OLG Wien 16R36/14b

OLG Wien16R36/14b28.3.2014

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Strauss als Vorsitzenden, die Richterin des Oberlandesgerichts Dr. Wittmann-Tiwald und den Richter des Oberlandesgerichts Dr. Sonntag in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. W***** S*****, P***** 10, ***** H*****, Deutschland, als Masseverwalter im Insolvenzverfahren der K***** H***** GmbH, vertreten durch Rechtsanwaltskanzlei LIKAR GmbH in Graz, wider die beklagte Partei I***** J*****, O*****straße 48, ***** R*****dorf, vertreten durch Heller & Gahler Rechtsanwaltspartnerschaft in Wien, wegen EUR 15.960,-- sA über den Rekurs der klagenden Partei gegen die Kostenentscheidung im Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 08. Dezember 2013, 4 Cg 41/11m-65, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben und Punkt 5. des angefochtenen Endurteils dahin abgeändert, dass er lautet:

„5. Die klagende Partei ist schuldig, binnen 14 Tagen der beklagten Partei die mit EUR 4.950,80 (inklusive EUR 581,77 USt und EUR 1.460,15 Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten zu ersetzen.“

Der Revisiosrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung

Mit dem nur im Kostenausspruch bekämpften Endurteil stellte das Erstgericht die Klageforderung mit EUR 15.960,-- sA, die Gegenforderung mit EUR 6.036,10 als zu Recht bestehend fest und verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von EUR 9.923,90 samt Zinsen sowie Kosten von EUR 445,47 an den Kläger. Das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer EUR 6.036,10 samt Zinsen wies es ab. (Punkt 1. bis 4.) Es verpflichtete den Kläger zum Kostenersatz von EUR 5.130,08 (Punkt 5.)

Die Kostenentscheidung gründete das Erstgericht auf § 43 Abs 1 ZPO. Dazu stellte es unbekämpft die Erfolgs- und Ersatzquoten fest. Danach hat der Kläger für den vom Rekurs betroffenen ersten Rechtsgang der Beklagten 4/10 ihrer Rechtsanwaltskosten zu ersetzen.

Gegen den Kostenzuspruch an die Beklagte im Ausmaß von EUR 527,65 wendet sich der Rekurs des Klägers erkennbar aus dem Rekursgrund der unrechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den Kostenzuspruch an die Beklagte auf EUR 4.602,43 zu reduzieren.

Die Beklagte beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist teilweise berechtigt.

1. Der Rekurswerber verweist darauf, dass er bereits im Kostenverzeichnis des ersten Rechtsgangs die dort enthaltenen Kosten für die Fristerstreckungsanträge vom 13. April 2011, 02. August 2011 und 20.Oktober 2011 (jeweils nach TP 1 RAT zuzüglich 50 % ES und ERV-Zuschlag) bemängelt habe, weil sie weder einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung gedient hätten und eine allfällige Terminkollision gänzlich in der Sphäre in der Beklagten gelegen sei.

Zutreffend bemängelt der Rekurswerber diesen Kostenersatz für die Fristerstreckunganträge (Obermaier, Kostenhandbuch² Rz 238).

Daher ist der Kostenzuspruch um die Entlohnung für die drei Fristerstreckungsanträge wie folgt zu kürzen:

Verdienst 124 x 3 373,50

davon 4/10 149,40

zuzüglich 20 % USt 29,88

ergibt EUR 179,28.

2.1. Weiters bringt der Rekurswerber - wie bereits in den Einwendungen gegen das Kostenverzeichnis zum ersten Rechtsgang - vor, die Beklagte habe zu Unrecht für die Teilnahme an den Befundaufnahmen am 20. Juni 2011 und am 05. Juni 2012 einen doppelten Einheitssatz verzeichnet, obwohl im Anwendungsbereich des TP 3 A III kein Anspruch auf einen solchen bestehe. Da weder Reisekosten noch Zeitversäumnis nach TP 9 RAT verzeichnet worden seien, gebühre für die Befundaufnahme lediglich der einfache Einheitssatz.

