OLG Linz 12Rs72/23d

OLG Linz12Rs72/23d13.9.2023

Das Oberlandesgericht Linz hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Barbara Jäger als Einzelrichterin (§ 8a JN) in der Rechtssache der klagenden Partei A*, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, vertreten durch ihren Angestellten Dr. E*, Landesstelle Salzburg, wegen Berufsunfähigkeitspension, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Gebührenbeschluss des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 1. Juli 2023, 15 Cgs 105/21h-59, beschlossen:

 

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OLG0459:2023:0120RS00072.23D.0913.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahin abgeändert, dass er insgesamt zu lauten hat:

Die Gebühren der Sachverständigen Dr. G*, gerichtlich beeidete Sachverständige für Neurologie und Psychiatrie in  C*, werden wie folgt bestimmt:

a) Für die Erstattung des Gutachtens vom 23. Oktober 2021 (ON 7)

Psychiatrische Untersuchung/Gutachten

§ 43 Abs 1 Z 1 lit d GebAG

EUR

116,20

Neurologische Untersuchung/Gutachten

§ 43 Abs 1 Z 1 lit d GebAG

EUR

116,20

Gesamtgutachten

§ 34 GebAG

EUR

34,90

Schreibgebühr 29 Seiten Urschrift à EUR 2,00

§ 31 Abs 1 Z 3 GebAG

EUR

58,00

Aktenstudium zur Vorbereitung des Gutachtens

§ 36 GebAG

EUR

44,90

Manipulativer Mehraufwand ERV

§ 31 Abs 1a GebAG

EUR

12,00

Sonstige Kosten

§ 31 Abs 1 Z 5 GebAG

EUR

25,00

Zeitversäumnis

§ 32 Abs 1 GebAG

EUR

22,70

Zwischensumme

 

EUR

429,90

20 % USt

§ 31 Abs 1 Z 6 GebAG

EUR

85,98

Gesamtsumme (gerundet)

§ 39 Abs 2 GebAG

EUR

516,00

    

 

b) Für die Erstattung des Ergänzungsgutachtens vom 15. Juni 2023 (ON 43)

Psychiatrische Untersuchung/Gutachten

§ 43 Abs 1 Z 1 lit d GebAG

EUR

116,20

Neurologische Untersuchung/Gutachten

§ 43 Abs 1 Z 1 lit d GebAG

EUR

116,20

Gesamtgutachten

§ 34 GebAG

EUR

34,90

Schreibgebühr 50 Seiten Urschrift à EUR 2,00

§ 31 Abs 1 Z 3 GebAG

EUR

100,00

Aktenstudium zur Vorbereitung des Gutachtens

§ 36 GebAG

EUR

44,90

Manipulativer Mehraufwand ERV

§ 31 Abs 1a GebAG

EUR

12,00

Sonstige Kosten

§ 31 Abs 1 Z 5 GebAG

EUR

25,00

Zeitversäumnis

§ 32 Abs 1 GebAG

EUR

22,70

Zwischensumme

 

EUR

471,90

20 % USt

§ 31 Abs 1 Z 6 GebAG

EUR

94,38

Gesamtsumme (gerundet)

§ 39 Abs 2 GebAG

EUR

566,00

    

 

Die Buchhaltungsagentur des Bundes wird angewiesen, den Betrag von EUR 516,00 (in Worten: fünfhundertsechzehn Euro und null Cent) und EUR 566,00 (in Worten: fünfhundertsechsundsechzig Euro und null Cent) an die Sachverständige nach Rechtskraft dieses Beschlusses auf deren Konto mit der IBAN **, BIC ** zu überweisen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

 

Begründung:

Mit Gebührennote vom 23. Oktober 2021 (ON 8) begehrte die Sachverständige für die Erstellung ihres Gutachtens eine Gesamtgebühr in Höhe von EUR 551,88 brutto. Nach neuerlicher Untersuchung der klagenden Partei verfasste sie ein weiteres Gutachten und verzeichnete mit Gebührennote vom 16. Juni 2023 Gebühren in Höhe von EUR 623,88 brutto (ON 44). Dabei verrechnete sie als sonstige Kosten – unter Berufung auf § 31 Abs 1 Z 3 GebAG in Höhe von EUR 0,60 pro Seite – den Aufwand für 50 bzw 80 Seiten als „Kopie des Gerichtes download“. Gemeint sind damit Kosten für die Erstellung von Ausdrucken aus dem via ERV übermittelten Gerichtsakt.

