Spruch:
I. Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Versammlungsfreiheit verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
II. Der Bund (Bundesministerin für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 957,80 bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Mit Eingabe vom 24. April 2012 zeigte der Beschwerdeführer der Bundespolizeidirektion Leoben die beabsichtigte Abhaltung einer gegen die Schließung des "Werksbades Donawitz" gerichteten Versammlung am 1. Mai 2012 um 10.00 Uhr am Leobener Hauptplatz an.
2. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Leoben vom 26. April 2012 wurde die vom Beschwerdeführer angezeigte Versammlung gemäß §6 Versammlungsgesetz 1953, BGBl 98 (WV), idF BGBl I 127/2002 (im Folgenden: VersammlungsG) untersagt und die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde gemäß §64 Abs2 AVG ausgeschlossen.
3. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung gab die Landespolizeidirektion Steiermark mit Bescheid vom 18. Oktober 2012 keine Folge und bestätigte den angefochtenen Bescheid. Begründet wird die Untersagung der Versammlung wörtlich – im Wesentlichen – wie folgt:
"Mit E-Mail vom 24. April 2012 zeigte der Berufungswerber der erkennenden Behörde an, dass er von der Bürgerliste am 1. Mai 2012, um 10.00 Uhr, Bereich Leobener Hauptplatz, eine Versammlung nach §2 Versammlungsgesetz abhalten wolle, um den Verantwortlichen der Stadt den Unmut der Bevölkerung von Leoben kund zu tun. Thema für die Protestkundgebung sei die Tatsache, dass das Werksbad Donawitz geschlossen wurde.
Am 1. Mai 2012 finde am Leobener Hauptplatz der traditionelle Mai-Aufmarsch bzw. Mai-Kundgebung statt, welche[r] seit Jahrzehnten stattfinde. Diesbezüglich erfolgte am 16. April 2012 durch die sozialdemokratische Partei Österreich, Bezirksgeschäftsführung Leoben, bei der Stadtgemeinde Leoben die erforderliche Eingabe um Erteilung der straßenpolizeilichen Bewilligung für die Abhaltung des Maifestes am 1. Mai 2012 (ganztägig) am Hauptplatz, in der Homangasse, in der Josef-Grafgasse, in der Timmersdorfergasse sowie in der Franz-Josef-Straße, im Bereich von der Einbindung Hauptplatz bis zur Einbindung Parkstraße. Dem Antrag wurde entsprochen und der Bescheid am 24. April 2012 erlassen. Die Bundespolizeidirektion Leoben wurde fernmündlich davon in Kenntnis gesetzt, um sich für allfällige Verkehrsmaßnahmen (Ordnungsdienst) vorzubereiten.
Der Berufungswerber beabsichtigte zur selben Zeit und am selben Ort eine Versammlung abzuhalten wie die Sozialdemokratische Partei Österreich, Bezirksgeschäftsführung Leoben. Bei der von der SPÖ beabsichtigten Veranstaltung handelt es sich um eine traditionelle Mai-Kundgebung, welche seit Jahrzehnten zur selben Zeit am Leobener Hauptplatz abgehalten wird. Bei der vom Berufungsweber beabsichtigten Versammlung geht es offensichtlich darum, den Besuchern und Veranstaltern der Mai-Kundgebung, seinen Protest gegen die Schließung des Werksbades Donawitz zu übermitteln bzw. zu polarisieren.
Auf Facebook hat der Berufungswerber Folgendes gepostet: 'Schluss mit lustig, arrogante Sozialisten schließen Werksbad Donawitz. Am 1. Mai um 10.00 Uhr findet am Leobener Hauptplatz eine Protest Aktion gegen die Schließung des Donawitzer Werksbades statt! Es reicht.'
Die Ankündigung dieser Protestaktion wurde auch in den Printmedien veröffentlicht.
Nach eingehender Prüfung des Sachverhaltes gelangte die erkennende Behörde zum Ergebnis, dass aufgrund der selben Zeit und desselben Ortes, der vom Berufungswerber angezeigten Versammlung im Zusammenhalt mit dem Thema […] 'Schluss mit lustig, Protestaktion gegen die Schließung des Donawitzer Werksbades' nicht auszuschließen ist, dass eine Konfrontation zwischen den Teilnehmern der Mai-Kundgebung und den Teilnehmern der Protestkundgebung des Berufungswerbers entsteht und die Sicherheit der Teilnehmer nicht gewährleistet sei.
