Normen
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Bescheid
B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
StGG Art5
BDG 1977 §83 Abs2
Bundes-PersonalvertretungsG §28 Abs1
Lehrerdienstpragmatik §23
Lehrerdienstpragmatik §25
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Bescheid
B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
StGG Art5
BDG 1977 §83 Abs2
Bundes-PersonalvertretungsG §28 Abs1
Lehrerdienstpragmatik §23
Lehrerdienstpragmatik §25
Spruch:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. a) Der Beschwerdeführer steht als Lehrer in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er hatte im Jahre 1978 eine schulfeste Stelle an der Höheren Bundeslehranstalt für wirtschaftliche Frauenberufe und für Fremdenverkehrsberufe Bad Ischl (im folgenden kurz: HBLA Bad Ischl) inne. Damals war er auch Personalvertreter (Mitglied des Dienststellenausschusses bei der erwähnten Schule).
Der Landesschulrat für OÖ erstattete am 9. März 1978 gegen den Beschwerdeführer gemäß §70 Abs1 litb des damals geltenden Beamten-Dienstrechtsgesetzes, BGBl. 329/1977 (BDG 1977), die Disziplinaranzeige an die Disziplinarkommission für Schulleiter und sonstige Lehrer sowie für Erzieher, die an einer dem Landesschulrat für OÖ unterstehenden Schule (Schülerheim) verwendet werden (im folgenden kurz: Disziplinarkommission); es bestehe der Verdacht, daß der Beschwerdeführer anläßlich einer Inspektion durch den zuständigen Schulaufsichtsbeamten am 1. März 1978 die in den §§22, 23, 25 und 27 der Lehrerdienstpragmatik, RGBl. 319/1917 (LDP 1917), festgelegten Pflichten verletzt habe.
Am 18. Mai 1978 beschloß die Disziplinarkommission gegen den Beschwerdeführer wegen verschiedener Anschuldigungspunkte (Vorfälle vom 1. März 1978 anläßlich der Inspektion) gemäß §83 Abs2 BDG 1977 ein Disziplinarverfahren durchzuführen und gemäß §84 Abs1 BDG 1977 eine mündliche Verhandlung für 12. Juni 1978 anzuberaumen. Dieser Beschluß wurde dem Beschwerdeführer am 29. Mai 1978 zugestellt.
Da der Beschwerdeführer damals ein Mitglied des Dienststellenausschusses der HBLA Bad Ischl war, befaßte die Disziplinarkommission gemäß §28 des Bundes-Personalvertretungsgesetzes, BGBl. 133/1967 idF der Nov. BGBl. 284/1971 (im folgenden kurz: PVG) dieses Organ der Personalvertretung. Der Dienststellenausschuß der HBLA Bad Ischl teilte der Disziplinarkommission mit Schreiben vom 12. Juni 1978 folgendes mit:
"Der Dienststellenausschuß der HBL für wirtsch. Frauenberuf und für Fremdenverkehrsberufe Bad Ischl hat am 12. 6. 1978 im Zusammenhang mit der Disziplinaranzeige Koll. S. über die Absätze 1 und 2 des §28 PVG verhandelt und beschlossen:
Koll. S. hat im gegenständlichen Fall nicht in Ausübung seiner Funktion als Personalvertreter gehandelt. Die Zustimmung zum Disziplinarverfahren wird erteilt."
Dieses Schreiben wurde zu Beginn der mündlichen Verhandlung vom 12. Juni 1978 verlesen.
