VfGH B246/99

VfGHB246/9919.6.2000

Keine Verletzung des Doppelbestrafungsverbotes durch Verwaltungsstrafe wegen Nichtbefolgung der Aufforderung eines Straßenaufsichtsorgans trotz strafgerichtlichen Freispruchs wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt; unterschiedlicher Schuld- und Unrechtsgehalt und somit unterschiedliches Strafbedürfnis der strafgesetzlichen und der verwaltungstrafrechtlichen Bestimmung hinsichtlich der vorliegenden Rechtsverletzungen

Normen

EMRK 7. ZP Art4
StGB §269
StVO 1960 §97 Abs5
StVO 1960 §99 Abs6 litc
EMRK 7. ZP Art4
StGB §269
StVO 1960 §97 Abs5
StVO 1960 §99 Abs6 litc

 

Spruch:

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Der Beschwerdeführer lenkte - nach den unbestritten gebliebenen Feststellungen der belangten Behörde - am 5. Oktober 1997 auf einer Freilandstraße einen Pkw und wurde im Zuge der Durchführung eines Planquadrates von einem am rechten Fahrbahnrand stehenden Organ der Straßenaufsicht mit einem rot beleuchteten Anhaltestab, den das Straßenaufsichtsorgan auf den Beschwerdeführer gerichtet auf und ab schwenkte, zum Anhalten aufgefordert. Der Beschwerdeführer, der diese Anhalteaufforderung wahrnahm und auch auf sich bezog, entschloß sich jedoch in einer - nach eigenen Worten - Art Kurzschlußhandlung, der Anordnung nicht Folge zu leisten, und fuhr weiter. Das Straßenaufsichtsorgan gab über Funk die Meldung, daß der Lenker des näher bezeichneten Pkw der Aufforderung zum Anhalten nicht Folge geleistet habe, an in der Nähe postierte Straßenaufsichtsorgane weiter, die ihrerseits mit einem gleichartig ausgerüsteten, rot beleuchteten Anhaltestab dem sich nunmehr mit seinem Pkw nähernden Beschwerdeführer deutlich sichtbare Zeichen zum Anhalten gaben. Der Beschwerdeführer nahm diese Aufforderung wahr, verringerte seine Geschwindigkeit und blinkte rechts, was von den Straßenaufsichtsorganen als Entscheidung, nun anzuhalten, gewertet wurde. Tatsächlich gab der Beschwerdeführer jedoch plötzlich Gas und fuhr weiter, wodurch der eine der beiden Beamten gezwungen war, zum rechten Fahrbahnrand zu gehen, um aus der Fahrlinie des Pkw zu gelangen. Der hinter diesem stehende zweite Beamte mußte ebenfalls zur Seite gehen. Dabei entglitt ihm die zur Abgabe des Aufforderungszeichen notwendige Taschenlampe und fiel auf die rechte Seite der Windschutzscheibe des Pkw des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer setzte seine Fahrt jedoch fort.

1.2. Mit Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 12. Dezember 1997 war der Beschwerdeführer vom Vorwurf, er habe in drei Angriffen dadurch, daß er mit seinem Pkw auf drei Straßenaufsichtsorgane, die im Begriff gestanden seien, eine Verkehrskontrolle vorzunehmen, losgefahren sei, sodaß die Beamten die Fahrbahn verlassen hätten müssen, Beamte durch gefährliche Drohung an einer Amtshandlung gehindert und hiedurch das Vergehen des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §269 Abs1 StGB begangen und sei hiefür nach §269 Abs1 erster Strafsatz StGB zu bestrafen, mangels Schuldbeweises freigesprochen worden. Das Urteil erwuchs in Rechtskraft.

1.3. Mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 15. Dezember 1998 wurde der Beschwerdeführer nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß §97 Abs5 iVm. §99 Abs3 lita StVO 1960 zu zwei Geldstrafen in Höhe von jeweils S 2.000,- (Ersatzfreiheitsstrafe jeweils 72 Stunden) verurteilt. In der Begründung dieses Bescheides wurde angeführt, daß der Beschwerdeführer zwar die Aufforderung zum Anhalten ignoriert habe, jedoch nicht davon die Rede sein könne, daß er auf die Straßenaufsichtsorgane zugefahren sei, weil sich diese nicht etwa durch Wegspringen "retten" mußten, um sich vor ihm in Sicherheit zu bringen.

Zur bereits in der Berufung geltend gemachten Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Verbots der Doppelbestrafung führt der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in der Bescheidbegründung aus:

"Die Betrachtung des Vorfalls im Lichte des §269 Abs1 StGB ... ergibt in objektiver Hinsicht jedenfalls erhebliche Zweifel bezüglich des 'Losfahrens', wobei der Rechtsmittelwerber, wie der Beschuldigtenvertreter in der mündlichen Verhandlung glaubhaft mitteilte, eben deshalb, weil ein solches 'Losfahren' nicht zu erblicken war, vor dem Landesgericht Ried/I freigesprochen wurde, obwohl laut der gekürzten Urteilsausfertigung der Freispruch mit dem Fehlen eines Schuldbeweises begründet wurde.

