Normen
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art11 Abs2 letzter Halbsatz
AVG §75 f
BergG 1975 §209 Abs1
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art11 Abs2 letzter Halbsatz
AVG §75 f
BergG 1975 §209 Abs1
Spruch:
Die bf. Gesellschaft ist durch die angefochtenen Bescheide weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerden werden abgewiesen.
und dem VwGH zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die bf. Gesellschaft in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.a) Im Zuge eines - aufgrund von Beschwerden von Nachbarn, die sich durch Emissionen beim Betrieb einer Bergbauanlage beeinträchtigt fühlten, ausgelösten - Verfahrens zur Untersagung des Betriebes von Teilen dieser Anlage wurden von der Behörde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens von Amts wegen nichtamtliche Sachverständige zur Klärung der Frage beigezogen, ob die Ursache für die behaupteten Beeinträchtigungen der Anrainer im Betrieb der Bergbauanlage liegt.
Nachdem der Betrieb von Teilen der Bergbauanlage zunächst mit Bescheid der Berghauptmannschaft Salzburg untersagt worden war, wurde der bf. Gesellschaft mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom 29. November 1985 unter Erteilung von Auflagen gestattet, die streitgegenständlichen Anlageteile wieder in Betrieb zu nehmen. Dieser Bescheid enthielt weiters den Ausspruch, daß über die Verpflichtung zur Bezahlung der im Berufungsverfahren aufgelaufenen Barauslagen (Gebühren von Sachverständigen) gesondert entschieden werde. Dieser Bescheid blieb unbekämpft.
b) Mit Bescheid des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom 1. März 1986 wurden die Gebühren der Sachverständigen für gutachtliche Äußerungen im Zuge des beim Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie anhängig gewesenen Berufungsverfahrens gemäß §53a AVG mit 100.876 S festgesetzt und die bf. Gesellschaft als Bergbauberechtigter gemäß §209 Abs1 Berggesetz 1975, BGBl. 259/1975, (im folgenden: BergG) zur Bezahlung dieser Gebühren verpflichtet.
Mit Bescheid der Berghauptmannschaft Salzburg vom 9. Mai 1986 wurden die Gebühren der im Verfahren vor der Berghauptmannschaft befaßten Sachverständigen bzw. Untersuchungsanstalten für gutachtliche Äußerungen, Messungen, Probenahmen und Analysen zur Klärung der Auswirkungen der von der streitgegenständlichen Anlage ausgehenden Emissionen gemäß §53a AVG mit 509.174,38 S festgesetzt und die bf. Gesellschaft gemäß §209 Abs1 BergG zur Bezahlung dieser Gebühren verpflichtet. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom 28. November 1986, soweit sie sich gegen die Höhe der Gebührenfestsetzung richtete, als unzulässig zurückgewiesen; soweit sich die Berufung gegen die Verpflichtung zum Ersatz der Barauslagen richtete, wurde sie abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid der Berghauptmannschaft Salzburg bestätigt.
2. Die vorliegenden, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerden wenden sich gegen die beiden Kostenbescheide des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie, u.zw. die zu B298/86 protokollierte Beschwerde gegen den Bescheid vom 1. März 1986 und die zu B1222/86 protokollierte Beschwerde gegen den Berufungsbescheid vom 28. November 1986, u.zw. der Sache nach gegen den abweisenden Teil dieses Bescheids. Die bf. Gesellschaft behauptet, in ihren Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (§209 Abs1 BergG) und in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unverletzlichkeit des Eigentums und Gleichheit vor dem Gesetz verletzt worden zu sein. Sie beantragt die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide, in eventu die Abtretung der Beschwerden an den VwGH.
3. In dem zu B298/86 protokollierten Verfahren erstattete der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie, in dem zu B1222/86 protokollierten Verfahren der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten (der nunmehr den angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie zu verantworten hat - siehe den durch ArtI Z4 der Nov. zum Bundesministeriengesetz, BGBl. 78/1987, neu gefaßten Teil 2 der Anlage, Abschnitt C, Z2) jeweils eine Gegenschrift, in der begehrt wird, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II. Der VfGH hat über die - zulässigen - Beschwerden erwogen:
1. §209 BergG lautet:
"§209. (1) Hat nach den Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG 1950) weder eine andere Partei noch ein anderer Beteiligter für die mit einer bergbehördlichen Amtshandlung verbundenen Barauslagen und Kommissionsgebühren aufzukommen, so hat der Bergbauberechtigte (Fremdunternehmer, Verwalter nach §166 Abs3) die Auslagen zu tragen, wenn die Amtshandlung durch Tätigkeiten der im §2 Abs1 genannten Art notwendig wurde. Die Auslagen, die den Bergbehörden durch Besichtigungen nach §199 erwachsen, sind von Amts wegen zu tragen.
