VfGH B281/12

VfGHB281/125.12.2012

Feststellung einer Verletzung im Recht auf Entscheidung innerhalb angemessener Frist durch Abweisung einer Nachbarbeschwerde gegen die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung einer Spenglerei; keine Rechtfertigung der Verfahrensdauer von etwa dreißig Jahren; im Übrigen Ablehnung der Beschwerde; Kostenzuspruch

Normen

EMRK Art6 Abs1 / Verfahrensgarantien
Nö BauO 1996
Nö Bau-ÜbertragungsV
VfGG §88
EMRK Art6 Abs1 / Verfahrensgarantien
Nö BauO 1996
Nö Bau-ÜbertragungsV
VfGG §88

 

Spruch:

I.1. Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Entscheidung innerhalb einer angemessenen Frist nach Art6 Abs1 EMRK verletzt worden.

2. Insoweit wird der Antrag, den angefochtenen Bescheid aufzuheben, abgewiesen.

II.1. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

2. Insoweit wird die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

III. Das Land Niederösterreich ist schuldig, den Beschwerdeführern zuhanden ihrer Rechtsvertreter die mit € 2.620,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren

1. Ein Ehepaar ersuchte mit Antrag vom 22. März 1982 um die Erteilung einer Baubewilligung zur Errichtung einer Spenglerei und einer Lackiererei auf dem Grundstück Nr. 85/4, KG Hennersdorf. Die nunmehrigen Beschwerdeführer, eine Mutter (in der Folge: die Erstbeschwerdeführerin) und ihr volljähriger Sohn (in der Folge: der Zweitbeschwerdeführer), sind Nachbarn der o.a. Antragsteller.

Über den oben bezeichneten Bauantrag wurde am 19. August 1982, am 15. September 1982 sowie am 22. November 1982 jeweils die mündliche Bauverhandlung abgehalten, in welcher u.a. verschiedene Gutachten abgegeben wurden.

2. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Hennersdorf als Baubehörde 1. Instanz vom 22. Dezember 1982 wurde den o.a. Antragstellern die Errichtung einer Spenglerei bzw. Lackiererei auf dem genannten Grundstück unter Vorschreibung bestimmter Bedingungen bewilligt.

Nach der gegen diesen Bescheid am 10. Jänner 1983 eingebrachten Berufung forderte der Gemeinderat der Gemeinde Hennersdorf die Bauwerber mit Schreiben vom 25. Februar 1983 auf, ein "Lärmschutzprojekt" vorzulegen; die Bauwerber brachten in der Folge ein lärmtechnisches Gutachten in Vorlage, welches u.a. auch der nunmehrigen Erstbeschwerdeführerin zur Stellungnahme übermittelt wurde.

Nach am 24. April 1984 erfolgter Berufungsverhandlung wurde der gegen den Bescheid vom 22. Dezember 1982 eingebrachten Berufung vom 10. Jänner 1983 - die nunmehrige Erstbeschwerdeführerin war als Nachbarin einer der einschreitenden Berufungswerber - mit Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Hennersdorf vom 27. April 1984 keine Folge gegeben.

Der in weiterer Folge gegen den Bescheid vom 27. April 1984 eingebrachten Vorstellung wurde mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 24. Juli 1985 insbesondere aufgrund von Verletzung des Parteiengehörs stattgegeben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der Gemeinde Hennersdorf verwiesen.

3. Mit Bescheid vom 3. Juli 1986 gab der Gemeinderat der Gemeinde Hennersdorf - nach zuvor erfolgter Einholung eines Gutachtens vom Amtssachverständigen der Niederösterreichischen Landesregierung hinsichtlich der durch das Bauprojekt zu erwartenden Immissionen bzw. Zustellung desselben an die Berufungswerber - der Berufung neuerlich keine Folge.

Daraufhin wurde mit Schriftsatz vom 17. Juli 1986

gegen den Bescheid vom 3. Juli 1986 Vorstellung erhoben, welcher die Niederösterreichische Landesregierung mit Bescheid vom 12. Februar 1987 insbesondere aufgrund von Verfahrensmängeln abermals stattgab und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der Gemeinde Hennersdorf verwies.