Dies auch deshalb, zumal es sich bei der Mai-Kundgebung um eine Veranstaltung der SPÖ handelt und diese laut Medien für die Schließung des Werksbades verantwortlich sei. Offensichtlich beabsichtige der Berufungswerber politisch in Opposition zu den Teilnehmern des Mai-Aufmarsches zu treten, um eine Konfrontation mit diesen zu suchen. Dafür spreche auch, dass der Berufungswerber einen Ort gewählt habe, der grundsätzlich den Teilnehmern des Mai-Aufmarsches vorbehalten sei. Die Verantwortlichen hätten rechtzeitig um Benützung dieser Örtlichkeit am 16. April 2012 angesucht.
Seitens der erkennenden Behörde wurde am 25. April 2012 telefonisch um Kontaktaufnahme mit dem Berufungswerber ersucht. Der Berufungswerber kam dem Ersuchen nach und in weiterer Folge wurde der Sachverhalt erörtert. Dabei wurde dem Berufungswerber angeboten, seine Versammlung nach dem Versammlungsgesetz nicht am Hauptplatz, sondern am nahe gelegenen Kirchplatz, welcher sich nur wenige Minuten vom Hauptplatz entfernt befindet, abzuhalten. Dazu gab der Berufungswerber an, dass er nicht bereit sei, die Versammlung an einer anderen Örtlichkeit als dem Leobener Hauptplatz abzuhalten. Er wäre jedoch bereit, die Versammlung in der Krottendorferstraße, auf Höhe des dortigen Wettcafés, durchzuführen. Dazu wurde von der erkennenden Behörde dem Berufungswerber mitgeteilt, dass diese Örtlichkeit nur wenige Meter von der Hauptbühne der 1.Mai-Kundgebung entfernt sei und somit ebenfalls die Gefahr bestehe, dass es zu einer Konfrontation zwischen den Teilnehmern der 1. Mai-Kundgebung und den Teilnehmern seiner Protestkundgebung kommen könne.
Im Zuge des Parteiengehörs wurde dem Berufungswerber zur Kenntnis gebracht, dass seitens der erkennenden Behörde beabsichtigt sei, die angezeigte Versammlung am 1. Mai 2012, Bereich Leobener Hauptplatz, gemäß §6 Versammlungsgesetz zu untersagen.
Die erkennende Behörde hat bei ihrer Entscheidung die Interessen des Veranstalters an der Abhaltung der Versammlung in der geplanten Form gegen die in Artikel 11 Abs2 MRK aufgezählten Interessen a[m] Unterbleiben der Versammlung abgewogen.
Die erkennende Behörde traf diese Prognoseentscheidung auf Grundlage der von ihr festgestellten objektiv […]erfassten Umstände in sorgfältiger Abwägung zwischen dem Schutz der Versammlungsfreiheit und dem von der Behörde wahrzunehmenden öffentlichen Interessen.
[…]
Der Berufungswerber habe von vorneherein offengelegt, dass er als politischer Mandatar eine Protest-Kundgebung gegen die Schließung des Werksbades Donawitz plane.
Das Vorbringen des Berufungswerbers, die erkennende Behörde habe den Mai-Aufmarsch der SPÖ zu Unrecht unter §5 Versammlungsgesetz 1953 subsumiert - im Berufungsvorbringen ist die zuständige Gesetzesstelle zwar nicht explizit angeführt, doch geht die Berufungsbehörde davon aus, dass diese Rechtsmeinung vom Berufungswerber vertreten wird - geht von einer falschen Prämisse aus.
Der erkennenden Behörde lag nämlich eine Mitteilung samt genauem Aufmarschplan vor, aus der Zweck, Zeit und Ort des Mai-Aufmarsches ersichtlich war[en].
