VfGH B413/92

VfGHB413/9222.6.1992

Zurückweisung einer Beschwerde mangels Bescheidcharakter einer nach Inkrafttreten der Zivildienstgesetz-Novelle 1991 zugestellten Entscheidung der ZDOK; Erledigung eines nicht (mehr) existenten Organs kein tauglicher Beschwerdegegenstand

Normen

B-VG Art144 Abs1 / Bescheid
ZivildienstG §76b Abs1 idF BGBl 675/1991
ZivildienstG §76d Abs3 und Abs4 idF BGBl 675/1991
B-VG Art144 Abs1 / Bescheid
ZivildienstG §76b Abs1 idF BGBl 675/1991
ZivildienstG §76d Abs3 und Abs4 idF BGBl 675/1991

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

1.a) Die Zivildienstkommission beim Bundesministerium für Inneres (ZDK) wies mit Bescheid vom 11. März 1988 den Antrag des Beschwerdeführers vom 21. Mai 1987, ihn nach §5 Abs1 des Zivildienstgesetzes 1986 (ZDG), BGBl. 679, von der Wehrpflicht zu befreien, gemäß §2 Abs1 iVm §6 Abs1 ZDG ab.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung. Die Zivildienstoberkommission beim Bundesministerium für Inneres (ZDOK) beschloß am 25. Oktober 1991, diesem Rechtsmittel keine Folge zu geben. Die schriftliche Ausfertigung dieses Beschlusses ("Bescheid vom 25. Oktober 1991, Zl. 135 178/5-ZDOK/2/91") wurde dem Beschwerdeführer (im Wege der österreichischen Botschaft in Lagos/Nigeria) am 11. März 1992 zugestellt.

b) Gegen diese (vom Beschwerdeführer als Bescheid der ZDOK verstandene) Erledigung wendet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte, am 2. April 1992 beim Verfassungsgerichtshof eingelangte Beschwerde, in der die Verletzung des durch §2 Abs1 ZDG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen "Bescheides" beantragt wird.

2.a) Mit der Zivildienstgesetz-Novelle 1991, BGBl. 675, wurde das Zivildienstgesetz umfassend geändert: An die Stelle des Antrages auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung (über den Antrag hatte die ZDK bescheidmäßig abzusprechen) tritt nunmehr die bloße Erklärung, die Wehrpflicht aus Gewissensgründen nicht erfüllen zu können und Zivildienst leisten zu wollen (§2 Abs1 ZDG idF der Novelle 1991 - im folgenden kurz: ZDG nF). Der Bundesminister für Inneres hat dem §5 Abs4 ZDG nF zufolge mit Bescheid festzustellen, ob die Erklärung den gesetzlichen Anforderungen entspricht.

Diese Bestimmungen traten mit 1. Jänner 1992 in Kraft (s. den durch ArtII Z1 der ZDG-Novelle 1991 neu gefaßten §76 Abs1 ZDG). Die Funktion der Mitglieder der ZDK ist mit 31. Dezember 1991 erloschen (§76 d Abs4 ZDG nF). Die bis zum 31. Dezember 1991 im Amt befindlichen Mitglieder der ZDOK gelten für den restlichen Zeitraum ihrer Bestellung zu dieser Kommission als Mitglieder des Zivildienstrates in der bisherigen Funktion (Vorsitzender, Berichterstatter, übriges Mitglied) (§76 d Abs3 ZDG nF).

b) §76 b Abs1 ZDG nF bestimmt:

"§76 b. (1) Die vor dem 1. Jänner 1992 nach der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechtslage eingebrachten Anträge auf Befreiung von der Wehrpflicht gelten als Erklärung nach §2 Abs1, sofern bis zu diesem Zeitpunkt keine stattgebende Entscheidung getroffen oder der Antrag nicht rechtskräftig ab- oder zurückgewiesen worden ist. Diese sind an den Bundesminister für Inneres zur Entscheidung nach §5 Abs4 weiterzuleiten. Der Zivildienstwerber ist hievon in Kenntnis zu setzen."

3.a) Ein (schriftlicher) Bescheid gilt erst dann als erlassen, wenn er der Partei gültig zugestellt worden ist; die rechtliche Beurteilung von Bescheiden hat sich nach der Rechtslage am Tag ihrer Zustellung zu richten (vgl. VfSlg. 11059/1986, S 366, sowie VfGH 1.10.1991, B247/91, sowie die in diesen beiden Entscheidungen zitierte Vorjudikatur).

In seinem Beschluß VfSlg. 9428/1982 hatte sich der Verfassungsgerichtshof (in Zusammenhang mit einer gegen einen Bescheid der Zivildienstkommission gerichteten Beschwerde) mit der Frage zu beschäftigen, welche Rechtslage für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels maßgebend ist. Er hat dazu ausgesprochen, daß es auch in Ansehung von Bescheiden kollegial eingerichteter Verwaltungsbehörden nicht auf den Zeitpunkt der inneren Willensbildung des Verwaltungsorgans, sondern auf den der Erlassung des Bescheides - bei schriftlichen Bescheiden also auf den der Zustellung an die Partei - ankommt. Eine Gesetzesänderung zwischen der Beschlußfassung durch den Senat der Zivildienstkommission und der Zustellung ihres Bescheides sei daher zu berücksichtigen.

b) Die angefochtene Erledigung wurde dem Beschwerdeführer erst am 11. März 1992 zugestellt und damit erlassen. Zu diesem Zeitpunkt existierte die ZDOK nicht mehr. Daran ändert nichts, daß die bis zum 31. Dezember 1991 im Amt befindlichen Mitglieder der ZDOK für den restlichen Zeitraum ihrer Bestellung zu dieser Kommission als Mitglieder des mit 1. Jänner 1992 neu geschaffenen Zivildienstrates gelten (s.o. 2.a); die Behörde "Zivildienstoberkommission" hat mit 1. Jänner 1992 zu bestehen aufgehört.

Ein nicht existentes Organ kann keine Enuntiation setzen, die Geltung als Norm (Bescheid) erlangt. Die angefochtene Erledigung ist also ein "rechtliches Nichts" und bietet somit keinen tauglichen Beschwerdegegenstand (Bescheid) iS des Art144 Abs1

B-VG.

Die Beschwerde war sohin zurückzuweisen.

4. Die oben dargestellte neue Rechtslage bewirkt, daß der vom Beschwerdeführer am 21. Mai 1987 nach §5 Abs1 ZDG idF vor der Novelle 1991 gestellte Antrag auf Befreiung von der Wehrpflicht als "nicht rechtskräftig abgewiesener Antrag" iS des §76 b Abs1 ZDG nF zu qualifizieren ist.

Ein solcher Antrag gilt - ohne daß es irgendeines individuell-konkreten Rechtsaktes bedürfte - als Erklärung nach §2 Abs1 ZDG nF. Dem allenfalls entgegenstehende Bescheide (etwa der ZDK) sind ex lege aus dem Rechtsbestand ausgeschieden (vgl. VfGH 28.2.1992, B1314/91).

Der Bundesminister für Inneres wird nunmehr den Antrag des Beschwerdeführers vom 21. Mai 1987 als Erklärung nach §2 Abs1 ZDG nF zu behandeln und entsprechend §5 Abs4 ZDG nF vorzugehen haben.

5. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VerfGG ohne weiteres Verfahren und ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden, weil die Nichtzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes offenbar ist.

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