4. In der Folge gab der Gemeinderat der Gemeinde Hennersdorf mit Bescheid vom 11. November 1987 der Berufung zum erneuten Male keine Folge, wobei die gegen diesen Bescheid vom 11. November 1987 eingebrachte Vorstellung vom 25. November 1987 von der Niederösterreichischen Landesregierung mit Bescheid vom 2. Mai 1988 als unbegründet abgewiesen wurde.

Gegen den letztgenannten Bescheid wurde - wie auch hinsichtlich der bisher angeführten Rechtsmittel u.a. von der nunmehrigen Erstbeschwerdeführerin - am 17. Juni 1988 eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, in welcher die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und die Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung (des dem bewilligten Bauvorhaben zugrunde liegenden Flächenwidmungsplanes) behauptet wurde.

Mit Erkenntnis vom 2. Oktober 1990 hob der Verfassungsgerichtshof die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Hennersdorf vom 23. Jänner 1981 über das örtliche Raumordnungsprogramm für die Gemeinde Hennersdorf insoweit als gesetzwidrig auf, als dadurch für das Grundstück Nr. 85/4, KG Hennersdorf, die Widmung Bauland-Kerngebiet festgelegt worden war (VfSlg. 12.480/1990). Auf Grundlage dieses Erkenntnisses hob der Verfassungsgerichtshof auch - u.a. im Hinblick auf die von der nunmehrigen Erstbeschwerdeführerin erhobene Beschwerde - den angefochtenen Bescheid vom 2. Mai 1988 wegen Verletzung in Rechten aufgrund der Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung auf (s. VfSlg. 12.478/1990).

In weiterer Folge gab die Niederösterreichische Landesregierung mit Bescheid vom 8. Februar 1991 der Vorstellung - u.a. der nunmehrigen Erstbeschwerdeführerin - statt, behob den angefochtenen Bescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der Gemeinde Hennersdorf. Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes hätte zur Folge, dass für das gegenständliche Grundstück keine Festlegung einer Widmungs- und Nutzungsart iSd Niederösterreichischen Raumordnungsgesetzes 1976 gelten würde.

5. Der Gemeinderat der Gemeinde Hennersdorf gab der wieder zu entscheidenden Berufung mit Bescheid vom 13. September 2001 zwar teilweise Folge, bewilligte jedoch abermals die Errichtung einer Spenglerei bzw. Lackiererei auf dem gegenständlichen Grundstück unter Einhaltung bestimmter Bedingungen. Dabei führte die bescheiderlassende Behörde aus, dass zwischenzeitig mit Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Hennersdorf vom 17. Mai 2001 für das bauvorhabensgegenständliche Grundstück nach Durchführung eines gesetzmäßigen Ermittlungsverfahrens neuerlich die Widmung "Bauland-Kerngebiet" festgelegt worden sei, womit eine Änderung der Rechtslage gegenüber dem Zeitpunkt der Erlassung des Vorstellungsbescheides vom 8. Februar 1991 eingetreten sei.

Der gegen den Bescheid vom 13. September 2001

erhobenen Vorstellung (u.a. der nunmehrigen Erstbeschwerdeführerin) wurde mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 28. Jänner 2002 - diesmal aufgrund von Rechtswidrigkeit des Inhaltes der angefochtenen Entscheidung - abermals stattgegeben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der Gemeinde Hennersdorf verwiesen.

6. In der Folge fand am 10. September 2003 am Sitz der Gemeinde Hennersdorf eine Augenscheinsverhandlung statt, in dessen Rahmen u.a. ein raumordnungsfachliches Gutachten erstellt wurde.

Mit Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde

Hennersdorf vom 27. November 2003 wurden die Berufungen - nunmehr auch des jetzigen Zweitbeschwerdeführers - abgewiesen. Die gegen diesen Bescheid vom 27. November 2003 eingebrachte Vorstellung vom 16. Dezember 2003 wurde mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 17. Mai 2004 abgewiesen.

Daraufhin wurde gegen den letztgenannten Bescheid - u. a. durch die nunmehrigen Beschwerdeführer - eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gerichtet, welcher den angefochtenen Bescheid mit Erkenntnis vom 14. November 2006 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes (aufgrund der Notwendigkeit ergänzender Erhebungen hinsichtlich etwaiger Belästigungen durch Lärm, Geruch und Staub) aufhob.