Die Disziplinarkommission erkannte den Beschwerdeführer mit Erk. vom 21. Juni 1978 bestimmter Pflichtverletzungen schuldig und verhängte eine Disziplinarstrafe.
b) Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Darüber entschied die Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt (im folgenden kurz: DOK) mit Erk. vom 21. Feber 1979 wie folgt:
"Der Berufung des Beschuldigten gegen das Erk. vom 21. 6. 1978 wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Erk. in der Weise abgeändert, daß es zu lauten hat: Professor A. S., Höhere Bundeslehranstalt für wirtschaftliche Frauenberufe und für Fremdenverkehrsberufe Bad Ischl, ist schuldig, seine in den §§23 und 25 der Lehrerdienstpragmatik 1917, RGBl. Nr. 319/1917, festgelegten Pflichten dadurch verletzt zu haben, daß er
1. am 1. 3. 1978 vor der versammelten III. HLF b-Klasse und in Anwesenheit des Direktors Dr. K. H. dem zuständigen Schulaufsichtsbeamten erklärte, keinen Anlaß für eine Inspektion zu sehen und mit den Worten 'Ich weigere mich, die Stunde zu halten' die Klasse verlassen hat;
2. zirka 5 - 10 Minuten später diese Weigerung mit dem Bemerken wiederholte, daß er nicht einsehe, ohne vorherige Ankündigung inspiziert zu werden, während dies Professor R. G., Höhere Bundeslehranstalt für wirtschaftliche Frauenberufe und für Fremdenverkehrsberufe Bad Ischl schon 14 Tage vorher gewußt hätte;
3. in der Folge weitere zwei Aufforderungen des zuständigen Landesschulinspektors, die Stunde zu halten, ignorierte und erst, als ihm zweimal hiezu der dienstliche Auftrag erteilt wurde, den Unterricht mit einer Filmvorführung begann.
Es wird daher gemäß §52 Absatz 1 Ziffer 3 BDG, die Disziplinarstrafe einer Geldstrafe in der Höhe von einem Monatsbezug unter Ausschluß der Haushaltszulage verhängt.
Gemäß §87 Abs2 leg. cit. wird die Abstattung dieser Geldstrafe in 36 Monatsraten bewilligt.
Weiters wird auf Grund dieses Schuldspruches gemäß §126 BDG der Verlust der aus der Innehabung einer schulfesten Stelle fließenden Rechte ausgesprochen.
Gemäß §77 Abs2 leg. cit. sind die Kosten des Verfahrens von Professor S. nicht zu ersetzen."
2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Wahrung des Grundsatzes "nullum crimen, nulla poena sine lege" (Art7 Abs1 MRK) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.
3. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, auf die Erstattung einer Gegenschrift jedoch verzichtet.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. §28 PVG lautet:
"(1) Die Personalvertreter und die Mitglieder der Wahlausschüsse dürfen wegen Äußerungen oder Handlungen nur mit Zustimmung des Ausschusses, dem sie angehören, dienstrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.
(2) Kommt der Ausschuß zu dem Ergebnis, daß die Äußerungen oder Handlungen nicht in Ausübung der Funktion erfolgt sind, so hat er die Zustimmung zu erteilen.
(3) Nach dem Ausscheiden aus der Funktion obliegt die Erteilung der Zustimmung dem ehemaligen Ausschuß und falls dieser nicht mehr besteht, dem Zentralausschuß."
2. Der Beschwerdeführer begründet seine Behauptung, in den oben unter I.2. genannten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden zu sein, damit, daß dem §28 PVG zufolge Voraussetzung für die Verhängung einer Ordnungs- oder Disziplinarstrafe, aber auch schon für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen einen Personalvertreter (der Beschwerdeführer war - wie erwähnt - damals Mitglied des Dienststellenausschusses) die Zustimmung des Personalvertretungsausschusses sei. Wenn eine "Prozeßvoraussetzung" nicht schon von Anfang an gegeben sei, dann müsse das gesamte Verfahren notwendigerweise als rechtswidrig - hier als verfassungswidrig - qualifiziert werden; die Möglichkeit einer späteren Sanierung komme schon begrifflich (Voraussetzung) nicht in Betracht.
Dazu komme noch, daß die (verspätete) Mitteilung des Dienststellenausschusses völlig offen lasse, ob die - schon zufolge Verspätung (nach Meinung des Beschwerdeführers) unbeachtliche - Zustimmung des Ausschusses (Kollegialorgans) in der gesetzlich vorgeschriebenen Art und Weise zustandegekommen sei.
