VfGH B1954/06

VfGHB1954/0616.3.2007

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte insbesondere der Versammlungsfreiheit durch Untersagung einer gegen Multikulturalität gerichteten Versammlung aufgrund zu befürchtender Verstöße gegen das Verbotsgesetz durch nationalsozialistische Äußerungen

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
EMRK Art11 Abs2
VerbotsG §3
VersammlungsG §6
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
EMRK Art11 Abs2
VerbotsG §3
VersammlungsG §6

 

Spruch:

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Der Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Eingabe vom 15. Mai 2006 zeigte der Beschwerdeführer (als Leiter des "Dokumentationszentrums des Welser Widerstandes") der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis die beabsichtigte Abhaltung einer Demonstration zum Thema "Multikulti beenden. Füa unsa Hoamatland!" für den 27. Mai 2006 von 9.00 Uhr bis 11.00 Uhr in Ried im Innkreis (auf dem Stelzhamerplatz) an. Die Versammlungsanzeige lautet auszugsweise wie folgt:

"Anzahl der teilnehmenden Personen ca. 50-60 Personen

Zweck: Verteilung von Flugblättern politischen Inhaltes, Gespräche mit Interessierten und Passanten.

Material: Flugblätter, mehrere Transparente, Megafon, Lautsprecheranlage, montiert auf einem Kraftfahrzeug."

Der Versammlungsanzeige wurden zwei Flugblätter beigelegt.

2. Diese Versammlung wurde von der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis mit Bescheid vom 23. Mai 2006 gemäß §6 Versammlungsgesetz 1953 (im Folgenden: VersG) iVm Art11 EMRK untersagt.

3. Der dagegen erhobenen Berufung gab die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich mit Bescheid vom 23. Oktober 2006 keine Folge. Begründend wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt (Hervorhebungen im Original):

"Unter dem Aspekt 'Mulitkulti beenden, für unser Hoamatland!' sind im Wesentlichen folgende Textpassagen aus den der Anzeige beigelegten Flugzettel ersichtlich:

'Jahrelang war es verpönt, sich kritisch zu(m) multikulturellen Versuchsprojekten zu äußern. Schelte und Verleumdung war demjenigen sicher, der sich gegen eine ungezügelte Aufnahme von Ausländern aussprach.

Die immer häufiger zu Tage tretenden Konflikte bringen das Traumbild von 'Friede - Freude - Multikulti' ins Wanken. Die brennenden Autos der Pariser Vororte und die verängstigten Lehrer der Berliner Schulen sprechen eine eindeutige Sprache.

Lange voraussehbares Chaos

Seit Jahrzehnten haben besorgte Menschen auf die Problematik der Masseneinwanderung nach Europa aufmerksam gemacht. Doch sie ernteten nur Spott und Hohn, Verleumdung und Verfolgung. Niemand wollte wahr haben, dass Multikultur nicht funktionieren kann. Dabei ist es doch offensichtlich, da es eben naturwidrig ist! Wenn das 'multikulturelle Projekt' schon so 'dramatisch gescheitert' ist, dann muss es nun auch beendet werden. Und zwar jetzt!

Und die Konsequenzen?

Man muss sich schon sehr wundern, fallen doch den Etablierten zwar allerhand Weisheiten ein wie schlimm doch die Lage geworden sei. Daraus allerdings die Konsequenzen zu ziehen sind die hohen Herren und Damen nicht in der Lage.

Wenn nun der Wirtschafskammer-Vizepräsident von 'Gruppierungen' spricht, 'die sich jahrelang Multi-Kulti gewünscht haben', dann sollte er auch den Mut haben, diese zu benennen. Es sind Politiker aller Parteien, welche immer und immer mehr Fremde ins Land gelassen haben und dem Druck internationaler Großkonzerne und linkslinker Gleichheitsideologen nachgegeben haben.

Lauwarmes Gerede ohne Lösungsvorschläge bringt uns in der jetzigen Situation nicht weiter, sondern ist nichts anderes als warme Luft.