7. In der Folge erließ die Niederösterreichische Landesregierung folgende Bescheide:

7.1. Mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 15. Juni 2007 wurde der Vorstellung abermals Folge gegeben und die Angelegenheit an die Berufungsbehörde verwiesen. Dabei wurde in der Begründung des Bescheides angemerkt, dass die Gemeinde Hennersdorf am 1. März 2005 gemäß §1 Niederösterreichische Bau-Übertragungsverordnung, LGBl. 1090/2-0 idgF, (in der Folge: NÖ Bau-Übertragungsverordnung), die Angelegenheiten der örtlichen Baupolizei bei gewerblichen Betriebsanlagen, die einer Genehmigung durch die Gewerbebehörde bedürften, der Bezirkshauptmannschaft Mödling zur Besorgung übertragen habe; Berufungsbehörde sei daher die Niederösterreichische Landesregierung.

7.2. Am 18. Juli 2007 erging ein weiterer Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung, mit dem der Vorstellung Folge gegeben, der Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Hennersdorf vom 27. November 2003 aufgehoben und zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde Hennersdorf zurückverwiesen wurde.

7.3. Schließlich erließ die Niederösterreichische Landesregierung am 24. Juli 2007 einen weiteren Bescheid, mit dem sie ihren Bescheid vom 18. Juli 2007 dahingehend berichtigte, dass der Berufung Folge gegeben und der Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Hennersdorf vom 22. Dezember 1982 aufgehoben sowie zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Bezirkshauptmannschaft Mödling zurückverwiesen wurde.

Bereits zuvor teilte die Niederösterreichische Landesregierung u.a. den nunmehrigen Beschwerdeführern mit, dass die Zuständigkeit hinsichtlich des gegenständlichen Bauverfahrens gemäß §1 der NÖ Bau-Übertragungsverordnung von der Gemeinde Hennersdorf auf die Bezirkshauptmannschaft Mödling übergegangen sei, weshalb das fortgesetzte Verfahren nur von der Bezirkshauptmannschaft Mödling durchgeführt werden könne.

8. Mit Schreiben vom 1. Juni 2008 an die Niederösterreichische Landesregierung stellten die Beschwerdeführer einen Devolutionsantrag gemäß §73 Abs2 AVG und führten begründend aus, dass die Bezirkshauptmannschaft Mödling trotz mehrerer Urgenzen seitens der Beschwerdeführer seit der Entscheidung der Niederösterreichischen Landesregierung vom 15. Juni 2007 und somit seit beinahe einem Jahr untätig gewesen sei.

In der Folge zogen die Beschwerdeführer mit Schreiben vom 16. Juli 2008 ihren oben angeführten Devolutionsantrag zurück. Begründend führten sie aus, dass ihnen von der Baubehörde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung bis Ende September zugesagt worden sei.

Am 25. September 2008 kam es zu einer mündlichen Verhandlung durch die Bezirkshauptmannschaft Mödling, in der u. a. Stellungnahmen der Amtssachverständigen für Lärmtechnik, Luftreinhaltetechnik, Bautechnik und Raumordnung erfolgten.

Mit Bescheid vom 10. August 2011 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Mödling den Antragstellern die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung einer Spenglerei, welche mit der im Bescheid genannten Projektbeschreibung übereinstimmen müsse; zudem wurde der Bescheid unter der Bedingung der Erfüllung bestimmter Auflagen gewährt.

Die gegen diesen Bescheid von den Beschwerdeführern eingebrachte Berufung vom 26. August 2011 wurde mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 20. Februar 2012 als unbegründet abgewiesen.

9. In der nunmehr gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 20. Februar 2012 gemäß Art144 B-VG erhobenen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wird die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG), auf ein faires Verfahren (Art6 EMRK) und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) sowie die Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen bzw. gesetzwidriger Verordnungsregelungen geltend gemacht, die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt sowie im Falle der Abweisung oder Ablehnung der Beschwerde ihre Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof beantragt.

