Normen
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art83 Abs2
EMRK Art25
ASVG §345
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art83 Abs2
EMRK Art25
ASVG §345
Spruch:
Die beschwerdeführenden Parteien sind durch den angefochtenen Bescheid in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales) ist schuldig, den beschwerdeführenden Parteien zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit S 37.600,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Bei der Landesberufungskommission für das Burgenland sind Verfahren über gegen die mitbeteiligte Burgenländische Gebietskrankenkasse gerichtete Anträge der beschwerdeführenden Parteien anhängig. Aus Anlaß dieser Verfahren hat die Landesberufungskommission beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Aufhebung gesetzlicher Bestimmungen gestellt, der vom Verfassungsgerichtshof mangels Antragslegitimation der antragstellenden Behörde zurückgewiesen wurde (B vom 27.11.1997, G435-437/97). Mit dem nunmehr von der belangten Behörde erlassenen Bescheid werden die Anträge der beschwerdeführenden Parteien unter Berufung auf Art25 EMRK der Europäischen Kommission für Menschenrechte zur Behandlung als Individualbeschwerden vorgelegt. Der angefochtene Bescheid lautet:
"Die ASVG-Landesberufungskommission für das Burgenland ... hat in ihrer nichtöffentlichen Sitzung am 1.7.1998 den nachstehenden
B E S C H E I D
erlassen:
I.) Die Akten werden der Europäischen Kommission für Menschenrechte (Commission Europeenne des Droits de l'Homme), p. A. Consel de l'Europe, B.P. 431 RG, 67006 Strasbourg, France, zur Prüfung der Eingaben der betroffenen Ärzte, welche als Individualbeschwerden zu qualifizieren sind, zugemittelt.
II.) Anzuwendende Normen: Art6 Abs1 EMRK (faires Verfahren;
Waffengleichheit zwischen Ärzten und Sozialversicherungsträgern;
Privilegierung der Sozialversicherungsträger gegenüber Ärzten);
weiters wird noch auf die Empfehlung des Ministerkomitees des Europarates vom 10.10.1994 hingewiesen, die vorliegendenfalls gleichfalls zu berücksichtigen ist.
III.) Der innerstaatliche Rechtszug ist erschöpft; der österreichische Verfassungsgerichtshof, welcher in dieser Sache bereits angerufen wurde, hat mit Beschluß vom 27.11.1997, G435-437/97, festgestellt, daß aus formalen Gründen keine Antragsberechtigung besteht, weil dieser die Bestimmung des Artikels 133 Z4 B-VG der österreichischen Bundesverfassung entgegensteht. Eine inhaltliche Prüfung kann daher nach erfolgter Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtszuges nur durch die nach der EMRK eingerichteten Straßburger Instanzen erfolgen.
IV.) Es handelt sich vorliegendenfalls um Eingaben der Ärzte bzw. Ärztinnen Dr. F H, Dr. M R, Dr. R P, Dr. A L, Dr. M K, Dr. R N; alle diese angeführten Ärzte bzw. Ärztinnen werden vertreten durch Rechtsanwalt Univ.-Doz. Dr. B A O mit Kanzleisitz in ... diese Eingaben sind als Individualbeschwerden zu qualifizieren; die ASVG-Landesberufungskommission, bei welcher der diese Ärzte bzw. Ärztinnen betreffende Ausgangsrechtsstreit anhängig ist, hält diese Individualbeschwerden für berechtigt und ersucht daher die Europäische Menschenrechtskommission, die Individualbeschwerden für z u l ä s s i g zu erklären.
S A C H V E R H A L T :
Die Beziehungen zwischen Ärzten und Sozialversicherungsträgern in Österreich sind äußerst gespannt: Am 17.6.1998 fand vor der Zentrale der Sozialversicherungen in Wien eine Großdemonstration von Ärzten statt, wobei laut Presseberichten die Ärzte öffentlich gegen zahlreiche Schikanen protestierten, denen sie sich ausgesetzt erachten.
Zum Beweis für das Vorliegen der oben angeführten großen Spannungen zwischen Ärzteschaft und Sozialversicherungsträgern können vernommen werden:
Dr. M G N, Präsident der Österreichischen Ärztekammer, ...;
Dr. W H, Präsident der Ärztekammer für Burgenland, ...