Auch in Ried muss klar gemacht werden, dass nur eine radikale Richtungsänderung die Probleme zu meistern in der Lage ist:

Heimreise anstatt weiterer Einreise ist das passende Rezept, wollen wir nicht zu Fremden im eigenen Land verkommen.

Politiker reden und quasseln! Politiker sind zu feige um die (die) Konsequenzen zu ziehen! Wir sorgen dafür, dass endlich wirklich Klartext gesprochen wird!

Wir sind gegen eine Ausländerintegration - sondern sprechen uns für geordnete Heimführung in Würde aus!

Im Zuge der nationalen Stelzhamerdemonstration am 18. März in der Rieder Innenstadt musste die Veranstaltungsleitung die Zwischenkundgebung am Stelzhamerplatz früher als geplant beenden, da es immer wieder zu massiven Störversuchen von betrunkenen Gegendemonstranten kam, die auch vor Gewaltanwendung nicht zurück schreckten. Da es jedoch nicht geduldet werden kann, dass geisteskrankes Geschrei von alkoholisierten Antifaschisten honoriert wird, indem man sich einschüchtern lässt, kommen wir wieder, um unser Anliegen ins Volk zu tragen.

Kommen auch Sie und hören Sie! Hören Sie, was Ihnen in den Medien bewusst verschwiegen wird! Hören und sehen Sie, wie heimattreue junge Menschen gegen den verordneten Multikulti-Wahnsinn Widerstand leisten.'

Ihrer Prognoseentscheidung legte jedoch die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis richtigerweise auch folgenden Sachverhalt zu Grunde:

'Sie haben bereits für den 18.03.2006 in Ried i.I. eine Versammlung unter dem Thema 'Hoamatland - di hab i so gern!' angezeigt. Diese Versammlung wurde von der Behörde nicht untersagt und von Ihnen daher durchgeführt. An dieser Versammlung haben ca. 100 Personen teilgenommen. Ein erheblicher Teil der Teilnehmer steht dem 'Bund freier Jugend' nahe bzw. ist dessen Mitglied. Die Sicherheitsdirektion für Oberösterreich (LVT) hat in einer schriftlichen Mitteilung vom 17.05.2006 den 'Bund freier Jugend' als rechtstendenziöse Gruppierung eingestuft. Aktivisten des 'Bundes freier Jugend' wurde(n) wegen Verdachtes des Verstoßes gegen das Verbotsgesetz auch schon zur Anzeige gebracht.

Bei (der) Versammlung am 18.03.2006 wurden unter anderem folgende Parolen ausgesprochen:

Die Straße frei, für die volkstreue Jugend.

Hier - marschiert - der nationale Widerstand.

Wer hat uns verraten, Pseudodemokraten.

Asylweltmeister der ganzen Welt, für unsere Kinder fehlt das Geld Schickt sie endlich alle heim, endlich Herr im eignen Lande sein. Frei, sozial, national

Gegen System und Kapital, unser Kampf ist national.

Hoch der nationalen Solidarität.

Ali, Mehmet, Mustafa, geht zurück nach Ankara

Heute seid ihr tolerant, morgen fremd im eigenen Land.

Ausländer rein, wir sagen nein.

Unser Land in unsere Hand, wir sind das Volk.

Diese Schlagworte sind nationalsozialistischer Prägung, teilweise wurden Sprüche aus den Zeiten der NSDAP nur geringfügig abgeändert.

Auf der Internetseite des Bundes freier Jugend (...) wird die Demonstration in Ried i.I. als erfolgreich dargestellt.'

Am 18.3.2006 konnte trotz eines massiven Polizeiaufgebotes die öffentliche Ordnung und Sicherheit nicht mehr in vollem Umfang aufrecht erhalten werden und Sie haben selbst Ihre Kundgebung auf dem Stelzhamerplatz vorzeitig beendet, um weiteren Ausschreitungen entgegen zu wirken.

