VfGH B1176/05

VfGHB1176/0530.11.2006

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

 

Spruch:

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes und einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Vorarlberg ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsvertreters die mit 2.340 € bestimmten Prozesskosten binnen vierzehn Tagen bei sonstiger Exekution zu erstatten.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit dem angefochtenen Berufungsbescheid des Landesagrarsenates für Vorarlberg wird ein Straferkenntnis der Agrarbezirksbehörde Bregenz bestätigt, worin über den Beschwerdeführer wegen unbefugter Benützung des Güterweges Bartholomäberg-Sassella-Obersassella eine Geldstrafe von 37 €

verhängt wurde.

Die dagegen erhobene Beschwerde rügt die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, weil §1 Abs3 AgrarbehördenG die Anrufung des nach Art129a Abs1 Z1 B-VG nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges im Verfahren wegen Verwaltungsübertretungen zuständigen unabhängigen Verwaltungssenates ausschließe bzw. die Zuständigkeitsfrage ungeklärt und daher unzureichend bestimmt sei, und macht geltend, die Kundmachung der Verordnung entspreche nicht der Straßenverkehrsordnung. Die Verordnung lasse mit dem bloßen Hinweis auf "Inhaber von Berechtigungsscheinen" nicht erkennen, wer zur Benützung befugt sei; der Berechtigungsschein könne von jedermann gegen Entgelt erworben werden, was einer gesetzlichen Grundlage entbehre. Die vorgesehene Sanktion überschreite zudem den Kompetenztatbestand Bodenreform und falle unter Art10 Abs1 Z6 B-VG (Zivilrechtswesen etc. Justizpflege).

2. Aus Anlass dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof nach Art139 Abs1 undArt140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Verordnung der Agrarbezirksbehörde Bregenz über das Verbot der Benützung des in Rede stehenden Güterweges und zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des mit der Novelle 1984 in §11 des Vorarlberger Güter- und Seilwegegesetzes eingefügten Abs2 ein.

Mit Erkenntnis vom heutigen Tag G149/06, V62/06 wurde §11 Abs2 des Vorarlberger Güter- und Seilwegegesetzes, LGBl. Nr. 25/1963, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 42/1984 als verfassungswidrig und die Verordnung der Agrarbezirksbehörde Bregenz über das Verbot der Benützung des Güterweges Bartholomäberg-Sassella-Obersassella, Amtsblatt für das Land Vorarlberg Nr. 29/1995, als gesetzwidrig aufgehoben.

II. Die belangte Behörde hat ein verfassungswidriges Gesetz und eine gesetzwidrige Verordnung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.

Der Beschwerdeführer wurde folglich durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes und einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt.

Der Bescheid ist daher ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung aufzuheben (§19 Abs4 Z3 VfGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von 360 € und eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von 180 € enthalten. Kosten an die belangte Behörde als Ersatz des Vorlage- und Schriftsatzaufwands sind nicht zuzusprechen, weil dies im VfGG nicht vorgesehen ist und eine sinngemäße Anwendung des §48 Abs2 VwGG im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof nicht in Betracht kommt (VfSlg. 15.727/2000, 16.080/2001).

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