9.1. Zur behaupteten Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter bringen die Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass in der NÖ Bau-Übertragungsverordnung keine Übergangsbestimmungen enthalten seien. Praktisch alle Änderungen von Verfahrensordnungen enthielten Übergangsbestimmungen, welche bezüglich anhängiger Verfahren fast immer dahingehend lauten würden, dass zum Zeitpunkt einer Änderung von Verfahrensregeln anhängige Verfahren noch nach den bisherigen Vorschriften zu Ende zu führen seien; damit würde auch der Forderung des Verfassungsgerichtshofes entsprochen, dass Verfahrensabläufe für die Parteien des Verfahrens planbar sein müssten. Durch die nicht vorhandenen Übergangsbestimmungen sei es im gegenständlichen Fall zur völlig absurden Situation gekommen, dass die Bezirkshauptmannschaft Mödling über ein vor mehr als 25 Jahren eingebrachtes Bauansuchen auf einmal als Behörde erster Instanz entschieden habe. Eine massivere Entziehung des Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sei wohl kaum mehr vorstellbar.

9.2. Des Weiteren habe die belangte Behörde u.a. deshalb Willkür geübt, weil sie sich mit dem sehr detaillierten Vorbringen der Beschwerdeführer lediglich äußerst oberflächlich auseinandergesetzt habe.

9.3. Zudem erachten sich die Beschwerdeführer auch in ihrem Recht auf ein faires Verfahren iSd Art6 EMRK verletzt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erachte Ansprüche im Zusammenhang mit der Nutzung von Grundstücken, v. a. Ansprüche aus dem Baurecht iVm der Erteilung einer Baubewilligung, als solche zivilrechtlicher Natur. Es sei daher im vorliegenden Fall von einer zivilrechtlichen Angelegenheit iSd Art6 EMRK auszugehen.

Verfahren, welche mehr als zehn Jahre dauern, würden vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte fast durchgehend als zu lange angesehen werden; es könne keinen Zweifel daran geben, dass ein - in diesem Jahr - bereits 30 Jahre dauerndes Verfahren einen kaum mehr zu überbietenden Verstoß gegen Art6 EMRK darstelle. Zum möglichen Einwand, dass die Verfahrensdauer üblicherweise nur ein Nachteil für den Bauwerber sei, sei darauf hinzuweisen, dass das vom Bauansuchen betroffene Gebäude schon längst errichtet worden sei und §35 Abs2 Z3 der Niederösterreichischen Bauordnung vorsehe, dass die Baubehörde den Abbruch eines Bauwerkes, für welches keine Baubewilligung oder eine Anzeige vorliege, erst dann zulasse, wenn der Eigentümer den für die fehlende Bewilligung erforderlichen Antrag oder die Anzeige nicht innerhalb der von der Baubehörde hiezu bestimmten Frist eingebracht habe. Nachdem die Baubehörde im vorliegenden Antrag ein derartiges Ansuchen um Genehmigung des schon ausgeführten aber noch nicht bewilligten Bauwerkes sehe, könne sie auch nach 30 Jahren noch immer den Standpunkt vertreten, dass ein Abbruchauftrag nicht zulässig sei. Dies führe im Ergebnis dazu, dass die Beschwerdeführer als Anrainer bereits seit 30 Jahren keine Möglichkeit hätten, Druck auf die Baubehörde 1. Instanz - bspw. durch Einbringen einer Strafanzeige wegen Amtsmissbrauches - auszuüben, weil die Baubehörde hiebei nur auf das anhängige Verfahren verweisen müsse.

Aus den angeführten Gründen fielen die Beschwerdeführer daher jedenfalls unter den Schutzzweck des Art6 EMRK und wäre dies vom Verfassungsgerichtshof wahrzunehmen.

9.4. Schließlich regen die Beschwerdeführer die Prüfung der Verfassungs- bzw. Gesetzmäßigkeit jener Gesetzes- bzw. Verordnungsbestimmungen an, mit welchen es zur Übertragung der für den vorliegenden Fall relevanten Zuständigkeiten auf die Bezirkshauptmannschaft Mödling gekommen sei.

10. Die Niederösterreichische Landesregierung als belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und ihr als Ersatz der Kosten den Schriftsatz- und Vorlageaufwand in tarifmäßiger Höhe zuzuerkennen.