Die Beziehungen zwischen Ärzten und Sozialversicherungsträgern beruhen in Österreich auf r e i n
p r i v a t - r e c h t l i c h e n Verträgen; Streitigkeiten aus diesen Verträgen - diese werden immer häufiger - wurden aber den ordentlichen Gerichten entzogen und 'gerichtsähnlichen Verwaltungsbehörden' zugewiesen, die aber in keiner Weise den strengen Anforderungen des Art6 Abs1 MRK entsprechen, wie noch näher begründet werden wird. Es handelt sich hiebei um keine vereinzelte Meinung, die etwa nur die ASVG-Landesberufungskommission für das Burgenland oder die vor ihr Recht suchenden, individuell betroffenen Ärzte vertreten, sondern wird diese Meinung auch vom Präsidenten der 'österreichischen Richtervereinigung', Dr. J K, in eindeuticher Weise geteilt:
'Die in den letzten Jahren verstärkt auftretende Tendenz, außerhalb der Gerichtsbarkeit Senate und Kollegialbehörden mit der Funktion von Tribunalen im Sinne des Art6 EMRK einzurichten, ist mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung nicht in Einklang zu bringen' (aus: 'österreichische Richterzeitung,' Nr. 12/1997, Seite 273)
Die 'Österreichische Richtervereinigung' ist eine auf freiwilliger Mitgliedschaft beruhende Vereinigung der österreichischen Berufsrichter, der rund 95 % aller Berufsrichter Österreichs angehören. Dr. J K kann unter der Anschrift ... geladen werden.
In der Österreich benachbarten Schweiz etwa wäre und ist es auch undenkbar, rein zivilrechtliche Streitigkeiten zwischen Ärzten und Sozialversicherungsträgern echten Gerichten zu entziehen und statt dessen nicht dem Art6 EMRK entsprechenden Surrogaten, nämlich bloß 'gerichtsähnlichen' Verwaltungsbehörden,
zuzuteilen. Das Sozialversicherungs g e r i c h t des Kantons
Zürich hat vor kurzem in einem U r t e i l vom 8.10.1997 den
'Pauschalbeanstandungsverfahren' der Krankenkassen einen Riegel vorgeschoben (vgl. 'Neue Zürcher Zeitung' vom 29.12.1997, S. 13):
Von Ärzten mit hohen Behandlungskosten fordern die Krankenkassen in einem 'Pauschalbeanstandungsverfahren' Teile des Gesamthonorars zurück, wobei sich dieses Vorgehen der Krankenkassen für sie insoferne 'lohnen' soll, als viele Ärzte in Anbetracht der existenzbedrohenden Höhe der so geltend gemachten Forderung lieber einen Teil vergleichsweise vorprozessual bezahlen, als sich dem Risiko eines langen, belastenden Streites über den ganzen Betrag auszusetzen.
Das österreichische 'System' bei diesen 'Pauschalbeanstandungsverfahren' läuft so:
In der Schweiz muß die Krankenkasse einen Teil des Honorars des Arztes zurückfordern, und zwar vor Gericht, welches mit Urteil entscheidet.
In Österreich zieht die Krankenkasse dem Arzt einfach den Betrag, den sie für richtig hält, von seinem Honorar, welches sie ja auszahlt, vorab einmal ab.
Der Arzt kann dann versuchen, den schon abgezogenen Betrag vor einer 4-köpfigen 'Paritätischen Kommission' wieder zugesprochen zu erhalten. In dieser Kommission sitzen 2 Ärzte und 2 Sozialversicherungsvertreter; im Bundesland Burgenland seitens der Burgenländischen Gebietskrankenkasse diejenigen Personen, die in der Abteilung 'Ärzteverrechnung' tätig sind und den Ärzten die Abzüge vornehmen; die 'Honorarkürzer' dürfen also mitentscheiden, ob die von ihnen selbst vorgenommenen Kürzungen rechtmäßig waren oder nicht!
