VfGH B208/79

VfGHB208/7915.3.1984

Wr. Bauordnung; Nichtgenehmigung einer Abweichung von einer rechtskräftigen Baubewilligung; keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte

Normen

B-VG Art83 Abs2
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
StGG Art5
Flächenwidmungsplan. Plandokument Nr 5040
Wr BauO 1930 §69
Wr BauO 1930 §70 Abs2
Wr BauO 1930 §73
Wr BauO 1930 §127 Abs1 litb und Abs3 litb
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
StGG Art5
Flächenwidmungsplan. Plandokument Nr 5040
Wr BauO 1930 §69
Wr BauO 1930 §70 Abs2
Wr BauO 1930 §73
Wr BauO 1930 §127 Abs1 litb und Abs3 litb

 

Spruch:

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Den Bf. war am 2. August 1972 eine Baubewilligung und am 27. Oktober 1976 ein Planwechsel für ein Bauvorhaben in der E-Straße - Wien - erteilt worden. Mit Eingabe vom 9. November 1978 beantragten die Bf. neuerlich die Genehmigung von Auswechslungsplänen, da die Beschaffenheit des Bodens eine Vergrößerung des Fundamentes und damit des Kellers und des Erdgeschosses notwendig gemacht habe. Hiezu verwiesen sie mit einem zusätzlichen Schreiben vom 17. Dezember 1978 darauf, daß die Beurteilung ihrer Bauangelegenheit unter Zugrundelegung jenes Flächenwidmungsplanes zu erfolgen habe, der im Zeitpunkt der Erteilung der Baubewilligung vom 2. August 1972 gegolten habe. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde mit Bescheid der Magistratsabteilung 37 vom 22. Jänner 1979 gemäß §§70 und 71 der Bauordnung für Wien, LGBl. 11/1930 idF LGBl. 18/1976 (künftig: BO), "die teilweise nachträgliche Bewilligung versagt, von der mit

Bescheid vom 2. Aug. 1972 ... und dem Planwechselbescheid vom 27. Okt. 1976 ... erteilten Baubewilligung" wie folgt abzuweichen:

"Das Gebäude wurde in seiner Lage, seiner bebauten Fläche (durch Vergrößerung der Ausmaße), seinem äußeren Aussehen und seiner inneren Raumeinteilung anders ausgeführt bzw. ist hinsichtlich der inneren Raumeinteilung anders in Ausführung begriffen."

1.2. Über die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung entschied die Bauoberbehörde für Wien mit Bescheid vom 22. März 1979, Z MDR-B XIX-4/79, wie folgt:

"Gemäß §66 Abs4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG 1950, BGBl. Nr. 172/1950) wird der angefochtene Bescheid mit der Abänderung bestätigt, daß er zu lauten hat wie folgt:

Gemäß §§70 und 73 der Bauordnung für Wien wird nach dem mit dem Versagungsvermerk versehenen Plan die Baubewilligung versagt, nach Maßgabe des mit dem Versagungsvermerk versehenen Planes in Abweichung von dem mit rechtskräftigen Bescheid vom 2. August 1972, Z MA 37/19-E-Straße und dem Bescheid vom 27. Oktober 1976, Z MA 37/19-E-Straße bewilligten Bauvorhaben, ein Gebäude zu errichten."

In der Begründung wird den Berufungsausführungen, daß der bekämpfte Bescheid aufgrund eines mangelhaften Verfahrens und unter unrichtiger rechtlicher Beurteilung ergangen sei, mit dem Hinweis auf die Bestimmungen des §73 und des dortverwiesenen §60 BO begegnet. Nach diesen Gesetzesstellen seien beabsichtigte Abweichungen von rechtskräftigen, noch wirksamen Baubewilligungen wie Änderungen an bereits bestehenden Baulichkeiten zu behandeln. Im vorliegenden Fall ergebe sich aus einer vergleichenden Betrachtung des ursprünglichen Konsensplanes und des beabsichtigten zweiten Planwechsels, daß von den Bf. in Wahrheit die Erteilung einer Baubewilligung für ein anderes Gebäude als das seinerzeit bewilligte angestrebt werde. Sämtliche Umfassungsmauern des Gebäudes kämen nun an anderer Stelle zu liegen, als seinerzeit bewilligt wurde. Es sei aber auch nicht so, daß etwa das vorgesehene Gebäude in seiner Konfiguration an sich unverändert geblieben und nur lagemäßig auf der Liegenschaft versetzt worden wäre. Aus den zur Genehmigung vorgelegten Plänen und dem der seinerzeitigen Baubewilligung zugrunde liegenden Konsensplan sei eindeutig ersichtlich, daß das Gebäude nunmehr auch wesentlich größer als ursprünglich bewilligt vorgesehen sei. Auch die vorgesehene innere Einteilung der Räume weiche vom ursprünglichen Konsensplan zur Gänze ab. Demnach wäre anstatt eines Antrags auf Bewilligung baulicher Abänderungen iS des §73 BO ein Antrag auf Erteilung der Baubewilligung für einen Neubau einzubringen gewesen. Abschließend wird im angefochtenen Bescheid ausgeführt:

