European Case Law Identifier: ECLI:AT:OLG0459:2025:0090BS00058.25F.0321.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahin abgeändert, dass der dem freigesprochenen B* zu ersetzende Pauschalbeitrag zu den Kosten seiner Verteidigung mit EUR 12.000,00 bestimmt wird.
Begründung:
Mit (gekürzt ausgefertigtem) Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 2. Juli 2024 wurde B* von dem wider ihn von der Staatsanwaltschaft Salzburg mit Anklageschrift vom 1. März 2022 (ON 38) erhoben Vorwurf des Verbrechens der Untreue als Beitragstäter nach §§ 12 zweiter Fall, 14 Abs 1, 153 Abs 1, Abs 2 und Abs 3 zweiter Fall StGB (rechtskräftig) freigesprochen (ON 100).
Mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2024 (ON 112) beantragte der Freigesprochene gemäß § 393a StPO den Ersatz eines Beitrags zu den Kosten seiner Verteidigung unter Verweis auf das Kostenverzeichnisses seines Verteidigers über einen Betrag von insgesamt EUR 14.152,02.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 19. Februar 2025 (ON 116) bestimmte das Erstgericht den dem Freigesprochenen B* zu ersetzenden Pauschalbeitrag zu den Kosten seiner Verteidigung mit EUR 5.000,00 im Wesentlichen mit der Begründung, dass dieser Betrag ausgehend von einem überdurchschnittlich umfangreichen Hauptverfahren und einer etwas überdurchschnittlichen Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen angemessen sei.
Dagegen richtet sich die am 20. Februar 2025 eingebrachte Beschwerde des Freigesprochenen, mit der dieser unter Hinweis auf die im Nationalrat beschlossene Gesetzesänderung des § 393a StPO einen EUR 5.000,00 erheblich übersteigenden Beitrag begehrt (ON 120).
Die Beschwerde, zu der die Oberstaatsanwaltschaft Linz keine Stellungnahme abgegeben hat, ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Mit 1. August 2024 trat das Bundesgesetz, BGBl I Nr 96/2024, mit dem die Strafprozessordnung 1975 geändert und der Verteidigerkostenbeitrag neu geregelt wurde, in Kraft. Nach der nunmehr geltenden Fassung des § 393a Abs 1 StPO hat der Bund dem nicht lediglich aufgrund einer Privatanklage oder der Anklage eines Privatbeteiligten (§ 72) freigesprochenen Angeklagten oder wenn das Strafverfahren gemäß § 215 Abs 2, § 227, § 451 Abs 2 oder § 485 Abs 1 Z 3 oder nach einer gemäß §§ 353, 362 oder 363a erfolgten Wiederaufnahme oder Erneuerung des Strafverfahrens eingestellt wird, auf Antrag einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung zu leisten. Der Beitrag umfasst die nötig gewesenen und vom Angeklagten bestrittenen baren Auslagen und außer im Fall des § 61 Abs 2 auch einen Beitrag zu den Kosten des Verteidigers, dessen sich der Angeklagte bedient.
Nach § 393a Abs 2 StPO ist der Beitrag zu den Kosten der Verteidigung unter Bedachtnahme auf den Umfang des Verfahrens, die Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen und das Ausmaß des notwendigen oder zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers festzusetzen. Er darf nach § 393a Abs 2 Z 1 StPO im Verfahren vor dem Landesgericht als Schöffen- und Geschworenengericht den Betrag von EUR 30.000,00 nicht übersteigen:
Im Falle längerer Dauer einer Hauptverhandlung (§ 221 Abs 4) kann das jeweilige Höchstmaß des Beitrags um die Hälfte überschritten und im Falle extremen Umfangs des Verfahrens (§ 285 Abs 2) auf das Doppelte erhöht werden.
Nach dem mit der Novellierung angefügten Abs 12 des § 516 StPO sind § 196a und § 393a idFd Bundesgesetzes BGBl I Nr 96/2024 auf Verfahren anzuwenden, in denen die in § 196a Abs 1 und in § 393a Abs 1 genannten verfahrensbeendenden Entscheidungen ab dem 1. Jänner 2024 rechtskräftig geworden sind. Ist in diesen Verfahren bereits über einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung nach § 393a StPO idFd Bundesgesetzes BGBl I Nr 152/2022 entschieden worden, so kann ein neuerlicher Antrag auf Zuerkennung eines Beitrags zu den Kosten für die Verteidigung gestellt werden. Für die Entscheidung über diesen Antrag ist § 393a idFd Bundesgesetzes BGBl I Nr 96/2024 anzuwenden, wobei bei der Festsetzung der Höhe des Beitrags zu den Kosten der Verteidigung der bereits zugesprochene Beitrag zu berücksichtigen ist. Für vor dem 1. Jänner 2024 rechtskräftig gewordene verfahrensbeendende Entscheidungen gilt weiterhin § 393a idFd Bundesgesetzes BGBl I Nr 152/2022.
