VfGH B3998/96

VfGHB3998/967.6.1999

Keine willkürliche Abweisung einer Beschwerde gegen einen Fernsehbeitrag über rechtliche Auseinandersetzungen zwischen einem Gastronomen und einem Rechtsanwalt durch die Rundfunkkommission; Eingehen auf die maßgeblichen Punkte der Rechtssache; keine in die Verfassungssphäre reichenden Fehler; keine Verletzung des Objektivitätsgebotes

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
RundfunkG §2
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
RundfunkG §2

 

Spruch:

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Der Beschwerdeführer ist schuldig, den beteiligten Parteien zu Handen ihrer Rechtsvertreter die mit S 19.250,-- bestimmten Kosten des verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Österreichische Rundfunk (im folgenden: ORF) - Landesstudio Salzburg strahlte am 14. Mai 1996 in seiner täglichen (regionalen) Sendung "Salzburg heute" (Beginn: 19.00 Uhr) unter anderem einen Beitrag über rechtliche Auseinandersetzungen zwischen einem Gastronomen in Salzburg und dem nunmehr vor dem Verfassungsgerichtshof beschwerdeführenden Rechtsanwalt aus; die Mitschrift über diese Sendung hat folgenden Wortlaut (Namen teilweise abgekürzt):

"Titel der Sendung: 'Anwalt verfolgt Wirt'

Ilse Spadlinek: 'Ein Salzburger Wirt fühlt sich von einem Anwalt verfolgt. Zunächst hat den Anwalt eine Speisekarte des Junggastronomen gestört. Ein Werbefax. Es folgt die Klage. Jetzt wird der Anwalt den Wirt neuerlich klagen, und zwar im Auftrag eines Vereins, der den lauteren Wettbewerb in Salzburg überwacht.

Der Vorwurf diesmal: Der Wirt hat seine Küche ohne behördliche Genehmigung zu früh aufgesperrt und dadurch das Wettbewerbsgesetz verletzt. Der Gastronom hat allerdings die Wahl. Er kann sich quasi freikaufen, wenn er die Anwaltsspesen ersetzt. Für den Wirt riecht das Ganze nach einer billigen Geldbeschaffungsaktion des Anwaltes.'

Gerd Schneider: 'Wirt Heiner R. ist sich seit Februar dieses Jahres gar nicht mehr so sicher, daß es klug war, das Cafe K.... zu übernehmen. Über dem Lokal schwebt nämlich seit Monaten so etwas wie der juristische Unglücksrabe. Unglück Nr. 1: Diese Faxwerbung für den Mittagstisch in die Kanzlei von Rechtsanwalt P. H. H. ließ allerdings nicht als Gast, sondern als Kläger wieder von sich hören. Der eingeschriebene Brief ziert heute den Gang zu den Toiletten. Unglück Nr. 2: R. hat seine Küche zu früh und ohne Bewilligung aufgesperrt. Ein klarer Rechtsbruch; die Strafe der Behörde folgte auf dem Fuß.'

H. R.: 'Ich mußte die Küche 14 Tage zusperren und bekomme auch noch eine Strafe, die habe ich aber noch nicht zugestellt bekommen.'

Gerd Schneider: 'Zugestellt bekommen hat er aber deshalb eine neuerliche Klagsdrohung von P. H. im Auftrag des Rechtsschutzverbandes für Handel, Gewerbe und Industrie. H., der heute nicht vor die Kamera wollte, war übrigens Gründungsanwalt dieses Verbandes, der in der .... Straße 16 in Salzburg von außen nicht erkennbar gemeldet ist. Gemeldet ist hier auch die Steuerberatungskanzlei von K. F., wie sich herausgestellt hat, Schriftführer im hier gemeldeten Verein und für uns heute nicht erreichbar. Wirt H. R. wird unlauterer Wettbewerb vorgeworfen mit dem Angebot den Klagen und somit einem weiteren möglichen Unglück doch noch zu entrinnen.'

