VfGH B1284/90

VfGHB1284/901.7.1994

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Abweisung der von den Beschwerdeführern als Nachbarn gegen eine Baubewilligung zur Errichtung eines Zubaues zur bestehenden Betriebsanlage erhobenen Vorstellung.

(Anlaßfall zu V152/93, E v 01.07.94; keine Gesetzwidrigkeit der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Pöchlarn vom 29.10.81 über die Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes, soweit mit ihr für eine bestimmte Fläche die Widmung "Bauland-Betriebsgebiet" festgelegt wird).

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

 

Spruch:

Das Beschwerdeverfahren wird insoweit eingestellt, als die Beschwerde von G G erhoben wurde.

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Pöchlarn wurde der K N Gesellschaft m.b.H. unter Berufung auf §92 Abs1 Z1 der NÖ Bauordnung 1976, LGBl. 8200, in der maßgeblichen Fassung, die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines Zubaues einer Produktions- und Lagerhalle sowie von Büro- und Sozialräumen zur bestehenden Betriebsanlage auf den Grundstücken Nr. 1212/1, 1224, 1204/1 und 1204/4, KG Pöchlarn, unter Vorschreibung bestimmter Auflagen erteilt.

Diese Grundstücke sind nach dem Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde Pöchlarn idF der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Pöchlarn vom 29. Oktober 1981, womit das örtliche Raumordnungsprogramm abgeändert wird, als "Bauland-Betriebsgebiet" gewidmet.

Der von J, G und R G als Anrainern eingebrachten Berufung gab der Gemeinderat der Stadtgemeinde Pöchlarn keine Folge; ihre Vorstellung gegen den Bescheid des Gemeinderates wies die Niederösterreichische Landesregierung als unbegründet ab.

2. Gegen den Bescheid der Landesregierung richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, mit der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof begehrt wird.

Der von den Beschwerdeführern unter einem gemäß Art139 Abs1 dritter Satz B-VG gestellte Antrag, den Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde Pöchlarn idF der Verordnung des Gemeinderates vom 29. Oktober 1981, womit das örtliche Raumordnungsprogramm abgeändert wird, soweit er die erwähnten Grundstücke betrifft, als gesetzwidrig aufzuheben, wurde mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 25. Februar 1991, V476/90, mangels Legitimation der Beschwerdeführer zur Antragstellung zurückgewiesen.

3. Die Niederösterreichische Landesregierung als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt. Die Stadtgemeinde Pöchlarn hat Teile des Aktes betreffend das Zustandekommen der Verordnung des Gemeinderates vom 29. Oktober 1981, womit das örtliche Raumordnungsprogramm abgeändert wird, in Ablichtung vorgelegt.

4. Die Zweitbeschwerdeführerin ist am 25. September 1991 verstorben. Ihr Nachlaß wurde mit Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Melk vom 30. Dezember 1991 den Erben eingeantwortet. Ihr Eigentumsanteil an den Grundstücken EZ 431 und 374, KG Pöchlarn, auf den sich ihre Eigenschaft als Anrainerin im Baubewilligungsverfahren gegründet hatte, ging an den Erstbeschwerdeführer über.

5. Aus Anlaß der Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der in Rede stehenden Verordnung, soweit mit ihr für ein näher umschriebenes, die erwähnten Grundstücke einschließendes Gebiet die Widmung "Bauland-Betriebsgebiet" festgelegt wird, eingeleitet.

Mit Erkenntnis vom heutigen Tag, V152/93, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, daß die in Prüfung gezogene Verordnungsbestimmung nicht als gesetzwidrig aufgehoben wird.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Im Hinblick auf den Tod der Zweitbeschwerdeführerin ist das Beschwerdeverfahren insoweit einzustellen, als die Beschwerde von dieser erhoben wurde.

2. Mit Rücksicht auf das genannte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes sind die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid nicht wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt worden.

3.a) Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der gesetzlichen Grundlagen des angefochtenen Bescheides aus der Sicht des Beschwerdefalles und da es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, daß die belangte Behörde den angewendeten Rechtsvorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat - was auch in der Beschwerde nicht behauptet wird -, könnten die Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die belangte Behörde Willkür geübt hätte.