Seitens der Stadtgemeinde Leoben wurde als zuständige Behörde für diesen Mai-Aufmarsch eine Bewilligung für die Benützung von Straßen zu verkehrsfremden Zwecken gemäß §82 Straßenverkehrsordnung 1960 ausgestellt und ein Gestattungsübereinkommen gemäß §54 Stmk. Landes-Straßenverwaltungsgesetz LSDfG 1964 erteilt.
Es ist auch der Annahme der Behörde nicht entgegenzutreten, dass aufgrund der zur selben Zeit und desselben Ortes vom Berufungswerber angezeigten Versammlung in Zusammenhalt mit diesem Thema nicht auszuschließen war, dass eine Konfrontation zwischen den Teilnehmern der Mai-Kundgebung und der vom Berufungswerber angezeigten Versammlung 'Schluss mit lustig, Protestaktion gegen die Schließung des Donawitzer Werksbades' hätte entstehen können, dass die Sicherheit der Teilnehmer nicht hätte gewährleistet werden können.
Die erkennende Behörde kam somit nachvollziehbar zum Ergebnis, dass im Falle der Nichtuntersagung mit Grund eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und des öffentlichen Wohles zu befürchten gewesen wäre.
Die Behörde hat die angezeigte Versammlung somit zu Recht untersagt. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Versammlungsrechtes ist daher nicht erfolgt."
4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der eine Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Versammlungsfreiheit sowie eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf den gesetzlichen Richter behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
Der Beschwerdeführer führt hiezu – im Wesentlichen – zunächst wie folgt aus:
"Ich zeigte am 24.4.[20]12 eine Veranstaltung im Sinne und in Ausübung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Grundrechtes auf Versammlungsfreiheit […] an.
[…] Im Augenblick meiner Antragstellung lag – was ich nicht wusste – eine Antragstellung der SPÖ auf eine politische oder Brauchtumsveranstaltung […] der Behörde bereits vor, war aber im Augenblick meiner Antragstellung noch nicht entschieden, approbiert, ausgefertigt.
[…] Die Behörde leitete obgleich für kurze Zeit zwei widersprechende bzw. konkurrierende Anträge betreffend des gleichen Ortes und der gleichen Zeit vorlagen für meine Anzeige zwar ein Verfahren ein, fertigte aber zuvor die Genehmigung für die Konkurrenzveranstaltung aus, wodurch keine Abwägung der Interessen mehr erfolgte[,] sondern in der Folge nur mehr davon ausgegangen wurde, dass meine Demonstration eine Gegendemonstration sei.
[…] Hätte die Behörde den Sachverhalt richtig beurteilt, hätte sie zum rechtlichen Schluss gelangen müssen, dass die Reservierung des gesamten Hauptplatzbereiches samt allen Zugangsstraßen – und das während des ganzen Tages bis in die Nachtstunden – weit überschießend war und jegliche Konkurrenzveranstaltung – ohne sachliche Rechtfertigung – ausschloss.
[…] Hätte die Behörde ihre Amtskenntnis berücksichtigt, h[ä]tte sie meine angezeigte Versammlung etwa in zeitlicher Staffelung – zu Mittag oder am Nachmittag – […] oder in einem Teil des Hauptplatzes der – nach den politischen Ansprachen der SPÖ nicht mehr zur Versammlung oder [für] den Abmarsch benötigt wurde […] [– zulassen müssen.]
[…] Die Behörde hat sohin ihrer Prognose überzogene Kriterien zu Grunde gelegt; die Amtskenntnis nicht einbezogen.
Eine bloß allgemeine Befürchtung, es werde im Falle der gleichzeitigen Abhaltung der angezeigten Versammlung der SPÖ und meiner Veranstaltung möglicherweise zu handgreiflichen Auseinandersetzungen und Übergriffen zwischen Versammlungsteilnehmern und Besuchern kommen, reicht für sich alleine betrachtet noch nicht aus, um die Untersagung jedweder Versammlung zu rechtfertigen.
Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg 15.170/1998 festgehalten hat, darf die Einschränkung der Versammlungsfreiheit nicht durch gänzliche Untersagung der Versammlung erfolgen, ohne dass sich die Behörde mit den dem konkreten Versammlungsort inhärenten Sicherheitsrisiken ausreichend auseinandersetzt.