H. R.: 'Beim 1. Mal hatte ich die Möglichkeit seine Kosten in Höhe von S 17.000,-- zu ersetzen und in diesem Falle würde er auf eine Klage verzichten; beim 2. Mal waren die Kosten S 10.000,-- und eine Veröffentlichung dieses Unterlassungsvergleiches in einigen Salzburger Zeitungen, was auch einer Höhe von ca. S 120.000,-- gleich kommt, dann würde er jetzt auf eine Klage verzichten.'

Gert Schneider: 'Und dabei heißt es im Wettbewerbsgesetz: Ein Verband mißbraucht seine Klagebefugnis, wenn er sie nicht zur Bekämpfung von Wettbewerbsverstößen im öffentlichen Interesse, sondern vor allem zur Erzielung von Prozeßkosten ausübt, oder für den Verzicht auf den Prozeß und die Urteilsveröffentlichung namhafte Beträge verlangt.'

Rechtsanwalt H. sprach heute am Telefon von einer standeskonformen und gesetzmäßigen Vorgangsweise seinerseits. Ein Wirt, der sich an keine Gesetze hält, müsse in die Schranken gewiesen werden. Und der oberste Standesvertreter dazu:

Dr. K. L. Vavrovsky: 'Ich kenne nur einen Fall und den kenne ich aus der Zeitung. Und da würde ich sagen, ich hätte eine solche Klage oder Klagsdrohung mit einer entsprechenden Zahlungsaufforderung sicher nicht an diesen Wirt geschickt.'

H. R.: 'Ja es ist, nachdem das in der Zeitung beim 1. Mal veröffentlicht wurde, habe ich zahlreiche Anrufe bekommen von Kollegen, denen es gleich ergangen ist und die zum Großteil die S 17.000,-- bezahlt haben.'

Gert Schneider: 'Vielleicht entpuppt sich der Unglücksrabe im Klug doch noch als Maskottchen. R. zieht es auf alle Fälle vor, die Klagen auf sich zukommen zu lassen, statt zu zahlen.'"

2. Der gemäß §27 Abs1 Z1 lita des Rundfunkgesetzes, BGBl. 379/1984 (im folgenden: RFG), an die Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes (im folgenden: RFK) gegen diese Berichterstattung des ORF erhobenen Beschwerde gab die RFK mit Bescheid vom 1. August 1996 nicht Folge.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte - nämlich die Verletzung des Art7 Abs1 B-VG wegen willkürlicher Erlassung des Bescheides - geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.

(Der beschwerdeführende Rechtsanwalt hatte mit Antrag vom 1. April 1997 einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens vor der RFK gestellt. Der zurückweisende Bescheid dieser Behörde vom 28. Oktober 1997 war mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 13.6.1998, B270/98, wegen Verletzung des Beschwerdeführers im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter aufgehoben worden. Im zweiten Rechtsgang wies die RFK den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme des Verfahrens ab; die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 7.6.1999 als unbegründet abgewiesen.)

4. Die RFK als belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift.

5. Der Intendant des Landesstudios Salzburg sowie der Chefredakteur und ein gestaltender Redakteur des Landesstudios Salzburg brachten eine gemeinsame Äußerung ein, in der sie dem Beschwerdevorbringen entgegen- und für die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde eintraten.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die RFK ist eine nach Art133 Z4 B-VG eingerichtete Verwaltungsbehörde. Ihre Entscheidungen unterliegen nach §29 Abs5 RFG nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg. Der administrative Instanzenzug im Sinne des Art144 Abs1, zweiter Satz, B-VG ist also ausgeschöpft (vgl. VfSlg. 12795/1991, 12969/1992, 13509/1993 uvam.).

1.2. Wie der Verfassungsgerichtshof etwa in VfSlg. 7716/1975, 7717/1975, 7718/1975 und 8320/1978 darlegte, ist es nicht ausgeschlossen, daß eine (natürliche oder juristische) Person, die eine auf §27 Abs1 Z1 RFG gestützte Beschwerde an die RFK gerichtet hat, durch den ihren Antrag ablehnenden Bescheid der Kommission in (irgend-)einem subjektiven öffentlichen Recht verletzt wird. Sie ist daher legitimiert, gegen den Bescheid der Kommission gemäß Art144 Abs1 B-VG beim Verfassungsgerichtshof Beschwerde zu führen.

