VfGH B1450/88

VfGHB1450/8813.12.1988

ApothekenG; Entzug der Konzession gem. §§3 Abs1 Z6, 19 Abs2 Z1 und 45 idF der Nov. BGBl. 502/1984 nach einer strafgerichtlichen Verurteilung mangels Verläßlichkeit; administrative, im öffentlichen Interesse gelegene Maßnahme; kein Eingriff in den Kernbereich der "civil rights", keine Entscheidung über eine strafrechtliche Anklage iS des Art6 MRK; zulässige Beschränkung der Erwerbsausübungsfreiheit; Regelung der "Verläßlichkeit" genügt den Anforderungen des Art18 B-VG; keine Bedenken im Hinblick auf das Gleichheitsgebot; keine denkunmögliche, keine gleichheitswidrige Anwendung

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art103 Abs4
B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
StGG Art5
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
MRK Art1 1. ZP
ApothekenG §3 Abs1 Z6
EMRK Art6 Abs1
ApothekenG §19 Abs2 Z1
ApothekenG §45
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art103 Abs4
B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
StGG Art5
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
MRK Art1 1. ZP
ApothekenG §3 Abs1 Z6
EMRK Art6 Abs1
ApothekenG §19 Abs2 Z1
ApothekenG §45

 

Spruch:

Die Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

und dem VwGH zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die Bf. durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.a) Die Bf. wurde mit dem rechtskräftigen Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 1.10.1987, GZ 26 Vr 3640/85, 26 Hv 115/87, wegen des Vergehens der Untreue nach §153 Abs1 und 2,

1. Fall StGB, des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§146, 147 Abs1 Z. 1 und Abs2, 148 2. Fall, 12 StGB und des Vergehens des schweren Betruges nach §§146, 147 Abs2, 12 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, wobei festgestellt wurde, daß der Schaden insgesamt S 100.000,-- nicht übersteige; gleichzeitig wurde der Bf. mit dem zitierten Urteil gem. §43 Abs1 StGB die Strafe unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen. Die Bf. hatte die Taten u.a. durch (zum Nachteil der Tiroler Gebietskrankenkasse erfolgte) Rezeptschwindeleien im Rahmen ihres Apothekenbetriebes begangen.

b) Der Landeshauptmann von Tirol entzog mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 8. Juli 1988 gemäß §3 Abs1 Z6, §19 Abs2 Z1 und §45 des Apothekengesetzes, RGBl. Nr. 5/1907 idF der Nov. BGBl. Nr. 502/1984 (ApG), der Bf. die Konzession zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke in Axams, weil bei der Bf. wegen der erwähnten strafgerichtlichen Verurteilung die Verläßlichkeit zum Betrieb einer Apotheke nicht mehr gegeben sei.

2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (des ApG) und die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.

3. Der Landeshauptmann von Tirol als bel. Beh. legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor. Auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtete er.

II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.a) Die Bf. macht zunächst geltend, in dem durch Art. 6 MRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden zu sein. Mit der Entziehung einer Konzession entscheide die Behörde einerseits über ein "civil right", andererseits über eine strafrechtliche Anklage, jeweils in der Bedeutung des Art6 MRK (Hinweise auf Judikatur des EGMR, insbesondere die Fälle Pudas und Öztürk). Eine solche Entscheidung dürfe nur von einem Tribunal iS der zitierten Konventionsbestimmung getroffen werden. Die zur Entscheidung über die Entziehung einer Apothekenkonzession berufenen Behörden (Bezirksverwaltungsbehörde in erster, Landeshauptmann in zweiter Instanz) seien keine Tribunale; die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes reiche hier nicht aus.

b) Mit diesem Vorwurf wäre die Bf. dann - und nur dann - im Recht, wenn mit der Entziehung einer Apothekenkonzession über ein "civil right" oder eine strafrechtliche Anklage iS des Art6 MRK entschieden würde (vgl. zB VfSlg. 11500/1987, 11 591/1987 und 11506/1987).