2.2. Die Rekursgegnerin wendet ein, wegen des Ausdrücklichen Verweises in TP 3 A III auf TP 3 A II RAT sei die Regelung über den doppelten Einheitssatz nach § 23 Abs 5 RATG auch für die Teilnahme von Rechtsanwälten an der Befundaufnahme mit dem Sachverständigen außerhalb des Orts des Kanzleisitzes anzuwenden.

2.3. Die Regelung zum doppelten Einheitssatz im § 23 Abs 5 RATG lautet:

Für Leistungen, die unter Tarifpost 3 A Abschnitt II, Tarifpost 3 B Abschnitt II, Tarifpost 3 C Abschnitt II oder Tarifpost 4 Abschnitt I Z 5, 6, Abschnitt II fallen, ist der auf diese Leistung entfallende Teil des Einheitssatzes doppelt zuzusprechen, wenn der Rechtsanwalt die Leistung an einem Ort außerhalb des Sitzes seiner Kanzlei vornimmt oder mit der Vornahme dieser Leistungen einen anderen Rechtsanwalt beauftragt und keinen Anspruch auf Ersatz der Reisekosten und auf Entschädigung für Zeitversäumnis geltend macht oder das Gericht ihm einen solchen Anspruch nicht zuerkennt, weil er sich durch einen am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalt hätte vertreten lassen können.

Mit der EO-Novelle 2005 (BGBl I 2005/68) wurde der TP 3 A RAT folgender Abschnitt III. angefügt:

In allen Verfahren für die Teilnahme an der Befundaufnahme durch Sachverständige, sofern die Beiziehung der Parteienvertreter über Auftrag des Gerichts erfolgt.

Mit dem Berufsrechts-Änderungsgesetz 2008-BRÄG 2008 (BGBl I 2008/111) wurde die TP 3 A III RAT wie folgt geändert:

Für die Teilnahme an der Befundaufnahme durch Sachverständige gebührt in allen Verfahren die im Abschnitt II (Anmerkung: Regelung für Tagsatzungen) festgesetzte Entlohnung, sofern die Beiziehung der Parteienvertreter über ausdrücklichen Auftrag des Gerichts erfolgt.

Die Erläuterungen der Regierungsvorlage zur zuletzt genannten Novelle (928 BlgNR 22.GP 13) führen dazu aus: „Hier soll mit einer Änderung der TP 3 A RATG darauf Bedacht genommen werden, dass die Beteiligung von Rechtsanwälten an Befundaufnahmen durch Sachverständige von der Schwierigkeit her häufig der Intervention bei einer kontradiktorischen Verhandlung vor Gericht gleich steht (und daher so wie diese entlohnt werden soll), insbesondere dann, wenn das Gericht eine solche Beiziehung für notwendig erachtet. Demgemäß soll eine Entlohnung nach TP 3 A RATG in diesen Fällen immer dann stattfinden, wenn die Beiziehung der Parteienvertreter zur Befundaufnahme über Auftrag des Gerichts erfolgt.

2.4. Nach einem Teil der Rechtsprechung und nach Obermaier (Kostenhandbuch² Rz 694 mN zur Rsp) gebührt bei Leistungen nach TP 3 A III RAT bloß ein einfacher Einheitssatz, weil TP 3 A III RAT in der taxativen Aufzählung des § 23 Abs 5 RATG nicht enthalten sei und der Gesetzgeber dies nicht bloß übersehen habe. Obermaier verweist auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 21. Juni 2006, G 198/01, worin er die Honorierung der Reisezeit gleich der mit der Hauptleistung verbrachten Zeit als unsachlich und damit als gleichheitswidrig beurteilt habe. Dementsprechend seien TP 7 und 9 RATG durch die EO-Novelle 2005 geändert worden. Eine streitwertabhängige Honorierung der anwaltlichen Reisezeit wäre gleichheits- und verfassungswidrig.