Zur Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes, im Detail darzulegen, in welchen einzelnen Schritten das Verwaltungsverfahren abgelaufen sei bzw. aus welchen Gründen sich die lange Verfahrensdauer ergebe, führte die belangte Behörde lediglich Folgendes aus:

"Der lange Verfahrensverlauf wurde durch die fortwährenden Einsprüche und Rechtsmittel der Beschwerdeführer, die das Baubewilligungsverfahren als einen Schauplatz für die Austragung ihres bereits jahrzehntelang andauernden innerfamiliären Streits mit den Bauwerbern benützen, und die daraus resultierenden Projektänderungen verursacht. Im Übrigen erlaubt sich die angefochtene Behörde darauf hinzuweisen, dass es sich beim gegenständlichen Verfahren um ein Baubewilligungsverfahren und nicht um ein baupolizeiliches Verfahren handelt, mit welchem gegen einen etwaig konsenslos errichteten Bau vorgegangen werden kann. Die Einwendungen der Beschwerdeführer müssen daher ins Leere gehen."

II. Erwägungen zur Verletzung des Art6 EMRK

1. Art6 Abs1 EMRK bestimmt u.a., dass jedermann "Anspruch darauf [hat], daß seine Sache [...] innerhalb einer angemessenen Frist gehört wird, und zwar von einem [...] Gericht, das über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen [...] zu entscheiden hat".

Die Angemessenheit der Verfahrensdauer ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte nicht abstrakt, sondern im Lichte der besonderen Umstände jedes einzelnen Falles zu beurteilen. Die besonderen Umstände des Einzelfalles ergeben sich aus dem Verhältnis und der Wechselwirkung verschiedener Faktoren. Neben Faktoren, welche die Verfahrensdauer beeinflussen, nämlich die Schwierigkeit des Falles, das Verhalten des Beschwerdeführers und das Verhalten der staatlichen Behörden in dem bemängelten Verfahren, ist auch die Bedeutung der Sache für den Beschwerdeführer relevant (vgl. VfSlg. 17.307/2004, 17.582/2005, 17.644/2005, 18.509/2008; zur Anwendbarkeit des Art6 EMRK im Bauverfahren vgl. VfSlg. 18.658/2008).

Nicht eine lange Verfahrensdauer schlechthin führt zu einer Verletzung, sondern nur eine Verzögerung, die auf Versäumnisse staatlicher Organe zurückzuführen ist. Der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist daher keine fixe Obergrenze für die Angemessenheit der Verfahrensdauer zu entnehmen, ab deren Überschreitung jedenfalls eine Verletzung des Art6 Abs1 EMRK anzunehmen wäre (vgl. VfSlg. 16.385/2001 mH auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte; VfSlg. 17.821/2006, 18.066/2007, 18.509/2008).

2. Das Verwaltungsverfahren begann mit dem Antrag der mitbeteiligten Parteien am 22. März 1982; der von der Erstbeschwerdeführerin zu Beginn dieses Verwaltungsverfahrens bekämpfte Bescheid erging am 22. Dezember 1982. Der das Verfahren schließlich erledigende, von den Beschwerdeführern nunmehr angefochtene Bescheid erging am 20. Februar 2012 und wurde den Beschwerdeführern am 22. Februar 2012 zugestellt. Die gesamte Verfahrensdauer beträgt somit etwa 30 Jahre.

3. Die bereits in ihrem Gesamtausmaß unangemessene Dauer des Verfahrens ist allein dem Verhalten staatlicher Organe zuzuschreiben (vgl. EGMR 16.12.2003, Fall Mianowski, Appl. 42.083/98). Den Beschwerdeführern kann insbesondere kein Vorwurf daraus gemacht werden, dass sie zur Durchsetzung ihrer Rechte sowohl den Verfassungsgerichtshof als auch den Verwaltungsgerichtshof angerufen haben. Angesichts dessen kann den Beschwerdeführern nicht zur Last gelegt werden, dass sie nicht in jeder Phase des Verfahrens Säumnisbehelfe ergriffen haben. Dabei ist der Umstand nicht relevant, dass die Beschwerdeführer zwischenzeitig einen Devolutionsantrag an die Niederösterreichische Landesregierung stellten, den sie in der Folge zurückzogen, weil ihnen von der Baubehörde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zugesagt worden war.