Das ist jedoch nicht der Fall:

aa) Der VfGH hat in seiner jüngeren Judikatur (zB VfSlg. 11500/1987, 11591/1987, 11760/1988, 11762/1988) wiederholt den Standpunkt vertreten, daß über Ansprüche und Verpflichtungen, die dem Zivilrecht in engster Bedeutung und damit dem Kernbereich der "civil rights" zuzuzählen sind, ein den Anforderungen des Art6 MRK entsprechendes Tribunal in der Sache selbst zu entscheiden habe und daß in solchen, der traditionellen Ziviljustiz zuzuzählenden Angelegenheiten die (bloß) nachprüfende Kontrolle des VwGH und des VfGH nicht hinreiche; das gelte nur für Entscheidungen über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen selbst, wie etwa die Entscheidung über den Ersatz von Jagd- und Wildschäden (VfSlg. 11760/1988, 11646/1988), die Schlichtung von Streitigkeiten über eine Vertragsauslegung durch eine Schiedskommission nach dem ASVG (VfSlg. 11729/1988) oder den Zuspruch einer Enteignungsentschädigung (VfSlg. 11760/1988, 11762/1988), nicht aber für solche Entscheidungen über Streitigkeiten, die über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen nur in ihren Auswirkungen, also nicht über "civil rights" selbst entstanden seien, wie etwa die Erteilung einer Bewilligung zum Bau eines Hauses (VfSlg. 11500/1987) oder einer Straße (VfSlg. 11645/1988); jedenfalls in derartigen Fällen genüge die nachprüfende Kontrolle des VfGH und des VwGH den Anforderungen des Art6 Abs1 MRK.

Der VfGH sieht sich nicht veranlaßt, von dieser Rechtsprechung abzurücken.

Der Entzug einer Konzession zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit (wie etwa zum Betrieb einer Apotheke) ist ebenso wie die Erteilung einer Konzession eine staatliche Maßnahme, die nach österreichischer Rechtstradition im öffentlichen Recht wurzelt und nicht zur Ziviljustiz gehört, werden damit doch nicht Rechtsverhältnisse der Bürger untereinander geregelt. Wenngleich solche Akte für den Betroffenen von wesentlicher wirtschaftlicher Bedeutung sind, also bedeutsame Auswirkungen in seinem Vermögen haben können, werden damit doch nicht Streitigkeiten entschieden, die über "civil rights" selbst entstanden sind.

Die aus einer Apothekenkonzession erfließenden Rechte sind mithin nicht zum Kernbereich der "civil rights" zu zählen. Der Entzug einer Apothekenkonzession greift daher nicht in diesen Bereich ein. Es widerspricht nach dem Gesagten nicht dem Art6 MRK (in jener Bedeutung, die ihm als innerstaatliches Verfassungsrecht zukommt), wenn der Konzessionsentzug durch eine nicht den Anforderungen dieser Konventionsbestimmung entsprechende Behörde (eine Verwaltungsbehörde im herkömmlichen Sinn) unter der nachprüfenden Kontrolle des VfGH und des VwGH verfügt wird.

An diesem Ergebnis ändert nichts, daß der EGMR (zuletzt im Fall Pudas, EuGRZ 1988, 448) die Ansicht vertritt, daß es sich beim Widerruf (Entzug) einer Konzession um eine "Streitigkeit" handle, die einen "zivilrechtlichen Anspruch" iS des Art6 Abs1 MRK betreffe, die letztendlich von einem Gericht im Sinn dieser Konventionsnorm zu entscheiden sei.

Zwar sieht sich der VfGH grundsätzlich gehalten, der MRK als (innerstaatliche) Verfassungsnorm jenen Inhalt zu unterstellen, der ihr auch als internationalem Instrument zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten zukommt; er hat daher bei ihrer Auslegung insbesondere der Rechtsprechung des EGMR als dem zur Auslegung der MRK zunächst berufenen Organ besonderes Gewicht einzuräumen. Er kann diese Haltung aber nicht unter allen Umständen einnehmen. An die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Staatsorganisation ist der VfGH auch im Fall eines Widerspruchs zur Konvention gebunden; selbst wenn daher der EGMR eine Konventionswidrigkeit der österreichischen Rechtsordnung in diesem Punkt annehmen sollte, könnte dieser Verstoß nur durch den Verfassungsgesetzgeber selbst geheilt werden (s. VfSlg. 11500/1987).