1.3. Die Prozeßvoraussetzungen treffen (insgesamt) zu (vgl. VfSlg. 12491/1990, 12795/1991, 13338/1993, 13510/1993), die Beschwerde ist daher zulässig.

2. Die RFK begründete ihre abweisliche Entscheidung im wesentlichen damit, die "Leitüberschrift" über die Sendung mit dem Wortlaut "Anwalt verfolgt Wirt" bedeute keine negative Wertung, weil der Beschwerdeführer ja den Gastwirt tatsächlich gerichtlich verfolge; nichts anderes werde in der Moderation behauptet. Daß sich der Gastwirt durch Zahlung von Anwaltskosten von der weiteren Verfolgung "quasi freikaufen" hätte können, sei eine durch die Schreiben des Beschwerdeführers vom 23. Februar und 26. April 1996 erwiesene Tatsache; das Wort "freikaufen" könne in einem solchen Zusammenhang "nicht stören", es sei durchaus noch zu tolerieren und könne allenfalls als saloppe Redewendung gewertet werden. Hinzu komme, daß das Wort "freikaufen" durch den Zusatz "quasi" überdies abgeschwächt worden sei. Der ORF habe im weiteren das Vorgehen des Beschwerdeführers nicht selbst als "billige Geldbeschaffungsaktion" bezeichnet, sondern berichtet, daß dies "für den Wirt danach rieche". Ob der Beschwerdeführer, mit dem vor der Sendung telefonischer Kontakt aufgenommen worden war, "nicht vor die Kamera wollte" oder aber, wie er behaupte, aus zeitlichen Gründen und wegen der Nichterreichbarkeit seiner Mandantschaft, mit der er das Einvernehmen hätte herstellen müssen, nicht in der Sendung auftreten konnte, sei unerheblich. Beim Durchschnittskonsumenten derartiger Sendungen werde zweifellos damit nicht der Eindruck erweckt, der ORF habe dem Beschwerdeführer unterstellen wollen, er habe sich nicht in die Sendung "getraut" oder habe sich geweigert, dort aufzutreten. Abgesehen davon sei in der Sendung zum Inhaltlichen ausdrücklich wiedergegeben worden, daß der Beschwerdeführer seine Vorgangsweise gegen den Gastwirt für standeskonform und gesetzmäßig erachte und daß in seinen Augen ein Wirt, der sich nicht an die Gesetze halte, in die Schranken gewiesen werden müsse. Dem Beschwerdeführer sei in einem längeren Telefongespräch mit dem zuständigen Redakteur des ORF vor der Sendung in ausreichender Weise Gelegenheit geboten worden, seinen Standpunkt zu erläutern. Der behauptete Eindruck schließlich, in der Sendung sei dem Beschwerdeführer unterstellt worden, durch die Aufforderung an den Gastwirt, die Anwaltskosten zu begleichen, habe er "quasi Schutzgeld erpreßt", könne in Wahrheit nicht vorliegen. Der Ausdruck "Schutzgelderpressung" komme in der Sendung nicht vor, sondern sei vielmehr in der Beschwerde vom Beschwerdeführer erst selbst "erfunden" worden. Der Beschwerdeführer könne sich auch nicht beschwert erachten, weil in der Sendung der Präsident der Salzburger Rechtsanwaltskammer kurz zu Wort gekommen sei. Wenn dieser meinte, er hätte "eine solche Klagsdrohung mit einer solchen Kostenforderung nicht an den Wirt geschickt", so werde dem Beschwerdeführer damit nicht Unehrenhaftes oder Standeswidriges unterstellt; es müsse einem Standeskollegen unbenommen bleiben, eine andere Meinung zu haben als sie der Beschwerdeführer selbst vertrete, vor allem dann, wenn diese Meinung vom Präsidenten der Anwaltskammer stamme. Ein standeswidriges Verhalten werde dem Beschwerdeführer damit jedoch keineswegs unterstellt.

