VfGH B455/2013

VfGHB455/201310.12.2015

Aufhebung des angefochtenen Bescheides im Anlassfall

Normen

B-VG Art144 Abs1 / Anlassfall
B-VG Art144 Abs1 / Anlassfall

 

Spruch:

I. Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

II. Das Land Salzburg ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

1. Der Beschwerdeführer wurde mit Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 31. März 2009 unter Festsetzung einer Probezeit von 5 Jahren bedingt aus der Strafhaft entlassen. Zugleich wurde dem Beschwerdeführer mit diesem Beschluss auch die Weisung erteilt, in der betreuten Wohneinrichtung "*******" der *** ***** **** **** Wohnsitz zu nehmen. Mit Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 26. Jänner 2012 wurde die Wohnsitzweisung dahingehend abgeändert, dass der Beschwerdeführer nunmehr in einer "Trainingswohnung" wohnen kann und dort aufsuchend mobil betreut wird. Die mobile therapeutische Betreuung wurde vom Bund übernommen. Die Wohnkosten betragen € 344,93 pro Monat (laut Beleg vom 30. April 2012; Miete, Betriebskosten, Heizkosten, Strom) und werden nach einem Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 23. Mai 2013 nicht vom Bund übernommen. Das Leistungsentgelt für die mobile Betreuung beträgt auf Grund einer Vereinbarung zwischen dem Bund und der *** ***** **** **** seit dem 1. Jänner 2013 € 48,70 pro Tag.

1.1. Nach der Leistungsbeschreibung der *** ***** **** **** (Stand Juli 2011; "Mobile und aufsuchende Mobile Betreuung") tragen die Klienten die Lebenshaltungskosten selbst, es werden ihnen "[m]aximal die tatsächlich anfallenden Wohn- und Betriebskosten" in Rechnung gestellt.

1.2. Am 3. September 2012 beantragte der Beschwerdeführer die Gewährung von Leistungen der bedarfsorientierten Mindestsicherung nach dem Salzburger Mindestsicherungsgesetz (im Folgenden: Sbg. MSG). Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Salzburg vom 6. September 2012 wurde dem Beschwerdeführer eine monatliche Geldleistung in der Höhe von € 96,66 (Taschengeld gemäß §12,5 % des Mindeststandards) für den Zeitraum von 1. September 2012 bis 31. Jänner 2013 zuerkannt. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung an die Salzburger Landesregierung mit der Begründung, dass er eine Trainingswohnung der *** ***** **** **** bewohne, für die der Bund zwar die Kosten für die sozialarbeiterischen und psychologischen Betreuungsleistungen übernehme, für die Wohnungs- und sonstigen Lebenshaltungskosten müsse der Beschwerdeführer jedoch selbst aufkommen.

1.3. Mit im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 11. März 2013 wies die Salzburger Landesregierung die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab. Die belangte Behörde stützte ihre Entscheidung auf §13 Sbg. MSG und führte – auf das Wesentliche zusammengefasst – begründend aus, dass sich der Beschwerdeführer auf Grund einer gerichtlichen Weisung in einer Einrichtung der *** ***** **** **** aufhalte. Dem Beschwerdeführer gebühre daher gemäß §13 Abs1 leg.cit. für den Lebensunterhalt 12,5 % des Mindeststandards gemäß §10 Abs1 Sbg. MSG (im Jahr 2012: 12,5% von € 773,26; dh. im Ergebnis monatlich € 96,66). Der Wohnbedarf ruhe gemäß Abs3 leg.cit. für die Dauer eines Aufenthaltes in einer unter Abs1 fallenden Einrichtung. Unter Hinweis auf §179a Abs2 StVG – der die Kostentragung bei einschlägiger Nachbetreuung bedingt Entlassener regelt – führte die belangte Behörde aus, dass §13 Sbg. MSG keine Differenzierung dahingehend vornehme, ob eine voll- oder teilstationäre Unterbringung in einer therapeutischen Wohneinrichtung vorliege, sondern dass die Gewährung des gekürzten Richtsatzes "ausnahmslos in jedem Fall des Aufenthaltes" auf Grund einer gerichtlichen Weisung in einer solchen Einrichtung zu erfolgen habe. Es entspreche dem Willen des Landesgesetzgebers, dass diesen Personen zur Befriedigung der über die Betreuung, Verpflegung und Unterkunft hinausgehenden persönlichen Bedürfnisse das in §13 Sbg. MSG normierte "'Taschengeld' subsidiär aus den Mitteln der Bedarfsorientierten Mindestsicherung gewährt" werde.

Die belangte Behörde stellte dazu im Ermittlungsverfahren fest, dass am 26. Jänner 2011 zwischen der Republik Österreich und der *** ***** **** **** eine privatrechtliche Vereinbarung abgeschlossen worden sei, wonach der genannten GmbH für "die Erbringung der vertragsgemäßen stationären Betreuungsleistungen in Form des 24-Stunden-betreuten Wohnhauses ein Tagsatz in der Höhe von € 93,00 zzgl. 10% MwSt (Stand 2011)" gebühre. Aus den Materialien zu §324 Abs4 ASVG, welcher im Falle der Unterbringung einer renten- bzw. pensionsberechtigten Person nach §179a StVG in einer therapeutischen Wohneinrichtung eine Pensionsteilung zugunsten des Bundes normiere, gehe hervor, dass "die Kosten für einen Tag der stationären Unterbringung in einer derartigen Einrichtung zwischen € 80,00 und € 100,00" lägen und damit eine "24‑Stunden-Rundumbetreuung" gedeckt sei, welche "die Unterbringung, Verpflegung, Medikation sowie den ärztlichen, psychologischen, pflegerischen und sozialarbeiterischen Personalaufwand" umfasse. Es sei daher davon auszugehen, dass eine "Vollversorgung des Berufungswerbers von Seiten des Bundes gewährleistet" sei. Die in der Kostenaufstellung der *** ***** **** **** vom 30. April 2012 getroffene Behauptung, der Beschwerdeführer habe einen monatlichen Wohnkostenbeitrag von € 344,93 zu entrichten, sei daher als nicht glaubwürdig bzw. gesetzeskonform zu werten.

1.4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B‑VG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung gestützte Beschwerde, in der die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (§13 Sbg. MSG, LGBl 63/2010 idF LGBl 57/2012) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, beantragt wird.

2. Aus Anlass dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 Abs1 Z1 litb B‑VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "oder auf Grund einer gerichtlichen Weisung in einer therapeutischen Wohneinrichtung" in §13 Abs1 des Salzburger Mindestsicherungsgesetzes, LGBl für das Land Salzburg 63/2010 idF LGBl für das Land Salzburg 57/2012, ein. Mit Erkenntnis vom heutigen Tag, G364/2015 u.a., hob er die genannte Wortfolge als verfassungswidrig auf.

3. Die Beschwerde ist begründet.

Die Salzburger Landesregierung hat eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.

Der Beschwerdeführer ist somit durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt (zB VfSlg 10.404/1985).

Der Bescheid ist daher aufzuheben.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– enthalten.

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