Angesichts der oben bezeichneten Darlegungen, insbesondere der Erfahrungen im Zuge der Versammlung vom 18.3.2006 war, wie die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis treffend resümierte, zu besorgen, dass es auch am 27.5.2006 wiederum zu ausländerfeindlichen Aussagen unter Verwendung von Schlagworten nationalsozialistischer Prägung kommen könnte.

Zudem war zu besorgen, dass es wiederum zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Ihrer und der linksorientierten Gruppierung kommen wird, insbesondere das von Ihnen vertretene Dokumentationszentrum des Welser Widerstandes in politischer Gegnerschaft zur sozialistischen Linkspartei steht und angesichts des Aufrufes zur Teilnahme an der Gegenveranstaltung im Internet mit einer größeren Teilnehmerzahl als am 18.3.2006 zu rechnen ist.

Das Ergebnis dieser Prognose wurde jedoch auch insbesondere durch die Tatsache untermauert, dass sich bei der angezeigten Versammlung ein ähnlicher Teilnehmerkreis einfinden würde, wie bei der am 18.3.2006 durchgeführten Versammlung (insbesondere auch Verhalten der BFJ). Einerseits traten nämlich auch in dessen Vorfeld Sie als Ansprechperson auf und andererseits berechtigt die Wortwahl Ihrer Flugzettel die Annahme, dass ein rechtstendenziöser Teilnehmerkreis angesprochen werden soll (vgl. etwa Erkenntnis des VwGH [richtig: VfGH] vom 30.6.2004, VfSlg. 17261).

Selbst wenn die von Ihnen geplanten Handlungen nicht jenen Grad der Verwerflichkeit erreichen, der nach dem Verbotsgesetz strafbar ist, so gefährdet jedenfalls die Abhaltung dieser Versammlung im Hinblick auf die ständige Judikatur des Verfassungsgerichtshofes dann das öffentliche Wohl, wenn geplante Vorträge nationalsozialistische Bestrebungen und Gedankengänge stärken könnten (vgl. etwa Erkenntnis des VfGH vom 30.6.2004, VfSlg. 17271 [richtig: 17261])."

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Versammlungsfreiheit, auf Meinungsfreiheit, auf ein faires Verfahren, auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird.

In der Beschwerde wird u.a. Folgendes vorgebracht:

"... Tatsache ist, dass die belangte Behörde mit Weisung vom 17.5.2006, Zahl LVT - 221/08 an die BH Ried im Innkreis die Weisung erteilt hat, die beantragte Veranstaltung zu untersagen.

...

... Durch die aktenkundige Weisung vom 17.5.2006, welche eine Vorverurteilung darstellt, liegt natürlich Befangenheit der belangten Behörde, jedenfalls des verantwortlichen Referenten im Sinne des §7 AVG vor, sodass sich der Beschwerdeführer in rechtlicher Konsequenz im Sinne des Artikel 83 (2) BVG auch dem gesetzlichen Richter entzogen erachtet.

...

Die Begründung des angefochtenen Bescheides, soferne von einer solchen überhaupt die Rede sein kann, ist allenfalls auf eine parteipolitische Verblendung des befangenen Referenten zurückzuführen, welche durch die Weisungen im Telefax vom 17.05.2006 geradezu manifestiert und beurkundet wird. Diese ergibt sich auch aus dem vorgelegten Artikel der OÖ Nachrichten vom 15.11.2006, welcher einer Vorverurteilung gleichkommt. Diese begründet im Zusammenhang mit der Verletzung des Auskunft(s)pflichtgesetzes ohne jede Begründung nicht nur die Befangenheit des Referenten gemäß §7 AVG, wodurch seine Zuständigkeit ausgeschlossen wird, die Tatsache, dass der Beschwerdeführer dem gesetzlichen Richter im Sinne des Art83 (2) BVG entzogen wurde. Es liegt auch ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gemäß §§39 ff AVG nicht vor, weil sich die Behörde geradezu ausschließlich auf die Erörterung der Versammlung vom 18.03.2006 beschränkt. Von einem fairen Verfahren im Sinne des Art6 MRK kann daher keine Rede sein.