Da der Freispruch des Angeklagten am 6. Juli 2024 in Rechtskraft erwuchs (ON 103), kommt entsprechend § 516 Abs 12 StPO die Bestimmung des § 393a StPO in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 96/2024 zur Anwendung, die – wie oben ausgeführt – in seinem Abs 2 Z 1 für Verfahren vor dem Landesgericht als Schöffen- und Geschworenengericht einen Höchstbeitrag zu den Kosten der Verteidigung von EUR 30.000,00 bestimmt.
Weiterhin wird grundsätzlich an der Bemessung des Kostenbeitrags in Form von Pauschalkostenbeiträgen festgehalten; ein Ersatz sämtlicher Aufwendungen für die Verteidigung des Freigesprochenen ist – verfassungsrechtlich unbedenklich – nicht vorgesehen (EBRV 2557 BlgNR 27. GP 2 ff).
In dem Sinn sind den Gesetzesmaterialien zufolge die Kriterien des Umfangs der Ermittlungen und der Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen an Hand des konkreten Verfahrens korrespondierend zum Umfang der Verteidigung zu gewichten. Für ein durchschnittliches Verfahren der Grundstufe (Stufe 1) erachtet es der Gesetzgeber als angezeigt, von den durchschnittlichen Verteidigerkosten für ein sogenanntes Standardverfahren auszugehen und den sich dabei ergebenden Betrag als Ausgangsbasis für die Bemessung des Pauschalkostenbeitrags heranzuziehen. Da die Bandbreite der Verfahren, die in Stufe 1 fallen, von ganz einfachen Verteidigungsfällen, wie etwa einer gefährlichen Drohung bis hin zu Wirtschaftsstrafsachen, die auch in dieser Stufe vorkommen können, reichen, kann sich der Betrag je nach Verfahrensumfang und Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen den im Gesetz vorgesehenen Höchstbetrag annähern bzw. von diesem weiter entfernen. Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass sich der Verteidigungsaufwand in einem einfachen Standardverfahren vor dem Schöffengericht aus der Vertretung im Ermittlungsverfahren, der Teilnahme an einer Hauptverhandlung in der Dauer von acht Stunden und der Einbringung eines prozessrelevanten Schriftsatzes, wie einer Nichtigkeitsbeschwerde oder einer Gegenausführung und der Teilnahme an der Rechtsmittelverhandlung in der Dauer von zwei Stunden zusammensetzt und unter Heranziehung der Ansätze des AHK rund EUR 15.000,00 an Aufwand für die Verteidigung verursachen wird, wobei in diese Berechnung zwar der Einheitssatz zu berücksichtigen ist, die vom ÖRAK in der AHK verankerten (Erfolgs- und Erschwernis-)Zuschläge jedoch außer Bedacht zu bleiben haben (EBRV 2557 BlgNR 27. GP 8).
Gemessen an diesen Kriterien ist hier von einem etwas überdurchschnittlichen Verteidigungsaufwand in einem Standardverfahren der Stufe 1 auszugehen: Der Aktenumfang des gesamten Verfahrens mit 100 Ordnungsnummern bis zum rechtskräftigen Urteil erweist sich als etwas überdurchschnittlich, ebenso wie die Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen. Zudem fand die Hauptverhandlung an drei Hauptverhandlungsterminen (ON 70, 71 und 100) statt, wobei neben den drei Angeklagten auch neun Zeugen zu vernehmen waren und während des Hauptverfahrens ein Gutachten aus dem Fachgebiet der Informationstechnik eingeholt werden musste (ON 83). Die Hauptverhandlungstermine umfassten insgesamt einen Zeitaufwand von etwas über 15 Stunden. Der Verteidiger hat erst nach Einbringung der Anklage Vollmacht gelegt (ON 41), war daher im Ermittlungsverfahren nicht beteiligt. Die Staatsanwaltschaft erhob gegen den Freispruch kein Rechtsmittel, sodass sich der Einsatz des Verteidigers auf ein (überdurchschnittlich umfangreiches) Hauptverfahren bezog. Alles in allem ist damit eine Erhöhung des vom Erstgericht bestimmten Pauschalbeitrags zu den Kosten der Verteidigung des Freigesprochenen um EUR 7.000,00 auf einen Gesamtbetrag von EUR 12.000,00 angemessen.
Anzumerken bleibt, dass in der vom Erstgericht zitierten Entscheidung des Oberlandesgerichts betreffend den Freigesprochenen C*, dem damit ein Betrag von EUR 5000,00 zugesprochen wurde (ON 109), von diesem in seiner Beschwerde der Zuspruch eines Beitrags zu den Kosten seiner Verteidigung (nur) in Höhe von EUR 5.000,00 begehrt wurde (ON 107).
RECHTSMITTELBELEHRUNG:
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.
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