Für den VfGH ist die MRK als innerstaatliches Verfassungsrecht Maßstab für die Beurteilung der einfachgesetzlichen Rechtslage. Dabei hat er die Bestimmungen der MRK in gleicher Weise wie andere Verfassungsnormen im Kontext mit der gesamten übrigen österreichischen Verfassungsrechtsordnung zu betrachten und systemgerecht auszulegen. Kommt er dabei zu einem Ergebnis, das der Judikatur des EGMR (der die MRK als völkerrechtlichen Vertrag anzuwenden hat) widerspricht, so kann nicht der VfGH eine - aufgrund der bestehenden Verfassungsstruktur - allenfalls bestehende Divergenz zu einem völkerrechtlichen Vertrag beseitigen, da er wohl dazu ermächtigt ist, die bestehende Verfassung als innerstaatliches Recht auszulegen, nicht aber dazu, sie - unter der Vorgabe, sie auszulegen - rechtsschöpfend den völkerrechtlichen Verpflichtungen anzupassen. Zur Herstellung einer den völkerrechtlichen Verträgen entsprechenden Verfassungsrechtsordnung ist vielmehr ausschließlich der Verfassungsgesetzgeber berufen.

bb) Der im §19 Abs2 Z1 iVm §3 Abs1 Z6 ApG

vorgesehene Entzug der Apothekenkonzession wegen nicht mehr vorliegender Verläßlichkeit zum Betrieb einer Apotheke ist entgegen der Meinung der Bf. - aber auch keine Entscheidung über eine "strafrechtliche Anklage" iS des Art6 MRK: Wie der VfGH im Erkenntnis vom VfSlg. 11506/1987 (in Übereinstimmung mit der Judikatur des EGMR, etwa im Fall Öztürk, EuGrZ 1985, 62) dargetan hat, ist grundlegende Voraussetzung dafür, daß einer Norm strafrechtlicher Charakter zukommt, der sowohl präventive als auch repressive Zweck der Sanktion sowie der ihr innewohnende Tadel und das dem sanktionierten Verhalten gegenüber ausgesprochene Unwerturteil.

Im vorliegenden Fall war der Entzug der Apothekenkonzession zwar die Folge einer von einem Strafgericht (einem Tribunal iS des Art6 MRK) ausgesprochenen Verurteilung. Selbst hier stellt der Entzug der Apothekenkonzession aber eine Maßnahme dar, die ihrerseits nicht auf Bestrafung abzielt, sondern die eine im öffentlichen Interesse gelegene administrative Maßnahme ist. Der Verlust der Verläßlichkeit zum Betrieb einer Apotheke kann jedoch keineswegs nur aus einem strafgerichtlich geahndeten Verhalten erschlossen werden; vielmehr kann sich der Verlust der Verläßlichkeit auch aus anderen, vom Apotheker völlig unverschuldeten Umständen ergeben, etwa aus dem Verlust der körperlichen oder gesundheitlichen Eignung (vgl. §19 Abs2 Z1 iVm §3 Abs1 Z6 ApG).

cc) Die Bf. wurde mithin nicht in dem durch Art6 MRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Zugang zu einem Gericht verletzt.

2.a) In der Beschwerde wird weiters eine Verletzung des Rechtes auf Erwerbsausübungsfreiheit behauptet, die sowohl dem Gesetz als auch der Vollziehung anzulasten sei.

Gemäß §19 Abs2 Z1 ApG ist die Konzession zu entziehen, wenn beim Konzessionsinhaber der Mangel einer der im §3 Abs1 leg.cit. bezeichneten Konzessionsvoraussetzungen vorliegt; gemäß §3 Abs1 Z6 ApG ist zur Erlangung der Berechtigung zum selbständigen Betrieb einer öffentlichen Apotheke die Verläßlichkeit mit Beziehung auf den Betrieb einer Apotheke erforderlich.

Die Bf. meint, die Entziehung einer Apothekenkonzession greife in das Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit ein. Dieser Eingriff sei unverhältnismäßig schwer, "weil er ohne jede Differenzierung des Ausmaßes des Begriffs der Verläßlichkeit als einzige Konsequenz den Entzug der Konzession und damit die Vernichtung der beruflichen und wirtschaftlichen Existenz" vorsehe. Der Begriff "Verläßlichkeit" sei - entgegen dem Determinierungsgebot des Art18 B-VG - nicht ausreichend bestimmt.