3. Aus §28 Abs1 PVG ergibt sich, daß die Behörde nicht zuständig ist, einen Personalvertreter ohne Zustimmung des Ausschusses, dem er angehört, dienstrechtlich zur Verantwortung zu ziehen (vgl. zB VfSlg. 7646/1975). Nach der Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 6173/1970 und 6472/1971) wird der Betroffene iS der angeführten Bestimmung des PVG nicht nur durch die Verhängung einer Disziplinarstrafe, sondern auch durch die Verhängung einer Ordnungsstrafe und schon durch die Einleitung eines Disziplinarverfahrens "dienstrechtlich zur Verantwortung gezogen". Der VfGH bleibt bei dieser Rechtsprechung.
Im vorliegenden Fall wurde das Disziplinarverfahren mit Beschluß der Disziplinarkommission vom 18. Mai 1978 eingeleitet. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Dienststellenausschuß der disziplinären Behandlung des Beschwerdeführers (noch) nicht zugestimmt.
Nach der Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 8686/1979) handelt es sich beim Beschluß, ein Disziplinarverfahren einzuleiten (durchzuführen), um einen verfahrensrechtlichen Bescheid, der mit Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes bekämpft werden kann. Der Beschwerdeführer hat es unterlassen, eine solche Beschwerde zu erheben. Der Einleitungsbeschluß ist sohin nicht Gegenstand dieses verfassungsgerichtlichen Verfahrens, sodaß der VfGH hier nicht festzustellen hat, daß der Beschluß in Widerspruch zu §28 Abs1 PVG gefaßt wurde und daher rechtswidrig ist. Für die weiteren Verfahrensschritte des Disziplinarverfahrens ist jedoch wiederum zu untersuchen, ob für sie in Befolgung des §28 Abs1 PVG die Zustimmung des zuständigen Organs der Personalvertretung vorlag.
Diese Frage ist hier zu bejahen: Vor Durchführung der Disziplinarverhandlung der Disziplinarkommission am 12. Juni 1978 hatte der Dienststellenausschuß die Zustimmung zur dienststrafrechtlichen Behandlung des Beschwerdeführers bereits erteilt; dies wurde dem Beschwerdeführer auch bei Beginn der Verhandlung bekannt gegeben. Da der zuvorliegende Fehler vor dem VfGH - wie dargetan - nicht mehr bekämpft werden kann und ab diesem Zeitpunkt die Disziplinarkommission und die DOK zuständig waren, den Beschwerdeführer disziplinär zur Verantwortung zu ziehen, ist der Beschwerdeführer nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Aus dem Schreiben des Dienststellenausschusses vom 12. Juni 1978 (s.o. I.1.a) ergibt sich, daß der Beschluß dieses (zur Abgabe der Erklärung zuständigen) Organs der Personalvertretung rechtmäßig zustande gekommen ist.
4. Aus dem Gesagten folgt, daß der Beschwerdeführer aus den von ihm behaupteten Gründen auch nicht in anderen von ihm geltend gemachten Grundrechten verletzt worden ist.
Der angefochtene Bescheid verletzt den Beschwerdeführer aber auch nicht aus anderen Erwägungen in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten:
Mit dem angefochtenen Bescheid wird über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe verhängt; er greift daher in sein Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 8776/1980) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.
Der VfGH hat unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles gegen die den bekämpften Bescheid tragenden Rechtsvorschriften keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Daß der Bescheid in denkunmöglicher Gesetzesanwendung ergangen wäre, behauptet selbst der Beschwerdeführer nicht. Es haben sich auch sonst keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, zumal das ihm angelastete Verhalten schon im Administrativverfahren unbestritten geblieben ist.
Im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der den bekämpften Bescheid stützenden Rechtsnormen ist der Beschwerdeführer auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
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