2.5. Der erkennende Senat schließt sich dieser Argumentation nicht an: TP 3 A III RAT idF BRÄG verweist ausdrücklich auf die im Abschnitt II festgesetzte Entlohnung, somit auf die Honorierung nach TP 3 A II RAT. Im § 23 Abs 5 RATG über den doppelte Einheitssatz ist TP 3 A II RAT ausdrücklich genannt (OLG Wien 13 R 118/09g, 11 R 158/09z ggtlg OLG Wien 2 R 216/08m).

Gegen die Auffassung Obermaiers spricht, dass der Gesetzgeber lediglich bei der Novellierung der TP 7 RAT Bezug auf das erwähnte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs nahm, nicht aber auch bei der gleichzeitig vorgenommenen Novellierung der TP 3 A III RAT. Dazu heißt es in den Erläuterung zur Regierungsvorlage (928 BlgNR 22.GP 13 f): „Im Bereich der Tarifpost 7 hat sich ein Änderungsbedarf auf Grund des Erkenntnises des Verfassungsgerichtes VfGH vom 21.06.2004 [...] ergeben, mit dem die Wortfolge „während der ganzen mit der Ausführung der Geschäfte verbrachten Zeit“ in Tarifpost 7 Abs. 1 RATG mit Ablauf des 30. Juni 2005 als verfassungswidrig aufgehoben wurde. Der Verfassungsgerichtshof erachtete die Honorierung der Wegzeit in jedem Fall in gleicher Höhe wie die für das eigentliche Geschäft aufgewendete Zeit als unsachlich und damit dem Gleichheitssatz widersprechend. Mit der vorgeschlagenen Neuregelung […] soll den Bedenken des VfGH angemessen Rechnung getragen werden. Die Wegzeit ist demnach nicht mehr nach TP 7, sondern viel mehr nach dem Fixbetrag der TP 9 Z 4 RATG – wie beim Sachverständigen unabhängig von der Höhe des Streitwerts – zu entlohnen … .“ (Anmerkung: Die Bezugnahme auf den Sachverständigen wird in den Erläuterungen zur Regelung des TP 9 Z 4 näher dargelegt: „... des weiteren soll in TP 9 Z 4 die Höhe der Entlohnung der Wegzeit für Rechtsanwälte dem für besonders qualifizierte Sachverständige geltenden Stundensatz des § 33 GebAG 1975 angeglichen und somit auf einen zeitgemäßen Stand angehoben werden. … “).

Wenn der Gesetzgeber des BRÄG in derselben Novelle die TP 3 A III RAT dadurch ergänzte, dass er eine Entlohnung wie im Abschnitt II anordnete, weil eine Befundaufnahme einer Intervention bei einer kontradiktorischen Verhandlung vor Gericht gleichstehe, lässt das den Schluss zu, dass dieser Verweis auch den Einheitssatz umfasst. Damit wird die Wegzeit pauschal – wie bei Tagsatzungen – unter der Voraussetzung des § 23 Abs 5 RATG abgegolten (unter anderem wenn ein Rechtsanwalt die Leistungen an einem Ort außerhalb seines Kanzleisitzes vornimmt). Diese pauschale Abgeltung orientiert sich an der Dauer der Tagsatzung (bzw Befundaufnahme) während die Dauer der Anreise irrelevant ist. Darin unterscheidet sich diese Regelung von der als verfassungswidrig aufgehobenen Bestimmung des TP 7 Abs 1 RAT aF, wonach zusätzlich zum Zeitaufwand für das eigentliche Geschäft die konkret aufgewendete Wegzeit ebenfalls nach TP 7 Abs 1 RAT aF entlohnt worden war.

Zusammengefasst gebührt für Leistungen nach TP 3 A III RAT der doppelte Einheitssatz.

3. In teilweiser Stadtgebung des Rekurses wurde die angefochtene Kostenentscheidung entsprechend abgeändert. Eine Kostenentscheidung konnte unterbleiben. Ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von EUR 527,65 obsiegte der Kläger zu einem Drittel. Die überwiegend obsiegende Beklagte verzeichnete keine Kosten.

Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO jedenfalls unzulässig.

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