Im konkreten Fall habe die Behörde den Verlust der Verläßlichkeit aus einer einmaligen Verfehlung der Bf. erschlossen; diese Beurteilung sei völlig unzutreffend.

b) aa) Die Entziehung einer Apothekenkonzession greift in das durch Art6 StGG verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit ein.

Der Gesetzgeber ist nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 3968/1961, 4011/1961, 5871/1968, 9233/1981) durch Art6 StGG ermächtigt, die Ausübung der Berufe dergestalt zu regeln, daß sie unter gewissen Voraussetzungen erlaubt oder unter gewissen Umständen verboten ist (also auch den Erwerbsantritt behindernde Vorschriften zu erlassen), sofern er dabei den Wesensgehalt des Grundrechtes nicht verletzt und die Regelung auch sonst nicht verfassungswidrig ist. Eine gesetzliche Regelung, die die Erwerbsausübungsfreiheit beschränkt, ist nur zulässig, wenn sie durch das öffentliche Interesse geboten, zur Zielerreichung geeignet und adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen ist; (siehe VfSlg. 10179/1984, 10386/1985, 10 932/1986, 11276/1987, 11483/1987, 11558/1987; vgl. auch die in VfSlg. 10932/1986 zitierte Literatur).

Was für die den Erwerbsantritt behindernden Vorschriften gilt, gilt gleicherweise auch für Bestimmungen über den Entzug einer Gewerbeberechtigung oder einer ähnlichen Berechtigung.

Nun steht es im Hinblick auf die besondere Bedeutung für die menschliche Gesundheit außer jedem Zweifel, daß es im öffentlichen Interesse liegt, wenn öffentliche Apotheken nur von entsprechend befähigten und verläßlichen Personen betrieben werden, und daß es ein geradezu unverzichtbares, aber auch adäquates Mittel zur Erreichung dieses Zieles ist, Apothekern, die die gebotene Verläßlichkeit nicht (mehr) besitzen, die Konzession zu entziehen.

Unter Verläßlichkeit in der Bedeutung des §3 Abs1 Z6 iVm §19 Abs2 Z1 ApG ist die spezifische Eignung mit Beziehung auf den Betrieb einer Apotheke zu verstehen. Diese Vorschriften legen es - entgegen der Meinung der Bf. - nicht ins Belieben der Behörde, die Apothekenkonzession auch bei geringfügigen Gesetzesverletzungen zu entziehen. Vielmehr sind sie - dem Art. 18 B-VG genügend - einer Auslegung derart zugänglich, daß die von der Behörde getroffene Entscheidung vom VfGH und vom VwGH im Rahmen ihrer Prüfungskompetenz auf die Übereinstimmung mit dem Gesetz überprüft werden kann (vgl. die ständige Rechtsprechung des VfGH zum unbestimmten Rechtsbegriff, zB VfSlg. 8395/1978, 10158/1984). Unter Beachtung des Gesetzeszweckes ergeben sich nämlich im Zusammenhalt mit den übrigen Bestimmungen des ApG genügend Anhaltspunkte dafür, unter welchen Voraussetzungen die spezifische Verläßlichkeit zum Betrieb einer Apotheke fehlt.

Nur wenn diese Voraussetzungen vorliegen, darf die Behörde die Apothekenkonzession entziehen. Sind diese Voraussetzungen aber gegeben, so ist der Entzug der Apothekenkonzession im Hinblick auf den besonders hohen Wert der menschlichen Gesundheit zur Erreichung des oben erwähnten Zieles durchaus adäquat. Allein wegen dieser besonderen Bedeutung der Apotheken für die Volksgesundheit ist im übrigen der VfGH zum Ergebnis gelangt, daß die Verleihung einer Apothekenkonzession der Sache nach vom Vorliegen eines Bedarfes abhängig gemacht werden darf (vgl. VfSlg. 10386/1985).

Zusammenfassend ist festzuhalten, daß der VfGH unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles nicht das Bedenken hat, die in Betracht kommenden Bestimmungen des ApG widersprächen dem Art6 StGG.

bb) Diese Verfassungsbestimmung wurde aber auch nicht durch einen dem Vollzug anzulastenden Fehler verletzt:

Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung wird mit Rücksicht auf den in Art6 StGG enthaltenen Gesetzesvorbehalt nur verletzt, wenn einem Staatsbürger durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde der Antritt oder die Ausübung einer bestimmten Erwerbsbetätigung untersagt wird, ohne daß ein Gesetz die Behörde zu einem solchen die Erwerbstätigkeit einschränkenden Bescheid ermächtigt, oder wenn die Rechtsvorschrift, auf die sich der Bescheid stützt, verfassungwidrig oder gesetzwidrig ist, oder wenn die Behörde bei der Erlassung des Bescheides ein verfassungsmäßiges Gesetz oder eine gesetzmäßige V in denkunmöglicher Weise angewendet hat (zB VfSlg. 10413/1985).