Die Frage, ob nun die verwaltungsstrafrechtlich dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat gleichzeitig den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallende strafbare Handlung verwirklicht, ist deshalb zu verneinen, weil die Nichtbefolgung einer durch ein Straßenaufsichtsorgan ergehenden Aufforderung zum Anhalten nicht zum Tatbestand des §269 Abs1 StGB gehört, sondern dieser ausdrücklich von der Hinderung eines Beamten an einer Amtshandlung 'mit Gewalt oder der Drohung mit Gewalt' ausgeht und schon das Strafgericht weder eine Gewalt noch eine Drohung mit Gewalt im gegenständlichen Fall zu erblicken vermochte.

Der Tatbestand des als bloßes Ungehorsamsdelikt konstruierten §97 Abs5 StVO 1960 ist hingegen schon beim Zuwiderhandeln gegen das Gebot, der durch ein Straßenaufsichtsorgan an einen Fahrzeuglenker gerichteten Aufforderung zum Anhalten Folge zu leisten, erfüllt."

2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht, nicht einer unzulässigen Doppelbestrafung unterzogen zu werden, behauptet sowie die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.

Zur Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Doppelbestrafungsverbots bringt der Beschwerdeführer vor, daß im Verwaltungsstrafverfahren genau jenes Verhalten des Beschwerdeführers geprüft worden sei, das auch den Gegenstand des Strafverfahrens vor dem Landesgericht Ried im Innkreis gebildet habe. Das von der Verwaltungsstrafbehörde verfolgte "Nichtanhalten" im Sinne des §97 Abs5 StVO 1960 stelle sohin nur einen Teilaspekt des Tatvorwurfes nach §269 Abs1 StGB dar; der Vorwurf des "Losfahrens" auf die Beamten schließe klar den ihm im Verwaltungsstrafverfahren gemachten Vorwurf mit ein. Darüberhinaus habe die belangte Behörde auch die einfachgesetzliche Norm des §99 Abs6 litc StVO 1960 verletzt.

3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet.

In den dem Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren zur Last gelegten Verwaltungsstraftaten könne keine den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung verwirklichende Tat im Sinne des §99 Abs6 litc StVO 1960 erblickt werden. Insbesondere unterscheide sich der vorliegende Fall daher grundlegend vom Fall Gradinger gegen Österreich. Im vorliegenden Fall sei lediglich im zeitlichen Ablauf der Geschehnisse ein Zusammenhang gegeben, jedoch sei der vorliegende Verwaltungsstraftatbestand schon allein durch das Nichtanhalten als erfüllt anzusehen, während das Tatbild des §269 Abs1 StGB ein weitergehendes Verhalten des Täters erfordere. Diese Rechtsansicht der belangten Behörde habe sich auch durch das Urteil des EGMR im Fall Oliveira gegen Schweiz vom 30. Juli 1998, 84/1997/868/1080, bestätigt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Zur behaupteten Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Verbots der Doppelbestrafung:

1.1. Gemäß Art4 Abs1 7. ZPEMRK darf niemand wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden.

1.2. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in mehreren Gesetzesprüfungsverfahren mit dem Doppelbestrafungsverbot befaßt und ausgesprochen, daß eine Regelung, wonach eine Tat, durch die mehrere Delikte verwirklicht werden (Idealkonkurrenz), noch nicht dem in Art4 des 7. ZPEMRK festgelegten Verbot der Doppelbestrafung widerspricht (vgl. VfSlg. 14696/1996, 15128/1998, 15199/1998, 15293/1998).

Eine Strafdrohung oder eine Strafverfolgung wegen einer strafbaren Handlung wird demnach im Hinblick auf Art4 7. ZPEMRK erst dann unzulässig (vgl. VfSlg. 14696/1996),

"wenn sie bereits Gegenstand eines Strafverfahrens war; dies ist der Fall, wenn der herangezogene Deliktstypus den Unrechts- und Schuldgehalt eines Täterverhaltens vollständig erschöpft, sodaß ein weitergehendes Strafbedürfnis entfällt, weil das eine Delikt den Unrechtsgehalt des anderen Delikts in jeder Beziehung mitumfaßt (Kienapfel, Grundriß des österreichischen Strafrechts, 6. Aufl., 1996, 245). ... Strafverfolgungen bzw. Verurteilungen wegen mehrerer Delikte, die auf Straftatbeständen fußen, die einander wegen wechselseitiger Subsidiarität, Spezialität oder Konsumtion jedenfalls bei eintätigem Zusammentreffen ausschließen, bilden verfassungswidrige Doppelbestrafungen, wenn und weil dadurch ein- und dieselbe strafbare Handlung strafrechtlich mehrfach geahndet wird. (Vgl. zur Annahme bloßer Scheinkonkurrenzen, um dem Vorwurf der Doppelbestrafung zu entgehen, OGH - verst. Senat - 21. November 1991, 14 Os 127/90 = RZ 1993/47, unter Berufung auf Burgstaller, Die Scheinkonkurrenz im Strafrecht, JBl 1978, S 393 ff., 459 ff.)"

Fälle der Scheinkonkurrenz von Delikten aufgrund von Spezialität, Konsumtion oder stillschweigender Subsidiarität sind grundsätzlich durch Auslegung und Anwendung der verschiedenen Strafbestimmungen festzustellen. Dabei muß dem verfassungsrechtlichen Verbot der Doppelbestrafung im Wege verfassungskonformer Auslegung der einzelnen Straftatbestände entsprochen werden.

Ob mehrere Delikte eintätig zusammentreffen können oder die Anwendung eines Straftatbestandes die Bestrafung nach einem anderen ausschließt, ist den gesetzlichen materiellen Strafbestimmungen zu entnehmen (vgl. VfSlg. 15199/1998).

Der Gerichtshof hat diese Ausführungen im eben zitierten Erkenntnis durch die Feststellung ergänzt, daß für den Fall des Vorliegens einer Scheinkonkurrenz eines Deliktes nach Verwaltungsstrafrecht und eines Deliktes nach gerichtlichem Strafrecht in verfahrensrechtlicher Hinsicht die zur Anwendung des VStG 1991 berufene Verwaltungsbehörde nach §30 Abs2 und 3 VStG 1991 vorzugehen und den in diesen Bestimmungen normierten Vorrang des Gerichtes zur Beurteilung seiner Zuständigkeit zu beachten hat.

1.3. Im Erkenntnis VfSlg. 15293/1998 hat der Gerichtshof ausdrücklich auf das Urteil des EGMR im Fall Oliveira gg. Schweiz vom 30.7.1998, Z84/1997/868/1080, Bezug genommen. Diesem Verfahren lag ein Verkehrsunfall zugrunde, bei dem ein Fahrzeug, das auf einer mit Eis und Schnee bedeckten Straße auf die andere Straßenseite geraten war, zuerst ein anderes Fahrzeug streifte und dann mit einem zweiten Fahrzeug zusammenstieß, dessen Lenker schwere Verletzungen erlitt. Weil die Fahrzeuglenkerin die Geschwindigkeit ihres Fahrzeuges nicht den Straßenverhältnissen angepaßt und so die Kontrolle über ihr Fahrzeug verloren hatte, verhängte ein Polizeirichter eine Geldbuße. Zusätzlich wurde die Fahrzeuglenkerin von einem Strafgericht wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe, von der die ursprüngliche Strafe abgezogen worden war, verurteilt.

Der EGMR hat in der genannten Entscheidung ausgesprochen, daß dies ein typisches Beispiel dafür sei, daß eine einzelne Handlung mehrere Straftatbestände erfülle (Idealkonkurrenz von Straftaten). Das charakteristische Merkmal dieses Begriffs liege darin, daß ein einzelnes strafbares Verhalten in zwei getrennte Straftatbestände aufgeteilt werde, in diesem Fall der Verlust der Kontrolle über das eigene Fahrzeug und die fahrlässige Körperverletzung. In solchen Fällen absorbiere die schwerere Strafe gewöhnlich die geringere. Nichts daran verletze Art4 7. ZPEMRK, weil diese Bestimmung es verbiete, einen Menschen zweimal wegen desselben Straftatbestandes zu verfolgen, während in Fällen, in denen eine Handlung mehrere Straftatbestände erfülle (Idealkonkurrenz), eine strafbare Handlung zwei getrennte Straftatbestände erfülle (Z26). Art4 7. ZPEMRK schließe auch nicht aus, daß getrennte Straftatbestände, selbst wenn sich diese auf ein einziges strafbares Verhalten bezögen, von unterschiedlichen Gerichten verfolgt würden, insbesondere wenn, wie im vorliegenden Fall, die Strafen nicht kumulativ verhängt würden, sondern die geringfügigere Strafe von der schwereren absorbiert werde (Z27).

1.4. Im vorliegenden Fall verletzten zwei bzw. drei gleichartige Handlungen des Beschwerdeführers mehrere Straftatbestände. Er wurde sohin aufgrund desselben Verhaltens wegen der Verwirklichung mehrerer Delikte verfolgt bzw. bestraft (Idealkonkurrenz).

§269 Abs1 StGB ordnet die gerichtliche Bestrafung desjenigen an, der eine Behörde mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt oder der einen Beamten mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung an einer Amtshandlung hindert.