In der mündlichen Verhandlung am 1. August 1996 habe der Beschwerdeführer vorgebracht, er sehe sich zusätzlich noch dadurch verletzt, daß in der inkriminierten Sendung der von ihm belangte Wirt mit den Worten zitiert wurde, die geforderte Unterlassungserklärung "ziere in seinem Lokal den Weg zum Häusl". Insoweit sei auf das aus §27 Abs3 RFG erfließende Neuerungsverbot zu verweisen. Der Beschwerdeführer dürfe zwar in der mündlichen Verhandlung seine Beschwerde näher ausführen und erläutern, aber nicht bisher unerwähnte Sachverhalte hinzufügen (Hinweis auf Twaroch - Buchner, Rundfunkrecht4, §27 E 50; GZ 593/3-RFK/95 u.a.).

Grundlage des dem ORF auferlegten Objektivitätsgebotes sei Sachlichkeit unter Vermeidung von Einseitigkeit, Parteinahme und Verzerrung der Dimensionen. Das Objektivitätsgebot sei demnach etwa verletzt bei polemisch anmutenden Formulierungen oder tendenziösen Darstellungen. Bei Prüfung der Objektivität sei vom Durchschnittskonsumenten der Sendung auszugehen, sodaß also weder Kritiklosigkeit noch übertrieben engherzige Einstellungen Maßstab sein könnten. Die inkriminierte Sendung vermittle insgesamt eine durchaus noch ausgewogene Darstellung der Standpunkte beider Betroffener, wobei sowohl der vom Beschwerdeführer in Verfolgung gezogene Wirt mit seiner Meinung zu Wort gekommen sei als auch der Beschwerdeführer selbst, wenn auch nur durch Wiedergabe seiner wesentlichen Standpunkte, die er vorher gegenüber dem Gestalter der Sendung vertreten hatte. Insoweit sei damit auch dem Grundsatz "audiatur et altera pars" in zulässiger und hinreichender Weise Rechnung getragen worden.

3. Die Beschwerde erblickt die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz in folgendem:

"In ihrer auffallend knapp begründeten Entscheidung verweist die belangte Behörde anstelle einer umfassenden Sachverhaltsfeststellung hauptsächlich auf den Sendungsmitschnitt und die Schriftsätze. Inhaltlich enthält sie zur rechtlichen Würdigung lediglich einige Gemeinplätze, die nicht konkret auf den gegenständlichen Sachverhalt angewendet werden. Es wird lediglich ausgeführt, daß die inkriminierte Sendung eine 'durchaus noch (?) ausgewogene Darstellung der Standpunkte' vermittle, ohne daß dies konkret begründet wird, sodaß sich der angefochtene Bescheid praktisch als begründungslos darstellt.

Aus der umfassenden Beschwerde greift die belangte Behörde lediglich Einzelpunkte auf, auf die sie überhaupt eingeht. Es ist geradezu denkunmöglich, die (nicht einmal zitierte, sondern vom ORF stammende) Behauptung, der Gastwirt könne sich 'quasi freikaufen' als allenfalls noch saloppe Redewendung zu werten, wenn man zugrunde legt, daß ein solcher Vorwurf an einen Rechtsanwalt zumindestens standeswidrig und möglicherweise sogar strafbar wäre, er lasse sich Unterlassungsansprüche teuer abkaufen. Es ist ebenso absurd, anzunehmen, die Bemerkung, der Beschwerdeführer 'wollte' nicht vor die Kamera erwecke beim Durchschnittskonsumenten einen anderen Eindruck als den, daß der Beschwerdeführer sich geweigert habe, dort aufzutreten, zumal von Terminproblemen und allfälliger Genehmigung der Mandantschaft (also durchaus nachvollziehbare und dem Durchschnittskonsumenten einsichtige Begründungen) in der Sendung überhaupt nicht die Rede war (etwa durch Verwendung des Wortes 'konnte').

Gemäß Duden 'Das Bedeutungswörterbuch' bedeutet 'wollen' die Absicht, den Wunsch oder den Willen haben, etwas Bestimmtes zu tun, hingegen 'können', imstande sein, etwas zu tun oder etwas zu tun vermögen.

Der der deutschen Sprache durchaus mächtige Durchschnittskonsument muß somit zwangsläufig annehmen, der Beschwerdeführer habe die Absicht, den Wunsch oder den Willen gehabt, nicht vor die Kamera zu gehen und nicht, wie tatsächlich vorliegend und durch das Wort 'konnte' deutlich zu machen, daß er nicht imstande war bzw. vermochte, dies zu tun.

Die Behörde wendet auch das Neuerungsverbot gemäß §27 Abs3 RFG in krass rechtswidriger Weise an, wenn sie vermeint, die vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Argumentation, der tendenziöse Charakter der Sendung zeige sich an der Bemerkung, die Unterlassungserklärung ziere im Lokal den 'Weg zum Häusl', sei als Neuerung unbeachtlich: Hier wird nicht ein neuer bisher unerwähnter Sachverhalt hinzugefügt, zumal damit nur die vorgebrachte unfaire, einseitige und nicht objektive Berichterstattung der gesamten beschwerdegegenständlichen Sendung untermauert wird.

Eine besonders krass unrichtige und willkürliche Gesetzesanwendung, die auch ein leichtfertiges Abgehen vom Akteninhalt und Außerachtlassen des Sachverhaltes darstellt, ist der belangten Behörde weiters in zwei wesentlichen Punkten unterlaufen:

Die belangte Behörde vermeint, dem Grundsatz audiatur et altera pars sei Genüge getan, weil sowohl der Gastwirt mit seiner Meinung zu Wort kam als auch der Beschwerdeführer selbst durch Wiedergabe seiner wesentlichen Standpunkte. Nun kam der Gastwirt durch häufiges Zitieren seiner Meinungen, Ansichten und Äußerungen sowie durch dreimaliges direktes Sprechen zu Wort; der Beschwerdeführer jedoch mit der einzigen zitierten Aussage 'Rechtsanwalt Hauser sprach heute am Telefon von einer standeskonformen und gesetzesmäßigen Vorgangsweise seinerseits. Ein Wirt, der sich an keine Gesetze hält, müsse in die Schranken gewiesen werden' (diese Aussage wurde überdies durch die sofort nachgestellte Interviewaussage des Anwaltskammerpräsidenten weitgehend desavouiert, worauf unten noch hinzuweisen sein wird).

Es mag nun durch Einholung eines halbstündigen Telefoninterviews im Vorfeld der Sendung dem Grundsatz, die Gegenseite anzuhören, zunächst Genüge getan worden sein, worauf die belangte Behörde zutreffend hinweist. Sie verkennt aber völlig, daß dieser wesentliche Grundsatz des Rundfunkgesetzes auch und gerade verlangt, daß diese Anhörung der Gegenseite auch in der Sendung selbst zum Ausdruck kommen muß. Es hieße den genannten Grundsatz völlig mißverstehen, wenn man annimmt, daß es ausreicht, wenn der von einer Sendung Betroffene vorher dem Redakteur seine Meinung dazu sagen kann, ohne daß diese in der Sendung dargetan werden muß.

Nun haben die ORF-Moderation und der Gastwirt in der Sendung diverse massive Vorwürfe erhoben (es handle sich um eine 'Verfolgung', ein quasi Freikaufen, eine billige Geldbeschaffungsaktion, anderen Kollegen des Gastwirtes sei es ähnlich ergangen, und hätten diese die S 17.000,-- bezahlt; und der eingeschriebene Brief des Beschwerdeführers ziere den Gang zu den Toiletten). Der Beschwerdeführer ist aus seiner halbstündigen telefonischen Stellungnahme (dies wird auch von der Gegenseite nicht bestritten) nur mit dem Halbsatz zitiert worden, daß dies standeskonform sei, den Gastwirt in die gesetzlichen Schranken zu weisen. Daß damit dem Grundsatz, auch die andere Seite nicht nur zu hören, sondern das Gehörte auch in die Sendung einfließen zu lassen, nicht annähernd Rechnung getragen wurde, ist offensichtlich und belastet den Bescheid der belangten Behörde mit Willkür (es braucht nicht gesondert erwähnt zu werden, daß der Beschwerdeführer die vorzitierten Vorwürfe bei dem Telefongespräch - soweit sie ihm überhaupt vorgeworfen wurden - dem Redakteur allesamt widerlegt hat.

Zum Beschwerdevorbringen, daß der zitierte Satz des Beschwerdeführers, sein Vorgehen sei standeskonform, durch die nachfolgende Aussage 'und der oberste Standesvertreter dazu ..... Ich hätte eine solche Klage ..... nicht an diesen Wirt geschickt' völlig verdreht wurde, fällt der belangten Behörde lediglich ein, daß die Aussage des Rechtsanwaltskammerpräsidenten eben dessen Meinung sei, die ihm, gerade als Präsidenten der Anwaltskammer, zustehe, zumal es einem Standeskollegen unbenommen bleibe, 'eine andere Meinung zu haben, als sie der Beschwerdeführer selbst vertritt'. Damit werde dem Beschwerdeführer kein standeswidriges Verhalten unterstellt.

Damit ist die belangte Behörde aber überhaupt nicht auf das Beschwerdevorbringen eingegangen. Daß dem Anwaltskammerpräsidenten zusteht, eine solche Klage nicht einzubringen, ist so unzweifelhaft, daß es einer besonderen Erwähnung gar nicht bedürfen kann. Kritisiert wurde auch nicht die Tatsache an sich, daß diese Aussage gebracht wurde, sondern der unzweifelhaft absichtliche Zusammenschnitt und damit der herbeigeführte Zusammenhang der sich, grob zitiert, für den Betrachter so darstellt: 'Diese Vorgangsweise ist standeskonform - der oberste Standesvertreter dazu (!) - ich hätte eine solche Klage nicht gemacht'. Da die Aussage des Präsidenten der Anwaltskammer ganz offenbar nicht zur Frage der Standeskonformität gemacht wurde, sondern nur zur Frage, ob er eine solche Klage gemacht hätte, zeigt der Bericht durch die Verwendung des Wortes 'dazu' einen Zusammenhang und eine Tendenz auf, die in Wirklichkeit nicht bestehen. Die Aussage im direkten Zusammenschnitt wirkt so als widerspreche der Anwaltskammerpräsident dem Beschwerdeführer und sei dessen Einschreiten nicht standesgemäß. Auf diesen Vorwurf ist die belangte Behörde überhaupt nicht eingegangen, indem sie nur meint, die Aussage des Präsidenten sei ja richtig. Sie stellt aber selbst in ihrer Begründung die Verbindung zur vorhergehenden Aussage des Beschwerdeführers dar, wenn sie ausführt, dem Standeskollegen sei es unbenommen, eine andere Meinung zu haben, als sie der Beschwerdeführer vertrete (zumal der Kammerpräsident ja gar keine 'andere Meinung' vertrat, insbesondere nicht zur Frage der Standeskonformität).

Die belangte Behörde ist weiters überhaupt nicht auf den Vorwurf eingegangen, daß der ORF es unterlassen hat, zu recherchieren, ob die zitierte Aussage des Gastwirtes richtig sei, Kollegen von ihm hätten ähnliche Abmahnschreiben bekommen und S 17.000,-- Kosten bezahlt. Sie geht weiters überhaupt nicht auf den Vorwurf ein, daß durch die Verwendung der Begriffe 'Freikaufen' und 'billige Geldbeschaffungsaktion' das Mahnschreiben des Beschwerdeführers so dargestellt wird, als ginge es ihm nur um das Geld und nicht um die zivilrechtlich zweifellos zulässige Unterlassung.

Das bloße Übergehen wesentlicher Beschwerdeausführungen läßt aber den Bescheid der belangten Behörde in weiten Teilen völlig unbegründet bzw. hat die belangte Behörde die in der Beschwerde aufgeführten Punkte durch Außerachtlassen gar nicht behandelt und erledigt."

4. Die beteiligten Parteien halten dem Beschwerdevorbringen vor allem entgegen:

"1. Der Beschwerdeführer vertritt die Ansicht, daß 'sich der angefochtene Bescheid praktisch als begründungslos darstellt', da der Bescheid als Begründung für das Einhalten des Objektivitätsgebots lediglich die Formulierung 'durchaus noch ausgewogene Darstellung der Standpunkte' beinhaltet. Dies ist tatsächlich unrichtig, da im Bescheid darauf eingegangen wird, warum die konkrete Berichterstattung ausgewogen und daher dem Objektivitätsgebot entsprechend war. In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, daß die Berichterstattung deshalb ausgewogen war, da 'sowohl der vom Beschwerdeführer in Verfolgung gezogene Wirt mit seiner Meinung zu Wort kam, als auch der Beschwerdeführer selbst, wenn auch nur durch Wiedergabe seiner wesentlichen Standpunkte, die er vorher gegenüber dem Gestalter der Sendung vertreten hatte. Insoweit wurde damit auch dem Grundsatz "audiatur et altera pars" in zulässiger und hinreichender Weise Rechnung getragen.' Dies als begründungslos zu bezeichnen, erscheint verfehlt.

2. Der Beschwerdeführer führt weiters aus, daß 'die belangte Behörde (aus der umfassenden Beschwerde) lediglich Einzelpunkte' aufgreift, 'auf die sie überhaupt eingeht'. Dazu ist zu sagen, daß die RFK (juristisch korrekt) nur auf das rechtlich relevante Vorbringen eingeht, darüber hinausgehende Informationen jedoch als rechtlich irrelevant nicht wertet. Insoweit der Behörde also das (Verfassungs-)Recht verletzende Verhalten vorzuwerfen, ist nicht nachvollziehbar.

3. Die im weiteren vom Beschwerdeführer getätigten Ausführungen haben (allenfalls) ausschließlich Relevanz auf einfachgesetzlicher Ebene. Wir erlauben uns dazu dennoch anzumerken, daß die Formulierung 'quasi freikaufen' natürlich kein standeswidriges Verhalten darstellt, und schon gar kein strafbares. Es handelt sich dabei lediglich um eine journalistisch saloppe Ausdrucksweise betreffend die Unterlassungserklärung. Die Tatsache, daß der Beschwerdeführer es ablehnte, trotz entsprechender Aufforderung seitens des ORF eine Stellungnahme vor der Kamera abzugeben, stellt wohl eher - entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers - ein 'Nicht-Wollen' als ein 'Nicht-Können' dar. Wieso der Beschwerdeführer auf eine noch einzuholende 'Genehmigung der Mandantschaft' hinweist, erscheint unklar, zumal der Beschwerdeführer 'in eigener Sache' tätig wurde. Bei den vom Beschwerdeführer angeführten Punkten liegt sohin nicht einmal eine einfachgesetzliche Rechtsverletzung vor.

4. Auch die zum Neuerungsverbot gemäß §27 Abs3 RFG gemachten Ausführungen, erscheinen uns (auch in einfachgesetzlicher Hinsicht) unrichtig. Der Beschwerdeführer wollte den 'tendenziösen Charakter' der inkriminierten Sendung an der Bemerkung aufzeigen, die Unterlassungserklärung ziere im Lokal den 'Weg zum Häusl'. Der 'tendenziöse Charakter einer Sendung' (gemeint wohl eher die mangelnde Objektivität) stellt eine rechtliche Beurteilung dar, die aufgrund eines Sachverhaltes vorgenommen wird. Daß die Unterlassungserklärung den 'Weg zum Häusl' ziere, ist jedenfalls als Sachverhaltssubstrat und nicht als rechtliche Beurteilung zu werten. Die Anwendung des Neuerungsverbots erscheint daher geradezu geboten. (Angemerkt sei hier, daß auch im Verfahren vor der RFK dieses Sachverhaltssubstrat - wäre es rechtzeitig vorgebracht worden - für den ORF rechtlich irrelevant ist, da sich der ORF nicht für das Verhalten jedes anderen Rechtsunterworfenen zu verantworten hat.)

5. Zum weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend eine allfällige Verletzung des Grundsatzes 'audiatur et altera pars' wird auf die zu 2. gemachten Ausführungen verwiesen.