Dies hat die Behörde, der als Versammlungspolizei jahrzehntelange Erfahrung aus den wiederholten Veranstaltungen der SPÖ zu[r] Verfügung stand, zumindest nicht im ausreichenden Maßstab getan.
[…]
Auch ist als Grundlage der angefochtenen Entscheidung nicht festgestellt und erörtert worden, um welche Art einer Veranstaltung (Volkstumsfest oder [p]olitischer Aufmarsch) es sich bei der Konkurrenzveranstlatung der SPÖ handelte.
[…]
Ich habe auch in den Medien und meinen Aussendungen mehrfach betont, dass wir eine friedliche und zivilisierte Protestkundgebung in einigen wenigen gemeindepolitischen Sachfragen […] und keine generelle, abstrakte, den politischen Gegner zur Gänze in Frage stellende Gegendemonstration planen und auf die von mir getroffenen Beruhigungs- und Dees[k]alations-Maßnahmen hingewiesen.
[…]
Diese Verfahrensfehler und unrichtigen rechtlichen Beurteilungen führten dazu, dass die von mir angezeigte Versammlung untersagt wurde.
[…]
Bei richtiger Beurteilung der Sach- und Rechtslage hätte die Behörde meine Versammlung, selbst wenn man diese als Gegendemonstration auffasst, nicht untersagen dürfen." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)
4.1. Zu der von ihm behaupteten Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz führt der Beschwerdeführer insbesondere aus:
"Der Gleichheitssatz […] ist verletzt, wenn schwerwiegende Fehler bei der Anwendung des Gesetzes – auch nach den Verfahrensgesetzen – vorliegen[.]
[…]
[…] Die Behörde hätte bemerken müssen, dass bei ihr – wenn auch kurzzeitig – zwei widersprechende Ankündigungen einer Kundgebung/einer Veranstaltung vorliegen und hätte[…] hierfür die organisatorischen Voraussetzungen einzurichten gehabt.
[…] Daher wäre bei verfassungskonformer Interpretation des angewendeten Gesetzes eine gesetzlich gebotene inhaltliche Interessensabwägung zwischen den gleichzeitig anhängigen Anträgen der SPÖ und meiner Liste abzuwickeln gewesen, und zwar in beiden Verfahren. Dies anstatt die Anträge offensichtlich unreflektiert in der Reihenfolge des Einlangens zu erledigen." (Zitat ohne die im Original enthaltene Hervorhebung)
4.2. Hinsichtlich der von ihm behaupteten Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Versammlungsfreiheit führt der Beschwerdeführer – im Wesentlichen – aus:
"Durch die unrichtige, im Feststellungsverfahren nicht bzw nicht vollständig erfolgte Feststellung und Erörterung des tatsächliche[n] Gefahrenpotentials kam es in der Folge zur unrichtigen rechtlichen Beurteilung zur Untersagung meiner Versammlung.
Es ist nicht Aufgabe behördlicher Prüfungen zur Rechtmäßigkeit einer Anmeldung einer Protestveranstaltung […] durch ausschweifende Interpretierung erforderlicher Kundgebungs- und Veranstaltungsflächen für die SPÖ jede sich auf verfassungsmäßig mehrfach garantierte Rechte begründete Demonstration[…] anderer Gruppierungen von vorneherein zu verunmöglichen, auch nicht auf diesem Wege auf das Chancengleichgewicht zur Meinungsfreiheit im politischen Wettbewerb (indirekt) einzuwirken.
Die Behörde hätte im Sinne des AVG zu dem Zeitpunkt, als ihr bekannt war, dass es zwei Demonstrationen gibt, ihren Bescheid auf Nichtuntersagung der Veranstaltung der SPÖ noch aufheben, abändern, entsprechend einschränken – schlechthin abändern – können, damit beide Demonstrationen bzw. Veranstaltungen möglich sind.
Dadurch, dass sie dies unterließ[,] griff sie in meine verfassungsmäßig garantierten Rechte unmittelbar ein.
[…] Eine bloß allgemeine Befürchtung, es werde im Falle der gleichzeitigen Abhaltung zweier angezeigter Versammlungen zur gleichen Zeit möglicherweise zu handgreiflichen Auseinandersetzungen und Übergriffen zwischen Versammlungsteilnehmern und Besuchern kommen, kann für sich alleine betrachtet noch nicht ausreichen, um die Untersagung jedweder Versammlung zu rechtfertigen. Auch ist [dem] behördlichen Vorwurf, es gehe mir bei der Kundgebung darum 'zu polarisieren', […] kein nachvollziehbares Erhebungsergebnis den Feststellungen zugrundegelegt, somit [ist] der Bescheid fehlerhaft.
Außerdem ist Polarisieren ein durchwegs legitimes Mittel in der politischen Auseinandersetzung, da gerade das zum Ausdruck bringt, dass man nicht den (ebenfalls) demokratisch[…] legalisierten Gegner an sich ablehnt, sondern nur gewisse Aspekte seines politischen Handelns, eben einzelne Sachentscheidungen.
Eine Untersagung einer Versammlung aus diesen Erwägungen war daher nicht rechtens.
[…]
Die Behörde belastet zugleich ihren Bescheid mit Fehlerhaftigkeit, als sie nicht zwischen einem Maifest und der politischen Kundgebung der SPÖ unterscheidet.
Bei einem Fest als kultureller Traditionsveranstaltung gelten nämlich für die Genehmigung von (Gegen-)Protestaktionen auf dem Festgelände andere Vorschriften als auf rein politischen Kundgebung[en].
[…]
Auch im Rahmen der Erörterung der möglichen Ersatzorte hätte mir die Behörde einen dem Potestzweck entsprechenden, nicht aber im Abseits und von effektiver publikumswirksamer Protestmöglichkeit abgeschnittenen Ort vorschlagen müssen, da es nicht Aufgabe der Behörde ist[,] Protestkundgebungen […] ab ovo zu unterbinden und zu verunmöglichen, sondern nur beide kontroversielle Gruppen lediglich soweit zu trennen, als dies bei Achtung verfassungsmäßig geschützter Rechte unumgänglich ist, wobei hierbei sehr wohl nicht nur auf Ordnungskräfte der Demonstrations- bzw. Kundgebungsveranstalter hinzuweisen ist, sondern sehr wohl auch in adäquatem Ausmaß eigene Ordnungskräfte der Behörde einzusetzen sind.
Die Behörde hat im Rahmen des Kompromissangebotes eine jederzeit mögliche zeitliche Staffelung nicht einmal angedacht."
4.3. Schließlich behauptet der Beschwerdeführer die Verletzung in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und führt zudem aus, dass "kein faires Verfahren [und] kein effektiver Rechtsschutz gegeben" wären.
5. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift und beantragte – für den Fall der Abweisung der Beschwerde –, dem Beschwerdeführer die Erstattung des Vorlageaufwandes in Höhe von € 57,40 vorzuschreiben.
II. Rechtslage
Die Behörde stützte den angefochtenen Bescheid auf §6 VersammlungsG.
Dieser lautet wie folgt:
"§6.
Versammlungen, deren Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft oder deren Abhaltung die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährdet, sind von der Behörde zu untersagen."
III. Erwägungen
1. Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:
1.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 12.257/1990 und die dort zitierte Vorjudikatur, 15.170/1998, 16.842/2003) ist jede Verletzung des Versammlungsgesetzes, die unmittelbar die Ausübung des Versammlungsrechtes betrifft und damit in die Versammlungsfreiheit eingreift, als Verletzung des durch Art12 StGG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes zu werten. So verletzt etwa jeder Bescheid, mit dem österreichischen Staatsbürgern gegenüber die Abhaltung einer Versammlung untersagt wird, das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Versammlungsfreiheit schon dann, wenn das – im Einklang mit Art11 Abs2 EMRK auszulegende (VfSlg 12.155/1989, 15.362/1998 und 17.259/2004) – Gesetz unrichtig angewendet wurde.
1.2. Das Beschwerdevorbringen ist, insoweit es auf die Untersagung der vom Beschwerdeführer angezeigten Versammlung gerichtet ist, somit nicht unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes, sondern unter jenem der Versammlungsfreiheit zu beurteilen (vgl. auch VfGH 20.9.2012, B1359/11).
2.1. Insoweit in der Beschwerde vorgebracht wird, dass es die belangte Behörde zu Unrecht unterlassen hätte, die Versammlungsanzeige des Beschwerdeführers zeitlich und örtlich dahingehend abzuändern, dass eine Kollision der Versammlung mit dem Maifest der SPÖ-Bezirksorganisation Leoben verhindert worden wäre, ist festzuhalten, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (u.a. VfSlg 17.259/2004, 17.873/2006 und 18.587/2008) die Behörde von sich aus nicht dazu berechtigt ist, eine ihr vorliegende Versammlungsanzeige zu modifizieren. Zudem sieht das VersammlungsG die bloß teilweise Untersagung einer Versammlung ebenso wenig vor wie die Vorschreibung behördlicher Auflagen (vgl. VfSlg 4524/1963 und 9103/1981).
Folglich ist zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der vorliegenden und angefochtenen Untersagung einzig die Versammlungsanzeige des Beschwerdeführers maßgeblich.
2.2. Im Fall der Untersagung einer Versammlung hat die Behörde bei ihrer Entscheidung die Interessen des Veranstalters an der Abhaltung der Versammlung in der geplanten Form gegen die in Art11 Abs2 EMRK aufgezählten Interessen am Unterbleiben der Versammlung abzuwägen. Diese Entscheidung ist eine Prognoseentscheidung, die die Behörde auf Grundlage der von ihr festzustellenden, objektiv erfassbaren Umstände in sorgfältiger Abwägung zwischen dem Schutz der Versammlungsfreiheit und den von der Behörde wahrzunehmenden öffentlichen Interessen zu treffen hat (so ständige Judikatur des Verfassungsgerichtshofs beginnend mit VfSlg 5087/1965).
2.3. Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde die Untersagung damit begründet, dass die vom Beschwerdeführer angezeigte Versammlung mit dem von der SPÖ-Bezirksorganisation Leoben veranstalteten und am 16. April 2012 behördlich angemeldeten Maifest zeitlich und örtlich kollidiert wäre, sodass – insbesondere unter Berücksichtigung der Thematik der vom Beschwerdeführer angezeigten Versammlung – eine Konfrontation zwischen den Versammlungsteilnehmern und den Besuchern des Maifestes nicht auszuschließen gewesen sei. Die Sicherheit der Versammlungsteilnehmer hätte nicht gewährleistet werden können.
2.4. Wenngleich diese Annahme der Behörde zutreffen mag, reicht diese bloß allgemeine Befürchtung, es werde im Fall der Abhaltung einer Versammlung möglicherweise zu Ausschreitungen und damit zu einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und des öffentlichen Wohles kommen, für sich alleine noch nicht aus, um die Untersagung einer Versammlung zu rechtfertigen (vgl. zB VfSlg 17.259/2004, 17.873/2006, 18.572/2008, 18.587/2008).
2.5. Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfGH 14.3.2013, B1037/11, mit näherer Begründung und unter Hinweis auf die Pflicht des Staates, die Ausübung des Versammlungsrechtes zu gewährleisten, dargetan hat, kann allein der Umstand des Risikos von Auseinandersetzungen nicht ausreichen, eine geplante Versammlung zu untersagen, andernfalls dies auf ein vorbeugendes Versammlungsverbot hinausliefe, welches mit verfassungsrechtlichen Grundsätzen nicht zu vereinbaren wäre. Selbst wenn aber das Risiko von Auseinandersetzungen bestünde, hätte die Behörde abzuwägen, inwieweit Sicherheitsmaßnahmen ausreichen würden, um solche Auseinandersetzungen zu verhindern.
Dem ist die belangte Behörde im vorliegenden Fall nicht hinreichend nachgekommen.
IV. Ergebnis
1. Der Beschwerdeführer ist somit durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Versammlungsfreiheit verletzt worden.
Der angefochtene Bescheid ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 122,97 sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 220,– enthalten.
4. Dem Antrag der belangten Behörde auf Zuerkennung von Kosten als Ersatz des Vorlageaufwandes ist schon deshalb nicht zu entsprechen, weil dies im VfGG nicht vorgesehen ist und eine sinngemäße Anwendung des §48 Abs2 VwGG im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof nicht in Betracht kommt (zB VfSlg 17.873/2006 mwN).
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