(2) Die zuständige Bergbehörde hat auf Antrag zu entscheiden, ob und in welchem Ausmaß eine unterliegende Partei die dem Gegner im Verwaltungsverfahren erwachsenden Kosten zu ersetzen hat. Hiebei hat sie nach billigem Ermessen zu berücksichtigen, wieweit das Verfahren von der unterliegenden Partei leichtfertig oder mutwillig veranlaßt worden ist und inwieweit die Aufwendung der Kosten, deren Ersatz verlangt wird, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen ist."
Der in §209 Abs1 verwiesene §2 Abs1 BergG legt den Anwendungsbereich des Gesetzes fest und umschreibt die bergbaulichen Tätigkeiten, für die das Gesetz gilt.
2.a) Die bf. Gesellschaft bringt zunächst vor, daß der die angefochtenen Bescheide tragende §209 Abs1 BergG deshalb verfassungswidrig sei, weil er in Widerspruch zu Art11 Abs2 letzter Halbsatz B-VG stehe. Während das AVG in §75 vom Grundsatz der amtswegigen Tragung von Barauslagen durch die Behörde ausgehe, von dem gem. §76 leg.cit. im Falle der amtswegigen Anordnung der Auslagen nur abgegangen werde, wenn die Auslagen durch das Verschulden eines Beteiligten herbeigeführt worden sind, normiere §209 Abs1 BergG als davon abweichende Verwaltungsvorschrift eine Kostentragungspflicht eines von einem Verwaltungshandeln Betroffenen (des Bergbauberechtigten), der die Amtshandlung weder beantragt noch verschuldet habe. Damit sehe das BergG in §209 eine von den nach der Bedarfskompetenz des Bundes erlassenen Verfahrensvorschriften des AVG abweichende Regelung vor, die gemäß Art11 Abs2 letzter Halbsatz B-VG nur getroffen werden dürfe, wenn sie zur Regelung des Gegenstandes erforderlich sei. Das Kriterium der "Erforderlichkeit" sei vom VfGH dahingehend konkretisiert worden, daß die von Art11 Abs 2 erster Halbsatz abweichende Bestimmung zur Regelung des Gegenstandes "unerläßlich" sein müsse, dh. daß der zuständige Gesetzgeber ohne sie die ihm in der Hauptmaterie eingeräumte Zuständigkeit nicht erfüllen könnte. Da das Verfahren nach dem BergG aber auch ohne diese Sonderregelung nach den Verfahrensbestimmungen des AVG durchführbar wäre, sei §209 Abs1 BergG verfassungswidrig.
b) Die durch §209 Abs1 BergG bewirkte
Andersbehandlung von Bergbauanlagen gegenüber (anderen) gewerblichen Betriebsanlagen bewirke überdies einen Verstoß gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgrundsatz, da eine sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Regelung des Kostenersatzes im BergG (in dem Kostenersatz auch bei nachweislich fehlendem Verschulden durch den Bergbauberechtigten vorgesehen sei) und in der GewO (derzufolge nur bei Verschulden Kostenersatz zu leisten sei) nicht gegeben sei.
3. Der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie (bzw. der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten) tritt dieser Auffassung insb. mit folgenden Argumenten entgegen:
a) "Sowohl den früheren als auch den geltenden Bergrechtsvorschriften liegt die Annahme zugrunde, daß es sich beim Bergbau um zwangsbedingt mit besonderen Gefahren verbundene Tätigkeiten handelt. Diese besonderen Gefahren sind in der Eigenart des Bergbaus begründet. Die Tätigkeiten werden nämlich weitgehend von den von der Natur unabänderlich gegebenen Gebirgsund Lagerstättenverhältnissen bestimmt.
Unter Gebirge versteht der Bergmann den gesamten geologischen Raum, in dem er sich bewegt, d.h. sowohl die Lagerstätte als auch das umgebende Gestein, von der Tagesoberfläche bis unbeschränkt in die Tiefe ('ewige Teufe'). Entsprechend sind die Gebirgsverhältnisse die vom Gebirge einschließlich der Lagerstätte jeweils vorgegebenen Arbeitsbedingungen. Diese sind so mannigfach wie die Natur selbst. Keine Lagerstätte, deren Auffindung und Abbau Hauptzweck bergbaulicher Tätigkeiten sind, ist der anderen gleich. Die Lagerstätten liegen vielmehr nach Form und Inhalt sowie nach Tiefe, Größe und Stellung im Raum in einer außerordentlich großen Variationsbreite vor. Der Lagerstätteninhalt ist dabei nicht nur nach der Art der mineralischen Rohstoffe verschieden, sondern auch im Hinblick auf physikalische Eigenschaften. In gleicher Weise streut das Erscheinungsbild des die Lagerstätte umgebenden Gebirges, insbesondere im Hinblick auf die physikalischen Eigenschaften. Nicht zuletzt weisen Gebirgsdruck, Gebirgswärme, Wasserzuflüsse, das Auftreten von Gasen, die Gefahr von Selbstentzündung und anderes mehr große Unterschiede von Lagerstätte zu Lagerstätte auf. Hinzu kommt ferner, daß auch auf ein und derselben Lagerstätte die Arbeitsbedingungen in weiten Grenzen wechseln können. Dies alles bedeutet, daß auch die bergtechnischen Verfahren, die Bergbauanlagen, die beim Bergbau verwendeten Betriebseinrichtungen und dgl. eine ähnlich große Variationsbreite aufweisen müssen. Sie haben sich zwangsläufig nach jeweils gegebenen und außerordentlich unterschiedlichen Gebirgsverhältnissen zu richten. Sie weisen kein einheitliches und geschlossenes Bild wie die Verfahren, Anlagen, Einrichtungen und dgl. in anderen Industriezweigen auf. Dies alles bedingt, daß die Gefahren, die mit bergbaulichen Tätigkeiten verbunden sind, äußerst groß sind und daher Sicherheitsvorkehrungen und -maßnahmen eine erhebliche Bedeutung zukommt.
Die vorerwähnten Gegebenheiten haben dazu geführt, daß dem Bergrecht Institute immanent sind, die bei anderen Industriezweigen als dem Bergbau und in den für diese geltenden Rechtsvorschriften überhaupt nicht oder nur vereinzelt in weniger ausgeprägter Form vorkommen. So gibt es etwa eigene Bergschadensregelungen, die eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung vorsehen (siehe hiezu §§183 ff des Berggesetzes 1975), was auch dazu geführt hat, daß im §57 Abs3 des Forstgesetzes 1975 bestimmt wird, daß auf Bergbauanlagen nicht die Schadensregelungen des Forstgesetzes 1975, sondern die Bestimmungen des Bergschadensrechtes Anwendung zu finden haben. Aufsichtsbehörden sind eigene Fachbehörden. Die Wahrnehmung des Arbeitnehmerschutzes in Bergbaubetrieben erfolgt nicht durch die Arbeitsinspektion, sondern durch die Bergbehörden. Deren Befugnisse sind erheblich weitgehender als die der Arbeitsinspektion. Der Arbeitnehmerschutz wird als Teil des Bergrechts verstanden. Die für den Bergbau geltenden Sicherheitsvorschriften erstrecken sich auf das gesamte Gebiet der Gefahrenabwehr und nicht nur auf den Arbeitnehmerschutz im Bergbau. Infolge der beim Bergbau gegebenen Gefahrenlage sind gesetzlich öfter Kontrollen vorgesehen, als in anderen Industriezweigen (siehe hiezu §199 des Berggesetzes 1975). Im Berggesetz 1975 (siehe dessen §134) ist auch ähnlich wie in den früheren Berggesetzen eine allgemeine Sicherungspflicht des Bergbauberechtigten statuiert. Die bergrechtlichen Vorschriften sehen aber auch noch andere Institute vor, die in den Eigentümlichkeiten des Bergbaus begründet sind. So werden etwa auch bestimmte fachliche Erfordernisse für verantwortliche Personen verlangt. Deren Bestellung bedarf der Anerkennung der zuständigen Bergbehörde (siehe hiezu die §§150 ff des Berggesetzes 1975 und die V über verantwortliche Personen im Bergbau, BGBl. Nr. 191/1983). Es gibt aber auch noch weitere Sonderregelungen, die in den für die anderen Industriezweige geltenden Rechtsvorschriften nicht vorhanden sind.
Die vom §76 Abs1 und 2 AVG 1950 abweichende Regelung hinsichtlich Barauslagen im §209 Abs1 des Berggesetzes 1975 besteht i.w. darin, daß der Bergbauberechtigte für mit einer bergbehördlichen Amtshandlung verbundene Barauslagen ohne Ansuchen oder festgestelltes Verschulden aufzukommen hat, wenn die Amtshandlung durch bergbauliche Tätigkeiten notwendig wurde. Da auch bei uneingeschränkter Geltung des §76 AVG 1950 bei Ansuchen des Bergbauberechtigten dieser für die Barauslagen aufzukommen hätte und weiters nach §209 Abs1 letzter Satz des Berggesetzes 1975 Auslagen, die den Bergbehörden durch Besichtigungen nach §199 des Berggesetzes 1975 erwachsen, von Amts wegen zu tragen sind, verbleiben i.w. nur Barauslagen bergbehördlicher Amtshandlungen, die in den Fällen des §203 des Berggesetzes 1975 durchzuführen sind, für die eine Kostentragung nach der Verschuldensregelung des §76 AVG 1950 in Betracht käme. Bei diesen Amtshandlungen handelt es sich jedoch um solche, die auf besondere Ereignisse oder Gegebenheiten zurückzuführen sind, bei denen Erhebungen zu pflegen sind und festzustellen ist, ob die vom Bergbauberechtigten schon auf Grund des §134 des Berggesetzes 1975 zu treffenden Sicherheitsmaßnahmen ausreichend sind, und wenn nicht, die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen dem Bergbauberechtigten zur Durchführung von der zuständigen Bergbehörde aufzutragen sind.
In diesen Sonderfällen, die mitunter, jedoch nicht regelmäßig vorkommen, läßt sich die Verschuldensfrage, abgesehen von Einzelfällen, kaum oder überhaupt nicht eindeutig, selbst bei Befassung von Sachverständigen, infolge der schon eingangs dargelegten Eigentümlichkeiten des Bergbaus klären (siehe hiezu auch die Erl. zu §209 der Regierungsvorlage betreffend das Berggesetz 1975, 1303 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates XIII. GP, und die Erl. Bem. zu §111 der Regierungsvorlage betreffend das Berggesetz aus 1954, 65 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates VII. GP). Diesfalls erscheint es gerechtfertigt, jenem die Kostentragung aufzuerlegen, der eine, wenn auch von der Rechtsordnung gestattete, gefährliche Tätigkeit ausübt. Dieser Grundsatz kommt auch im Erkenntnis des VwGH vom 4. Februar 1910, Zl. 1210, zum Ausdruck. Es heißt darin:
'Erweisen sich aus Anlaß von Ereignissen im Bergbaubetriebe unaufschiebliche Anstalten zur Rettung und Sicherheit nötig, welche die Bergbehörde selbst unter Zuziehung von Sachverständigen treffen muß, so stellt sich diese Intervention als eine Folge der beim Bergbau eingetretenen gefährlichen Verhältnisse dar. Die Bergbehörde übernimmt in einem solchen Falle nur die Durchführung einer nach dem Gesetze den Bergwerksbesitzer treffenden Verpflichtung und es müssen alle damit verbundenen Amtshandlungen der Bergbehörde und der Sachverständigen als durch den Bergbau veranlaßt angesehen und dem Werksbesitzer die aus denselben erwachsenen Kosten im Sinne des §234 Berg-Gesetz auferlegt werden."
Auch vorliegendenfalls handelt es sich um einen Sonderfall im dargelegten Sinn, der sich bei dem mit der bergmännischen Gewinnung mineralischer Rohstoffe verknüpften Aufbereiten (siehe hiezu die Begriffsdefinition im §1 Z. 3 des Berggesetzes 1975) ergeben hat. Während die Standard-Aufbereitungsverfahren die wertvollen von den wertlosen Mineralen (Gesteinen) des Rohgutes auf physikalischem Wege trennen, werden bei Sonder-Aufbereitungsverfahren - so bei Flotationsverfahren wie vorliegendenfalls - (chemische) Reagenzien zugesetzt.
Die bel. Beh. ist der Ansicht, daß die im Hinblick auf den Art11 Abs2 B-VG von der Bf. behaupteten verfassungsrechtlichen Bedenken nicht bestehen. Nach den seit jeher tragenden Leitgedanken des Bergrechts kommt der Bergbehörde gegenüber der vorrangigen Sicherungspflicht des Bergbauberechtigten (§134 des Berggesetzes 1975) nur eine subsidiäre Sicherungsfunktion zu. Die Bergbehörde hat lediglich für den Fall, daß die Sicherung durch den Bergbauberechtigten nicht ausreicht, von sich aus die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen anzuordnen (§203 des Berggesetzes 1975). Bei den Sachverständigenkosten, die in diesem Zusammenhang anfallen, handelt es sich um Kosten, die, wäre der Bergbauberechtigte seinen gesetzlichen Sicherungspflichten nachgekommen, ohnedies bereits von diesem zu tragen gewesen wären. Es erscheint daher aus dem Blickwinkel des gesamten Regelungszusammenhanges des Berggesetzes 1975 im Hinblick auf den besonderen Gefahrencharakter des Bergbaus sowie auf die primäre Sicherungspflicht des Bergbauberechtigten nicht nur sachlich gerechtfertigt, sondern auch im Sinne des Erkenntnisses VfSlg. 8945 aus materienspezifischen Gründen erforderlich, diesfalls eine von der Kostentragungsregelung des AVG 1950 abweichende bergrechtliche Regelung zu treffen."
b) Zu den gleichheitsrechtlichen Bedenken der Beschwerden führt der Bundesminister aus, daß die Besonderheiten des Regelungsgegenstands, die nach seiner Ansicht eine vom AVG abweichende bergrechtliche Regelung zulassen, die Bestimmung des §209 Abs1 BergG sachlich rechtfertigen und meint dazu u.a.:
"Die gewerblichen Betriebsanlagen sind grundsätzlich obertägige Anlagen, während der überwiegende Teil der Bergbauanlagen untertägige Anlagen oder solche Anlagen sind, die von ober Tage nach unter Tage führen (wie z.B. Schächte, Stollen, Tiefbohrungen etc.). Aber auch die obertägigen Bergbauanlagen man denke etwa an die Anlagen am Steirischen Erzberg - müssen den Eigentümlichkeiten des Bergbaus Rechnung tragen, die . . . näher dargelegt wurden, was bei gewerblichen Betriebsanlagen an sich nicht in Betracht kommt. Hiezu tritt, daß die Bewilligungspflicht für Bergbauanlagen im Berggesetz 1975 anders festgelegt ist als die Genehmigungspflicht für gewerbliche Betriebsanlagen in der GewO 1973, in den bergbehördlichen Bewilligungsverfahren das gesamte Gebiet der Gefahrenabwehr zu berücksichtigen ist . . ."
Zusammenfassend sei
"festzuhalten, daß bereits ausgehend von den systematischen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ein für den vorliegenden Zusammenhang entscheidender Unterschied zwischen den Vorschriften des gewerblichen Betriebsanlagenrechts einerseits und jenen des Bergrechts andererseits besteht. Während den Verfahren zur Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage nach den Bestimmungen der GewO 1973 ein Antrag des Genehmigungswerbers zugrundeliegen muß, findet die Anordnung der erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen gemäß §203 des Berggesetzes 1975 von Amts wegen statt. Überdies ist zu bedenken, daß ein Verfahren zur Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage grundsätzlich in jedem Fall einer Gefährdung oder Belästigung im Sinne des §74 GewO 1973 durchzuführen ist, während nach dem Berggesetz 1975 eine derartige generelle Genehmigungs(Bewilligungs)pflicht für Bergbauanlagen ungeachtet ihrer anzunehmenden Gefährlichkeit nicht besteht. Zieht man diesen entscheidenden Unterschied in Betracht, so ist es klar, daß jedenfalls, soweit es sich um die Genehmigung gewerblicher Betriebsanlagen handelt, anfallende Kosten für nichtamtliche Sachverständige als Barauslagen im Sinne des §76 AVG 1950 anzusehen und daher vom Gewerbeberechtigten als Antragsteller zu tragen sind. Da jedoch im Bergrecht ein vergleichbares antragsgebundenes Anlagengenehmigungs(bewilligungs)verfahren sowie eine Anlagengenehmigungs(bewilligungs)pflicht im Hinblick auf die primäre Sicherungsfunktion des Bergbauberechtigten von vornherein gänzlich fehlt, erscheint es nicht unsachlich oder sonst gleichheitswidrig, wenn diesfalls - ausgehend von der Unterschiedlichkeit des gesamten Regelungszusammenhanges - im Rahmen eines Verfahrens zur Anordnung von Sicherheitsmaßnahmen gemäß §203 des Berggesetzes 1975 anfallende Sachverständigenkosten dem Bergbauberechtigten auch dann vorzuschreiben sind, wenn diesen kein Verschulden an der Amtshandlung trifft."