Es kommt immer zu einer 'Pattstellung' in dieser 'Paritätischen Kommission': bis zum heutigen Tage liegen der ASVG-Landesberufungskommission keine wie auch immer gearteten Bescheide dieser 'Paritätischen Kommission', welche 1. Instanz ist, vor.
Zum Beweis hiefür wird vorgelegt die Blg/A. Aus ihr ist ersichtlich, daß diejenigen Personen, die in der Krankenkasse Ärzten die Honorare kürzen, als 'Richter' in Österreich darüber befinden dürfen, ob diese Kürzungen rechtmäßig waren oder nicht! Gleichsam 'sicherheitshalber' dürfen diese gleichen Personen nicht nur in der ersten Instanz, der 'Paritätischen Schiedskommission' sitzen, sondern auch noch in der dieser 'Paritätischen Schiedskommission' als Rechtsmittelinstanz übergeordneten zweiten Instanz, nämlich der 'ASVG-Landesberufungskommission'! Dies dergibt sich eindeutig aus Blg./A. So nahm etwa die für die Verrechnung der Ärztehonorare in der Burgenländischen Gebietskrankenkasse zuständige Frau C G sowohl als Mitglied der 'Paritätischen Schiedskommission' an der Sitzung derselben am 24.9.1996 teil, als auch als Mitglied der 'ASVG-Landesberufungskommission' an der Sitzung derselben am 18.9.1997.
Es ist eklatant konventionswidrig und mit Art6 EMRK nicht in Einklang zu bringen, daß dieselbe Person in Österreich sowohl als Erst- als auch als Rechtsmittelrichter in den gleichen Rechtssachen tätig sein kann. Es handelt sich um eine scheinrechtsstaatliche 'Quasi-Justiz' in rein zivilrechtlichen Vertragsangelegenheiten, die den ordentlichen Gerichten gegen den Willen der Richter entzogen worden sind; auf die oben angeführten Ausführungen des Präsidenten der 'Österreichischen Richtervereinigung' Dr. K wird verwiesen.
In diesem Zusammenhang wird auch auf die - zutreffenden - Ausführungen des Leiters der für die Behandlung von Menschenrechtsbeschwerden nach der EMRK zuständigen Abteilung des Verfassungsdienstes des österreichischen Bundeskanzerlamtes, Dr. Wolf Okresek, schon aus dem Jahr 1989 verwiesen (vgl. ÖJZ 1989, 129):
'Ein wirksamer Schutz der Grundrechte verlangt auch ein wirksames Verfahren zur Durchsetzung dieser Rechte. Selbst der umfassendste Grundrechtskatalog wäre für den einzelnen wertlos ohne ein funktionierendes Rechtsschutzinstrumentarium.'
Ein funktionierendes Rechtsschutzinstrumentarium gibt es für Ärzte in Österreich derzeit nicht. Okresek hat weiters ausgeführt (vgl. ÖJZ 1989, 129), daß 'die Rechtsmittelinstanz regelmäßig über einen durch das erstinstanzliche Verfahren und durch die Rechtsmittelschriften wohlaufbereiteten Fall entscheiden soll'; ein in diesem Sinne zweistufiges Verfahren, das eine bessere Kontrolle ermöglichen würde, gibt es in Österreich für Ärzte in Zivilrechtsangelegenheiten de facto nicht - es genügt, sich als Beweis für diese Feststellung bloß die vorgelegte Beilage ./A durchzulesen.
Die Eingaben der betroffenen Ärzte, welche allesamt anwaltlich vertreten sind, sind als Individualbeschwerden nach der EMRK aufzufassen. Der Rechtsvertreter der Ärzte, Dr. B A O, hat nicht nur in den von ihm verfaßten Eingaben, sondern auch in von ihm publizierten Büchern und Aufsätzen darauf hingewiesen, daß die 'Konstellation' in Österreich den Ärzten 'alle Nachteile zuweist' (vgl. Fachpublikation 'Honorarkürzungsregelungen in ärztlichen Gesamtverträgen' von Fink/Grömmer/Oberhofer, Verlag Orac, Wien 1996; Zeitschrift 7-8/96 'Hausarzt', S. 29 u.a.). In einer Eingabe an die ASVG-Landesberufungskommission vom 30.1.1998 - diese wird als Blg./B vorgelegt - führte Dr. B A O aus, daß die Sozialversicherungsträger 'Honorarkürzungen als reines Fiskalinstrument einsetzen'. Die ASVG-Landesberufungskommission, welche die Bedenken der Ärzte größtenteils für berechtigt erachtet, ersucht die Europäische Menschenrechtskommission daher, die Individualbeschwerden der betroffenen Ärzte für zulässig zu erklären und sie zu untersuchen.
