OLG Linz 8Bs35/25s

OLG Linz8Bs35/25s10.3.2025

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Mag. Reinberg als Vorsitzende und Mag. Haidvogl, BEd, sowie den Richter Mag. Grosser in der Strafsache gegen A* und einen weiteren Angeklagten wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und Abs 4 StGB über die Beschwerde des A* gegen den Beschluss des Landesgerichtes Linz vom 27. Jänner 2025, Hv*-7 in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

 

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OLG0459:2025:0080BS00035.25S.0310.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

 

 

Begründung:

Gegen A* (als Zweitangeklagten) behängt am Landesgericht Linz ein Strafverfahren wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und Abs 4 StGB. Inhaltlich des Strafantrages der Staatsanwaltschaft Linz vom 14. Jänner 2025 habe er am 9. Dezember 2024 in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung, und zwar im Verfahren St* der Staatsanwaltschaft Linz, vor der Kriminalpolizei als Zeuge bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache falsch ausgesagt, indem er bei seiner Einvernahme durch GI B* auf der PI ** zusammengefasst wahrheitswidrig angab, dass ihm der Mitangeklagte C* einen Tritt in den Bauch versetzte, wodurch er zu Boden ging und C* daraufhin sein Mobiltelefon mitgenommen habe (ON 3).

Am 23. Jänner 2024 beantragte der derzeit beschäftigungslose A* die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers, weil er außer Stande sei, ohne Beeinträchtigung seines und des für seine Familie notwendigen Unterhaltes die Kosten seiner Verteidigung zu tragen. Er beantrage die Verteidigerbeigebung wegen der schwierigen Sach- oder Rechtslage (ON 4).

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 27. Jänner 2025 wies das Landesgericht Linz den Antrag auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers ab, dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass es sich im vorliegenden Fall nicht um eine schwierig zu klärende Sach- und Rechtslage handelt, da der Aktenumfang und -inhalt überschaubar sei (ON 7).

Mit seinem postalisch übermittelten Schreiben vom 6. Februar 2025 brachte A* vor, dass er seine ursprünglich getätigte Aussage in seiner zweiten Vernehmung vor der Polizei korrigiert habe. Seit Jahren seien die Zeugen gegen ihn und er glaube nicht, dass diese die Wahrheit sagen würden. Er „widerspreche“ (ON 11).

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 13. Februar 2025 wurde A* von der Erstrichterin darauf hingewiesen, dass sich aus dem Inhalt seines Schreibens vom 6. Februar 2025 nicht ergebe, dass er eine Beschwerde gegen den hier gegenständlichen Beschluss erheben wolle. Daraufhin stellte A* klar, dass er mit seiner Eingabe vom 6. Februar 2025 sehr wohl die Anfechtung des Beschlusses über die Abweisung des Antrags auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers anstrebe (ON 15,3).

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Wie das Erstgericht richtigerweise anführt, bestimmt § 61 Abs 2 StPO neben dem wirtschaftlichen Unvermögen, bei dem zu einfacher Lebensführung notwendigen Unterhalt nicht die gesamten Kosten der Verteidigung tragen zu können, dass ein Verfahrenshilfeverteidiger beizugeben ist, wenn und soweit dies im Interesse der Rechtspflege, vor allem im Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung, erforderlich ist. Jedenfalls erforderlich in diesem Sinne ist die Beigebung eines Verteidigers in den Fällen des § 61 Abs 1 StPO (notwendige Verteidigung; Z 1), darüber hinaus dann, wenn der Beschuldigte schutzbedürftig und deshalb nicht in der Lage ist, sich selbst zu verteidigen (Z 2), für das Rechtsmittelverfahren aufgrund einer Anmeldung einer Berufung (Z 3) und bei schwieriger Sach- oder Rechtslage (Z 4).

Was als schwierige Sach- und Rechtslage im Sinne des § 61 Abs 2 Z 4 StPO anzusehen ist, hat der Gesetzgeber nicht definiert, vielmehr dem Gericht einen Spielraum zur sachgerechten Einzelfallbeurteilung eröffnet. Bei dessen Ausfüllung muss sich das Gericht vor allem am Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung orientieren (Soyer/Schumann in Fuchs/Ratz, WK StPO § 61 Rz 66). So kann unter anderem die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers wegen schwieriger Sach- oder Rechtslage bei komplexer Beweiserhebung oder Klärung von Tatfragen durch Sachverständige, bei aufwändig bzw. schwierig zu klärenden Tat- bzw. Rechtsfragen oder bei Glaubwürdigkeitsbeurteilungen von Zeugen mit sachverständiger Hilfe, zusammengefasst also bei Verfahrensabläufen, die den Beschuldigten formell oder materiell überfordern würden, erforderlich sein (Haißl in Schmölzer/Mühlbacher, StPO I § 61 Rz 24).

Die danach vorzunehmende Einzelfallabwägung lässt im vorliegenden Fall – in Übereinstimmung mit dem Erstgericht – eine Bewertung der Sach- oder Rechtslage als schwierig nicht zu. Die dem Angeklagten zur Last gelegte strafbare Handlung ist durchschnittlichen Gewichts, die Rechtslage ist eindeutig und auch die Sachverhaltsebene ist mit Blick auf die bisherigen Zeugenangaben im Zusammenhalt mit der Verantwortung des Angeklagten, der sich dahin geständig zeigte, in seiner ersten Vernehmung vom 9. Dezember 2024 nicht richtig ausgesagt zu haben (ON 2.8), ohne Hinweis auf ein schwieriges Beweisverfahren. Zudem ist hier kein weiterer Fall des in § 61 Abs 2 Z 1 bis 3 StPO aufgezählten Katalogs indiziert.

Da allerdings der Katalog des § 61 Abs 2 Z 1 bis 4 StPO keine abschließende Regelung der Beigebungsfälle darstellt (arg. „jedenfalls erforderlich“), sind auch weitere Fälle der Erforderlichkeit der Verfahrenshilfegewährung systemlogisch denkbar. Droht in einem Strafverfahren eine Freiheitsstrafe als Sanktion, ist grundsätzlich eine anwaltliche Vertretung im Interesse der Rechtspflege indiziert (Wiederin in Fuchs/Ratz, WK StPO § 6 Rz 93).

Das hier strafsatzbestimmende Vergehen der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und 4 StGB ist mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bedroht. Der Beschwerdeführer weist jedoch keinerlei Vorstrafen auf (ON 10), weshalb selbst im Falle eines strafantragskonformen Schuldspruchs die Verhängung einer Haftstrafe als nicht wahrscheinlich erscheint. Fallkonkret ist daher auch aus diesem Grund eine anwaltliche Verteidigung nicht im Interesse der Rechtspflege geboten. Die Prüfung der finanziellen Voraussetzungen für die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers kann daher bereits aufgrund fehlender Erforderlichkeit im Sinne einer zweckentsprechenden Verteidigung unterbleiben.

 

RECHTSMITTELBELEHRUNG:

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).

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