr besteht, möglich ist."

Diese Vorschrift läßt iZm. den übrigen Bestimmungen des WaffenG erkennen, in welchem Sinn die Behörde von dem ihr - ausdrücklich - eingeräumten Ermessen Gebrauch zu machen hat (vgl. zB VfSlg. 6550/1971, 7379/1974). Es ist also dem VfGH und dem VwGH (im Rahmen ihrer jeweiligen Prüfungszuständigkeit) möglich zu beurteilen, ob im Einzelfall das Ermessen iS des Gesetzes gehandhabt wurde (vgl. zB VfSlg. 8209/1977, 8792/1980).

2. a) Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8823/1980, 9286/1981) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere iVm. einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (vgl. zB VfSlg. 8808/1980 und die dort zitierte Vorjudikatur, 9187/1981).

b) Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften (s. oben II.1.) könnte der Bf. im Gleichheitsrecht sohin nur durch eine willkürliche Gesetzeshandhabung verletzt worden sein.

Solche Vorwürfe erhebt der Bf.: Die Behörde habe kein ausreichendes Ermittlungsverfahren über die Bedarfsfrage durchgeführt; sie habe in gleichgelagerten Fällen anders entschieden, nämlich einen Waffenpaß ausgestellt.

c) Die behaupteten Verfahrensmängel greifen nicht in die Verfassungssphäre ein; selbst wenn sie vorlägen, böten sie kein Indiz dafür, daß die Behörde dem Bf. aus in seiner Person gelegenen oder anderen unsachlichen Gründen benachteiligen habe wollen oder leichtfertig vorgegangen wäre.

Die Auslegung des §17 Abs2 WaffenG steht in Übereinstimmung mit der ständigen Judikatur des VwGH (zB VwGH 13. April 1977 Z 1921/75, 28. Oktober 1981 Z 81/01/0029, 30. Juni 1982 Z 01/0764/80); von einem gehäuften Verkennen der Rechtslage kann keine Rede sein.

Was den Vorwurf anlangt, die Behörde habe in ähnlichen Fällen zugunsten des Antragstellers entschieden, ist der Bf. auf die ständige Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 8238/1978) hinzuweisen, wonach die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme nicht dadurch in Frage gestellt werden kann, daß in anderen Fällen nicht gesetzmäßig vorgegangen worden ist; ein Fehlverhalten der Behörde gibt anderen Personen kein Recht auf ein gleichartiges Fehlverhalten.

d) Der Bf. ist somit nicht im Gleichheitsrecht verletzt worden.

3. a) Der Bf. macht geltend, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter dadurch verletzt worden zu sein, daß den angefochtenen Berufungsbescheid nicht - wie dies gesetzmäßig wäre - der Sicherheitsdirektor erlassen habe, sondern einer seiner Vertreter.

b) Im Kopf des angefochtenen Bescheides wird als bescheiderlassende Behörde die "Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol" angeführt. Der Bescheid ist wie folgt gefertigt:

"Der Sicherheitsdirektor:

i. V. ..." (unleserliche Unterschrift)

Die Sicherheitsdirektion ist eine monokratisch organisierte Behörde. Wie jeder Vorstand einer monokratischen Verwaltungsbehörde ist auch der Sicherheitsdirektor berechtigt, Befugnisse an ihm untergebene Bedienstete zu delegieren, die sie nach seinen allgemeinen oder besonderen Weisungen auszuüben haben. Es ist daher auch zulässig, daß die Approbationsbefugnis intern geregelt wird und daß Bescheide der Sicherheitsdirektion im Auftrag des Sicherheitsdirektors von anderen Bediensteten erlassen werden; nach außen hin wird damit immer der Wille des Behördenchefs bekundet (vgl. zB VfSlg. 6717/1972; VwSlg. 3050(A)/1953; VwGH 13. Juni 1972 Z 194/72). Die Regelung der Approbation ist eine Angelegenheit der inneren Organisation, die die Zuständigkeit und damit auch das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht berührt.

c) Die zuständigen Behörden haben in erster und zweiter Instanz eine Sachentscheidung getroffen (s. §§34 und 35 WaffenG). Der Bf. ist im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht verletzt worden.

4. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Bf. in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen (s. oben II.1.) ist es auch ausgeschlossen, daß er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

5. Die von der obsiegenden bel. Beh. begehrten Kosten werden nicht zugesprochen, da es in einem Fall wie dem vorliegenden zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig war, im Verfahren vor dem VfGH die Finanzprokuratur mit der Vertretung des Bundes zu betrauen (vgl. zB VfSlg. 9507/1982 und die dort zitierte weitere Vorjudikatur).

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