Normen
B-VG Art83 Abs2
AVG §13 Abs5
AVG §63 Abs5
B-VG Art83 Abs2
AVG §13 Abs5
AVG §63 Abs5
Spruch:
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsvertreters die mit S 27.000,- (€ 1962,17) bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft stellte mit Bescheid vom 25.6.2001 die monatliche Beitragsgrundlage in der Pensionsversicherung des nunmehrigen Beschwerdeführers fest; dieser Bescheid wurde unbestrittenermaßen am 28.6.2001 zugestellt.
Gegen diesen Bescheid wurde mittels FAX am 30.7.2001 um 19.38 Uhr sowie postalisch am 1.8.2001 Einspruch erhoben.
2. Der Landeshauptmann von Wien wies den Einspruch gemäß §66 Abs4 AVG als verspätet zurück: Gem. §412 Abs1 ASVG betrage die Einspruchsfrist gegen Bescheide der Versicherungsträger einen Monat; letzter Tag der Frist sei der 30.7.2001 gewesen; der Einspruch sei jedoch erst am 31.7.2001 eingebracht worden, da das Telefax vom 30.7.2001 außerhalb der Amtsstunden übermittelt worden sei.
3. In der gegen diesen Bescheid erhobenen, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer u.a. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art83 Abs2 B-VG verletzt, da die belangte Behörde zu Unrecht von der Verspätung seines Rechtsmittels ausgegangen sei und eine Sachentscheidung verweigert habe.
4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie unter Berufung auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes den angefochtenen Bescheid verteidigt; der Beschwerdeführer hat darauf repliziert.
5. Die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft hat keine Äußerung erstattet.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes wird das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt, etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 2536/1953, 7457/1974, 9696/1983, 10374/1985, 11405/1987, 13280/1992, 13882/1994;
zuletzt VfGH 7.6.1999; B1989-1993/98; 17.12.1999, B1592/98;
29.2.2000, B546/98; 3.3.2000, B1691/99).
2. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits mit Erkenntnis vom 26.6.2000, B460/00 mit näherer Begründung - insbesondere unter Darlegung des Unterschiedes zwischen "Einbringung" und "Einlangen" wie er sich aus dem systematischen Zusammenhang ergibt, in welchem diese Begriffe im AVG verwendet werden - ausgeführt hat, muß ein Rechtsmittel gem. §63 Abs5 erster Satz AVG von der Partei binnen zweier Wochen bei der Behörde lediglich "eingebracht" werden. Eine fristgebundene Eingabe muß daher am letzten Tag der Frist bei der Behörde überreicht, zur Post gegeben oder im Wege eines Telefax bis 24 Uhr dieses Tages erfolgreich an die Behörde übermittelt worden sein. Ab wann die Behörde aufgrund ihrer Amtsstunden diese Eingabe in Bearbeitung nehmen kann, ist für andere - von der Behörde einzuhaltende - Fristen (wie z.B. jene des §73 Abs1 AVG), nicht aber für die Rechtzeitigkeit eines Rechtsmittels von Bedeutung.
3. Der Verfassungsgerichtshof hält an dieser im genannten Vorerkenntnis eingehend begründeten Rechtsauffassung fest.
4. Die belangte Behörde hat dadurch, daß sie die Berufung des Beschwerdeführers, die dieser außerhalb der Amtsstunden der erstinstanzlichen Behörde, aber noch vor 24 Uhr des letzten Tages der Frist mittels Telefax eingebracht hatte, als verspätet zurückgewiesen hat, zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert.
Der Beschwerdeführer wurde daher durch den angefochtenen Bescheid in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art83 Abs2 B-VG verletzt.
Der Bescheid war daher aufzuheben.
5. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG 1953. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von Schilling 4.500,- (€ 327,03) enthalten.
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