European Case Law Identifier: ECLI:AT:OLG0009:2016:03400R00157.15F.0310.000
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Antragstellerin ist schuldig, dem Antragsgegner die Kosten des Rekursverfahrens von EUR 1.633,20 (darin EUR 272,20 USt) zu ersetzen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000,--.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Begründung
1.1 Die Antragstellerin stützt sich auf die im Jänner 2010 eingetragene Gemeinschaftsmarke ***** (eingetragen für Dienstleistungen der Klassen 36, 43 und 44).
1.2 Sie beantragt die – jeweils auf die Dienstleistungen eingeschränkte – teilweise Löschung der folgenden (im November 2011 eingetragenen) Bildmarken des Antragsgegners (angegriffene Marken):
a) ***** (eingetragen für Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 28 und 41) und
b) ***** (eingetragen für Waren und Dienstleistungen der Klassen 14, 32, 33 und 43). [...]
1.3 Die Antragstellerin stützt den Löschungsantrag
a) auf § 30 Abs 2 MSchG und bringt vor, ihre Marke sei prioritär gegenüber den angegriffenen Marken, sie sei bekannt und es bestehe die Gefahr der gedanklichen Verknüpfung der angegriffenen Marken mit der Antragsmarke;
b) auf § 30 Abs 1 Z 2 MSchG und bringt vor, die Marken sowie Teile der betroffenen Dienstleistungen seien verwechselbar ähnlich.
2. Der Antragsgegner wandte ein, die Antragstellerin verwende die Antragsmarke nicht markenmäßig, die Antragsmarke sei keine „bekannte Marke“ im Sinn des § 30 Abs 2 MSchG und weder die Zeichen noch die Dienstleistungen seien ident oder ähnlich.
3. Nachdem am 15.9.2015 die Verhandlung vor der Nichtigkeitsabteilung (für den 21.10.2015) ausgeschrieben worden war, verständigte der Antragsgegner die Nichtigkeitsabteilung am 6.10.2015 (einlangend) davon, dass er am 2.9.2015 (einlangend) beim HABM den Verfall der Antragsmarke beantragt hatte, und beantragte die Unterbrechung des Verfahrens. Grund des Verfallsantrags ist die Behauptung, die Antragstellerin habe die Antragsmarke über einen Zeitraum von fünf Jahren nicht ernsthaft benutzt (Art 51 Abs 1 lit a GMV).
4. Mit dem angefochtenen Beschluss unterbrach die Nichtigkeitsabteilung das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Verfallsantrag (und beraumte die Verhandlung ab).
Da der Rechtsbestand der Antragsmarke strittig sei, sei die Entscheidung des HABM darüber für das vorliegende Verfahren präjudiziell. Weiter führte die Nichtigkeitsabteilung aus, dass den vorgelegten Unterlagen der Antragstellerin eine rechtserhaltende ernsthafte kennzeichenmäßige Benutzung der Antragsmarke nicht zwingend zu entnehmen sei.
5. Dagegen richtet sich der Rekurs der Antragstellerin, die Zweckwidrigkeit und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und beantragt, den Beschluss aufzuheben.
Der Antragsgegner beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
6.1 Der Löschungsantrag nach § 30 MSchG kann nur auf eine „noch zu Recht bestehende“ Marke gestützt werden. Wenn diese Tatsache strittig ist, ist die darüber ergehende Entscheidung für die Antragslegitimation nach § 30 MSchG präjudiziell. Der Antragsgegner hat beim HABM den Verfall mit der Behauptung beantragt, die Antragsmarke sei innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren nicht ernsthaft benutzt worden (Art 51 Abs 1 lit a GMV). Darüber entscheidet das HABM.
Im Löschungsverfahren vor der Nichtigkeitsabteilung steht ihm dieser Einwand nicht offen, weil in diesem Verfahren vom Bestand der Marke auszugehen ist (vgl Schumacher in Kucsko/Schumacher, marken.schutz2 § 30 Rz 8 f).
6.2 Nach § 35 Abs 5 MSchG iVm § 119 Abs 1 PatG ist die Frage, unter welchen Umständen ein Verfahren zu unterbrechen ist, nach § 190 ZPO zu beurteilen. Diese Bestimmung regelt die Möglichkeit der Verfahrensunterbrechung, enthält aber keine Bestimmungen für jene Fälle, in denen die Unterbrechung zwar nicht zwingend vorgeschrieben, aber dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts obliegt. Aus den allgemeinen Grundsätzen der Verfahrensökonomie wird dazu abgeleitet, dass eine Unterbrechung nur zulässig ist, wenn sie nicht zu Verzögerungen und Weitläufigkeiten führt (Höllwerth in Fasching/Konecny 3 § 190 ZPO Rz 77).
Wenn die Entscheidung im Verfahren, das der Anlass für die Unterbrechung sein soll, präjudiziell ist und wenn der Behörde (hier der Nichtigkeitsabteilung) die Entscheidung über die dort strittige Frage selbst verwehrt ist, fehlt aber der Ermessensspielraum der Behörde. Im vorliegenden Fall fehlt der Nichtigkeitsabteilung die Kompetenz, selbst über den Verfall der Antragsmarke (einer Gemeinschaftsmarke) zu entscheiden (vgl Kucsko, MschG3 § 33a Anm 1).
6.3 Nach Art 100 GMV wäre dies nur im Verletzungsverfahren vor einem Gemeinschaftsmarkengericht anders; in einem solchen Verfahren wäre die auf den Verfall der dortigen Klagsmarke gerichtete „Widerklage“ vom innerstaatlichen Gericht zu beurteilen.
Die in Om 12/12, Flügel, entwickelten Grundsätze über die Zweckmäßigkeit der Verfahrensunterbrechung sind auf den vorliegenden Fall nicht umzulegen, weil dort die Antragsmarke keine Gemeinschaftsmarke, sondern eine österreichische Marke war.
6.4 Das Argument der Antragstellerin, der Antrag beim HABM diene der Verschleppung, bedarf daher keiner Erörterung. Eine solche Verschleppungsabsicht ist auch nicht zu erkennen. Das Verfahren vor der Nichtigkeitsabteilung ist seit September 2014 anhängig. Im September 2015 wurde die Verhandlung ausgeschrieben und noch davor hat der Antragsgegner, der die Nichtbenutzung schon in der Gegenschrift vorgetragen hat, beim HABM den Verfallsantrag gestellt.
7. Da der Streit über die Unterbrechung des Verfahrens ein echter Zwischenstreit ist, war über die Kosten zu entscheiden. Die Antragstellerin ersetzt dem Antragsgegner die Kosten der Rekursbeantwortung.
8. Da das Rechtsmittelverfahren den Regelungen der ZPO unterliegt (§ 40 MSchG iVm § 141 Abs 2 PatG), steht gegen diese Konformatsentscheidung kein weiterer Rechtszug offen (§ 528 Abs 2 Z 2 ZPO).
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