Einerseits wird ausdrücklich festgehalten, dass ein Verstoß gegen das Verbotsgesetz nicht vorliegt, andererseits wird dem Beschwerdeführer ohne jede logische Begründung eine derartige Möglichkeit 'prognostiziert'. Allein die Formulierung 'Grad der Verwerflichkeit nach dem Verbotsgesetz' begründet die Befangenheit und Voreingenommenheit der belangten Behörde, nachdem eine graduelle Einstufung an sich ausgeschlossen ist, wenn ein Verstoß gegen dieses Gesetz nicht einmal im Raume steht. Hieraus resultiert vor allem auch, dass die zitierte Weisung vom 17.05.2006 einen Ermessensmissbrauch im Sinne eines Verwaltungsmissbrauches gemäß Art130 (2) BVG darstellt, eine ungesetzliche Vorverurteilung sohin einen gemäß Art7 BVG verbotenen Willkürakt begründet. Bezeichnenderweise wurde die vom Beschwerdeführer erstattete Strafanzeige wegen Verdachtes gemäß §302 StGB nicht weitergeleitet, sohin amtsmissbräuchlich sozusagen unterdrückt.

...

Inwiefern die beantragte Veranstaltung dem 'öffentlichen Wohl' entgegenstehen soll, bleibt völlig unerfindlich und unbegründet, es sei denn, dass man das 'öffentliche Wohl' darin erblickt, dass kriminelle Asylanten bzw. Asylwerber auf Kosten der arbeitenden österreichischen Bevölkerung verpflegt und unterhalten werden, ohne jemals die geringsten Sozialversicherungsbeiträge geleistet zu haben oder irgendwelche Gegenleistungen zu erbringen.

...

Die 'Zeichen der Zeit' werden entweder nicht erkannt oder ignoriert, der drohende 'Volkszorn' soll offenbar mit untauglichen Mitteln beschwichtigt und unterdrückt werden. Abgesehen davon, dass die nicht näher konkretisierten 'Ansichten' des Beschwerdeführers anläßlich der geradezu maltraitierten Versammlung vom 18.03.2006 in keiner Weise mit irgendwelchem angeblichen nationalsozialistischen Gedankengut in Verbindung gebracht werden können, entsprechen diese im wesentlichen mehrheitlich der unterdrückten öffentlichen Meinung.

Keinesfalls begründet dies jedoch die gegenständliche Antragsabweisung, umso weniger, als die strapazierte Versammlung vom 18.03.2006 eben wegen der zu erwartenden Ausschreitungen, wie aktenkundig festgestellt, vom Beschwerdeführer selbst aufgelöst wurde. Es wäre vielmehr Aufgabe der Obrigkeit Störungen einer bewilligten Versammlung durch Gegendemonstranten rechtzeitig zu verhindern.

... Befremdlich für einen Rechtsstaat ist es, wenn die belangte Behörde dem Beschwerdeführer 'Schlagworte nationalsozialistischer Prägung' unterstellt, ohne diesen verschwommenen Begriff exakt zu definieren, gleichwie 'Sprüche aus den Zeiten der NSDAP', ohne auch diese exakt zu bezeichnen oder darzutun, welche der 'inkriminierten' Parolen aus diesen Zeiten stammen sollen, wenn diese festgestelltermaßen dem Verbotsgesetz nicht widersprechen. ...

Ausschließlich gegen integrationsunwillige, insbesondere kriminelle ausländische Straftäter, richten sich die Intentionen des Beschwerdeführers und seiner Gesinnungsgemeinschaft, wie im übrigen auch des überwiegenden Teiles der Bevölkerung, sodass die Herstellung eines Zusammenhanges mit angeblich nationalsozialistischem Gedankengut logisch nicht nachvollziehbar ist. Dies trifft auch für den Vorwurf 'Schlagworte mit nationalsozialistischer Prägung' zu, ohne dass dieselben konkretisiert worden wären."

5. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch Abstand genommen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 12.257/1990 und die dort zitierte Vorjudikatur, 15.170/1998, 16.195/2001) ist jede Verletzung des Versammlungsgesetzes, die unmittelbar die Ausübung des Versammlungsrechtes betrifft und damit in die Versammlungsfreiheit eingreift, als Verletzung des durch Art12 StGG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes zu werten. So verletzt etwa jeder Bescheid, mit dem österreichischen Staatsbürgern gegenüber die Abhaltung einer Versammlung untersagt wird, das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Versammlungsfreiheit schon dann, wenn das - im Einklang mit Art11 Abs2 EMRK auszulegende (VfSlg. 12.155/1989, 15.362/1998 und 17.259/2004) - Gesetz unrichtig angewendet wurde.

1.2. Die belangte Behörde hat den Bescheid, mit dem sie die angezeigte Versammlung untersagte, auf §6 VersG gestützt. Diese Bestimmung lautet:

"§6. Versammlungen, deren Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft oder deren Abhaltung die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährdet, sind von der Behörde zu untersagen."

Die Bestimmung ist angesichts des materiellen Gesetzesvorbehalts in Art11 Abs2 EMRK im Einklang mit dieser Verfassungsnorm sowie insbesondere mit den Wertungen des VerbotsG zu interpretieren. Die Behörde ist daher zur Untersagung nur dann ermächtigt, wenn dies aus einem der in Art11 Abs2 EMRK genannten Gründe notwendig ist (vgl. etwa VfSlg. 10.443/1985, 12.155/1989, 12.257/1990).

Für die von der Behörde zu treffende Prognoseentscheidung kommt es - wie der Verfassungsgerichtshof mit näherer Begründung bereits im Erkenntnis VfSlg. 17.120/2004 dargetan hat - u.a. auf eine realistische und nachvollziehbare Einschätzung des zu erwartenden Geschehensablaufs an.

2. Die belangte Behörde ist letztlich zur Auffassung gelangt, dass das - auch von den Wertungen des VerbotsG geprägte - öffentliche Interesse am Unterbleiben der Versammlung unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles die Interessen des Veranstalters an ihrer Abhaltung überwiegt.

Die Behörde hat ihrer Prognoseentscheidung insbesondere den Ablauf der - vom selben Beschwerdeführer organisierten - Versammlung vom 18. März 2006 zugrunde gelegt, im Zuge derer es nachweislich zur Verwendung von "Schlagworten nationalsozialistischer Prägung" gekommen war; sie ist angesichts der vom Beschwerdeführer für die neuerliche Versammlung verfassten und der Versammlungsanzeige beigelegten Flugblätter zur Auffassung gelangt, dass wiederum von der Verwendung solcher Parolen auszugehen sei. Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen und der Einbeziehung weiterer Einschätzungen über den zu erwartenden Geschehensablauf - die zwar in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausgeführt wurden, aber letztlich nicht ausschlaggebend sind - hat sie die angezeigte Versammlung untersagt.

3. Dadurch wurde das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Versammlungsfreiheit nicht verletzt:

3.1. Vorauszuschicken ist, dass sich die belangte Behörde an der Verfassungsbestimmung des §3 VerbotsG zu orientieren hat. Dazu hat der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 12.646/1991 wörtlich Folgendes ausgeführt:

"Die Verfassungsbestimmung des §3 VerbotsG verbietet jedermann, sich für die NSDAP oder ihre Ziele irgendwie zu betätigen; sie erklärt damit derartige Akte der Wiederbetätigung ausnahmslos für rechtswidrig: Die kompromißlose Ablehnung des Nationalsozialismus ist ein grundlegendes Merkmal der wiedererstandenen Republik. Wie der Verfassungsgerichtshof dazu bereits in seinem richtungweisenden Erkenntnis VfSlg. 10.705/1985 aussprach, hat sich jedes staatliche Handeln an diesem Verbot als unmittelbar anwendbarem Verfassungsrecht zu orientieren. Es darf folglich kein behördlicher Akt ergehen, der eine Mitwirkung des Staates an nationalsozialistischer Wiederbetätigung bedeuten würde."