Die Beklagte erhob gegen die Verzeichnung von EUR 30,00 zuzüglich 20% USt für das erste und EUR 48,00 zuzüglich 20% USt für das zweite Gutachten Einwendungen und führte dazu aus, weder bestehe eine rechtliche Grundlage noch eine sachliche Notwendigkeit für die Anfertigung von Kopien aus dem Gerichtsakt. Die Sachverständige sei zur Teilnahme am ERV verpflichtet und ein Download von Teilen des Aktes verursache keine Kosten. Weder ein allfälliges Augenleiden noch ein Gutachtermangel könnten bei der Gebührenbestimmung nach dem GebAG berücksichtigt werden (ON 49).

Die Sachverständige verwies in ihrer Stellungnahme auf die ständige Rechtsprechung, wonach ihr für die Anfertigung von Aktenkopien für den persönlichen Gebrauch bzw für den Handakt ein Kostenersatz zuzuerkennen sei. Aufgrund ihrer höhergradigen Myopie seien Kopien unbedingt erforderlich, da ein längeres Lesen am Bildschirm nicht möglich sei (ON 58).

Mit dem angefochtenen Beschluss (ON 59)bestimmte das Erstgericht die Gebühren der neurologisch-psychiatrischen Sachverständigen in der begehrten Höhe und verwies darauf, dass Kosten für Kopien für den Handakt ebenso wie Kopien von mitgebrachten Fremdbefunden des Patienten zu ersetzen seien. Der Sachverständigen, der der Akt zur Erstattung des Gutachtens nicht (gemeint: in Papierform) zur Verfügung stehe, sei zuzubilligen, dass sie die für die Erstellung von Befund und Gutachten notwendigen Aktenteile kopiere, um auch in Zeiten, in denen ein Zugang zum ERV nicht möglich sei, in den Handakt Einsicht nehmen zu können. Zum einen sei die Aktenfreischaltung zeitlich begrenzt und zum anderen funktioniere die Internetverbindung, wie der Verhandlungsalltag zeige, nicht immer störungsfrei. Die Option eines jederzeitigen Einsteigens in das System des elektronischen Aktes, etwa bei mündlichen Gutachtenserörterungen, scheide daher aus. Hinzu kämen das Augenleiden der Sachverständigen und der notorische Gutachtermangel, was die Bearbeitung mehrerer Gutachten pro Tag erforderlich und nur mittels elektronischer Akteneinsicht unzumutbar mache. Die Einsichtnahme in den PDF-Akt ergebe 558 Seiten, sodass mit 130 Seiten nicht undifferenziert ausgedruckt worden sei.

Gegen den Gebührenzuspruch in Höhe von EUR 78,00 (130 Seiten à EUR 0,60) zuzüglich 20% USt richtet sich der rechtzeitige Rekurs der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Reduzierung des Gebührenbetrages für das erste Gutachten auf EUR 516,00 und für das zweite Gutachten auf EUR 566,00.

Die Sachverständige beteiligte sich nicht am Rekursverfahren.

Der Rekurs ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1 Die Beklagte macht wie bereits in ihrer Äußerung zur Gebührennote in erster Instanz geltend, es bestehe im GebAG keine rechtliche Grundlage für eine Gebühr wegen einer höhergradigen Myopie oder wegen eines Gutachtermangels. Auch eine sachliche Notwendigkeit für „die Anfertigung eines gesonderten downloads des Gerichtsaktes“ bestehe nicht, da eine gute ERV-Verbindung in der Stadt C* gerichtsbekannt sei. Jedenfalls seien die 50 bzw 80 Seiten nicht nachvollziehbar aufgeschlüsselt und die „Höhe eines downloads“ sei mit EUR 0,00 pro Seite anzusetzen.

2.1 Gemäß § 31 Abs 1 Z 1 GebAG sind einem Sachverständigen die mit der Erfüllung seines Gutachtensauftrages notwendigerweise verbundenen Materialkosten für die Anfertigung von (unter anderem) Kopien und Ausdrucken zu ersetzen.

2.2 Gestützt auf diese Bestimmung wird von der Rechtsprechung den Sachverständigen ein Ersatz der Kosten für die Anfertigung von Aktenkopien für deren persönlichen Gebrauch zuerkannt, wobei dies auf die Kosten der für die Erstellung von Befund und Gutachten notwendigen Ablichtungen beschränkt ist (Krammer/Schmidt/Guggenbichler, GebAG4 § 31 E 25, 31 je mwN).

Hintergrund für diese zum Papierakt entwickelte Rechtsprechung war, dass ein Sachverständiger den Akt nicht dauerhaft zur Verfügung hatte, sondern diesen nach der Gutachtenserstattung dem Gericht retournieren musste, sodass er die Möglichkeit haben sollte, sich einen entsprechenden Handakt anzulegen und zu archivieren. Dies war für mündliche Gutachtenserörterungen und allfällige spätere Rückfragen oder Haftungsansprüche durchaus sinnvoll und rechtfertigte eine Kostenbelastung für die Verfahrensparteien.

3.1 Streitpunkt im vorliegenden Fall ist nunmehr die Frage, ob diese Rechtsprechung auch auf den elektronischen Akt zu übertragen ist.

Sachverständige sind gemäß § 89c Abs 5a GOG nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr verpflichtet. Die im vorliegenden Fall bestellte Sachverständige nimmt daran teil und beruft sich auch auf keine der im Gesetz genannten Ausnahmebestimmungen (etwa unverhältnismäßiger Aufwand wegen der geringen Anzahl an Gutachten, für eine elektronische Übermittlung untauglicher Gutachtensgegenstand etc). Als Entschädigung für den mit dem ERV verbundenen Aufwand normiert § 31 Abs 1a GebAG einen Betrag von EUR 12,00 für die Übermittlung des Gutachtens. Dieser Betrag wurde der Sachverständigen auch zuerkannt.

3.2 Die Sachverständige wurde zugleich mit ihrer Bestellung zur elektronischen Akteneinsicht freigeschaltet (ON 4) und hatte daher ab diesem Zeitpunkt die Möglichkeit, beliebig oft und lange in den Gerichtsakt Einsicht zu nehmen.

Sinn der Umstellung auf einen digitalen Akt ist eine effiziente und kostensparende Arbeitsweise, welche dadurch konterkariert würde, dass die zur vollständigen Akteneinsicht Freigeschalteten den Akt wiederum in Papierform ausdrucken. Dies bleibt einem Sachverständigen freilich unbenommen, allerdings stellt der Aufwand dafür keine ersatzfähigen Kosten gemäß § 31 GebAG dar (OLG Wien 18 Bs 153/23s mwN).

Derartige Kosten könnten dann zu ersetzen sein, wenn aus bestimmten fachlichen Gründen Papierausdrucke erforderlich sind (vgl OLG Graz zu 6 R 6/18a zum Ausdrucken von Plänen wegen der begrenzten Bildschirmgröße).

Im Unterschied zu einem Papierakt ist ein digitaler Akt auch nicht nach der Gutachtenserstattung an das Gericht zu retournieren, sondern es kann durch das jederzeit mögliche Herunterladen als PDF-Akt auch eine Speicherung und Archivierung erfolgen, sodass der gesamte Akt dauerhaft zur Verfügung steht. Das Argument, es bestünde nicht immer ein ERV-Zugang oder eine störungsfreie Internet-Verbindung und daher sei die Herstellung eines Handaktes erforderlich, ist daher nicht tragfähig.

Erfolgt das Ausdrucken von Teilen des digitalen Aktes lediglich aufgrund der persönlich bevorzugten Arbeitsweise eines Sachverständigen, gebühren dafür keine gesonderten Kosten.

3.3 Kein im GebAG abgebildetes Kriterium für die Gebührenbestimmung ist eine etwaige Kurzsichtigkeit der Sachverständigen. Die individuelle Disposition kann ebenso wenig wie die persönliche Arbeitsweise zulasten der Verfahrensparteien eine höhere Gebühr rechtfertigen. Die Buchstabengröße lässt sich im digitalen Akt verändern und man kann – wie auf Papier – Markierungen vornehmen oder Kommentierungen anbringen.

3.4 Noch weniger kann es für die Höhe der Gebühr auf die Dichte der zur Verfügung stehenden Gutachter ankommen. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, auf den allgemein bekannten Gutachtermangel im medizinischen Bereich mit entsprechend attraktiven Gebühren zu reagieren.

4 Wenn daher die Sachverständige 130 Seiten aus dem digitalen Akt ausgedruckt hat, weil sie diese Aktenteile für relevant befunden und die Papierform für die Ausarbeitung ihres Gutachtens bevorzugt hat, ist das nachvollziehbar, aber Kostenersatz gemäß § 31 Abs 1 Z 1 GebAG gebührt hiefür keiner, weil diese Kosten für die Erfüllung des Gutachtensauftrags nicht notwendig sind.

Die beiden Gebührennoten sind daher um EUR 30,00 für 50 Seiten bzw EUR 48,00 für 80 weitere Seiten, jeweils zuzüglich 20% USt, zu kürzen. Der angefochtene Beschluss ist in diesem Sinne abzuändern.

5 In Streitigkeiten über Sachverständigengebühren ist ein Revisionsrekurs gemäß § 528 Abs 2 Z 5 ZPO jedenfalls unzulässig.

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