Auch die Zitierung der Aussage des Präsidenten der Salzburger Rechtsanwaltskammer in dieser Sache stellt eine nach dem RFG korrekte Vorgehensweise dar. Daß durch diese Aussage bzw. durch den Zusammenhang, in dem diese Aussage zitiert wurde, dem Beschwerdeführer ein standeswidriges Verhalten vorgeworfen wird, ist absurd. Wie die RFK richtig feststellt, ist es einem Standeskollegen unbenommen, 'eine andere Meinung zu haben, als sie der Beschwerdeführer selbst vertritt'. Aus rundfunkrechtlicher Sicht möchten wir dazu festhalten, daß aus der Aussage des Präsidenten der Salzburger Rechtsanwaltskammer kein Vorwurf gegenüber dem Beschwerdeführer erkennbar ist, weshalb es auch keine Verletzung des 'Objektivitätsgebotes' darstellt, wenn der Beschwerdeführer dazu nicht gehört wird."

5. Die Beschwerde trägt gegen die den angefochtenen Bescheid tragenden gesetzlichen Regelungen des RFG keine Bedenken ob ihrer Verfassungsmäßigkeit vor; solche Bedenken sind beim Verfassungsgerichtshof auch nicht entstanden (vgl. zu §25 RFG insbesondere VfSlg. 13338/1993, ferner jüngst etwa VfSlg. 14852/1997 und VfGH 26.2.1998, B598/97, 11.3.1998, B2429/97 u. v.a.).

Der Beschwerdeführer wurde deshalb nicht durch Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.

6.1. Bei der Unbedenklichkeit der dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Rechtsvorschriften käme eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10413/1985, 11682/1988) nur in Betracht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fäschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hätte.

Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde unter anderem dann vorgeworfen werden, wenn sie den Beschwerdeführer aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder aber, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 10337/1985, 11436/1987).

Schließlich liegt ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, u.a. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung; VfSlg. 10338/1985, 11213/1987).

6.2. Mit solchen, in die Verfassungssphäre reichenden Fehlern ist der angefochtene Bescheid nicht belastet.

Daß die belangte Behörde den angewendeten Rechtsvorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, wird weder in der Beschwerde behauptet noch ist dies im verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren hervorgekommen.

Der in der Beschwerde erhobene Vorwurf aber, daß die belangte Behörde Willkür geübt habe, ist im Ergebnis nicht begründet:

Der angefochtene Bescheid gibt die von der Meinung des Beschwerdeführers abweichenden Erwägungen tatsächlicher und rechtlicher Art in einer aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstandenden Weise wieder. Auch geht er auf die den Umständen nach maßgeblichen Punkte der Rechtssache ein. Auch wenn die in der Beschwerde behaupteten Rechtswidrigkeiten vorlägen, würde es sich bloß um einfachgesetzliche Rechtsverletzungen handeln; in die Verfassungssphäre reichende Fehler werden insgesamt durch die Beschwerde nicht aufgezeigt. Das gilt ebenso für die von der RFK nicht beanstandete Formulierung, der Gastwirt könne sich "quasi freikaufen" wie hinsichtlich der Frage, ob der Beschwerdeführer in der fraglichen Sendung nicht auftreten "konnte" (so die Beschwerde) oder "wollte" (so die Formulierung in der inkriminierten Sendung); auch wenn die Auffassung der Beschwerde zuträfe, wäre in der diesbezüglichen Entscheidung der RFK kein in die Verfassungssphäre reichender Fehler zu erblicken. Gleiches gilt im Ergebnis für die Positionierung der Stellungnahme des Präsidenten der Rechtsanwaltskammer im Rahmen der Sendung und die Wortwahl der Einbegleitung derselben. Schließlich darf nicht übersehen werden, daß die in der ausgestrahlten Sendung verwendeten Formulierungen in der Beschwerde teilweise in anderer, dramatisierter Weise wiedergegeben und sodann in dieser veränderten Form bekämpft werden, sodaß die Beschwerde insoweit an den Fakten vorbeigeht.

Das Beschwerdevorbringen erweist sich deshalb insgesamt als unbegründet. Das Beschwerdeverfahren hat auch nicht ergeben, daß die beschwerdeführende Partei sonst in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden wäre.

Die Beschwerde war deshalb als unbegründet abzuweisen.

III. 1. Die Kostenentscheidung

stützt sich auf §88 VerfGG 1953. Im Aufwandsersatz ist 15 % Streitgenossenzuschlag (S 1.250,--) sowie Umsatzsteuer in Höhe von S 3.000,-- enthalten.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4, erster Satz, VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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