In diesem Sinne wurde zuletzt im Erkenntnis VfSlg. 16.054/2000 bekräftigt, dass §3 VerbotsG ein unmittelbar wirksames, von jedem Staatsorgan im Rahmen seines Wirkungsbereiches - sohin auch von der Versammlungsbehörde - zu beachtendes Verbot enthält (s. dazu auch VfSlg. 17.261/2004).

Im angefochtenen Bescheid wird im Lichte dessen zutreffend ausgeführt, dass die Abhaltung einer Versammlung etwa dann das öffentliche Wohl gefährdet, wenn geplante Vorträge objektiv geeignet sind, nationalsozialistische Bestrebungen und Gedankengänge wieder zu beleben (vgl. dazu bereits VfSlg. 2002/1950).

3.2. Im vorliegenden Fall ist der belangten Behörde nicht entgegenzutreten, wenn sie davon ausging, dass es im Zuge der angezeigten Versammlung zu nationalsozialistischen Äußerungen kommen würde. Insbesondere die Wortwahl der (der Versammlungsanzeige beigelegten) Flugblätter in Verbindung mit dem Umstand, dass im Vorfeld der Versammlung erneut der Beschwerdeführer als Ansprechperson aufgetreten ist und offenbar ein ähnlicher Teilnehmerkreis wie bei der Versammlung vom März 2006 angesprochen werden sollte, war der Entscheidung der Behörde zugrunde zu legen. Der Beschwerdeführer hat den entscheidenden Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde hinsichtlich des Geschehensablaufs der am 18. März 2006 durchgeführten Versammlung zudem nicht widersprochen.

Da die Behörde bei Würdigung all dieser Umstände - in ihrem Zusammenhang und Zusammenhalt - sogar verpflichtet war (vgl. dazu Punkt II.3.1.), die nunmehr angezeigte Versammlung zu untersagen, ist eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Versammlungsrechtes nicht erfolgt.

3.3. Soweit der Beschwerdeführer die "Weisung" der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich, Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, an die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 17. Mai 2006 als "ungesetzliche Vorverurteilung" im Sinne eines "gemäß Art7 B-VG verbotenen Willküraktes" qualifiziert und in diesem Zusammenhang die Befangenheit bzw. Unzuständigkeit der belangten Behörde ins Treffen führt, ist dieses Vorbringen - ungeachtet der hier nicht zu erörternden Frage, ob es sich bei dem in Rede stehenden Schreiben überhaupt um eine Weisung iSd Art20 Abs1 B-VG handelt - nicht geeignet, die behauptete Rechtsverletzung darzutun (vgl. zur verfassungsrechtlich unbedenklichen Bestimmbarkeit des Inhalts eines Bescheides der unteren Instanz durch die Weisung der Oberbehörde etwa VfSlg. 10.041/1984 mwN).

Im Hinblick darauf, dass die Behörde rechtsrichtig entschieden hat und dass gegen die bei Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendeten Rechtsvorschriften keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, ist es ausgeschlossen, dass der Beschwerdeführer durch den bekämpften Bescheid in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

4. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

III. 1. Dem Antrag des Beschwerdeführers auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof konnte nicht Folge gegeben werden, weil das Versammlungswesen seine Regelung im gemäß Art149 Abs1 B-VG als Verfassungsgesetz geltenden Art12 StGG findet, weshalb - da jede Rechtsverletzung auf diesem Gebiet unmittelbar die Verfassung trifft - für die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes kein Raum bleibt (zB VfSlg. 14.365/1995, 15.680/1999).

2. Dem Antrag der belangten Behörde auf Zuerkennung von Kosten als Ersatz des Vorlageaufwandes war schon deshalb nicht zu entsprechen, weil dies im VfGG nicht vorgesehen ist und eine sinngemäße Anwendung des §48 Abs2 VwGG im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof nicht in Betracht kommt (s. etwa VfGH 20.6.2006, B578/05 mwN).

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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