Die Bf. wurde wegen eines im Zusammenhang mit dem Betrieb ihrer Apotheke stehenden Verhaltens strafgerichtlich verurteilt (s.o. I.1.a). Die Behörde hat das Gesetz (nämlich die wiederholt zitierten Bestimmungen des ApG) keineswegs denkunmöglich angewendet, wenn sie unter diesen Umständen die Verläßlichkeit der Bf. zum Betrieb einer Apotheke als nicht mehr gegeben ansah. Nach dem oben Gesagten durfte die Behörde, ohne dem ApG einen dem Art6 StGG verletzenden Inhalt zu unterstellen, bei der Beurteilung der Verläßlichkeit einen besonders strengen Maßstab anlegen, um bei der zu treffenden Entscheidung jedes Risiko, das mit einer zu positiven Bewertung der Persönlichkeit der Bf. mit Beziehung auf den Betrieb einer Apotheke verbunden sein könnte, im Interesse der Volksgesundheit zu vermeiden.

Die Behörde durfte - ohne das Adäquanzprinzip zu verletzen - das wirtschaftliche Interesse der Bf. am Weiterbetrieb der Apotheke demgegenüber in den Hintergrund treten lassen.

cc) Art6 StGG wurde also nicht verletzt.

3.a) aa) Die Bf. bringt weiters vor, daß das Gesetz dem Gleichheitsgrundsatz widerspreche. §19 Abs2 Z1 iVm §3 Abs1 Z6 ApG sehe nämlich vor, daß bei Verlust der Verläßlichkeit ausschließlich der am schwersten wiegende Eingriff (nämlich die Konzessionsentziehung) vorgesehen sei. Hiefür fehle jegliche sachliche Rechtfertigung. Die Regelung des ApG stehe in Widerspruch zu vergleichbaren Vorschriften der GewO (§87 Abs3 und §89), die viel mehr differenzierten.

In diesem Zusammenhang (wenngleich unter dem Titel der behaupteten Verletzung des Eigentumsrechtes) weist die Bf. noch darauf hin, daß ihrer Meinung nach der in der erwähnten Regelung vorgesehene Rechtseingriff überschießend, unsachlich und unverhältnismäßig sei; es seien nämlich keine Abstufungen für die Schwere des Eingriffs, wie etwa die Einschränkung der Berufsausübung für bestimmte Zeit (zB die zeitliche Beschränkung des Konzessionsentzuges), die Bestellung eines verantwortlichen Leiters oder ein Verpachtungszwang vorgesehen.

bb) Auch dem Vollzug lastet die Bf. Verletzungen des Gleichheitsgebotes an: Die Behörde sei willkürlich vorgegangen, weil Verfahrensmängel vorlägen (Nichteinholung eines psychologischen Gutachtens). Die Behörde habe sich im angefochtenen Bescheid damit begnügt, Bedenken und Zweifel ob der künftigen Verläßlichkeit der Bf. zu äußern.

Unter dem Titel der behaupteten Verletzung des Eigentumsrechtes rügt die Bf. noch, daß die Konzession entzogen wurde, obgleich damals das gegen sie eingeleitete Disziplinarverfahren noch nicht abgeschlossen und ohnehin ein Apothekenleiter bestellt war.

b) All diese Vorwürfe sind unzutreffend:

aa) Die Argumentation der Beschwerde geht zum Teil von der Annahme aus, der Konzessionsentzug sei eine Strafe und unterliege daher den für Strafnormen geltenden Regeln. Diese Ausgangsposition ist - wie oben (II.1.b.bb) dargetan - verfehlt.