Gemäß §97 Abs5 erster und zweiter Satz StVO 1960 in der zum Tatzeitpunkt am 5. Oktober 1997 geltenden Fassung der 19. StVO-Novelle sind Organe der Straßenaufsicht berechtigt, durch deutlich sichtbare Zeichen Fahrzeuglenker zwecks Lenker- oder Fahrzeugkontrolle oder anderer den Fahrzeuglenker oder eine beförderte Person betreffenden Amtshandlungen zum Anhalten aufzufordern. Der Fahrzeuglenker hat der Aufforderung Folge zu leisten.

Der Beschwerdeführer vermeint unter Berufung auf den Fall Marte-Achberger gegen Österreich (Bericht der Europäischen Menschenrechtskommission vom 9. April 1997, Beschwerde 22541/93; NL 1997/5/4) dartun zu können, daß auch den gegenständlichen Verfahren ein identer Sachverhalt - "dasselbe Verhalten des Beschwerdeführers" - zugrunde liege, weshalb im Hinblick auf den Grundsatz des "ne bis in idem" im Verwaltungsstrafverfahren keine Bestrafung wegen der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Übertretungen ausgesprochen hätte werden dürfen. Soweit der Beschwerdeführer vom Vorliegen eines identen Sachverhaltes, sohin von der Bestrafung desselben Verhaltens des Beschwerdeführers in zwei getrennten Verfahren ausgeht, so ist dem nicht entgegenzutreten. Nicht zutreffend ist jedoch die Ansicht des Beschwerdeführers, daß durch die Verfolgung dieser Handlungen im gerichtlichen Strafverfahren und im Verwaltungsstrafverfahren Art4 Abs1 7. ZPEMRK verletzt worden wäre.

Wie von der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides zutreffend ausgeführt, ist unabdingbares Tatbestandsmerkmal des Vergehens nach §269 Abs1 StGB das Hindern eines Beamten an der Amtshandlung mit Gewalt oder die an ihn gerichtete gefährliche Drohung. Das Strafgericht hatte das Verhalten des Beschwerdeführers auf dessen Tatbildmäßigkeit, Rechtswidrigkeit und Schuldhaftigkeit zu prüfen und sprach den Beschwerdeführer nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß §259 Z3 StPO von dem gegen ihn erhobenen Tatvorwurf wegen Nichtgelingens des Schuldbeweises frei. Von diesem Tatvorwurf - Hinderung eines Beamten an einer Amtshandlung mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung - ist jedoch nicht der von der Verwaltungsstrafbehörde erhobene und zu prüfende Vorwurf, der Beschwerdeführer habe als Lenker eines Kfz der Aufforderung von Straßenaufsichtsorganen zum Anhalten nicht Folge geleistet, mitumfaßt. Das Strafgericht hatte das Verhalten des Beschwerdeführers unter dem Gesichtspunkt der gefährlichen Drohung oder Gewaltanwendung in bezug auf die amtshandelnden Beamten zu prüfen, die Verwaltungsstrafbehörde hingegen einen Verstoß gegen eine Lenkerpflicht, nämlich die Übertretung nach §97 Abs5 StVO 1960 - ein Ungehorsamsdelikt - zu verfolgen, dessen Wortlaut auch Verkehrssicherheitsaspekte zu entnehmen sind. Dies wird vor allem deutlich, wenn man den Abs5 im Gesamtgefüge des §97 StVO 1960 betrachtet, insbesondere dessen Abs4.

Wenn nun die belangte Behörde die Voraussetzungen des §99 Abs6 litc StVO 1960 als nicht vorliegend ansah, weil sie die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen nicht als Tatbestände ansah, die zugleich in die Zuständigkeit der Gerichte fallende Tatbestände verwirklichten, so erachtet der Verfassungsgerichtshof diese Rechtsansicht als zutreffend. Der Beschwerdeführer wurde nicht in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht gemäß Art4 Abs1 7. ZPEMRK verletzt, weil neben dem Freispruch im Verfahren betreffend §269 Abs1 StGB auch eine Verwaltungsstrafe nach §97 Abs5 StVO 1960 verhängt wurde. Die genannten Strafgesetze weisen nämlich einen Schuld- und Unrechtsgehalt auf, der von dem jeweils anderen nicht vollständig erschöpft bzw. in jeder Beziehung mitumfaßt ist. Es lag daher hinsichtlich der genannten Rechtsverletzungen ein unterschiedliches Strafbedürfnis vor.

Der Vorwurf des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe das verfassungsgesetzlich gewährleistete Verbot der Doppelbestrafung mißachtet, hat sich daher als nicht zutreffend erwiesen.

2. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in einem sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß er in seinen Rechten wegen Anwendung einer als rechtswidrigen erkannten Norm verletzt wurde.

3. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

4. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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