OLG Linz 8Bs51/25v

OLG Linz8Bs51/25v20.3.2025

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Mag. Haidvogl, BEd, als Vorsitzende und Dr. Ganglberger-Roitinger sowie den Richter Mag. Grosser in der Maßnahmenvollzugssache betreffend A* B* wegen bedingter Entlassung über die Beschwerde des Untergebrachten gegen den Beschluss des Landesgerichts Steyr vom 26. Februar 2025, BE*-21, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

 

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OLG0459:2025:0080BS00051.25V.0320.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

 

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Geschworenengericht vom 5. März 2009, GZ Hv*-177, wurde A* B* (im zweiten Rechtsgang) wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 erster Halbsatz, erster, dritter und vierter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Gleichzeitig wurde mit dem Urteil die Einweisung nach § 21 Abs 2 StGB ausgesprochen.

Nach dem Schuldspruch hat er in der Nacht auf den 23. März 2007 in ** dadurch, dass er der widerstrebenden C* B* über einen Zeitraum von fünf Stunden oftmals Faustschläge ins Gesicht versetzte, ihr wiederholt weitere Schläge androhte, ihr die Beine gewaltsam auseinander zwängte, mehrmals den Geschlechtsverkehr mit ihr vollzog, auch abwechselnd mit einem Plastikbehälter, einem Löffel sowie mit einer Weinflasche stoßende Bewegungen in ihrer Scheide vollführte, eine Person mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben zur Duldung des Beischlafs und dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen genötigt, wobei die Tat eine posttraumatische Belastungsstörung mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung, sohin eine schwere Körperverletzung, zur Folge hatte und die vergewaltigte Person durch die Tat längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt und in besonderer Weise erniedrigt wurde.

Das errechnete Strafende war am 27. März 2010. Nach der Verurteilung war der Betroffene zunächst in der Justizanstalt **, später im forensisch-therapeutischen Zentrum (FTZ) ** untergebracht; aktuell wird die Maßnahme im FTZ D* vollzogen (ON 4).

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 26. Februar 2025 (ON 21) stellte das Erstgericht die Notwendigkeit der weiteren Unterbringung des A* B* in einem forensisch-therapeutischen Zentrum fest und wies damit im Ergebnis seinen auf bedingte Entlassung gerichteten Antrag (ON 2) ab.

Dagegen wendet sich die rechtzeitige Beschwerde des Betroffenen (ON 23), die auf eine bedingte Entlassung aus der Maßnahme, hilfsweise die Aufhebung des bekämpften Beschlusses zur Einholung eines (weiteren) Sachverständigengutachtens aus dem Fachbereich der Psychiatrie und Neurologie abzielt. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Vorbeugende Maßnahmen sind auf unbestimmte Zeit anzuordnen und so lange zu vollziehen, wie es ihr Zweck erfordert (§ 25 Abs 1 StGB). Die bedingte Entlassung aus einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme ist zu verfügen, wenn nach der Aufführung und der Entwicklung des Angehaltenen in einer Anstalt, nach seiner Person, seinem Gesundheitszustand, seinem Vorleben und nach seinen Aussichten auf ein redliches Fortkommen anzunehmen ist, dass die Gefährlichkeit, gegen die sich die vorbeugende Maßnahme richtet, nicht mehr besteht (§ 47 Abs 2 StGB).

Im Sinn dieser Kriterien legte das Erstgericht unter Berücksichtigung der aktuellen, unbedenklichen und schlüssigen Unterlagen und Verfahrensergebnisse aktenkonform dar, warum die Unterbringung des Beschwerdeführers vor dem Hintergrund seiner nach wie vor geltenden psychiatrischen Diagnose, Biografie und gesundheitlichen Entwicklung weiterhin notwendig ist.

Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang das zuletzt eingeholte Gutachten der psychiatrischen Sachverständigen DDr. E* vom 4. Oktober 2024 (ON 11) samt Ergänzung vom 24. Jänner 2025 (ON 18), welches beim Betroffenen – ausgehend von der Diagnose einer kombinierten Persönlichkeitsstörung (emotional instabil, narzisstisch, dissozial; F61 ICD-10) und einer Störung der Sexualpräferenz mit sexuellem Sadismus (F65 ICD-10) – das Vorliegen einer schwerwiegende und nachhaltige psychische Störung konstatiert. Ein weiteres Bestehen der Gefährlichkeit, gegen die sich die vorbeugende Maßnahme richtet, wird in diesem Gutachten bestätigt, wobei als Prognosetaten vorrangig Handlungen gegen die sexuelle Integrität verbunden mit Gewalt bis hin zu schweren Körperverletzungen genannt werden (ON 11, S 36). Die Sachverständige hält fest, dass sich das Störungsbild in einer lebensbegleitenden schweren Devianz abbilde. Der Betroffene selbst zeige keine Delikts- und Krankheitseinsicht. Eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Deliktverhalten habe bisher noch nicht stattgefunden (aaO, S 35).

Mit diesem Gutachten in Einklang steht eine Stellungnahme der Begutachtungs- und Evaluationsstelle für Gewalt- und Sexualstraftäter (BEST) vom 17. Jänner 2024 (ON 7). Die BEST nimmt darin Bezug auf einen eigenen Befundbericht vom 11. Oktober 2019, in dem beim Betroffenen von einer schweren Störung in Form eines malignen Narzissmus ausgegangen und auf die im Anlassdelikt und zwei weiteren Vorstrafen wegen sexuell assoziierter Delikte zum Ausdruck gebrachte Verbindung zwischen sexuellen Anspruchsimpulsen und massiver Gewaltausübung hingewiesen wurde. Aktuell würden sich aus den vorliegenden Unterlagen weiterhin keine Hinweise ableiten lassen, die für eine (ausreichend) positive Veränderung der vorliegenden Störung bzw der entsprechenden risikorelevanten Bereiche sprechen würden.

In der forensischen Stellungnahme des FTZ D* vom 30. Jänner 2024 (ON 8), aktualisiert am 9. Dezember 2024 (ON 17), wird schließlich – ausgehend von einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit querulatorischen, narzisstischen und dissozialen Anteilen und einer Störung des Sexualverhaltens im Sinne einer hohen Neigung zu unpersönlichen Sexualkontakten und Hypersexualisierung - darauf hingewiesen, dass der Untergebrachte in allen angewendeten Verfahren einer Tätergruppe zuzuordnen sei, die ein hohes Risiko hinsichtlich allgemeiner und innerpartnerschaftlicher Gewalt aufweise. Es gebe bislang keine forensisch relevanten Veränderungen im Faktor sexuelle Devianz. Im Vollzugsverhalten zeige sich der Betroffene aktuell ruhig und compliant, in der Therapie grundsätzlich reflexionsbereit (ON 17, S 22; vgl auch die Stellungnahme des behandelnden Therapeuten aaO, S 2). Im Kontakt mit den Fachdiensten sei jedoch insbesondere bei Betrachtung der sexuellen Komponente des Delikts eine Vermeidungshaltung erkennbar, wobei kognitive Verzerrungen der Bearbeitung der Risikofaktoren, insbesondere der sexuellen Devianz, entgegenstehen würden (aaO, S 23 f). Der Betroffene stehe mitten im therapeutischen Prozess, es lasse sich bisher (lediglich) bezogen auf den Faktor Kriminalität (kriminelle Persönlichkeit, Substanzmissbrauch, sozialer Empfangsraum, Impulsivität, Einhaltung von Auflagen und Weisungen) eine Veränderung feststellen. Eine bedingte Entlassung könne nicht empfohlen werden, da dann in absehbarer Zeit mit hoher Wahrscheinlichkeit eine neuerliche mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen zu erwarten sei (aaO, S 24).

Mit den auch vor dem Hintergrund des aktuellen Sachverständigengutachtens DDris. E* nachvollziehbaren und überzeugenden Einschätzungen der für die Betreuung des Betroffenen Verantwortlichen ist somit – entsprechend den Annahmen des Erstgerichts - davon auszugehen, dass sich sein psychopathologisches Zustandsbild im aktuellen Beobachtungs- und Behandlungszeitraum keinesfalls ausreichend verbessert hat, um ihm bereits eine Alternative zur Anstaltsunterbringung eröffnen zu können.

