Spruch:
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.
2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
3. Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.
Begründung
Begründung
I. Die Beschwerdeführerin erhob gegen den ihr am 10. März 1995 zugestellten Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 31. Jänner 1995, mit dem ihre Berufung gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung vom 20. September 1994 über die unter Berufung auf §6 Abs3 des Aufenthaltsgesetzes - AufG erfolgte Abweisung ihres Antrages auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung abgewiesen worden war, eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde. Diese Beschwerde wurde an das Bundesministerium für Inneres adressiert und langte dort am 21. April 1995 ein. Das Bundesministerium für Inneres leitete sie mit Schreiben vom 9. Mai 1995 an den Verfassungsgerichtshof weiter, wo sie am 15. Mai 1995, also nach dem Ablauf der sechswöchigen Beschwerdefrist, einlangte.
Mit dem am 22. Juni 1995 beim Verfassungsgerichtshof eingelangten Schriftsatz beantragt die Beschwerdeführerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung dieser Beschwerde.
II. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages bringt die Beschwerdeführerin - zusammengefaßt - folgendes vor:
Eine Kanzleikraft des Beschwerdevertreters habe am 20. April 1995 die von ihm bereits einige Tage zuvor diktierte Beschwerde geschrieben. Obwohl die Beschwerde vom Diktat her an den Verfassungsgerichtshof gerichtet gewesen sei, sei auf Grund eines Fehlers beim Schreibcomputer die Bezeichnung der belangten Behörde, der Datensatz "Bundesministerium für Inneres", in der Endfassung des Beschwerdeschriftsatzes "in den Briefkopf" - gemeint ist die Bezeichnung des Adressaten - übernommen worden. Der Beschwerdevertreter habe am 20. April 1995 in einer kurzen Arbeitspause den ihm vorgelegten Beschwerdeentwurf auf seine Vollständigkeit und Richtigkeit überprüft und einige Korrekturen angebracht. In diesem Zeitpunkt sei als Adressat des Schriftsatzes zutreffend der Verfassungsgerichtshof aufgeschienen. Der korrigierte Beschwerdeentwurf sei sodann dem Beschwerdevertreter neuerlich vorgelegt worden, der nur mehr die korrigierten Stellen des Schriftsatzes überprüft habe. Durch den erwähnten Fehler im Schreibcomputer sei aber in dieser Fassung des Beschwerdeentwurfes nunmehr als Adressat der Beschwerde das "Bundesministerium für Inneres" aufgeschienen. Auf Grund eines Versehens habe es der Beschwerdevertreter unterlassen, nochmals die Richtigkeit der Bezeichnung des Beschwerdeadressaten zu überprüfen, er habe die Beschwerdeausfertigungen unterschrieben und zur Abfertigung in die Kanzlei weitergegeben, worauf es keinem Mitarbeiter mehr aufgefallen sei, daß ein Adressierungsfehler unterlaufen war. Die Abfertigung des Beschwerdeschriftsatzes an das Bundesministerium für Inneres sei innerhalb offener Frist erfolgt. Von der Fristversäumnis habe der Beschwerdevertreter erst am 7. Juni 1995 Kenntnis erhalten, als die Beschwerdeführerin im Rahmen der Gewährung von Parteiengehör in einem Verfahren nach dem Fremdengesetz eine Aufforderung erhalten habe.
III. Der Verfassungsgerichtshof
hat über den - rechtzeitig eingebrachten - Wiedereinsetzungsantrag erwogen:
1. Da das VerfGG die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§33 VerfGG) nicht selbst regelt, sind gemäß §35 VerfGG die entsprechenden Bestimmungen (§§146 ff.) der ZPO sinngemäß anzuwenden. Nach §146 Abs1 ZPO ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Hiebei hindert ein Verschulden der Partei an einer Versäumung die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Die Verschuldensregelung des §146 Abs1 ZPO gilt auch für den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers (§39 ZPO; s. VfSlg. 10295/1984, 10341/1985, 10772/1986; s. auch VfSlg. 10345/1985, 11822/1988). Unter einem "minderen Grad des Versehens" ist, wie der Verfassungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat (VfSlg. 9817/1983, 10341/1985), leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler begangen wird, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht.
2. Im vorliegenden Fall kann nicht mehr von einem solchen Fehler gesprochen werden. Es war Aufgabe des Beschwerdevertreters, sich vor der Unterfertigung des korrigierten Schriftsatzes über dessen Vollständigkeit und Richtigkeit zu vergewissern. Die abschließende Überprüfung des Schriftsatzes (auch) in formeller Hinsicht mußte auch die richtige Bezeichnung des Adressaten einschließen, zumal die Adressierung nicht auf dem Kuvert, sondern infolge der Verwendung eines Kuverts mit Klarsichtfenster unmittelbar durch die Angabe der Adresse im Schriftsatz selbst vorgenommen wurde. Unter diesen Umständen kann nicht gesagt werden, daß hinsichtlich der Verwendung eines Kuverts mit richtiger Adresse eine besonders sorgfältige Überwachung nicht geboten (so VwGH 30.9.1986, 86/04/0172) und eine Überprüfung der von der Kanzleikraft durchgeführten Beschriftung des Kuverts entbehrlich war (so VwGH 29.1.1987, 86/02/0120).
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war darum abzuweisen.
IV. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes gilt eine zwar innerhalb der Beschwerdefrist zur Post gegebene, jedoch an eine unzuständige Stelle adressierte und von dort erst nach Fristablauf weitergeleitete Beschwerde als verspätet eingebracht (vgl. zB VfSlg. 10724/1985, 11110/1986, 11224/1987). Die Beschwerde war daher wegen Versäumung der sechswöchigen Beschwerdefrist (§82 Abs1 VerfGG) zurückzuweisen.
V. Bei diesem Ergebnis war der Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, abzuweisen, weil eine solche Abtretung nur im - hier nicht gegebenen - Fall einer abweisenden Sachentscheidung oder Ablehnung der Behandlung einer Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof in Betracht kommt.
VI. Diese Beschlüsse konnten gemäß §33 zweiter Satz und §19 Abs3 Z2 litb VerfGG sowie gemäß §42 Abs1 ZPO iVm §35 VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.
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