VfGH B444/79

VfGHB444/796.6.1980

Fernmeldegesetz; Beschlagnahme eines Radar-Warngerätes - keine denkunmögliche Gesetzesanwendung; Besichtigung eines PKW-Innenraumes - keine Hausdurchsuchung

Normen

B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb
B-VG Art144 Abs1 / Beschlagnahme
B-VG Art144 Abs1 / Hausdurchsuchung
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
EMRK Art5
StGG Art5
StGG Art8
StGG Art9
FernmeldeG §4
FernmeldeG §10
FernmeldeG §26 Abs1 Z1, §26 Abs1 Z2
FernmeldeG §28
GendarmerieG 1918 §2 Abs2 idF BGBl 59/1972
HausRSchG §1
PersFrSchG §4
VStG §39 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb
B-VG Art144 Abs1 / Beschlagnahme
B-VG Art144 Abs1 / Hausdurchsuchung
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
EMRK Art5
StGG Art5
StGG Art8
StGG Art9
FernmeldeG §4
FernmeldeG §10
FernmeldeG §26 Abs1 Z1, §26 Abs1 Z2
FernmeldeG §28
GendarmerieG 1918 §2 Abs2 idF BGBl 59/1972
HausRSchG §1
PersFrSchG §4
VStG §39 Abs2

 

Spruch:

1. Die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin wird zurückgewiesen.

2. Die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Karl B. Inkassogesellschaft mbH (die Erstbeschwerdeführerin) ist Zulassungsbesitzerin und Eigentümerin des PKW L.

Am 25. September 1979 um etwa 9.15 Uhr hielten Gendarmeriebeamte auf der Bundesstraße Nr. 9 im Ortsgebiet von Bad D.-A. diesen von Karl B. (dem Zweitbeschwerdeführer) - der Geschäftsführer der erwähnten Gesellschaft ist - gelenkten PKW an. Die Beamten nahmen darin ein in Betrieb befindliches, mit dem PKW bloß lose verbundenes Radar-Warngerät RAWA 2000 wahr. Dieses stand den Beschwerdeausführungen zufolge im Eigentum des Zweitbeschwerdeführers. Für den Betrieb dieses Gerätes lag keine fernmeldebehördliche Bewilligung vor.

Die Gendarmeriebeamten beschlagnahmten - nach telefonischer Rücksprache mit der Fernmeldebehörde - um etwa 10 Uhr das Gerät und stellten über diesen Vorgang eine Bestätigung aus. Das Gerät wurde der Post- und Telegraphendirektion für Wien, NÖ und Bgld. übergeben.

2. Gegen diese "Amtshandlung vom 25. 9. 1979 bestehend aus Kontrolle des PKW-Innenraumes sowie Beschlagnahme des Radar-Warngerätes" wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums, auf persönliche Freiheit und auf das Hausrecht behauptet und begehrt wird, "die bekämpften faktischen Amtshandlungen als verfassungswidrig aufzuheben", allenfalls die Beschwerde an den VwGH abzutreten.

3. Die Post- und Telegraphendirektion für Wien, NÖ und Bgld. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie begehrt, die von der Erstbeschwerdeführerin erhobene Beschwerde mangels Legitimation zurückzuweisen, die vom Zweitbeschwerdeführer eingebrachte Beschwerde als unbegründet abzuweisen und der belangten Behörde als Kostenersatz den Vorlage- und Schriftsatzaufwand zuzusprechen.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Die bekämpften Verwaltungsakte wurden von Gendarmeriebeamten gesetzt. Diese Verwaltungsakte sind jener Behörde zuzurechnen, deren Vollziehungsgewalt die Gendarmeriebeamten gehandhabt haben (vgl. zB VfSlg. 8126/1977 und 8145/1977).

Die angefochtenen Maßnahmen wurden aufgrund des Fernmeldegesetzes, BGBl. 170/1949 in der geltenden Fassung (im folgenden kurz: FG), durchgeführt. Sie sind daher der örtlich zuständigen Fernmeldebehörde I. Instanz (sohin der Post- und Telegraphendirektion für Wien, NÖ und Bgld.) zuzurechnen (vgl. §§10 und 28 FG). Sie ist die belangte Behörde.

2. a) Durch die Beschlagnahme des ihm gehörenden Radar-Warngerätes wurde in die Rechtssphäre des Zweitbeschwerdeführers eingegriffen. Dies bedarf keiner weiteren Begründung. Er ist beschwerdelegitimiert.