"... Der erstinstanzliche Bescheid war daher mit den nunmehr im Spruch des Berufungsbescheides vorgenommenen Änderungen inhaltlich zu bestätigen.

Lediglich am Rande seien die Berufungswerber darauf verwiesen, daß für einen Neubau, als welcher sich das von ihnen teilweise errichtete Projekt im rechtlichen Sinne darstellt, die nunmehr gültigen Bestimmungen des Flächenwidmungsplanes maßgeblich sind. Da die Liegenschaft, welche zur Bebauung vorgesehen ist, im Wald- und Wiesengürtel liegt, und dort nur Bauten kleineren Umfanges errichtet werden dürfen, die land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen (Scheunen, Bienenhütten, Werkzeughütten und ähnliches), erscheint die Erteilung der Baubewilligung für das in Rede stehende Objekt wohl als nicht möglich."

2.1. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums, sowie die Anwendung einer gesetzwidrigen V (nämlich des geänderten Flächenwidmungsplanes) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

2.2. Die bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.

3. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

3.1.1. Entgegen dem im Verwaltungsverfahren von den Bf. vertretenen Standpunkt, ihr abgewiesener Antrag habe ein Planwechselbegehren iS des §73 BO zum Gegenstand, stellen sich die Bf. in der vorliegenden Beschwerde auf den Boden der Argumentation der bel. Beh., daß von ihnen die Bewilligung eines Neubaues angestrebt werde. Ausgehend von diesem neu bezogenen Standpunkt wird von ihnen die Gesetzmäßigkeit des nach der Baubewilligung vom 2. August 1972 geänderten Flächenwidmungsplanes, insbesondere des Plandokumentes 5040 bestritten, wonach ihr Grundstück nunmehr im Wald- und Wiesengürtel liegt.

Mit diesem Beschwerdevorbringen ziehen die Bf. also nicht mehr in Zweifel, daß das Bauwerk, für das sie einen Planwechsel begehren, der Art nach ein Neubau ist. Zur gleichen Bewertung führt zwangsläufig auch die Beschwerderüge, die bel. Beh. habe die Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt, da §69 BO nicht angewendet worden sei, welches Vorbringen nur unter der Voraussetzung verständlich ist, daß ihr Bewilligungsansuchen die Errichtung eines Neubaues zum Gegenstand hat. Damit ist nach dem in der Beschwerde bezogenen Standpunkt evident, daß das am 9. November 1978 an die Behörde herangetragene Projekt, obschon dessen deklariertes Ziel - wie auch die Bezugnahme auf den alten Flächenwidmungsplan zeigt - die Bewilligung eines Planwechsels ist, als Planung eines Neubaues zu werten ist. Insoferne deckt sich der Standpunkt der Bf. mit der Auffassung der bel. Beh. im angefochtenen Bescheid.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen hat der angefochtene Bescheid jedoch nur die Abweisung des von den Bf. mit Eingabe vom 9. November 1978 angestrebten Planänderungsansuchens und nicht die Abweisung eines Ansuchens auf Bewilligung eines Neubaues zum Inhalt.

Insbesondere ergibt sich auch nichts anderes aus dem - unter 1.2. wiedergegebenen - letzten Absatz des angefochtenen Bescheides. Daß es sich hiebei um kein den Bescheid tragendes Begründungselement, sondern lediglich um einen Hinweis auf die Bedeutung der Änderung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes für einen allfälligen künftigen Antrag der Bf. um Bewilligung eines Neubaues handelt, zeigt schon die sprachlich in das Kleid einer bloßen Information gefaßte Formulierung dieses letzten Absatzes ("Lediglich am Rande seien die Berufungswerber darauf verwiesen ..."; "... wohl als nicht möglich."). Der angefochtene Bescheid läßt auch sonst keinen Zweifel darüber aufkommen, daß sich die bel. Beh. nicht auf den Flächenwidmungs- und Bebauungsplan stützt. In der Begründung wird unmißverständlich dargelegt, daß der Antrag der Bf. auf Genehmigung eines Auswechslungsplanes in Wahrheit ein anderes Projekt als das seinerzeit bewilligte betreffe. Der Antrag iS des §73 BO, wie ihn die Bf. gestellt hätten, könnte daher einer positiven Erledigung keinesfalls zugeführt werden. Der letzte Satz vor dem letzten Absatz des angefochtenen Bescheides zeigt zusätzlich, daß die bel. Beh. die Begründung des Spruches hiemit abgeschlossen hat, und daß es sich bei den Aussagen des letzten Absatzes um eine der Rechtskraft nicht zugängliche Meinungsäußerung der bel. Beh. handelt.