Im übrigen genügt es, zur Widerlegung dieser von der Bf. gegen die Verfassungsmäßigkeit des ApG vorgebrachten Überlegungen auf die oben (II.2.b.aa) zur Erwerbsausübungsfreiheit gemachten Ausführungen zu verweisen. Daraus ergibt sich auch, daß der Verlust der Verläßlichkeit in Bezug auf den Betrieb einer Apotheke mit jener in Bezug auf einen Gewerbebetrieb nach der GewO nicht vergleichbar ist. Dem Gesetzgeber kann auch nicht entgegengetreten werden, wenn er es als wünschenswert erachtet, daß eine Apotheke wenn möglich vom Konzessionsinhaber selbst (also nicht etwa von einem Pächter oder verantwortlichen Leiter) geführt wird.

bb) Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 10413/1985) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Der Behörde kann nicht vorgeworfen werden, sie sei willkürlich vorgegangen, wenn sie allein aufgrund der erwähnten strafrechtlichen Verurteilung der Bf. und ohne ein psychologisches Gutachten einzuholen zur Annahme gelangte, daß dieser die Verläßlichkeit mangle, weiterhin eine Apotheke zu betreiben.

Es war keinesfalls völlig verfehlt und indiziert daher keine Willkür, wenn die Behörde den Abschluß des gegen die Bf. anhängigen Disziplinarverfahrens nicht abgewartet hat.

Auf das Beschwerdevorbringen, die Behörde habe dem Gesetz fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt, ist deshalb nicht einzugehen, weil hier nur die Bedenken gegen das Gesetz wiederholt werden, die bereits in der vorstehenden sublit. aa) widerlegt wurden.

cc) Die Bf. wurde mithin auch nicht im Gleichheitsrecht verletzt.

4.a) Die Bf. bringt noch weitere Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des ApG vor: Für die Verleihung einer Apothekenkonzession sei der Instanzenzug Landeshauptmann-Bundesminister vorgesehen, während für den contrarius actus, den Konzessionsentzug, ein anderer Instanzenzug, nämlich Bezirksverwaltungsbehörde-Landeshauptmann gelte. Art103 Abs4 B-VG verpflichte den einfachen Gesetzgeber, den Instanzenzug in bedeutsamen Angelegenheiten bis zum zuständigen Bundesminister zu eröffnen.

b) Art103 Abs4 B-VG statuiert den Grundsatz, daß der Instanzenzug in mittelbarer Bundesverwaltung beim Landeshauptmann endet, wenn dieser als Rechtsmittelbehörde zu entscheiden hat. Von diesem Prinzip ist eine Ausnahme dann erlaubt, wenn sie wegen der Bedeutung der Angelegenheit gerechtfertigt ist. Wortlaut und Sinn dieser Verfassungsbestimmung lassen es aber nicht zu, aus ihr das Gebot zu erschließen, bei bedeutsamen Angelegenheiten vom erwähnten Grundsatz abzuweichen und einen Instanzenzug bis zum Bundesminister vorzusehen.

Der Gesetzgeber hat den ihm von verfassungswegen auch für die Gestaltung des Instanzenzuges eingeräumten Spielraum hier nicht überschritten. Ein Vergleich zwischen dem Verfahren zur Verleihung einer Apothekenkonzession und jenem zum Entzug einer solchen Konzession ist schon deshalb nicht am Platz, weil das öffentliche Interesse an einer gesicherten Heilmittelversorgung bei einer Konzessionsverleihung wesentlich mehr im Vordergrund steht als bei einem Konzessionsentzug und daher jeweils (auch) andere Fragen zu beurteilen sind.

5. Die weiters behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentumsrechts liegt schon deshalb nicht vor, weil nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 1842/1949, 5263/1966, 6361/1971, 6733/1972, 10588/1985, 11017/1986, 11198/1986) den Schutz des Art5 StGG und des Art1 des (1.) ZP zur MRK nur Privatrechte genießen, also (vermögenswerte) Ansprüche öffentlichrechtlicher Natur nicht Schutzobjekt dieses Grundrechtes sind. Der VfGH sieht sich auch durch die Beschwerdeausführungen nicht veranlaßt, von dieser Judikatur abzurücken.

6. Die behauptete Verletzung in Rechten wegen Anwendung verfassungswidriger Bestimmungen des ApG hat also ebensowenig stattgefunden wie die geltend gemachte Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Bf. in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer anderen rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen und gemäß Art144 Abs3 B-VG antragsgemäß dem VwGH abzutreten.

7. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte