VfGH B217/82

VfGHB217/8227.2.1984

Disziplinarstatut für Rechsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter; gesetzwidrige Zusammensetzung des Disziplinarrates gemäß §5 der Geschäftsordnung des Disziplinarrates der Oö. Rechtsanwaltskammer vom 14. November 1979; Entzug des gesetzlichen Richters

Normen

B-VG Art83 Abs2
B-VG Art139 Abs6
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
VfGG §88
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art139 Abs6
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
VfGG §88

 

Spruch:

Der Bescheid wird aufgehoben.

Die Rechtsanwaltskammer für OÖ ist schuldig, dem Bf. die mit 16740 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1.1. Mit Erk. des Disziplinarrates der Oö. Rechtsanwaltskammer vom 30. März 1981, Z D 25/75, wurde Dr. K P, Rechtsanwalt in L, des Disziplinarvergehens der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes schuldig gesprochen und hiefür zu einer Geldstrafe in Höhe von 5000 S und zum Ersatz der Verfahrenskosten verurteilt, weil er am 20. Juni 1975 im Namen seines Mandanten einen Prozeßgegner bei der Bundespolizeidirektion Linz wegen Verdachtes des Betruges anzeigte, ohne den objektiven Sachverhalt zu prüfen, sohin diese Anzeige, die sich nachträglich als unrichtig herausstellte, leichtfertig erstattete.

1.1.2. Der dagegen vom Beschuldigten ergriffenen Berufung gab die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter mit Erk. vom 18. Jänner 1982, Z Bkd. 47/81, keine Folge. Zugleich wurde der Beschuldigte zur Tragung der Kosten des Berufungsverfahrens verpflichtet.

1.2.1. Gegen dieses Berufungserk. richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde des Dr. K P an den VfGH, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Freiheit der Erwerbsausübung (Art6 StGG) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

1.2.2. Der VfGH leitete aus Anlaß (auch) dieser Beschwerde gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des §5 der Geschäftsordnung des Disziplinarrates der Oö. Rechtsanwaltskammer vom 14. November 1979, genehmigt mit Erlaß des Bundesministers für Justiz vom 30. November 1979, Z 16311/6-16/79, kundgemacht im Nachrichtenblatt der Österreichischen Rechsanwaltschaft, Heft 1/1980, S 19 ff., ein und hob diese Verordnungsbestimmung mit VfSlg. 9892/1983 als gesetzwidrig auf.

2. Die Beschwerde ist im Ergebnis begründet.

2.1. Im Hinblick auf Art139 Abs6 B-VG hat der VfGH bei seiner Entscheidung so vorzugehen, als ob die im Anlaßbeschwerdefall eingeschrittenen Behörden die als gesetzwidrig aufgehobene Verordnungsbestimmung nicht anzuwenden gehabt hätten. Dies führt zu dem vom VfGH schon in seiner bisherigen Rechtsprechung eingenommenen Standpunkt, daß der Disziplinarrat als das an sich aus der Gesamtzahl seiner Mitglieder bestehende Kollegium zur erstinstanzlichen Disziplinarentscheidung berufen ist (VfSlg. 8711/1979, 9757/1983). Aufgrund der Administrativakten steht nun fest, daß nicht sämtliche Mitglieder des Disziplinarrates zur Verhandlung in der Disziplinarsache des Bf. eingeladen worden waren (s. OZ 52 des Administrativaktes). Wie der VfGH bereits aussprach, verletzt eine dennoch getroffene Entscheidung der Rechtsmittelbehörde, welche den dargelegten, sich auf die Besetzung des vorinstanzlichen Spruchkörpers auswirkenden Mangel nicht aufgreift, das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (VfSlg. 8766/1979, 8845/1980, 9838/1983).

Der angefochtene Bescheid war sohin aufzuheben.

Der Verfahrenskostenersatz gebührte grundsätzlich auch für die Teilnahme an der Verhandlung in dem von Amts wegen eingeleiteten Verordnungsprüfungsverfahren, obwohl der Bf. die Gesetzwidrigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmung in seiner Beschwerde nicht geltend gemacht hatte. Vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens her gesehen, ist nämlich die Intervention in der mündlichen Verhandlung des aufgrund der Beschwerde amtswegig eingeleiteten Verordnungsprüfungsverfahrens durchaus als Schritt zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung zu werten (VfSlg. 8001/1977, 9838/83).

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