Den Beschwerdeausführungen, die damit argumentieren, dass die Sachverständige DDr. E* nicht offenlege, auf welcher Grundlage sie ihre gutachterlichen Feststellungen traf, ist entgegenzuhalten, dass die Sachverständige ihre Befundaufnahme im Gutachten ausführlich darstellt (ON 11, S 3 bis 32) und in ihrer Gutachtensergänzung (ON 18) nochmals zusammenfassend festhält, dass sich die Diagnosen aus der Anamnese, eingesehenen Gutachten/Befunden sowie der eigenen Untersuchung des Betroffenen ableiten würden.

Zum im Rechtsmittel geforderten Durchführung eines Verfahrens zur Feststellung einer Störung der Sexualpräferenz ist festzuhalten, dass die Sachverständige DDr. E* in ihrem Ergänzungsgutachten ausdrücklich darauf hinweist, dass ein derartiges spezifisches Testverfahren nicht existiere (ON 18).

Die Beschwerde stellt weiters auf die Notwendigkeit der Einholung eines weiteren psychiatrischen Sachverständigengutachtens mit dem Argument ab, dass das Gutachten von DDr. E* widersprüchlich zu in der Vergangenheit eingeholten Gutachten sei. Aus dem Umstand, dass andere Sachverständige in (mehrere Jahre zurückliegenden) Gutachten bezogen auf den Teilaspekt der Diagnose einer Störung der Sexualpräferenz zu einem anderen Ergebnis kamen, ist schon deshalb nichts zu gewinnen, da auch in früheren Gutachten vom Vorliegen einer schwerwiegenden und nachhaltigen psychische Störung iSd § 21 Abs 2 StGB und einer Gefährlichkeit des Betroffenen iSd § 21 Abs 2 StGB ausgegangen wurde. Überdies liegen die im Rechtsmittel angesprochenen früheren Gutachten mehrere Jahre zurück, der relevante Zeitpunkt zur Beurteilung der Gefährlichkeit des Betroffenen (§ 47 Abs 2 StGB) war somit jeweils ein anderer und das im Rechtsmittel erkennbar geforderte „Obergutachten“ auch aus diesem Grund nicht angezeigt. Schon mit Blick auf das lange Zurückliegen der Befundaufnahme durch die Sachverständige Mag. F* ist auch nachvollziehbar und nicht zu beanstanden, dass DDr. E* diesem Gutachten für die Erfüllung ihres Gutachtensauftrags keine Relevanz beimaß.

Zur beanstandeten Durchführung der Untersuchung via „Zoom“ lässt auch der Beschwerdeführer offen, welche ergänzenden Erkenntnisse aus seiner Befragung „in Präsenz“ zu gewinnen gewesen wären.

Die vom Betroffenen isoliert hervorgehobenen positiven Aspekte einer Verhaltensänderung im forensisch-therapeutischen Zentrum D* bzw seine Hinweise auf Fortschritte im therapeutischen Prozess übergehen die Gesamteinschätzung und ausführlich begründete Empfehlung in der Stellungnahme des FTZ D* (ON 17).

Zusammenfassend zeichnen das unbedenkliche Sachverständigengutachten von DDr. E*, die Stellungnahme des FTZ D* und die Äußerung der BEST in ihrer Gesamtschau ein in sich schlüssiges und nachvollziehbares Bild von der aktuellen Entwicklung des Gesundheitszustands des Betroffenen und bilden insgesamt eine ausreichende Grundlage für die erstgerichtliche Entscheidung, die auch inhaltlich nicht zu beanstanden ist. Der Gefährlichkeit des Betroffenen kann derzeit nicht mit entsprechenden Auflagen und Weisungen begegnet werden, insbesondere wird die (im Antrag hervorgehobene; vgl ON 2, S 2) Unterstützung durch Angehörige nicht als ausreichend betrachtet, um ein delinquenzfreies Leben außerhalb eines forensisch-therapeutischen Zentrums zu gewährleisten (vgl ON 17, S 19).

RECHTSMITTELBELEHRUNG:

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).

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