3.1.2. Der angefochtene Bescheid erschöpft sich somit ausschließlich in der Aussage, daß die beantragte Abweichung von der rechtskräftigen Baubewilligung gemäß §§70 und 73 BO nicht genehmigt werde (nur so ist der etwas unklare Spruch des angefochtenen Bescheides iZm. dessen Begründung zu lesen, zumal, wie der VfGH wiederholt ausgesagt hat (vgl. zB VfSlg. 9069/1981), Spruch und tragende Begründung eines Bescheides eine Einheit bilden).

3.1.3. Damit waren aber von der bel. Beh. weder der geänderte Flächenwidmungsplan noch §69 BO anzuwenden; dies ist auch nicht geschehen.

Auch für den VfGH ist der geänderte Flächenwidmungsplan bei Behandlung der Beschwerdesache nicht präjudiziell, da ausschließlich die Frage vorliegt, ob die bel. Beh. vor dem Hintergrund des ursprünglichen Bauprojektes und des beantragten (2.) Planwechsels vertretbarerweise verneinen konnte, daß ein Ansuchen iS des §73 BO vorliege. Ebensowenig bildet §69 BO einen Maßstab für die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, da eine Anwendung dieser Bestimmung nur für den nichtvoliegenden Fall der Abweisung eines Ansuchens auf Bewilligung eines Bauvorhabens nach §60 BO in Frage käme; da dies - wie dargelegt - nicht der Fall ist, kann die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter insoferne schon voraussetzungsgemäß nicht vorliegen.

3.2. Aus einer anderen Richtung den Bescheid angreifend behaupten die Bf. schließlich, in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz deshalb verletzt zu sein, weil die von der Behörde nunmehr gerügten Planabweichungen bereits seit 8. August 1974 aktenkundig und genehmigt seien, da damals eine Fundamentbeschau stattgefunden habe und trotz der von der ursprünglichen Bewilligung abweichenden Bauausführung die Weiterarbeit bewilligt worden sei. Die Bf. vermeinen offensichtlich, der nun zu beurteilende Planwechsel bewege sich deshalb im Rahmen des §73 BO; die bel. Beh. habe durch Vernachlässigung dieser für sie bereits maßgeblichen Ausgangsbasis willkürlich und denkunmöglich gehandelt. Auch hiemit befinden sich die Bf. jedoch nicht im Recht.

In dem an sie ergangenen Erk. des VwGH vom 11. Oktober 1979, Z 1365/79, über ihre Beschwerde gegen den bereits erfolgten Abtragungsauftrag, wird im hier maßgeblichen Zusammenhang ausgeführt, von den Bf. werde übersehen, daß "der sogenannten Fundamentbeschau iS des §127 Abs1 litb und Abs3 litb BO nicht die Bedeutung der Erlassung eines Bescheides zukommt. ... Da die Bewilligung bewilligungspflichtiger baulicher Maßnahmen nur in der Form einer schriftlichen Erledigung wirksam ist (§70 Abs2 BO), kann die Baubewilligung nicht in Gestalt einer Art konkludenten Verhaltens der Bauaufsichtsorgane erteilt werden (so schon die Erk. des VwGH vom 23. Mai 1925, Slg. NR. 13.880/A, und vom 20. Mai 1948, Slg. N F Nr. 410/A)". Der VfGH hat dem nichts hinzuzufügen.

3.3. Die behaupteten Verletzungen verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte haben somit nicht stattgefunden. Zu bemerken ist, daß nach dem Inhalt des angefochtenen Bescheides an sich fraglich ist, ob ein Eigentumseingriff überhaupt stattgefunden hat; es erübrigt sich jedoch, dieser Frage nachzugehen, da die Behörde jedenfalls denkmöglich vorgegangen ist.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Bf. ansonsten in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurden. Bei der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen - die geltend gemachten Bedenken (s. Punkt 3.1.3.) gehen schon mangels Präjudizialität der Norm ins Leere - ist es auch ausgeschlossen, daß sie in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurden.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

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