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, ist die von ihm erhobene Beschwerde zulässig.

b) Den Beschwerdeausführungen zufolge steht das beschlagnahmte Radar-Warngerät im Alleineigentum des Zweitbeschwerdeführers. Es ist ausgeschlossen, daß durch die Beschlagnahme des Gerätes, das von den Gendarmeriebeamten ohne weiteres aus dem PKW entfernt werden konnte, auch die Rechtssphäre der Erstbeschwerdeführerin berührt sein könnte.

Durch die bloße Besichtigung des Innenraumes des der Erstbeschwerdeführerin gehörenden PKW wurde nicht in ihre Rechtssphäre eingegriffen. Diese Besichtigung war keine Hausdurchsuchung (s. u. II.3.b).

Die von der Erstbeschwerdeführerin eingebrachte Beschwerde war daher mangels Legitimation zurückzuweisen.

Dies konnte gem. §19 Abs3 Z1 lite VerfGG ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Der von der Erstbeschwerdeführerin gestellte Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den VwGH war abzuweisen, da dem Art144 Abs2 B-VG zufolge eine solche Abtretung nur im - hier nicht gegebenen - Fall einer abweisenden Sachentscheidung des VfGH in Betracht kommt (vgl. zB VfGH 30. 11. 1978 B530/78).

3. In der Sache selbst hat der VfGH über die - zulässige - vom Zweitbeschwerdeführer erhobene Beschwerde die folgenden Überlegungen angestellt:

a) Art8 StGG und das Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit gewähren nur Schutz gegen rechtswidrige Verhaftung, rechtswidrige Inverwahrungnahme sowie rechtswidrige Internierung und Konfinierung; diese Bestimmungen der Bundesverfassung schützen aber nicht vor jeder anderen Freiheitsbeschränkung, auch nicht vor jeglicher Beschränkung der Bewegungsfreiheit. Auch Art5 MRK schützt nur vor rechtswidriger Festnehmung und rechtswidriger Verhaftung, nicht auch vor anderen Beschränkungen der Bewegungsfreiheit (vgl. zB VfSlg. 7149/1973 und die dort zitierte Vorjudikatur). Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf persönliche Freiheit wird nur dann verletzt, wenn der Wille der Behörde (oder des behördlichen Hilfsorganes) primär auf eine Beschränkung der Freiheit gerichtet ist, nicht aber auch dann, wenn eine andere Maßnahme (wie etwa die erzwungene Besichtigung eines Fahrzeuges) den Betroffenen dazu nötigt, sich längere Zeit nicht zu entfernen, diese Beschränkung also die sekundäre Folge der Bewegungsbehinderung ist (VfSlg. 8327/1978).

In der Beschwerde wird nicht ausgeführt, weshalb sich der Zweitbeschwerdeführer im Recht auf persönliche Freiheit verletzt erachtet.

Die Beschwerde richtet sich außer gegen die Beschlagnahme des Radar-Warngerätes nur noch gegen die "Kontrolle des PKW-Innenraumes". Sofern der Beschwerdeführer meinen sollte, daß er verhalten gewesen sei, mit dem PKW solange nicht wegzufahren, bis die von den Gendarmeriebeamten durchgeführte Amtshandlung (Besichtigung des PKW und Beschlagnahme) abgeschlossen war, würde dies nach der dargestellten Judikatur des VfGH (von der abzugehen kein Anlaß besteht) nicht eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf persönliche Freiheit bedeuten.

b) Ebensowenig wurde durch die bekämpfte Amtshandlung das verfassungsgesetzlich gewährleistete Hausrecht verletzt: Auch wenn den Beschwerdeausführungen gefolgt wird, kann keine Rede davon sein, daß die einschreitenden Gendarmeriebeamten nach einer Person oder nach einem Gegenstand, von denen es unbekannt ist, wo sie sich befinden, gesucht hätten, was aber für das Wesen der Hausdurchsuchung charakteristisch ist (vgl. die ständige Judikatur des VfGH zB VfSlg. 6328/1970, 6736/1972). Es kann daher dahingestellt bleiben, ob das Durchsuchen eines Fahrzeuges unter bestimmten Umständen eine Hausdurchsuchung iS des auf Verfassungsstufe stehenden Gesetzes vom 27. Oktober 1862, RGBl. 88, zum Schutze des Hausrechtes sein kann.

c) Die Beschlagnahme des dem Zweitbeschwerdeführer gehörenden Radar-Warngerätes greift in sein Eigentumsrecht ein.

Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8266/1978) nur dann verfassungswidrig, wenn der ihn bewirkende Verwaltungsakt ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde (das behördliche Hilfsorgan) das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde (das behördliche Hilfsorgan) einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

Die einschreitenden Gendarmeriebeamten haben sich in der dem Zweitbeschwerdeführer übergebenen Beschlagnahmebestätigung auf das Fernmeldegesetz berufen. Die belangte Behörde rechtfertigt die Beschlagnahme unter Hinweis auf die §§26 Abs1 und 28 Abs2 FG iVm §39 Abs2 VStG 1950. Die Amtshandlung ist nicht gesetzlos erfolgt.

Nach §39 Abs2 VStG können bei Gefahr im Verzuge die Organe der öffentlichen Aufsicht aus eigener Macht Gegenstände, deren Verfall als Strafe vorgesehen ist, vorläufig in Beschlag nehmen.

§28 Abs2 FG sieht den Verfall von Gegenständen, mit denen die strafbare Handlung begangen wurde, vor.

Dem vorangehenden §26 Abs1 Z1 und 2 FG zufolge begeht eine Verwaltungsübertretung, "wer

1. unbefugt eine Fernmeldeanlage errichtet, ändert oder betreibt,

2. unbefugt Funk- und Fernseheinrichtungen (§4) ... besitzt ...".

Nach §2 Abs1 FG steht das Recht, Fernmeldeanlagen zu errichten und zu betreiben, ausschließlich dem Bunde zu. Gem. §3 Abs1 kann die Befugnis zur Errichtung und zum Betrieb einzelner Fernmeldeanlagen von den Fernmeldebehörden physischen oder juristischen Personen erteilt werden. §4 enthält besondere Vorschriften über Funkanlagen (sie sind eine Unterart der Fernmeldeanlagen). Aus dem Abs2 des §4 ergibt sich, daß ua. der Besitz von Funkempfangseinrichtungen (soweit sie nicht lediglich den Empfang des Rundfunks oder Fernsehrundfunks ermöglichen) nur mit Bewilligung und unter Aufsicht des Bundes zulässig ist.

Der VfGH hat unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles gegen diese gesetzlichen Bestimmungen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Zweitbeschwerdeführer regt wohl an, "die einschlägigen Bestimmungen des Fernmeldegesetzes betreffend Radar-Warngeräte RAWA 2000" auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen, ohne jedoch auszuführen oder auch nur anzudeuten, worin seiner Ansicht nach die verfassungsrechtliche Bedenklichkeit liegen soll. Wenn er meint, daß es der Exekutive gestattet sei, auf verschiedenste Art und Weise getarnte Radar-Meßgeräte als "Radar-Fallen" aufzustellen, dann könne es nicht verboten sein, sich durch technische Warnvorrichtungen hievor zu schützen, so sind diese Ausführungen offenkundig nicht geeignet, die Rechtswidrigkeit der angewendeten generellen Normen darzutun. Es erübrigt sich daher eine weitere Auseinandersetzung mit ihnen.

Eine denkunmögliche Gesetzesanwendung hat nicht stattgefunden: Die einschreitenden Gendarmeriebeamten konnten jedenfalls vertretbarerweise annehmen, daß nach der Definition des §1 FG das in Rede stehende Radar-Warngerät eine Fernmeldeanlage sei ("technische Anlage zum Empfang von Zeichen, Schallwellen oder Nachrichten jeder Art mittels elektromagnetischer Systeme"), und zwar der Begriffsbestimmung des §4 Abs1 FG zufolge eine Funkanlage. Der Beschwerdeführer hat diese Anlage unbestrittenerweise ohne die erforderliche fernmeldebehördliche Bewilligung besessen und betrieben. Die Gendarmeriebeamten konnten daher weiters davon ausgehen, daß sich der Zweitbeschwerdeführer einer Übertretung nach §26 Abs1 Z1 und 2 FG schuldig gemacht habe und das Radar-Warngerät, mit dem die strafbare Handlung begangen wurde, dem Verfall unterliege. Die Gendarmeriebeamten (Organe der öffentlichen Aufsicht) konnten schließlich denkmöglich annehmen, daß eine Sicherung des Verfalles die Beschlagnahme geboten erscheinen lasse und daß Gefahr im Verzuge vorliege, da sie davon ausgehen konnten, daß der Beschwerdeführer trachten würde, das in Österreich legal nicht käufliche Gerät dem Zugriff der Fernmeldebehörde zu entziehen.

Der Zweitbeschwerdeführer ist sohin nicht im Eigentumsrecht verletzt worden.

d) Anhaltspunkte für die Annahme, daß der Zweitbeschwerdeführer in einem von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden wäre, hat das Beschwerdeverfahren nicht ergeben.

Seine Beschwerde war sohin abzuweisen.

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