An dieser Beurteilung vermag auch die lapidare Mitteilung der belangten Behörde nichts zu ändern, die auf Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes, im Detail darzulegen, in welchen einzelnen Schritten das Verwaltungsverfahren abgelaufen sei bzw. aus welchen Gründen sich die lange Verfahrensdauer ergebe, lediglich ausführte, der lange Verfahrensverlauf sei durch die fortwährenden Einsprüche und Rechtsmittel der Beschwerdeführer und die daraus resultierenden Projektänderungen verursacht worden, wobei im Hintergrund ein Nachbarschaftsstreit stehe.

Selbstverständlich ist es den Beschwerdeführern nicht vorzuwerfen, wenn sie auch durch wiederholte Rechtsmittel ihren Rechtsstandpunkt - mit Erfolg - durchzusetzen suchen. Die belangte Behörde legt auch nicht dar, dass die einzelnen Einsprüche nicht zweckentsprechend gewesen seien oder die Beschwerdeführer in irgendeiner anderen Weise das Verfahren verzögert hätten. Nur zur Abrundung sei darauf hingewiesen, dass allein nach der aufhebenden Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 12.478/1990) und der ihr folgenden Stattgabe der Vorstellung durch die Niederösterreichische Landesregierung am 8. Februar 1991 der Gemeinderat der Gemeinde Hennersdorf zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung bis zum 13. September 2001 brauchte, sohin rund zehn Jahre.

4. Die Beschwerdeführer sind daher in ihrem durch

Art6 Abs1 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf eine Entscheidung innerhalb angemessener Frist verletzt worden.

5. Durch die (begehrte) Aufhebung des das (bisherige) überlange Verfahren (vorläufig) abschließenden, angefochtenen Bescheides würde diese Rechtsverletzung aber nicht beseitigt, sondern im Gegenteil sogar insoweit verschärft werden, als das Ende des Verfahrens noch weiter verzögert werden würde. Der Verfassungsgerichtshof hat sich deshalb auf den Ausspruch zu beschränken, dass eine Verletzung der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf eine Entscheidung innerhalb angemessener Frist nach Art6 Abs1 EMRK stattgefunden hat; insoweit ist folglich der Antrag, den angefochtenen Bescheid aufzuheben, abzuweisen (vgl. VfSlg. 17.307/2004, 17.644/2005).

III. Ablehnung

Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde in einer nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossenen Angelegenheit ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

Die vorliegende Beschwerde rügt auch die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG). Nach den Beschwerdebehauptungen wären diese Rechtsverletzungen aber zum erheblichen Teil nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen insoweit nicht anzustellen.

Soweit die Beschwerde aber insofern verfassungsrechtliche Fragen berührt, als die Rechtswidrigkeit der den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften behauptet wird, lässt ihr Vorbringen vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat:

Mit der NÖ Bau-Übertragungsverordnung werden Angelegenheiten der örtlichen Baupolizei bei gewerblichen Betriebsanlagen, die einer Genehmigung durch die Gewerbebehörde bedürfen, aus dem eigenen Wirkungsbereich von Gemeinden auf die jeweiligen Bezirkshauptmannschaften zur Besorgung generell übertragen. Gegen eine solche Übertragung bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. VfSlg. 8172/1977, 15.639/1999). Wenn es in einem Verwaltungsverfahren zu keiner Verfahrenskonzentration kommt, weil das gewerberechtliche Verfahren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Übertragungsnorm bereits abgeschlossen war, so bedeutet dies nicht, dass damit der Grund für die Erlassung der Verordnung weggefallen und diese gemäß Art118 Abs7 B-VG aufzuheben ist.

Die Angelegenheit ist auch nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen.

Demgemäß wurde beschlossen, im Übrigen von einer Behandlung der Beschwerde abzusehen und sie insoweit gemäß Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.

IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Die Beschwerdeführer sind in ihrem durch Art6 Abs1 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf eine Entscheidung innerhalb angemessener Frist verletzt worden.

2. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und insoweit dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG und enthält die Kosten in der beantragten Höhe, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Beschwerdeführer im Hinblick auf die Feststellung der Verletzung des Art6 Abs1 EMRK zur Gänze durchgedrungen sind. In den zugesprochenen Kosten sind Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,- und eine Eingabegebühr in der Höhe von € 220,- enthalten. Die von der belangten Behörde begehrten Kosten werden nicht zugesprochen.

4. Diese Beschlüsse konnten gemäß §19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG bzw. §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.

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