Ein willkürliches Verhalten ist der Behörde ua. dann vorzuwerfen, wenn sie in einem wesentlichen Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat (s. etwa VfSlg. 9311/1982, 10846/1986, 10919/1986), insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens (s. etwa VfSlg. 8808/1980, 9600/1983, 10942/1986, 11172/1986).

b) Die Beschwerdeführer machen der belangten Behörde ein willkürliches Vorgehen der Sache nach mit der Begründung zum Vorwurf, daß sie die Vorstellung trotz gravierender Mängel des Verfahrens vor den Gemeindeinstanzen abgewiesen habe. Die Behörden hätten keine Ermittlungen darüber durchgeführt, welche zusätzlichen Immissionen, insbesondere Lärm- und Geruchsbelästigungen, die Errichtung der Bauten für die Nachbarschaft zur Folge haben würde; insbesondere hätten sie die Beiziehung von Sachverständigen zur Beurteilung dieser Frage ebenso unterlassen wie eine Auseinandersetzung damit, ob die Errichtung des geplanten Objektes mit der Widmung der Grundstücke als "Bauland-Betriebsgebiet" im Einklang steht. Des weiteren lasse die mangelhafte Aufbereitung der Entscheidungsgrundlagen keine Beurteilung zu, ob den Erfordernissen des Brandschutzes und der Verhinderung von "Immissionen durch Wasserableitung" Rechnung getragen werde. Schließlich sei eine ausreichende Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Beschwerdeführer unterblieben, die Errichtung des Objektes auf dem Gelände einer ehemaligen Mülldeponie lasse eine Verunreinigung des Grundwassers und sonstige Immisssionen befürchten.

c) Der Vorwurf einer Verletzung im Gleichheitsrecht durch willkürliches Vorgehen der belangten Behörde besteht im Ergebnis nicht zu Recht.

Die belangte Behörde führte in der Begründung des angefochtenen Bescheides ua. aus, sie könne der Annahme der Berufungsbehörde nicht entgegentreten, daß durch den Zubau einer Produktions- und Lagerhalle an die bestehende Lager- bzw. Produktionshalle an der den Anrainern abgewandten Nordseite des Betriebsgrundstückes keine zusätzlichen Lärmimmissionen zu erwarten seien. Die Baubehörde habe in diesem Zusammenhang den Forderungen der nunmehrigen Beschwerdeführer nach Verlegung der Eigentankanlage von der Südseite des Betriebsgrundstückes auf dessen Nordseite und nach Schaffung einer eigenen Grundstücksausfahrt an der Ostseite des Betriebsgrundstückes durch Vorschreibung entsprechender Auflagen entsprochen. Die Übereinstimmung des Bauvorhabens mit dem maßgeblichen Flächenwidmungsplan sah die belangte Behörde mit Rücksicht auf die Widmung der Baugrundstücke als "Bauland-Betriebsgebiet" als gegeben an. Mit Bezug auf die Behauptung einer vom Betriebsgrundstück ausgehenden Brandgefahr nahm die belangte Behörde Präklusion iS des §42 Abs1 AVG an, und zur geltend gemachten Gefahr einer Grundwasserverunreinigung vertrat sie den Standpunkt, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dem Nachbarn im baupolizeilichen Bewilligungsverfahren kein subjektives Recht darauf zustehe, daß der Grundwasserspiegel bzw. die Wassergüte eines Gewässers nicht beeinträchtigt werde.

d) Es kann bei diesem Inhalt der Begründung des angefochtenen Bescheides der belangten Behörde nicht mit Recht der Vorwurf gemacht werden, sie habe in einem wesentlichen Punkt jegliches Ermittlungsverfahren unterlassen bzw. es verabsäumt, das Fehlen eines solchen Ermittlungsverfahrens vor den Gemeindeinstanzen zum Anlaß für eine Aufhebung des Berufungsbescheides zu nehmen. Ob aber das Verfahren mängelfrei geblieben ist und ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, hat nicht der Verfassungsgerichtshof zu beurteilen.

Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz hat somit nicht stattgefunden.

4. Das Verfahren hat nicht ergeben, daß die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden sind.

5. Die Beschwerde war daher abzuweisen und gemäß Art144 Abs3 B-VG antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abzutreten.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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