Im österreichischen System findet sich der Arzt de facto immer in der 'Klägerrolle' und muß versuchen, einen von der Krankenkasse auch gegen seinen erklärten Widerstand schon getätigten Honorarabzug wieder rückgängig zu machen. Vor der 1. Instanz gelingt ihm dies nicht, weil diese - dies ist in Österreich erlaubt - untätig bleibt. Der Akt bleibt einmal 6 Monate liegen, dann kann der Arzt bzw. sein Rechtsvertreter erst einen 'Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht' stellen.
In einem normalen Zivilprozeß wären die Rollen der Streitteile anders, der Arzt könnte damit rechnen, daß sein rechtliches Anliegen sofort in Behandlung gezogen würde, und zwar von erfahrenen, wirklich unabhängigen Berufsrichtern, und nicht - wie derzeit in Österreich - von Laien, unter Umständen sogar von juristischen Laien der Krankenkasse, die ihm sein Honorar vorher gekürzt haben.
Die 2. Instanz stellt die 5-köpfige ASVG-Landesberufungskommission dar, in der ein Berufsrichter und 4 Laien (2 Ärzte, 2 Sozialversicherungsvertreter) sitzen. Nach dem Gesetz sollte sie eine Rechtsmittelinstanz sein, in Wirklichkeit ist sie erste und letzte Instanz, da sie praktisch nur über einen 'Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht' tätig wird.
Der Berufsrichter erhält für seinen Vorsitz in der ASVG-Landesberufungskommission ein geringfügiges Honorar (im Jahr 1996 betrug dies S 4.000,-- pro erledigtem Fall); dieses Honorar ist, wie das Bundesministerium für Justiz in Wien schriftlich bekanntgab, aber 'nirgends rechtsverbindlich festgelegt', was gleichfalls eklatant dem Art6 EMIRK widerspricht: Was nützt dem Berufsrichter seine verbriefte Unabhängigkeit, wenn sein Gehalt nirgends gesetzlich festgelegt ist und ihm nach Belieben von der Verwaltung über Jahre hinweg vorenthalten werden kann, wie dies in Österreich möglich ist und auch praktiziert wird?
Das Bundesministerium für Justiz verweigerte dem Vorsitzenden der ASVG-Landesberufungskommission für das Burgenland das von ihm korrekt nach den damals geltenden schriftlichen Verwaltungsrichtlinien verrechnete Honorar für das Jahr 1996, welches er bis heute (!) nicht erhalten hat.
Er mußte sich mit einer Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof in Wien wenden, eine Entscheidung ist noch nicht ergangen; 'heute wartet man mindestens 5 Jahre auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes', so der Präsident der 'Österreichischen Richtervereinigung', Dr. J K (vgl. ÖRiZ, Nr. 12/1997, S. 279). Der Präsident des Verwaltungsgerichtshofes, Dr. C J, hat in einem Interview selbst zugegeben, daß 'das Funktionieren seines Höchstgerichtes nicht mehr gewährleistet ist' (vgl. 'Wiener Zeitung' vom 28.5.1994, S. 2). Dr. C J kann unter der Anschrift ... geladen werden. Jeder Berufsrichter, der sich aus freien Stücken dazu bereit erklärt, in einer ASVG-Landesberufungskommission in Österreich den Vorsitz zu übernehmen, muß damit rechnen, daß er unter Umständen das ihm vorher schriftlich von der Verwaltung hiefür zugesicherte Honorar nicht erhält, sondern sich dieses - auf eigene Kosten und eigenes Risiko - vor einem Höchstgericht in Wien, dem Verwaltungsgerichtshof, mühsam erkämpfen muß, wobei er in dieser simplen Honorarangelegenheit mit einer Verfahrensdauer von 5 (!) Jahren zu rechnen hat, weil dieses Höchstgericht nach dem Bekunden seines Präsidenten nicht so funktioniert, wie man dies in einem Rechtsstaat eigentlich erwarten sollte.