4.a) Der VfGH hat nicht das Bedenken, daß die Regelung dem Art11 Abs2 letzter Halbsatz widerspräche und sieht sich daher nicht veranlaßt, ein Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten:
Wie sich aus den Materialien zur B-VG-Nov. 1974 (182 BlgNR XIII. GP, S. 16) hinsichtlich Art11 Abs2 B-VG ergibt, zielt die sprachliche Parallelität dieser Verfassungsbestimmung zu Art15 Abs9 B-VG darauf ab, auch für den neugefaßten Art11 Abs2 B-VG ein handhabbares Kriterium zu gewinnen (vgl. VfSlg. 8945/1980, 9214/1981 ua). Daher entspricht eine von einer Regelung des AVG abweichende Bestimmung in einem Bundes- oder Landesgesetz nur dann der Verfassung, wenn sie im Regelungszusammenhang mit den materiellen Vorschriften unerläßlich ist.
Dem VfGH ist es jedoch nicht zweifelhaft, daß es sich bei der in §209 Abs1 BergG festgelegten Kostentragungsregelung um eine Bestimmung handelt, die den hiemit geforderten verfassungsgesetzlichen Kriterien entspricht:
Die bel. Beh. hat in den Gegenschriften näher dargetan, daß mit bergbaulichen Tätigkeiten besondere Gefahren verbunden sind, und darauf verwiesen, daß sich aus der dadurch gegebenen besonderen Situation eine Reihe von Sonderregelungen im Bergrecht erklären, wie etwa der das Bergrecht beherrschende Grundsatz der Gefährdungshaftung oder Sonderregelungen im Interesse des Arbeitnehmerschutzes. Die besonderen Gefahren, die mit Bergbaubetrieben in der Regel verbunden sind, haben den Gesetzgeber auch veranlaßt, eine besondere bergbehördliche Aufsicht vorzusehen und die Bergbehörden im Interesse der Realisierung der Aufsichtsziele zu ermächtigen, von sich aus bestimmte aufsichtsbehördliche Maßnahmen zu ergreifen (vgl. insb. den V. Abschnitt des BergG, §§202 ff; dazu insb. H. Schäffer,
Das Berggesetz 1975, ZfV 1976, 3 ff, insb. 11 ff).
Ist aber ein derart ausgestaltetes Aufsichtsverfahren an dessen sachlicher Berechtigung der Gerichtshof zu zweifeln keinen Anlaß sieht - vorgesehen und handelt es sich überdies um eine Materie, bei der die Aufsichtsbehörde bei ihrer Tätigkeit häufig mit besonders schwierigen und die Zuziehung von Sachverständigen erfordernden Sachfragen (etwa geologischer, chemo-technischer, bergbautechnischer, sprengtechnischer, medizinischer usw. Natur) konfrontiert ist, so steht eine Regelung, wie sie §209 Abs1 BergG vorsieht, mit dem System der Bergaufsicht in so engem Konnex, daß sie iS der verfassungsgerichtlichen Judikatur als "unerläßlich" zu qualifizieren ist.
b) Angesichts dieses Umstandes hegt der VfGH auch kein Bedenken ob der Gleichheitsmäßigkeit dieser Vorschrift und sieht sich auch unter diesem Aspekt nicht zur Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens veranlaßt.
Da unter dem Gesichtspunkt der Beschwerdefälle auch gegen die übrigen, die Bescheide tragenden Rechtsvorschriften keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, ist die bf. Gesellschaft somit nicht in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt worden.
c) Bei der Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen der angefochtenen Bescheide könnte die bf. Gesellschaft in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unverletzlichkeit des Eigentums nur durch einen diese Grundrechte verletzenden Vollzugsakt verletzt worden sein. Solches ist weder vorgebracht worden, noch hat das verfassungsgerichtliche Verfahren Anhaltspunkte für ein derartiges behördliches Fehlverhalten ergeben.
Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden; auch hat das Verfahren nicht ergeben, daß die bf. Gesellschaft in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden wäre.
5. Die Beschwerden waren sohin abzuweisen.
und gemäß Art144 Abs3 B-VG antragsgemäß dem VwGH abzutreten.
Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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