VfGH B249/12

VfGHB249/1227.6.2012

Zurückweisung einer Beschwerde wegen nicht (rechtzeitig) behobenen Mangels formeller Erfordernisse

Normen

VfGG §18, §19 Abs3 Z2 litc
ZustG §17
VfGG §18, §19 Abs3 Z2 litc
ZustG §17

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Sachverhalt

1. Die Beschwerde richtet sich gegen den oben angeführten Verwaltungsakt.

2. Mit Schreiben vom 13. März 2012 - zugestellt durch Hinterlegung am 14. März 2012 (Beginn der Abholfrist: 15. März 2012) - forderte der Verfassungsgerichtshof die Beschwerdeführerin gemäß §18 VfGG unter Hinweis auf die Säumnisfolgen unter anderem auf, innerhalb von zwei Wochen die Beschwerde durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen.

3. In einem am 30. März 2012 beim Verwaltungsgerichtshof abgegebenen und am 2. April 2012 beim Verfassungsgerichtshof eingelangten "Schriftsatz zur Entsprechung des Mängelbehebungsauftrages gem. §18 VfGG vom 13. März 2012" führt die Beschwerdeführerin zur Rechtzeitigkeit aus wie folgt:

"Die Verfügung vom 13.[ ]März 2012 wurde der Beschwerdeführerin am 14.[ ]März 2012 wegen Ortsabwesenheit beim Postamt 2384 Breitenfurt hinterlegt. Sie hatte sich in ihrem weiteren Wohnsitz, der hier verfahrensgegenständlichen Liegenschaft in Gars a. K.[,] aufgehalten. Die Ortsabwesenheit endete am 18.[ ]März 2012. Die nächstmögliche Abholung der hinterlegten Sendung erfolgte am 19.[ ]März 2012. Die heute zur Post gegebene verbesserte Bescheidbeschwerde ist daher rechtzeitig."

4. Mit Schreiben vom 4. April 2012 - zugestellt am 6. April 2012 - forderte der Verfassungsgerichtshof die Beschwerdeführerin im Hinblick auf §17 ZustellG auf, innerhalb von einer Woche die näheren Umstände ihrer behaupteten Ortsabwesenheit bekanntzugeben und diese nachzuweisen.

5.1. In der am 13. April 2012 beim Verfassungsgerichtshof abgegebenen "Bekanntgabe" heißt es auszugsweise wie folgt:

"[...] Die Beschwerdeführerin hat einen Nebenwohnsitz in Gars am Kamp, K[.]straße 44. An Wochenenden und zur Wartung und Pflege ihres Nebenwohnsitzes hält sie sich je nach Bedarf dort auf.

[...]

[...] Zum Zeitpunkt der Hinterlegung des Mängelbehebungsauftrags am 14.3.2012 war die Beschwerdeführerin an ihrem Zweitwohnsitz in Gars am Kamp aufhältig. Ihre Anwesenheit dort war erforderlich, um notwendige Gartenarbeiten und den Frühjahrsputz zu erledigen. Die Beschwerdeführerin pflegte dort auch das Grab ihrer Eltern in Vorbereitung auf die Karwoche und das bevorstehende Osterfest. Die Beschwerdeführerin hielt sich bis zum 16.3.2012 in Gras am Kamp auf. Der Ehemann der Beschwerdeführerin, Herr DI J[.] B[.], kann die Abwesenheit der Beschwerdeführerin aus Breitenfurt in diesem Zeitraum bezeugen.

[...]

[...] Am 16.3.2012 begab sich die Beschwerdeführerin von Gars aus direkt nach Rastenberg im Waldviertel, welches von Gars am Kamp aus gut erreichbar ist. Dort besuchte sie ein Seminar im Seminarhaus 'Die Lichtung' und verweilte bis zum 18.3.2012. Am 18.3.2012 kehrte die Beschwerdeführerin nach Gars zurück. Am 19.3.2012 fuhr sie nach Breitenfurt und behob die Sendung, die am 14.3.2012 hinterlegt worden war.

[...]

Die Eingabe vom 30.3.2012, mit der der

rechtsfreundliche Vertreter die Beschwerde der Beschwerdeführerin einbrachte, erfolgte somit innerhalb offener Frist und war rechtzeitig."