Diese Empfehlung des Ministerkomitees des Europarates vom 10.10.1994 besagt, daß sichergestellt werden muß, daß 'die Stellung und Besoldung der Richter der Würde ihres Amtes und der Last ihrer Verantwortung entsprechen'. Die 'Österreichische Richtervereinigung' hat vor kurzem erst festgestellt, daß dieser oben angeführten Empfehlung in Österreich 'bei weitem nicht Folge geleistet wird' (vgl. ÖRiZ Nr. 2/1998, S. 25).
Die 'Europäische Kommission für Menschenrechte' in Straßburg wird d r i n g e n d ersucht, diese rechts- und konventionswidrigen Verstöße in Österreich zu unterbinden, insbesondere sicherzustellen, daß Ärzte tatsächlich ein faires Verfahren im Sinne des Art6 Abs1 EMRK vor wirklich unabhängigen Gerichten erhalten, in der auch Würde und Unabhängigkeit der Richter respektiert werden."
Es folgt die Beifügung von Ort und Datum, die namentliche Nennung des Vorsitzenden und die Zeichnung für die Richtigkeit der Ausfertigung.
2.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Gleichheit vor dem Gesetz behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.
Die Beschwerde führt im wesentlichen aus, die belangte Behörde habe durch ihre Entscheidung eine ihr nach dem Gesetz (hier: nach Art25 EMRK) nicht zustehende Befugnis in Anspruch genommen und dadurch die beschwerdeführenden Parteien in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt. Weiters wird der belangten Behörde vorgeworfen, die Rechtslage kraß verkannt und den angefochtenen Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage erlassen zu haben, wodurch sie gegenüber den beschwerdeführenden Parteien Willkür geübt habe. Schließlich wird darauf hingewiesen, daß durch den von der belangten Behörde gesetzten Schritt eine weitere, rechtsgrundlose Verzögerung herbeigeführt werde, die zu einer überlangen Verfahrensdauer und damit zu einer Verletzung des Art6 EMRK führen könne.
2.2. Die belangte Behörde konnte die Verwaltungsakten nur insoweit vorlegen, als sie sich auf das Geschehen nach Vorlage der Verwaltungsakten bei der Europäischen Kommission für Menschenrechte beziehen. Von der Erstattung einer Gegenschrift hat die belangte Behörde abgesehen.
2.3. Die mitbeteiligte Burgenländische Gebietskrankenkasse hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie dem Beschwerdevorbringen beitritt und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Die im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Rechtsvorschriften lauten:
1.1. §341 ASVG lautet auszugsweise:
"(1) Die Beziehungen zwischen den Trägern der Krankenversicherung und den freiberuflich tätigen Ärzten werden durch Gesamtverträge geregelt, die für die Träger der Krankenversicherung durch den Hauptverband mit den örtlich zuständigen Ärztekammern abzuschließen sind. Die Gesamtverträge bedürfen der Zustimmung des Trägers der Krankenversicherung, für den der Gesamtvertrag abgeschlossen wird. Die Österreichische Ärztekammer kann mit Zustimmung der beteiligten Ärztekammer den Gesamtvertrag mit Wirkung für diese abschließen.
...
(3) Der Inhalt des Gesamtvertrages ist auch Inhalt des zwischen dem Träger der Krankenversicherung und dem Arzt abzuschließenden Einzelvertrages. Vereinbarungen zwischen dem Träger der Krankenversicherung und dem Arzt im Einzelvertrag sind rechtsunwirksam, insoweit sie gegen den Inhalt eines für den Niederlassungsort des Arztes geltenden Gesamtvertrages verstoßen.
..."