5.2. Einer dieser Bekanntgabe beigelegten eidesstattlichen Erklärung des Ehemannes der Beschwerdeführerin ist unter anderem zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin ihren Nebenwohnsitz in Gars am Kamp am 14. März 2012 aufgesucht hat und dass er selbst wegen eines Krankenhausaufenthaltes in Wien ebenfalls vorübergehend ortsabwesend war.

II. Rechtslage

§17 Abs1 und 3 ZustellG, BGBl. 200/1982 idF BGBl. I 111/2012, lautet:

"Hinterlegung

§17. (1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des §13 Abs3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

[...]

(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei

Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des §13 Abs3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

[...]"

III. Erwägungen

1. Da die Beschwerdeführerin ihren Hauptwohnsitz erst am 14. März 2012 verlassen hat, bestand für den Zusteller kein Grund zur Annahme, dass sie (oder ein Vertreter) sich nicht regelmäßig an der Abgabestelle aufhält. Die Hinterlegung des Schreibens des Verfassungsgerichtshofes vom 13. März 2012 beim Postamt Breitenfurt war somit zulässig.

2.1. Der erste Tag der Abholfrist war der 15. März 2012. Das Schreiben des Verfassungsgerichtshofes vom 13. März 2012 würde nur dann nicht an diesem Tag als zugestellt gelten, wenn sich ergebe, dass die Beschwerdeführerin (oder ein Vertreter) wegen Abwesenheit von der Abgabestelle "nicht rechtzeitig" vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte.

2.2. Ob jemand vom Zustellvorgang "rechtzeitig"

Kenntnis erlangt hat, kann nur nach den Verhältnissen des Einzelfalles beurteilt werden. Wird durch die Zustellung der Beginn einer Rechtsmittelfrist ausgelöst, so erlangt der Empfänger noch "rechtzeitig" vom Zustellvorgang Kenntnis, wenn ihm ein für die Einbringung des Rechtsmittels angemessener Zeitraum verbleibt. Es ist nicht erforderlich, dass dem Empfänger in Fällen einer Zustellung durch Hinterlegung stets die "volle Frist" für die Erhebung eines allfälligen Rechtsmittels zur Verfügung stehen muss (vgl. VwGH 28.2.2007, 2006/13/0178 und die dort zitierte Vorjudikatur). In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wurde beispielsweise noch keine unzulässige Verkürzung einer zweiwöchigen Rechtsmittelfrist bei einer verbleibenden Dauer zur Ausführung des Rechtsmittels von zehn Tagen angenommen (VwGH 24.2.2000, 2000/02/0027; 18.3.2004, 2001/03/0284).

2.3. Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes

wird die mit einer Rechtsmittelfrist vergleichbare zweiwöchige Frist zur Behebung eines Formmangels nicht dadurch unangemessen verkürzt, dass die Zustellung des Mängelbehebungsauftrages des Verfassungsgerichtshofes vom 13. März 2012 durch Hinterlegung dieses Schreibens am 14. März 2012 (Beginn der Abholfrist: 15. März 2012) und die Behebung am 19. März 2012 erfolgte. Da somit die Abwesenheit der Beschwerdeführerin von der Abgabestelle nicht dazu geführt hat, dass sie nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, galt der Mängelbehebungsauftrag vom 13. März 2012 am ersten Tag der Abholfrist (15. März 2012) als zugestellt. Die zweiwöchige Mängelbehebungsfrist ist somit am 29. März 2012 abgelaufen. Folglich wurde durch den am 30. März 2012 beim Verwaltungsgerichtshof abgegebenen und am 2. April 2012 beim Verfassungsgerichtshof eingelangten "Schriftsatz zur Entsprechung des Mängelbehebungsauftrages gem. §18 VfGG vom 13. März 2012" dem Mängelbehebungsauftrag nicht rechtzeitig entsprochen.

IV. Ergebnis

Die Beschwerde ist daher gemäß §19 Abs3 Z2 litc VfGG wegen nicht (rechtzeitig) behobenen Mangels formeller Erfordernisse ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

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