1.2. §§344 bis 346 ASVG lauten auszugsweise:
"Paritätische Schiedskommission
§344. (1) Zur Schlichtung und Entscheidung von Streitigkeiten, die in rechtlichem oder tatsächlichem Zusammenhang mit dem Einzelvertrag stehen, ist im Einzelfall in jedem Land eine paritätische Schiedskommission zu errichten. Antragsberechtigt im Verfahren vor dieser Behörde sind die Parteien des Einzelvertrages.
(...)
(3) Die paritätische Schiedskommission ist verpflichtet, über einen Antrag ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach dessen Einlangen, mit Bescheid zu entscheiden. Wird der Bescheid dem Antragsteller innerhalb dieser Frist nicht zugestellt oder wird dem Antragsteller schriftlich mitgeteilt, daß wegen Stimmengleichheit keine Entscheidung zustande kommt, geht auf schriftliches Verlangen einer der Parteien die Zuständigkeit zur Entscheidung an die Landesberufungskommission über. Ein solches Verlangen ist unmittelbar bei der Landesberufungskommission einzubringen. Das Verlangen ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf Stimmengleichheit oder nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde (§73 AVG 1950) zurückzuführen ist.
(4) Gegen einen Bescheid der paritätischen Schiedskommission kann Berufung an die Landesberufungskommission erhoben werden.
Landesberufungskommission
§345. (1) Für jedes Land ist auf Dauer eine Landesberufungskommission zu errichten. (...)
(2) Die Landesberufungskommission ist zuständig:
- 1. zur Entscheidung über Berufungen gegen Bescheide der paritätischen Schiedskommission und
- 2. zur Entscheidung auf Grund von Devolutionsanträgen gemäß §344 Abs3.
(...)"
1.3. Art25 Abs1 EMRK lautete in der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheids geltenden Fassung vor Inkrafttreten des elften Zusatzprotokolls zur EMRK:
"Die Kommission kann durch ein an den Generalsekretär des Europarats gerichtetes Gesuch jeder natürlichen Person, nichtstaatlichen Organisation oder Personenvereinigung angegangen werden, die sich durch eine Verletzung der in dieser Konvention anerkannten Rechte durch einen der Hohen Vertragschließenden Teile beschwert fühlt, vorausgesetzt, daß der betreffende Hohe Vertragschließende Teil eine Erklärung abgegeben hat, wonach er die Zuständigkeit der Kommission zur Entgegennahme solcher Gesuche anerkannt hat. Die Hohen Vertragschließenden Teile, die eine solche Erklärung abgegeben haben, verpflichten sich, die wirksame Ausübung dieses Rechts in keiner Weise zu behindern."
2.1. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB VfSlg. 9696/1983), etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 10374/1985, 11405/1987, 13280/1992).
2.2. Die - sichtlich auf eine Enderledigung der bei ihr anliegenden Verwaltungssachen abzielende - Entscheidung der belangten Behörde nimmt nicht nur eine ihr nach Art25 der EMRK nicht zustehende Zuständigkeit zur Einreichung einer Individualbeschwerde in Anspruch, sie verweigert auch den beschwerdeführenden Parteien zu Unrecht eine Entscheidung über die an die belangte Behörde gerichteten Anträge, zu deren Erledigung allein diese zuständig gewesen wäre. Die belangte Behörde hat daher die beschwerdeführenden Parteien durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.
3.1. Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde unter anderem dann vorgeworfen werden, wenn sie den Beschwerdeführer aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder aber, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 10337/1985, 11436/1987).
3.2. Für das Vorgehen der belangten Behörde findet sich im Gesetz keinerlei Rechtsgrundlage. Es ist unerfindlich, woraus die belangte Behörde ihre Befugnis zu der von ihr gewählten Vorgangsweise ableitet. Der angefochtene Bescheid enthält denn auch keine rechtliche Begründung, sondern eine rechtspolitische Abhandlung, die mit aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten durchsetzt ist. Das Vorgehen der belangten Behörde ist offenkundig gesetzlos und begründet daher in jeder Hinsicht den Vorwurf der Willkür.
4. Der angefochtene Bescheid war schon aus diesen Gründen - gleich einem unzulässigen Aussetzungsbescheid nach §38 AVG - aufzuheben.
5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG 1953. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von
S 5.850,-- enthalten.
6. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne vorausgegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
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